Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht mehr jenes Land welches sich dem Besucher Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts präsentierte. Perfekt war das Land nie, es gab immer grosse Probleme. Kriege, Sklaven, Rassenunruhen und die Banken waren seit dem ersten Tag an der ständige Begleiter der USA.
Das Amerika welches wir heute erleben, ähnelt erschreckend stark der Beschreibung - man könnte sogar fast schon Prophezeiung sagen - einer demokratischen Entwicklung wie sie Alexis de Toqueville beschrieb. Geboren als Spross einer französischen Adelsfamilie, reiste Toqueville 1831 im Auftrag des französischen Innenministeriums in die USA um das dortige Gefängniswesen zu studieren. Nach seiner Rückkehr schrieb er eines der berühmtesten Bücher über die Vereinigten Staaten: Von der Demokratie in Amerika.
Darin beschreibt er Vorteile und Nachteile der Demokratie in den USA und unter anderem auch ein Kapitel, welches von der Gefahr des Despotismus für demokratische Nationen handelt. So schrieb Toqueville:
"Ich habe während meines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten bemerkt das ein demokratischer Staat der Gesellschaft, ähnlich dem der Amerikaner, möglicherweise einzelne Einrichtungen zur Errichtung von Despotismus bietet." "Es scheint wenn Despotismus in demokratischen Nationen unserer Zeit errichtet würde, dieser einen anderen Charakter annehmen würde (als in der Antike); er wäre umfangreicher und milder, er würde Männer (das Volk) entwürdigen ohne sie zu quälen. Ich bezweifle nicht, dass in einer Zeit der Bildung und Gleichheit wie der unserer eigenen, es den Souveränen (die Staatsführer) leichter gelingen könnte sämtliche politische Macht in die eigenen Hände zu sammeln, und somit gewohnheitsmässig und entschieden in den Kreis der privaten Interessen eingreifen, wie es ein Souverän aus der Antike niemals hätte tun können."
Vergleicht man die Überwachungsprogramme der Amerikaner und Briten die Edward Snowden nun enthüllt hat, mit den Worten von Alexis de Toqueville welche er vor über 170 Jahren geschrieben hat, kommt man nicht umhin als diese Parallele von seiner damaligen Feststellung zur heutigen Gegenwart anzuerkennen.
Die politische Macht wurde tatsächlich vom Weissen Haus aus den Händen der Bürgerinnen und Bürger entrissen, ohne dass sie es überhaupt also solches bemerkt haben. Natürlich gibt es Menschen, Gruppen und Organisationen die sich dessen bewusst sind und dagegen ankämpfen. Aber sie sind in der Minderheit. Die überwiegende Mehrheit hat den Sinn und Zweck der Demokratie - und die eigene Macht des Volkes vergessen. Nach den wirklich strategischen Debakeln der USA im letzten Jahrzehnt haben viele Menschen auf der ganzen Welt gehofft, dass das amerikanische Volk aufwacht und die eigene Regierung an ihre Pflicht erinnert. Doch davon war bisher wenig bis nichts zu spüren. Zwangsläufig stellt man sich die Frage wie so etwas sein kann, wie es die Amerikaner zulassen können das ihr Land so schnell an Einfluss und Glanz auf der Welt verloren hat, wie die eigenen Politiker sich öffentlich demütigen lassen müssen wie das Beispiel von Verteidigungsminister Chuck Hagel deutlich zeigte, oder wie die eigene Regierung einen totalen Überwachungsstaat aufbauen konnte wo scheinbar alles und jeder ausspioniert werden kann.
Auf diese Frage hatte Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, eine Antwort die zum Nachdenken anregen sollte. Er führte ein Interview mit dem Magazin The National Interest und es ging dabei um die Absicht der USA, Waffenlieferungen an die syrischen "Rebellen" zu liefern. Auf die Frage des Moderators wie es sein kann, dass nach dem Debakel des Irak-Krieges die aussenpolitische Debatte so verzerrt sein kann, antwortete Brzezinski:
"Sie (die Amerikaner) nehmen an das ein paar wenige Waffen von dieser oder jener Sorte (an die syrischen "Rebellen") das erreichen werden was sie (die Amerikaner) wirklich wollen, nämlich einen Sieg für eine Gute Sache, ohne aber zu verstehen dass die versteckte Komplexität uns nur noch mehr und noch mehr hineinsaugen wird, das wir womöglich in einen grossen regionalen Krieg involviert werden, in einer Region welche uns noch feindlicher gesinnt sein wird als es viele Araber derzeit ohnehin schon sind, dass es ein Desaster für uns sein könnte. Das ist aber nicht ein Blickwinkel den ein durchschnittlicher Amerikaner, der nicht wirklich viel über das Weltgeschehen liest, ganz begreifen kann. Dies ist ein Land mit ehrlichen Gefühlen, aber schlechten Kenntnissen und wenig Kultiviertheit über die Welt."
Es hört aber nicht nur beim "durchschnittlichen Amerikaner" auf, ganz im Gegenteil. Geblendet von der eigenen Macht und dadurch einer vollkommen unrealistischen Selbsteinschätzung unterlegen, zieht sich dieses verzerrte Weltbild wie ein roter Faden bis in die höchsten Kreise hinauf. Wie sonst lässt es sich erklären, dass Reporter von einem Erfolg in Libyen sprechen weil dort der Präsident mit Entschlossenheit gehandelt hat, obwohl im selben Bericht die Begründung des Krieges, nämlich der Abschlachtung von Zivilisten in Benghazi und Massenvergewaltigungen durch Qaddhafi`s Truppen, in Zweifel gezogen wird? Wie genau definiert sich der Erfolg in Libyen? In der Ermordung von Qaddhafi: Ziel erreicht , in der Demokratisierung oder Verbesserung oder Stabilität des Landes: Ziel weit verfehlt!
Ganz aktuell zeit sich diese Verblendetheit mit dem Fall von Edward Snowden der sich offensichtlich noch immer in Moskau aufhält. US-Aussenminister John Kerry fand keinen anderen Weg oder keine anderen Worte, als China und Russland zu warnen damit sie den Whistleblower aushändigen. Was andernfalls passieren sollte liess Kerry aus, aber was für eine Konsequenz könnte die USA denn auch durchsetzen? Ein Land mit Schulden von 16.9 Billionen US-Dollar, von denen 8% den Chinesen gehören und das Riesenreich somit zum Drittgrössten Gläubiger der USA (und grösster ausländischer Gläubiger) aufgestiegen ist. Washington ist schlichtweg nicht in der Position diesen Ländern irgendwelche Konsequenzen anzudrohen. Die Drohung ist nur für die amerikanische Bevölkerung gedacht damit der Schein der Supermacht gewahrt bleibt.
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