Freitag, 16. August 2013

Saudi Arabien in Panik

Nichts verdeutlicht mehr wie sehr sich Saudi Arabien in Panik befindet, als der Besuch des mittlerweilen legendären Geheimdienstchefs der Saudis, Prinz Bandar bin Sultan bin Abdulaziz, bei dem russischen Präsidenten Vladimir Putin in Moskau. Bandar bin Sultan, oder auch Bandar Bush wie ihn manche aufgrund seiner intimen Nähe zum Bush Clan nennen, war von 1983 bis 2005 saudischer Botschafter in Washington und DIE Adresse für sämtliche US-Administrationen, wenn es darum ging, Geld für irgendwelche Aktivitäten der Amerikaner aufzutreiben die der eigene Kongress niemals bewilligt oder zumindest nicht in diesem Umfang zur Verfügung gestellt hätte. Ob das der Krieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan war, der Iran-Irak Krieg in den 1980er Jahren, Bestechung von Diktatoren in Schwarz-Afrika, der Golfkrieg von 1991 oder die Irak Invasion 2003, es war immer Prinz Bandar der die Wünsche des Weissen Hauses an das Haus Saud in Riad übermittelte und dafür sorgte, dass die Beziehung zwischen den USA und Saudi Arabien nicht an Stabilität verliert. Im Gegenzug erhielt er Waffensysteme wie die Kampfjets F15 oder die Aufklärungssysteme wie AWACS, die trotz massivsten Grabenkämpfen zwischen Weissem Haus und der zionistischen Lobby und deren ungeheuerlichen Einfluss im Kongress geliefert wurden.




Russland wurde von den Saudis während des Kalten Krieges stets als Gottloser Staat bezeichnet, und Moskau galt als "Hauptstadt des kommunistischen Atheismus" welcher mit Hilfe der USA bekämpft werden muss.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Prinz Bandar kann im Weissen Haus nicht mehr ein und ausgehen wie und wann er es wollte. Obwohl er nach wie vor einige sehr überzeugende Argumente der engen Beziehungen zwischen den USA und Saudi Arabien in der Hand hält (siehe Bericht), musste er doch festhalten dass nicht nur die Zeit des freien Zutritts im Weissen Haus vorbei ist, sondern auch die Zeit des amerikanischen Interesses an der "Transformation des Mittleren Ostens" Irakischer Bauart.

Die ausschliessliche Wette auf das amerikanische Pferd ist in Riad längst kein Thema mehr, zu sehr sitzt noch der Schock im Nacken wie schnell die Amerikaner einen langjährigen Partner (-Diktator) wie den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak fallen gelassen haben und wie zögerlich sich Washington im Umgang mit dem Erzrivalen Iran gibt. Zwar wurde mit grösster Freude das "Geschenk" Obamas angenommen, nämlich die alleinige Herrschaft über Syriens "Rebellen", egal welcher Ausrichtung. Nach dem Zusammenbruch der Herrschaft der Muslimbruderschaft in Ägypten und der "in die Schranken Weisung Qatars", bedurfte es der starken Hand Saudi Arabiens um den Einfluss Irans und auch Russlands zu durchbrechen.  Doch weit gefehlt. Trotz des immer grösser werdenden Stromes von wahhabitischen Jihadisten nach Syrien, sitzt Syriens Präsident Bashir al-Assad fester im Sattel als am Anfang des Krieges vor zwei Jahren und weiss eine Mehrheit der syrischen Bevölkerung hinter sich. Das alles ist natürlich auch den Saudis bekannt.

Und das ist genau das Problem welches Prinz Bandar hat. Syrien ist nunmal nicht Afghanistan von 1979 wo die Bevölkerung sich der Eindringlinge entledigen wollte und sich deshalb auf die Seite der Mujahedeen stellte, welche wiederum von Saudi Arabien und den USA finanziert und ausgerüstet wurden. Damals wie heute strömten Jihadisten aus vielen Ländern zum Kriegsschauplatz, und wieder findet sich Saudi Arabien in der Rolle des Financiers der Jihadisten. Der grosse Unterschied von Afghanistan zu Syrien ist aber, dass diese Jihadisten damals als Mujahedeen im Westen verehrt wurden die es mit der Supermacht UdSSR aufnahmen. Doch heute nimmt man sie nicht mehr als Helden wahr, sondern als Terroristen die unschuldige Menschen auf grausamste Art und Weise abschlachten. Diese Sichtweise teilt auch der grösste Teil der syrischen Bevölkerung, weswegen sie diese ausländischen Kämpfer nicht unterstützen. Und solange Präsident Assad auch weiterhin militärisch so robust durch Russland und dem Iran unterstützt wird, sind die Pläne von Saudi Arabien von vornherein zum Scheitern verurteilt.

"Money counts, millions even more" ist ein beliebtes Motto der Saudis und öffnete dem Königreich viele Türen in den Hauptstädten wie London, Washington, Paris und Berlin. Zuletzt sah man dieses Schema in Kairo, als eine Delegation aus Saudi Arabien kurz nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi nach Ägypten reiste und mal eben 5 Milliarden US-Dollars Soforthilfe im Gepäck hatte.
In London, Washington, Paris und nicht zuletzt auch Berlin sind diese Praktiken ebenfalls nichts Neues, nur verkaufen sie nicht die Souveränität ihrer Länder sondern Waffen. Und mit diesen Waffen folgen die Schmiergelder auf dem Fusse, in Form von Kickback-Zahlungen, Vermittlergebühren oder Bartergeschäften (beispielsweise Waffen für Öl). In den 1980er Jahren war es Grossbritannien unter der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher, das skandalöse Geschäfte mit Saudi Arabien betrieb. Thatcher schreckte nicht einmal davor zurück internationale Waffenhändler in der Downing Street 10 zu bewirten, um den Deal mit den Saudis perfekt zu machen. Dieser Deal, der sagenumwobene Al-Yamamah Deal, brachte für das britische Rüstungsunternehmen Britisch Aerospace (BAE) einen Langzeitvertrag über 20 Jahre und einen fantastischen Umsatz von ca. 150 Milliarden US-Dollars (nach Schätzungen des langjährigen Vorsitzenden von BAE, John Cahill).
Gross verdient hat dabei auch niemand geringeres als Prinz Bandar, der, ähnlich wie später in Washington auch, in London bei den Premierministern immer eine offene Tür vorfand und eine erhebliche Rolle bis zum Abschluss des Al-Yamamah Vertrags spielte. Berichten zufolge sollen dabei etwa 30 Millionen US-Dollars auf sein Konto in Washington geflossen sein, was heute ca. 43 Millionen EURO entsprechen würde.

Und genau dieses Muster versuchte Prinz Bandar nun in Moskau bei Vladimir Putin anzuwenden, nach dem Motto "was seit Jahrzehnten im Westen sehr gut funktioniert hat, wird auch im Osten funktionieren". Dem saudischen Geheimdienstchef ging es darum, Russland aus Syrien mit Geld und Versprechungen wegzuködern, damit Moskau seine militärische wie auch politische Unterstützung für Syrien fallen lässt. Nur so wäre der Weg frei für eine offene Intervention des Westens in Syrien, und im Gegensatz zur Irak Invasion von 2003 sehr wahrscheinlich mit UN-Mandat.
Dass Bandar aber überhaupt nach Moskau geflogen ist, obwohl nur einen Monat zuvor der saudische Aussenminister Prinz Saud al-Faisal Russland beschuldigt hat, durch die militärische Unterstützung den "Genozid am syrischen Volk" zu betreiben, zeigt in welcher verzweifelten Lage sich Saudi Arabien befindet.
Der saudische Aussenminister selbst gewährte der Welt Einblick in die Weltanschauung des Herrscherhauses in Riad. Bei einer Pressekonferenz mit US-Aussenminister John Kerry sagte er:
"Syrien ist ein okkupiertes Land unter einer ausländischen Invasion, mit Waffenlieferungen aus Russland und der Hezbollah Miliz, was im Widerspruch jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen steht".
Ausländische Invasion? Widerspruch jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen? Ich bin mir 100%ig sicher dass Prinz Saud al-Faisal noch nie einen syrischen Bürger nach seiner Meinung gefragt hat, wen dieser wohl als ausländischen Eindringling betrachtet der unter Missachtung jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen seine Landsleute umbringt.
Bandar bin Sultan weiss das aber mit Sicherheit und dennoch teilt er mit dem Rest des Herrscherhauses al-Saud die Angst und den Hass vor und auf den Iran, beziehungsweise die direkt involvierte Hezballah in Syrien. Nichts und niemand kann offensichtlich diese Partei Gottes aufhalten, nicht einmal Israel als die militärische Übermacht im Nahen Osten. Und wie soll es da erst Saudi Arabien schaffen? Bandar weiss dass die Jihadisten militärisch ebenfalls nichts ausrichten können, solange sie nicht über entsprechende Waffen verfügen. Er scheint aber einen Plan B für sie zu haben, sollte Widererwarten doch etwas unvorhergesehenes passieren und Bashir al-Assad entweder abdankt oder sonstwie aus dem Weg geräumt wird. Wie sonst könnte man die Worte Bandar`s an Putin verstehen, als er sagte dass "egal welches Regime nach Assad kommt, es wird komplett in Riad`s Händen sein". Angesichts dessen das sich Saudi Arabien nicht nur vor dem Iran und der Hezballah fürchtet, sondern auch vor den wahhabitischen Zeloten in Syrien dass diese nach dem Krieg in Syrien es auf die korrupte Monarchie selbst absehen, ist es nicht weit hergeholt die Hypothese aufzustellen, dass die Jihadisten ein eigenes Staatengebilde als Prämie für den Pakt mit Saudi Arabien erhalten.

Das aber Saudi Arabien mit ihrer Weltanschauung und der daraus justierten Politik eben genau dafür erst sorgt, dass der Iran, aber auch die Hezballah immer mehr auch ausserhalb ihrer Grenzen an Einfluss gewinnt, scheint noch nicht wirklich richtig verstanden worden zu sein. Das bestätigt auch Faisal Itani vom Hariri Center des Atlantic Council`s, einem einflussreichen Think Tank. Itani beschreibt die Reaktionen der GCC-Länder (Gulf Cooperation Council = Saudi Arabien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Qatar, Bahrain, Oman) auf die Intervention der Hezballah in Syrien, wobei sich die Reaktion auf blosse Abschiebung von libanesischen Gastarbeitern beschränkt die der schiitischen Glaubensrichtung angehören. Mit diesen Massnahmen wollen die GCC-Länder, angeführt von Saudi Arabien, die Hezballah zum Einlenken in Syrien bewegen. Die Kalkulation dahinter ist, wenn tausende Libanesen ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit verlieren, wird die libanesische Regierung schon genügend Druck auf die Hezballah ausüben um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Diese Strategie basiert aber nicht nur auf Rassismus und Diskriminierung der übelsten Sorte, sondern hat auch schon früher nie zum "Erfolg" geführt. Israel hat diese Taktik bereits mehrere Male angewendet als es sogar mit Krieg, Zerstörung und Mord gegen die schiitische Bevölkerung im Süd-Libanon vorgegangen ist, nur um politischen Druck auf die "anderen" im Libanon zu erhöhen etwas gegen die Hezballah zu unternehmen. Es ist ganz einfach eine Realität die nicht durch Wunschdenken verändert werden kann: die Hezballah ist zu einem organischen Teil des Libanons geworden.
Diese Deportationen (es ist nichts anderes als das) von schiitischen Libanesen aus den GCC-Ländern werden nur dazu führen, dass die Hezballah noch grösseren Zulauf und Zuspruch erhält und zwar nicht nur von Schiiten die nichts ausser vielleicht Sympathie mit der Partei Gottes verbindet, sondern auch von Libanesen anderer Religionszugehörigkeiten. Von der Nutzung dieser Deportationen für die iranische Propaganda gar nicht erst zu sprechen.

Ein weiteres Zeichen wie sehr sich das Haus Al-Saud in Panik befindet beschreibt niemand anderes als ein Mitglied des Herrscherhauses selbst. Prinz Khalid bin Farhan al-Saud, sagte sich vor Kurzem von einem Leben in Saus und Braus los und beschuldigte die saudischen Herrscher, das Land Saudi Arabien wie ihr eigenes, persönliches Eigentum zu behandeln und jegliche kritische Stimme zum Schweigen zu bringen. Er sagt dass sich etwa 30`000 politische Gefangene in den saudischen Gefängnissen befinden, die zum Teil gefoltert oder getötet werden. Ein Beispiel wie brutal die Saudis gegen jegliche Form von Kritik vorgehen, ist die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi aufgrund seiner angeblichen Beleidigung des Islams. Die Strafe: 600 Peitschenhiebe und 7 Jahre Gefängnis.
Selbst Amnesty International hält in ihrem provisorischen Jahresbericht von 2013 fest, dass die saudischen Behörden massiv gegen politische Aktivisten vorgehen und es bisher zu 79 berichteten Hinrichtungen kam.


Das sind nicht gerade die Art von Nachrichten die Deutschland von einem der wichtigsten Partner der deutschen Rüstungsindustrie hören will (nur die Vereinigten Arabischen Emirate kaufen noch mehr deutsche Waffen als Saudi Arabien). Der Deal mit den Leopard II. Panzern ist Deutschland bereits wegen der grossen Aufregung deswegen durch die Lappen gegangen. Wenn noch mehr solche negativen Nachrichten aus Saudi Arabien kommen darf Frau Merkel davon ausgehen, dass die Opposition zu solchen Waffenverkäufen nicht kleiner wird. Dabei sollte doch Saudi Arabien gemäss den Worten des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert ein "Stabilitätsfaktor in der Region" sein.
Der "Stabilitätsfaktor" ist sogar so gross, dass kein einziges deutsches Medienblatt den "Seitenwechsel" des saudischen Prinzen Khalid bin Farhan al-Saud oder dessen Beweggründe dokumentiert hat, obwohl er seine Interviews aus der deutschen Metropole Düsseldorf gegeben hat.

Das aber von Stabilität in Saudi Arabien keine Rede sein kann, sprach nicht nur Prinz Khalid an, sondern auch indirekt Bandar bin Sultan bei seinem Besuch in Moskau. Bandar unterbreitete Putin nebst dem Angebot von Waffenkäufen (man spricht von 15 Milliarden US-Dollars) noch etwas an, was einem Verrat der europäischen Partnerschaft gleich kam. Der saudische Geheimdienstchef weiss ganz genau, dass sich Europa in gewisser Weise im Würgegriff der russischen Energiezange befindet und alles versucht, sich daraus zu lösen. Und dennoch bot er dem russischen Präsidenten an, im Gegenzug für die Schliessung des russischen Militärhahnes "keine Verträge zu schliessen welche russischen Interessen schaden könnte, indem es Golfländern (arabische Scheichtümer) erlaubt wird ihr Gas über Syrien nach Europa zu transportieren."
Wenn aber die Nationale Sicherheit, oder besser gesagt das Überleben des Hauses Al Saud bedroht ist, dann spielen solche Sentimentalitäten wie "Partnerschaft mit Europa" keine Rolle mehr.

Etwas Gutes hat der Besuch von Prinz Bandar bin Sultan in Moskau trotzdem gehabt, wofür ich ihm persönlich äusserst dankbar bin, denn nun hat er selbst bestätigt worum es eigentlich in dem Krieg um Syrien geht (nebst den religiösen und ideologischen Motiven): nämlich um die Herrschaft über die Gas-Transportroute durch Syrien, und damit meiner Analyse vom 15.10.2012 Recht gibt.








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