Dienstag, 27. August 2013

Tomahawks statt Friedenskonferenz für Syrien

Eigentlich sollte Morgen, den 28. August 2013, die Syrien Friedenskonferenz "Genf II" beginnen. Doch wie ich schon im letzten Bericht geschrieben habe, dürfte dieser Vorfall dafür sorgen dass es zu keiner Konferenz kommen wird. Und tatsächlich, das Oppositionsbündnis NCS (National Counsil of Syrian Revolution and Oppositions Forces) gab Gestern in einer Pressekonferenz in Istanbul bekannt, dass die Opposition ihre Teilnahme an der Konferenz in Genf absagt.
In einer anderen Pressekonferenz in Moskau teilte der russische Aussenminister Sergej Lavrov seine Meinung mit, weshalb die syrische Opposition nicht an Friedensgesprächen mit der Regierung von Bashir al-Assad teilnehmen möchte: "Weshalb zu einer Konferenz gehen wenn man der Meinung ist, dass die Infrastruktur des Regimes sowieso durch die Alliierten zerstört wird, und man dann einfach so ohne Gegenwehr nach Damaskus marschieren kann um die Kontrolle zu übernehmen?"

Nun, auch wenn Lavrov mit diesem Statement bestimmt auch seinen Frust zur Geltung gebracht hat, so ganz Unrecht hat er aber damit nicht. Denn es braut sich tatsächlich eine explosive Mischung im Mittelmeer zusammen. Grossbritannien fliegt nach Angaben des Guardian Militärausrüstung und Kampfjets zum britischen Luftwaffenstützpunkt Akrotiri auf Zypern. Aber auch die USA rüsten auf, insgesamt vier Zerstörer mit jeweils 90 Tomahawk Marschflugkörpern sind so positioniert, um innerhalb kürzester Zeit den Befehl aus dem Weissen Haus in die Tat umzusetzen. Noch ist es aber nicht soweit. Selbst der US-Generalstabschef Martin E. Dempsey ist gegen einen Militärschlag, aber der Druck auf Präsident Obama nimmt von allen Seiten zu. Nicht nur die Briten und Franzosen welche schon seit Monaten Obama in den Ohren liegen endlich etwas in Syrien zu unternehmen - militärisch natürlich, nicht diplomatisch - sondern nach diesem Vorfall von letztem Mittwoch auch immer mehr Abgeordnete aus beiden Kammern des Kapitols.
Das Problem das Obama aber hat, ist definitiv dass es keine Beweise gibt dass Assad hinter diesem Vorfall steckt, noch dass es sich überhaupt um einen Giftgasangriff handelt wie ihn die syrische Opposition darstellt. Selbst syrische Passanten in den Strassen von Damaskus glauben nicht daran, dass Assad etwas mit diesem Vorwurf zu tun haben soll, noch kann das von CNN besuchte Krankenhaus mit Opfern aus diesem Angriff bestätigen, dass es sich um Opfer von einem Giftgasangriff handelt. Nicht nur das, selbst die Opferzahlen die anfänglich mit 1300 angegeben wurden, mussten auf 355 revidiert werden. Das heisst nicht dass es deswegen ein kleineres Verbrechen wäre, auf gar keinen Fall!! Es muss aber der Kontext und die Konsequenz daraus analysiert werden, und diese ist eindeutig: erst die hohen Opferzahlen haben dafür gesorgt, dass der politische Druck auf Obama gestiegen ist etwas zu unternehmen.
John McCain formulierte diesen gestiegenen Druck auf den US-Präsidenten folgendermassen:
Wenn Obama jetzt nichts unternimmt, kann der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Region nicht mehr länger Ernst genommen werden.
Es gibt aber auch immer mehr Stimmen von Experten auf dem Gebiet von Chemiewaffen, die erhebliche Zweifel haben dass sich der Vorfall so zugetragen haben soll (siehe beispielsweise hier und hier) wie es die syrische Opposition darstellt. Zwar sind die UN-Ermittler vor Ort und haben erste Proben von Opfern genommen, aber das Resultat scheint offenbar keinen Einfluss auf eine Entscheidung über einen Angriff auf Syrien zu haben. Zumindest wenn es nach dem Willen der britischen Regierung geht, könnte ein Angriff auch unabhängig von jeglichem Beweis der Schuld Assad`s stattfinden, d.h. auch ohne ein entsprechendes UN-Mandat.

Einige TV-Sender in den USA und Grossbritannien folgen der Meinung der Befürworter eines Militärschlages vorzugweise mit Tomahawk Marschflugkörpern, da diese ihrer Meinung nach präzise sind und keine Menschenleben riskieren. Zumindest nicht die Menschenleben der Angreifer.
Als Analogie bringen sie den Tomahawk Einsatz im Irak von 1998, aber auch bei der US-Invasion des Iraks 2003 sowie der Libyen Krieg von 2011. Syrien ist aber anders als alle genannten Vergleiche. Die Flugabwehr ist deutlich stärker und moderner als es im Irak oder Libyen der Fall war. Und was noch viel wichtiger ist: Syrien ist für die Region viel wichtiger als es Libyen jemals war oder der Irak am Schluss noch war.
In Syrien sind aktiv diverse Staaten direkt involviert, was einen möglichen Einsatz entsprechend gefährlich macht. So kann man zum Beispiel in Washington einen Trend feststellen, dass es Senatoren und Kongressabgeordete auf beiden Seiten des politischen Spektrums gibt (also Demokraten und Republikaner), die nach den Wahlen im Iran und dem Sieg von Hassan Rohani einen Kurswechsel der USA empfehlen. So unterschrieben 131 Abgeordnete beider Lager einen Brief am 19. Juli 2013 an Präsident Obama, mit der Empfehlung "alle diplomatischen Mittel" auszunutzen um diese "wirkliche Gelegenheit zur Verbesserung" (der Beziehung zum Iran) zu ergreifen. Ferner hielten sie fest:
"Wir müssen ebenfalls vorsichtig sein, dieser potentiellen Möglichkeit nicht durch Ergreifen von Aktionen zuvor zu kommen, welche den frisch gewählten Präsidenten delegitimieren und seine Haltung gegenüber Hardlinern innerhalb des Regimes schwächen, welche seine erklärte "Politik der Versöhnung und Frieden" verhindern möchten."  

Ein US-Angriff auf Syrien würde aber genau das bewirken. Es ist daher kein Zufall dass letztes Wochenende  Sultan Qaboos bin Said vom Oman bei Präsident Rohani als Staatsgast zu Besuch war, während gleichzeitig UN-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman ebenfalls in Teheran zu Gesprächen weilte. Feltman war während des Libanonkrieges von 2006 US-Botschafter in Beirut, was ihm wegen seiner eindeutigen Unterstützung für Israel`s Bombenangriffe keine Pluspunkte in der Region einbrachte. Nichtsdestotrotz sass er während dreier Sitzungen mit den Iranern am Tisch und erläuterte den Krieg in Syrien. Die UN-Position bezüglich Iran`s Rolle im Syrien Konflikt ist klar: es gibt nur eine politische Lösung wo der Iran eine wichtige Position zur Vermittlung inne hat. Die Iraner wollten von Feltman aber auch die US-Position diesbezüglich hören und wenn man den Berichten glauben kann, informierte Feltman die Iraner über einen begrenzten Schlag in Syrien und bat Iran, keine Gegenmassnahmen zu ergreifen. Erst dann könne man sich mit allen Parteien in Genf an den Verhandlungstisch setzen.

Die Nachricht ist also klar: erst Tomahawks, dann Friedenskonferenz in Genf.
Vielleicht aber sollte Obama auf einen Mann hören, der ebenfalls beste Erfahrungen im Umgang mit gefälschten Beweisen hat, welche dann zu einem katastrophalen Krieg geführt haben. Die Rede ist von Colin Powell, dem hochdekorierten ex-General und US-Aussenminister während George W. Bush`s erster Amtszeit. Powell sagte in der beliebten CBS Sendung "Face the Nation", dass die USA in Ägypten und in Syrien ein "viel cleverere Rolle" übernehmen und abwarten sollte, bis der Krieg vorüber ist um dann die Hilfe beim Wiederaufbau des Landes anzubieten.

Die Frage wird sein, was Obama nun tun wird. Wenn er einen massiven Schlag gegen Damaskus austeilt, wird er ein Feuer in der Region entfachen die der Westen nicht löschen werden kann. Wenn er nur ein paar Marschflugkörper abschiesst welche dazu dienen seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, dann werden ihn seine politischen Gegner als "Schwächling" versuchen darzustellen. Das amerikanische Volk aber hat trotz des angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen kein Interesse an einem weiteren US-Krieg im Mittleren Osten, nur 9 Prozent befürworten einen Militärschlag.






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