Dienstag, 19. November 2013

Wird Washington ein zweites Mal eine französische Sabotage zulassen?

Morgen beginnt die nächste Verhandlungsrunde zu einer Einigung im "Atomstreit" mit dem Iran in Genf, und alle Welt blickt gebannt auf den französischen Präsidenten Francois Hollande.

Dieser weilt zur Zeit noch im Nahen Osten wo er auf Staatsbesuch in Israel und Palästina ist. Insbesondere der Empfang in Tel Aviv wird Hollande extrem geschmeichelt haben, wo er in den Genuss sämtlicher protokollarischer Staatsehren kam die Israel aufbieten kann.

Normalerweise empfängt "nur" der Ministerpräsident in Israel einen Staatsgast, die zusätzliche Ehre der Anwesenheit des Staatspräsidenten wurde bisher ausschliesslich dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vorbehalten. Diesesmal war aber alles anders. Es war nicht der US-Präsident zu Besuch in Israel, sondern der französische Präsident. Die Ehrengarde wurde aufgestellt, Trompetenfanfaren begleiteten die Ankunft von Francois Hollande, Ministerpräsident Netanyahu und Staatspräsident Shimon Peres warteten gemeinsam auf die Maschine aus Paris, genauso wie religiöse Würdenträger und Vertreter der israelischen Armee. Und was wahrscheinlich mächtigen Eindruck bei dem Gast aus Frankreich hinterlassen haben muss, war der Chor von "Vive la France" den ihm die israelischen Gastgeber entgegen bliesen.



Diese ganze Inszenierung ist eine perfekt ausgeführte symbolische Ohrfeige für US-Präsident Obama. Israel machte somit klar, dass diese "für immer währende, ewige Allianz" zwischen den USA und Israel die Obama noch so feierlich bei seinem Besuch in März verkündete, zwar gut und schön ist solange die US-Israelischen Pläne kongruent sind. Doch sollte Washington von dieser gemeinsamen Schiene einmal abrücken und sich ausschliesslich auf die Bedürfnisse der USA konzentrieren, dann, ja dann muss halt eine andere Allianz her.

Und wer könnte dieses Loch (oder viel mehr Löchlein da ja die USA sich nicht von Israel abwenden sondern im Falle des Irans lediglich das tun, was im Interesse der Nationalen Sicherheit der USA steht) besser stopfen als Frankreich, wo ungefähr die Hälfte der europäischen Juden zu Hause ist. Es wiederholt sich in gewisser Weise die moderne Geschichte Israels: als niemand anderes schweres Kriegsgerät nach der Unabhängigkeit Israels an den jungen Staat verkaufen wollte, sprang Paris in die Bresche und lieferte Kampfflugzeuge und andere Waffen. Und als Israel sich nach einem Atomprogramm umsah und auf entschlossenen Widerstand in den USA traf, war es wiederum Paris das unter striktester Geheimhaltung den Atomreaktor von Dimona in Israel baute.
Israel zeigte seine Dankbarkeit in dem von Frankreich geplanten Suez-Feldzug von 1956, als Israel die Invasion bis zum Suezkanal mit Bodentruppen vornahm und Frankreich und Grossbritannien dann mit Luftschlägen die Kapitulation der ägyptischen Armee erzwangen.

Es wäre Unfug zu behaupten dass Israel sich nun nach französischen Waffen umschauen wird nur um so den Amerikanern eins auszuwischen. Dazu ist die israelische Armee viel zu "amerikanisch", d.h. der Grossteil der Waffensysteme der Israel Defence Force stammt aus den USA und kann somit auch nur mit amerikanischen Teilen (Bomben, Raketen, Ersatzteile, Software, HUMINT, etc.) bedient werden. Aber Israel kann Frankreich in der aktuellen Wirtschaftskrise behilflich sein, indem Israel jene Voraussetzungen in der Region deckt, die für Teile der französischen Industrie (wie Rüstung, Energie oder Verkehr) momentan überlebenswichtig sind. Denn wie schon in meinem Beitrag (siehe hier) erwähnt, geht es Frankreich um Milliarden von Euros und Dollar die es im Mittleren Osten zu verdienen gibt und die Franzosen dabei so wenig Konkurrenz wie möglich haben wollen. Nebst dem wirtschaftlichen Aspekt geht es Frankreich auch um die Statur als mächtiger Staat, und da versucht sich das Land neben den USA bei den arabischen Staaten zu positionieren. So unterhält Frankreich beispielsweise einen Marinestützpunkt in Abu Dhabi, der sich ironischerweise "Camp de la Paix" nennt, also Friedenscamp, um so den 1995 geschlossenen Verteidigungspakt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten besser umzusetzen und in der Region als Partner wahrgenommen zu werden.

Im Gegenzug darf Israel politische Rückendeckung aus Frankreich erwarten, was insbesondere für die israelische Kolonisierung Palästina`s und natürlich auch die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Iran zutrifft. Wie effizient Paris diese Rolle durchsetzen kann bewies es ja erst vorletztes Wochenende in Genf. Kein Wunder also, dass Israel angesichts dieser, aus seiner Sicht, grandiosen Leistung Frankreichs in Jubelstürme ausbricht und dem verantwortlichen Staatspräsidenten einen solchen Empfang bereitet. Die schweizer Tageszeitung Tages Anzeiger sprach sogar von einer "Feier" für Hollande.
Noch am Flughafen in Tel Aviv versprach Francois Hollande den Israelis, dass Frankreich seine "taffe Haltung gegenüber Iran" auch in der neuen Verhandlungsrunde die Morgen in Genf beginnt, beibehalten werde.


Während vordergründig die innige Umarmung zwischen Israel und Frankreich gefeiert wird, spaltet sich das politische Lager in Israel über die Frage, wie klug dieser eingeschlagene Weg von Ministerpräsident Netanyahu ist. Es geht die Sorge um, dass Netanyahu diesesmal zu weit gegangen ist mit seinen Interferenzen in amerikanische Politik und somit erst tatsächlich eine Gefahr für Israel heraufbeschwört. Der Knessetabgeordnete Zehava Gal-On sagte, dass der "Ministerpräsident nicht einen schlechten Deal mit Iran ablehnt, sondern dass er gegen jeglichen Deal ist den die USA mit dem Iran erreichen könnten".  Das ist genau das was ich schon lange hier schreibe...

Wenig hilfreich in dieser Hinsicht ist auch die Tatsache, dass in den USA die zionistische Lobby, aber auch einflussreiche Juden, permanent das Schreckgespenst der Zerstörung von Israel an die Wand malen. Das krasseste Beispiel was ich schon seit langem gelesen habe, ist ein Beitrag im American Spectacor von Ben Stein. Dieser Beitrag klingt so, als ob die Welt sich noch im Jahr 1942 befindet und Hitler nach wie vor über das Schicksal von Millionen entscheidet. Dieser Bericht von Ben Stein ist nicht nur wenig hilfreich in dieser aktuellen Auseinandersetzung zwischen Israel, USA und Iran, sondern meiner Meinung nach auch gefährlich und zugleich sehr dumm. Aber bitte, beurteilen Sie selbst. Hier der ganze Beitrag von Ben Stein aus dem American Spectacor übersetzt auf deutsch:

"Geschieht das tatsächlich?

Ich kann es wirklich nicht glauben was ich in den Nachrichten über die USA und den Iran sehe. Im Jahr 2013, weniger als 70 Jahre nach dem Ende des Hitler-Regimes in Europa welches die Hälfte der Juden weltweit getötet hat, ist wieder ungefähr die Hälfte der Juden dieser Welt von der Vernichtung bedroht - und die US-Regierung macht da nicht nur mit, sondern jubelt noch nach dieser Möglichkeit.

Hitler hatte keine Nuklearwaffen, Gott sei Dank, und es gab kein kleines Land wie Israel wo 7 Millionen von dieser Rasse, die er mit solcher Inbrunst hasste, lebte. Deswegen musste er die Polizei und die Milizen und die Gestapo und die SS und lokale Antisemiten entsenden um die Juden aufzufangen, um sie in nahegelegene Felder zu bringen wo sie erschossen oder geschlagen wurden, oder in Zügen in Todesfabriken wie Auschwitz gebracht wurden wo tausende von Juden pro Tag  schrecklichst vergast wurden. 

Die Iraner haben in der nahen Vergangenheit versprochen das Jüdische Volk im Nahen Osten zu zerstören. Einige von ihren Führern haben geprahlt, dass wenn Iran Nuklearwaffen erhalten würde, Iran "einen Holocaust an einem Nachmittag" haben wird indem ein paar Nuklearwaffen nach Israel abgefeuert würden. Natürlich sind die Israelis verzweifelt besorgt.

Die Juden dieser Welt nehmen die Bedrohung der Vernichtung ernst. Die USA waren extrem hilfsbereit indem sie Sanktionen über den Iran verfügt haben, um sie davon zu überzeugen das Nuklearwaffenprogramm zu stoppen und zu zerstören.

Jetzt vor Kurzem haben wir eine neue Regierung im Iran gesehen. Es hat Friedensfühler ausgestreckt. Wenn die westlichen Mächte die Sanktionen lockern, wird der Iran, so haben sie es versprochen, das Nuklearprogramm an der Stelle einfrieren wo es sich jetzt befindet - einige Monate vor der Bombe.

Das Problem dabei ist, dass Iran viele Versprechungen gemacht hat das Atomprogramm zu beenden. Sie haben nicht eine davon eingehalten. Sie haben nicht den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Sie haben keine Inspektoren in ihre geheimsten Anlagen erlaubt. Sie sind in Richtung einer Nuklearwaffe gerannt welche in einer halben Stunde oder weniger einen anderen Holocaust bringen könnte. 

Iran ist der führende Sponsor von staatlichem Terrorismus weltweit. Viele von ihrer Führungsriege haben den Wunsch geäussert, die Welt vom gesamten Judentum zu befreien. Das Mr. Obama diesen Menschen trauen kann - den selben die 300 Marines in einem Terroranschlag vor 30 Jahren in Beirut getötet haben - dass sie nun ihre Fahnen gedreht haben und plötzlich vertrauenwürdig geworden sind, ist zutiefst naiv oder schlimmer. Sollte sich dieses Vertrauen als falsch erweisen, dann ist das ein schlechter Tag für Mr. Obama.

Es ist der Tod für Israel. Es ist ein anderer Holocaust und die Welt - ausser Frankreich - steht daneben und sagt "Mach weiter Iran, wir glauben euch!" Da ist etwas biblisch erschreckendes in der gesamten Situation. Der Kongress kann das stoppen. Der Kongress kann sagen dass die Welt nicht das Wort des weltweit niederträchtigsten Unterstützer des Terrors annehmen wird, darüber ob Israel leben kann oder sterben muss.

Das ist nicht die Zeit um die Sanktionen zu reduzieren. Wenn Iran seine Nuklearfabriken und Laboratorien zerstört ist es eine bessere Wette.  Aber nur für ein Versprechen für das Einfrieren um so die Sanktionen zu lockern, was in nur wenigen Stunden wieder zurückgedreht werden kann? Haben wir absolut gar nichts von Hitler gelernt? Werden wir wieder den bösesten Fleck der Menschlichen Rasse innerhalb einer Lebensdauer haben? Offensichtlich ist Mr. Obama bereit diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen - mit den Leben von 7 Millionen Juden. Vielleicht wird der Kongress mehr Herz zeigen."

Es ist in der Tat "naiv, oder noch schlimmer" wie Ben Stein schreibt, aber nicht etwa die strategische Annäherung der USA an den Iran, sondern das er mit aller Macht versucht das Schreckgespenst eines zweiten Holocaust in die Köpfe der Amerikaner zu projizieren. Und noch viel Schlimmer, er beschuldigt die US-Regierung und Präsident Obama persönlich der Beihilfe zur Vernichtung der Juden. Dabei schreckt er nicht einmal davor zurück, oder er setzt viel mehr auf die Unkenntnis seiner Leser und Leserinnen, dass sie seine Behauptungen kritiklos übernimmt. Dabei ist seine Polemik von falschen Angaben nur so zersetzt. Hier einige Beispiele: Stein schreibt "dass es kein kleines Land wie Israel gab wo 7 Millionen Juden lebten". Das einzig Richtige daran ist, dass es Israel während dem Zweiten Weltkrieg als Nationalstaat tatsächlich nicht gab. Es lebten zu diesem Zeitpunkt etwa 450`000 Juden in Palästina, von denen viele als "Illegale" galten weil sie ohne Bewilligung der britischen Mandatsmacht eingewandert sind. Aber selbst heute leben keine 7 Millionen Juden in Israel, da das knapp unter der Gesamteinwohnerzahl Israels liegt, wovon allein nur schon über eine Million "Arabische Israelis", sprich Palästinenser sind.
Aber auch die Behauptung dass Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat ist schlichtweg falsch und gelogen. Iran hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und ratifiziert, nur das Zusatzprotokoll wollte Teheran bisher nicht unterzeichnen da es dazu a)gar keine Pflicht gibt und b)solange das Sanktionsregime herrscht auch keinen Anreiz dazu gibt.
Die 300 Marines die in Beirut getötet wurden, wurden durch die erst frisch gegründete Hezballah durch einen Selbstmordanschlag getötet nachdem die USA sich weigerten die israelische Invasion des Süd-Libanons zu verurteilen und stattdessen Soldaten entsandte.

Dieser Bericht von Ben Stein passt zeitlich ganz genau in die Lobbyaktivität Israel im US-Kongress. Naftali Bennett, der israelische Wirtschafts- und Handelsminister, wurde von Netanyahu in die USA entsandt um auf die Kongressabgeordneten einzureden sich dem Weissen Haus in den Weg zu stellen. Senator Bob Corker ging sogar soweit und gab an, dass er einige Befugnisse von Präsident Obama limitieren möchte, die es ihm ermöglichen würden vom Kongress beschlossene Iran-Sanktionen zu kippen.

Und sollte sich die Obama-Administration in Genf weiter auf Annäherungskurs zum Iran befinden und die zionistische Lobby mit ihren Bemühungen im Kongress scheitert, erklärte der erst kürzlich zurückgetretene Berater von Netanyahu, Yaacov Amidror, dass "Israel von niemanden eine Erlaubnis (zum Schlag gegen Iran) brauche".

Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen wie ernst es den USA mit einer Annäherung an den Iran ist, es wird sich aber wieder zeigen wie mächtig die Gegenwehr sein wird.

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