Dienstag, 13. Mai 2014

Ukraine fällt auseinander

Pro-russische Kräfte oder Separatisten werden die Menschen in der Ost-Ukraine in unseren Medien genannt. In US-Medien findet man häufig auch noch den Zusatz "Rebellen", manchmal sogar "russische Terroristen". Russland wird generell als die steuernde Kraft hinter den "Separatisten" bezeichnet, irgend jemand muss ja Schuld an dem Unwillen der Ostukrainer sein, die Putschisten von Kiev als ihre legitimen politischen Vertreter zu betrachten. Von dem Vize-Generalsekräter der NATO, Alexander Vershbow, wurde Russland sogar wieder als Feind klassifiziert. Mehr noch, er empfahl die "militärische Modernisierung von Russland`s Nachbarn, und nicht nur der Ukraine, sondern auch von Moldavien, Georgien, Armenien und Azerbaijan".

Es kann daher nicht wirklich überraschen wenn unsere Medien mit zweierlei Mass berichten. Während die Demonstranten von Kiev bei ihren Protesten die Korruption der Regierung angeprangert haben, wurden sie auch als "Demonstranten" bezeichnet. Als die Proteste gegen Ende Januar die ersten Opfer zu beklagen hatten, wurde in Berlin umgehend der ukrainische Botschafter einbestellt um ihm klarzumachen, dass "Gewaltanwendung kein Weg sei um Konflikte zu lösen".  Regierungssprecher Steffen Seibert äusserte sich in ähnlichen Worten als er sagte, dass es "nicht zu akzeptieren sei, dass staatliche Einsatzkräfte gegen friedliche Demonstranten vorgehen."
Wenn aber Menschen in der Ost-Ukraine auf die Strasse gehen und ebenfalls gegen die Regierung protestieren, diesesmal aber eine die nicht gewählt wurde (ganz zu schweigen von der politischen Ausrichtung einiger dieser Minister), dann sind das keine Demonstranten mehr, sondern eben jene "pro-russische Separatisten" oder sogar Terroristen wie sie der ukrainische Innenminister Arsen Avakov abwertend nennt. Und wenn die Regierung in Kiev gegen Demonstranten mit "staatlichen Einsatzkräften" vorgeht, die hauptsächlich aus der erst frisch gegründeten Nationalgarde besteht, welche wiederum die Kämpfer aus den paramilitärischen Einheiten des Neonazistischen Pravy Sektor rekrutiert, dann bestellt man in Berlin nicht etwa den Botschafter wieder ein, Nein, dann empfängt man in der EU-Kommission den durch den Putsch installierten Ministerpräsidenten Arsenij "Jats" Jatsenjuk zum "Krisengespräch".

Egal wo man auch hinschaut, jedesmal wenn es in den letzten Tagen zu dutzenden Toten auf der Seite der Regierungsgegner kam, von denen sogar Focus Online schreibt dass das "bestimmende Motiv der Menschen der Hass auf die Kiewer Übergangsregierung" sei, die sie auf die Strassen und schliesslich zur Abstimmung des letzten Wochenendes trieb, war die Nationalgarde in die Kämpfe involviert. Ob in Mariupol, Odessa oder zuletzt in Krasnoarmeisk, die Nationalgarde unter der Führung von Andriy Parubiy, (siehe auch mein Bericht "DAS ist die Ukraine die der Westen unterstützt") dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, sowie Mitbegründer der rechtsextremen Partei Svoboda und ein Anführer des Pravy Sektor, geht mit tödlicher und brutaler Härte gegen die Menschen vor.

Wie brutal und Menschenverachtend vorgegangen wird, zeigen die tragischen Ereignisse von Odessa überdeutlich. Ich empfehle die Analyse von Christoph Lehmann über das Massaker von Odessa, um ein Gespür zu bekommen weshalb u.a. das "bestimmende Motiv der Menschen der Hass auf die Kiewer Übergangsregierung" ist. Aber ACHTUNG: diese Analyse enthält Bilder die nichts für schwache Nerven sind!

Macht da die Präsidentschaftswahl vom 25. Mai überhaupt noch Sinn? Glaubt man dem offiziellen deutsch/französischen Communique vom 10. Mai, dann soll genau dass das messbare Ziel der EU sein. Auch die Schlussziehung der offiziellen Linie ist denkbar einfach: scheitern die Präsidentschaftswahlen, ist Russland daran Schuld weil "enormer Druck" auf die Ukraine ausgeübt wird, obwohl sogar US-Medien feststellen mussten dass es dafür keine Beweise gibt. Auch die Forderung des Gaslieferanten Gazprom dass Kiev endlich die über 3 Milliarden US-Dollar an unbezahlten Rechnungen begleicht, gehört für unsere Politiker in die Kategorie "Druck auf die Ukraine". Selbstverständlich ist das ein enormer Druck für ein Land, welches im Grunde bereits pleite ist und nur durch internationale Kredite über Wasser gehalten werden kann. Es fragen sich aber offensichtlich nur Wenige wie man diesen absolut normalen Vorgang als "Druck" unter "Einmischung" bezeichnen kann. Wenn ich meine Gasrechnung nicht bezahle, dann kann ich auch nicht aufs Amt gehen und mich dort beschweren wenn mir der Gaslieferant eines Tages den Hahn zudreht.
Und was ist mit dem Druck vom Internationalen Währungsfonds der Kiev erst zu diesem brutalen Vorgehen in der Ost-Ukraine zwingt? Aus dieser Richtung heisst es nämlich, "sollte die Zentralregierung (in Kiev) die effektive Kontrolle über den Osten verlieren, muss das Programm (d.h. Kredite) überarbeitet werden". Übersetzt heisst das; entweder ihr bringt Ruhe in den Osten der Ukraine rein und übernehmt die volle Kontrolle damit die kalkulierte Wirtschaftsleistung stimmt, oder ihr bekommt nicht die in Aussicht gestellten Milliarden.
Das klingt für mich nach wirklichem Druck.

Dass sich diese Situation seit dem Putsch gegen Präsident Janukovitsch so entwickelt hat ist für manche immer noch unbegreifbar. Doch WikiLeaks sei Dank wissen wir, dass der US-Botschafter in Moskau im Jahr 2008 seine Vorgesetzten im Aussenministerium in Washington genau vor solch einem Szenario gewarnt hat. In einer Depesche vom 01. Februar 2008 mit dem Titel "Njet heisst Njet, Russlands NATO Erweiterung" beschreibt Botschafter William J. Burns genau die Gefahren einer NATO-Erweiterung an die Grenzen zu Russland, und insbesondere in die Ukraine was von Moskau als absolutes No Go betrachtet wird. Weiter heisst es darin wörtlich zu den Absichten der NATO in der Ukraine, dass "diese Angelegenheit das Land in zwei Teile spalten könnte, zu Gewalt führt und noch schlimmer, wie manche behaupten, zu einem Bürgerkrieg".


(natürliche Grenze der ethnischen Spaltung in der Ukraine bildet der Fluss Dnepr)













Genau das ist auch eingetreten. Das Land ist seit dem Putsch entlang der ethnischen Linien gespalten und die Zentralregierung führt einen Krieg gegen die russischsprachigen Ukrainer in der Ost-Ukraine, welche sich bis vor Kurzem noch als Ukrainer identifiziert haben.
Deshalb wiederhole ich diese Frage nochmal: macht in diesem Umfeld eine Präsidentschaftswahl, organisiert von einer verhassten Zentralgewalt die sich an die Macht geputscht hat, überhaupt Sinn? Sogar der deutsche Oppositionspolitiker Gregor Gysi räumte ein dass die bisherigen Grenzen der Ukraine "immer fraglicher" werden. Solange die Zentralregierung mit solcher Brutalität gegen die Menschen im Osten des Landes vorgeht und dabei offensichtlich Unterstützung von US-Söldnern und Geheimdienstliche Informationen der USA erhält, macht eine Präsidentschaftswahl keinen Sinn. Die Menschen haben vergangenes Wochenende in ihrem eigenen Referendum klar gemacht was sie ganz sicher nicht wollen: die (aktuelle) Zentralgewalt in Kiev!

Daran werden die westlichen Proteste und auch die Präsidentschaftswahl nichts ändern, dafür wurde bereits zu viel Blut vergossen.

Wer immer noch denkt, dass das was in der Ukraine geschieht eine "inszenierte Provokation aus dem Handbuch des KGB" ist, der sollte sich unbedingt mal das Handbuch der amerikanischen Spezialkräfte zum Thema "Unkonventionelle Kriegsführung" durchlesen. Das was man dort nachlesen kann, entspricht nahezu 1:1 dem Vorgehen in der Ukraine (oder in Syrien) der amerikanischen Planer. Wer der Nutzniesser der amerikanischen Hilfe ist spielt keine Rolle, solange sie mit den US-Zielen in der Region korrespondieren. Das erklärt ziemlich deutlich weshalb die USA kein Problem haben, sich auf die Seite von wahhabitischen Extremisten zu schlagen oder wie in der Ukraine auf die Seite von Neo-Nazis. Die Ziele müssen übereinstimmen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen