Mit Spannung wurde die Rede des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani vor der UN-Vollversammlung am Dienstag erwartet. Was mich aber insbesondere in der deutschen Berichterstattung über Ruhani`s Rede sehr stört, aber keineswegs wundert, ist die Tatsache dass kein einziges Blatt die wirkliche Nachricht des iranischen Präsidenten auch nur mit der kleinsten Silbe erwähnt hat. Es wundert mich deshalb nicht, weil es ja schlichtweg in der politisch korrekten öffentlichen Wahrnehmung des Irans in unseren Gefilden nicht sein kann, dass ausgerechnet aus diesem Land eine vielleicht träumerische Vision für eine bessere Welt kam. Träumerisch vielleicht, aber es ist zumindest eine Vision die es verdient hat weltweit erwähnt zu werden. Auch in Deutschland.
Diese Zauberformel des iranischen Präsidenten heisst WAVE, was für "World Against Violence and Extremism" (Welt gegen Gewalt und Extremismus) steht.
Aber hören wir uns mal an was Hassan Ruhani so zu sagen hatte und entscheiden Sie bitte selbst am Schluss, ob das nach einer Bedrohung für den Weltfrieden klingt. Ich werde wie schon bereits bei Obama`s Rede nur die wichtigsten Stellen übersetzen. Wer aber Interesse hat, kann hier die ganze Rede auf Englisch nachlesen, es ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert.
"Unsere heutige Welt ist durchzogen von Angst und Hoffnung; Angst vor Krieg und feindlichen regionalen und globalen Beziehungen; Angst vor tödlichen Konfrontationen religiöser, ethnischer und nationaler Natur; Angst vor der Institutionalisierung von Gewalt und Extremismus; Angst vor der Armut zerstörerischer Diskriminierung; Angst vor dem Zerfall und Zerstörung von lebenserhaltenden Ressourcen; Angst vor Missachtung der menschlichen Würde und Rechte; und Angst vor Vernachlässigung jeglicher Moral. Neben diesen Ängsten gibt es aber auch neue Hoffnungen; die Hoffnung von universeller Akzeptanz durch die Menschen und der Elite überall auf der Welt für "Ja zum Frieden; und Nein zum Krieg"; und Hoffnung auf die Bevorzugung eines Dialoges vor einem Konflikt, und Moderation vor Extremismus.
Die gegenwärtige kritische Periode des Übergangs in internationalen Beziehungen ist durchsetzt mit Gefahren, wenngleich mit einmaligen Möglichkeiten. Jegliche Fehlkalkulation der eigenen Position, und natürlich der anderen, werden historischen Schaden anrichten; ein Fehler eines Akteurs wird eine negative Wirkung auf allen anderen haben. Verwundbarkeit ist heute ein globales und unteilbarer Phänomen.
An dieser empfindlichen Kreuzung in der Geschichte der internationalen Beziehungen ist das Zeitalter der Nullsummen-Spiele vorbei, obwohl noch immer einige wenige Akteure dazu neigen sich auf archaische und zutiefst uneffektive Mittel und Wege zu verlassen, um ihre alte Überlegenheit und Dominanz zu bewahren. Militarismus und der Rückgriff zur Gewalt und militärische Mittel um andere zu unterwerfen sind Beispiele der gescheiterten Fortsetzung von alten Wegen in neuen Gegebenheiten. Zwangsmassnahmen wie wirtschaftliche und militärische Strategien und Praktiken die zur Erhaltung und Pflege der alten Überlegenheit und Dominanz ausgerichtet sind, wurden in einer konzeptionellen Denkweise verfolgt, welche Frieden, Sicherheit, Menschenwürde und erhabene menschliche Ideale negiert. Die Ignorierung von Unterschieden zwischen Gesellschaften und globalisierenden Westlichen Werten als die einzig universell richtigen, repräsentiert eine andere Manifestation dieser konzeptionellen Denkweise. Und noch eine weitere Reflektion des gleichen kognitiven Modells ist die andauernde Mentalität des Kalten Krieges und der bi-polaren Aufteilung der Welt in "wir die Überlegenen" und "die anderen Minderwertigen". Angst und Paranoia vor der dem Aufkommen von neuen Akteuren auf der Weltbühne zu entfachen ist noch eine Weitere.
In solch einer Umgebung wo Regierungs- und Nichtregierungs-, religiöse-, ethnische- und sogar Rassenbegründete Gewalt zugenommen hat, gibt es keine Garantie das die Ära der Ruhe zwischen den Grossmächten immun bleiben wird gegenüber solchen gewalttätigen Diskursen, Praktiken und Handlungen. Die katastrophalen Auswirkungen von gewalttätigen und extremistischen Darstellungen sollten nicht - dürfen nicht unterschätzt werden.
In diesem Kontext ist die strategische Gewalt, welche in dem Versuch manifestiert ist Regionalmächte von deren natürlicher Handlungsdomäne abzuhalten, Eindämmungspolitik, Regimewechsel von Aussen, und das Streben in Richtung Neuentwurf von politischen Grenzen und Grenzziehungen, extrem gefährlich und provokativ. Der herrschende politische Diskurs stellt ein zivilisiertes Zentrum dar, umgeben von einer unzivilisierten Peripherie. In diesem Bild ist die Beziehung zwischen dem Zentrum der Weltmacht und der Peripherie hegemonial. Der Diskurs der den Norden ins Zentrum rückt und den Süden an die Peripherie verbannt, hat zu einer Gründung eines Monologs auf dem Gebiet der internationalen Beziehung geführt. Die Kreation von illusionierten Identitäten und die gegenwärtig vorherrschende gewalttätige Form von Xenophobie ist das unausweichliche Ergebnis solch eines Diskurses. Propagandistische und unbegründete Glaubensphobie, Islamophobie, Shia-phobie und Iran-phobie repräsentieren in der Tat eine ernstzunehmende Bedrohung für den Weltfrieden und menschliche Sicherheit.
Dieser propagandistische Diskurs hat durch die Darstellung und Einimpfung von mutmasslich imaginären Gefahren gefährliche Proportionen angenommen. Eine solche imaginäre Bedrohung ist die so genannte "Iranische Bedrohung", welche als Entschuldigung benutzt wurde um einen langen Katalog von Verbrechen und katastrophalen Praktiken in den letzten drei Jahrzehnten rechtzufertigen. Die Bewaffnung des Regimes von Saddam und Hussein mit Chemiewaffen und Unterstützung für die Taliban und Al Qaida sind nur kleine Beispiele von solchen Katastrophen.
Lassen Sie es mich in aller Offenheit vor dieser Weltversammlung sagen, dass, basierend auf unwiderlegbaren Beweisen, diejenigen die auf der so genannten Iran-Bedrohung herumreiten entweder selbst eine Bedrohung für den Weltfrieden und Sicherheit sind oder solch eine Bedrohung fördern. Iran stellt auf jeden Fall absolut gar keine Bedrohung für die Welt oder die Region dar. Tatsächlich war mein Land, idealistisch und in der Praxis, ein Vorbote für gerechten Frieden und umfassende Sicherheit.
Was bisher - und auch weiterhin wird - gegen die unschuldige Bevölkerung von Palästina verübt wurde ist nichts weniger als strukturelle Gewalt. Palästina ist unter einer Besatzung; die Grundrechte von Palästinensern werden tragisch verletzt, und sie werden an ihrem Recht zur Rückkehr und Zugang zu ihren Heimen, Geburtsorte und Heimatland gehindert. Apartheid kann kaum als ein Konzept für die Verbrechen und institutionalisierte Aggression gegen die unschuldige palästinensische Bevölkerung beschrieben werden.
Terrorismus und das Töten von unschuldigen Menschen repräsentiert die ultimative Unmenschlichkeit von Extremismus und Gewalt. Terrorismus ist eine gewalttätige Geissel und kennt keine Länder oder nationale Grenzen. Aber die Gewalt und extreme Aktionen wie durch das Benutzen von Drohnen gegen unschuldige Menschen im Namen vom Kampf gegen den Terrorismus sollte ebenfalls verurteilt werden. An dieser Stelle sollte ich auch noch ein Wort über die kriminelle Ermordung von iranischen Nuklearwissenschaftlern sagen. Für welche Verbrechen wurden sie umgebracht? Die Vereinten Nationen und der Sicherheitsrat sollten diese Frage beantworten: wurden die Täter verurteilt?
Ungerechte Sanktionen, als Manifestation von struktureller Gewalt, sind absolut unmenschlich und gegen einen Frieden. Und entgegen der Behauptungen von jenen die sie (die Sanktionen) verfolgen und auferlegen, sind es nicht die Staaten und die politische Elite die getroffen werden sollen, stattdessen ist es das normale Volk welches durch diese Sanktionen zu Opfern gemacht wird. Lasst uns nicht die Millionen von Iraker vergessen, die als Resultat von Sanktionen welche in internationalem juristischen Jargon verpackt wurden, gelitten und ihr Leben verloren haben und die vielen mehr die noch immer ihr ganzes Leben lang leiden. Diese Sanktionen sind pure und simple Gewalt, ganz egal wie man sie nennt, ob smart, unilateral oder multilateral. Diese Sanktionen verletzen unveräusserliche Menschenrechte, unter anderem das Recht auf Frieden, das Recht zur Entwicklung, das Recht auf Zugang zu Gesundheit und Erziehung, und über alle dem, das Recht auf Leben. Sanktionen verursachen hinter all der ganzen Rhetorik Streitlust, Kriegshetzerei und menschliches Leid. Es sollte beachtet werden das die negativen Auswirkungen nicht nur auf die beabsichtigten Opfer der Sanktionen limitiert bleiben, sie beeinflussen auch die Wirtschaft und Lebensunterhalt von anderen Ländern und Gesellschaften, eingeschlossen den Ländern die diese Sanktionen auferlegen.
Menschen überall auf der Welt sind müde von Krieg, Gewalt und Extremismus. Sie hoffen auf einen Wechsel des Status Quo. Und das ist die einzigartige Möglichkeit für uns alle. Die Islamische Republik Iran glaubt daran das alle Herausforderung verwaltet werden können - erfolgreich - durch kluge, ausgewogene Mischung von Hoffnung und Moderation. Kriegshetzer sind darauf aus alle Hoffnung auszulöschen. Aber die Hoffnung für einen Wechsel zum Besseren ist ein angeborenes, religiöses, weitverbreitetes und universelles Konzept.
Iran versucht Probleme zu lösen, nicht sie zu schaffen. Es gibt keine Angelegenheit oder Dossier welche nicht durch Vertrauen auf Hoffnung und umsichtige Moderation, gegenseitigem Respekt und Ablehnung von Gewalt und Extremismus gelöst werden kann. Iran`s Nuklear-Dossier ist so ein Fall. Wie es durch den Führer der Islamischen Republik eindeutig festgestellt wurde, stellt die Akzeptierung des unveräusserlichen Rechts den einfachsten Weg zur Lösung dieser Angelegenheit dar. Das ist keine politische Rhetorik. Es ist eher basierend auf der tiefen Anerkennung des Technologischen Standes im Iran, globalen politischen Umfelds, dem Ende der Ära der Nullsummenspiele, und der Unerlässlichkeit gemeinsame Ziele und Interessen zu suchen, die in Richtung gemeinsamen Verständnisses und geteilter Sicherheit gehen. Anders gesagt, Iran und die anderen Akteure sollten zwei gemeinsame Ziele verfolgen als zwei gemeinsam unzertrennliche Teile einer politischen Lösung für das Nuklear-Dossier des Irans:
1. Iran`s Atomprogramm - und in dieser Hinsicht diejenigen von allen anderen Ländern auch - darf ausschliesslich nur friedlichen Zwecken dienen. Ich erkläre hiermit, offen und eindeutig, dass das ungeachtet der Positionen von anderen, bereits schon immer das Ziel der Islamischen Republik Iran war und auch immer bleiben wird. Nuklearwaffen und andere Massenvernichtungswaffen haben keinen Platz in Iran`s Sicherheits und Verteidigungsdoktrin, und widerspricht unseren fundamentalen religiösen und ethischen Überzeugungen. Unser nationales Interesse gebietet es uns, sämtliche Bedenken über Iran`s friedliche Atomprogramm zu beseitigen.
2. Das zweite Ziel ist es, die Akzeptierung und Respektierung für die Implementierung des Rechts zur Anreicherung innerhalb Irans und den Genuss von anderen dazugehörigen Nuklearrechten, welches den einzigen Weg zur Erreichung des ersten Ziels bietet. Das Nukleare Know How im Iran wurde bereits domestiziert und die nukleare Technologie, einschliesslich der Anreicherung, hat bereits industriellen Massstab erreicht. Es ist deshalb eine Illusion und extrem unrealistisch anzunehmen, dass die friedvolle Natur des iranischen Atomprogramms durch Behinderung des Programms durch unrechtmässigen Druck gesichert werden kann.
Iran sucht ein konstruktives Engagement mit allen Ländern basierend auf gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Interessen, und versucht nicht die Spannungen mit den Vereinigten Staaten innerhalb dieses Rahmens zu erhöhen. Ich habe vorsichtig den Ausführungen von Präsident Obama heute in der Vollversammlung zugehört. Entsprechend dem politischen Willen der Führung der Vereinigten Staaten und in der Hoffnung das sie davon absehen wird den kurzsichtigen Interessen von kriegshetzerischen Parteien zu folgen, können wir zu einem Rahmen gelangen um unsere Differenzen zu verwalten. Zu diesem Ende sollte, Gleichberechtigung, gemeinsamer Respekt und die Anerkennung der Prinzipien des internationalen Rechts diese Interaktion führen.
Natürlich erwarten wir eine konsequente Stimme aus Washington zu hören.
In den letzten Jahren wurde eine dominante Stimme immer wieder erhört: "Die militärische Option ist auf dem Tisch". Vor dem Hintergrund dieser illegalen und uneffektiven Behauptung lassen Sie mich klar und laut sagen dass "Frieden zum Greifen nah ist"!
Deshalb schlage ich im Namen der Islamischen Republik Iran vor, als einen Anfangsschritt, die Berücksichtigung durch die Vereinten Nationen des Projekts: "the World Against Violence and Extremism" (WAVE). Lasst uns alle dieser Welle (WAVE=Welle) folgen. Ich lade alle Staaten, internationale Organisationen und zivile Institutionen ein, einen neuen Versuch zu unternehmen die Welt in diese Richtung zu führen. Wir sollten auf der ganzen Welt anfangen über "Coalition for Enduring Peace" (Koalition für dauerhaften Frieden) nachzudenken, anstelle der uneffektiven "Coalitions for War" (Kriegskoalitionen) in verschiedenen Teilen dieser Welt.
Heute lädt die Islamische Republik Iran Sie und die gesamte Weltgemeinschaft ein, einen Schritt nach vorne zu unternehmen. Eine Einladung der WAVE beizutreten: World Against Violence and Extremism. Wir sollten neue Horizonte akzeptieren und in der Lage sein sie zu öffnen, in welcher der Frieden über dem Krieg herrschen wird, Toleranz über Gewalt, Fortschritt über Blutvergiessen, Gerechtigkeit über Diskriminierung, Wohlstand über Armut und Freiheit über Despotismus."
Und die Reaktion des israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu darauf war:
"Es war eine zynische Ansprache voller Heuchelei. ... Als Ministerpräsident von Israel, dem Staat des Jüdischen Volkes, konnte ich der israelischen Delegation nicht erlauben Teil einer zynischen PR-Masche durch ein Regime zu sein, das den Holocaust leugnet und zu unserer Zerstörung aufruft."
Diese Antwort lässt erahnen, wie schwer eine Annäherung der USA an den Iran sein wird weil Netanyahu alles in seiner Macht stehende tun wird, um dieses Ziel zu sabotieren.
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