Donnerstag, 6. Februar 2014

Iran Revolution 2.0

Nein, mit Iran Revolution 2.0 meine ich keine Wiederholung der Revolution von 1978/1979 die die heutige Islamische Republik Iran geschaffen hatte. Auch keine Revolution im Sinne eines Volksaufstands gegen die iranische Regierung wie sie von den meisten sogenannten "Iran-Experten" im Westen nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings vorhergesagt wurde. Und noch viel weniger meine ich damit eine gewalttätige Bedrohung in irgendeiner Form für irgendein Land, weder im Westen, noch im Osten oder in der iranischen Nachbarschaft.

Nein, mit Revolution 2.0 meine ich eine wissenschaftliche Revolution die in den vergangenen Jahren nahezu unbemerkt vonstatten gegangen ist. Nach all den israelischen und amerikanischen Kriegsdrohungen, illegalen Sanktionen und Verhandlungen über das iranische Atomprogramm scheint diese Entwicklung auf wissenschaftlichem Gebiet niemanden interessiert zu haben. Dabei ist diese Entwicklung von absolut bedeutender Priorität für den Iran. Es ist eine Entwicklung für die Zukunft, deren Fundament in den letzten 15 Jahren gelegt wurde und heute die ersten Früchte geerntet werden können. Und das TROTZ, oder vielleicht auch gerade WEGEN der illegalen Sanktionen, zwangen doch diese die Iraner zum Aufbau einer kompletten inländischen Selbstversorgung. Und zwar in allen Bereichen. Egal ob das die Technik oder die Wissenschaft war, überall war man bis Mitte der 1990er Jahre auf das Know How und Material aus dem Ausland angewiesen und genau deshalb zielten die Sanktionen auch auf diese Gebiete ab. Die USA im Tandem mit Israel wollten den Iran durch diese Massnahmen in die Knie zwingen, so dass sich das Volk gegen die Regierung aufgrund der Missstände erhebt.
Doch stattdessen traf die Regierung unter Mohammad Khatami die einzig richtige Entscheidung für die Zukunft: Investition in die High Tech Wissenschaft um den Iran zu einer Führungsnation auf diesem Gebiet zu machen.
Man wollte nicht nicht nur hauptsächlich auf Massenproduktion von Gebrauchsgüter setzen wie das der Fall in der Türkei war, dafür sah man in China und Indien einfach einen zu grossen Konkurrenten die bereits den iranischen Markt mit ihren Billigprodukten überfluteten.

Iran`s Aufstieg an die wissenschaftliche Spitze

Die Entscheidung in die High Tech-Wissenschaft zu investieren fiel wie bereits erwähnt in die Regierungszeit von Mohammad Khatami, daher ist die Ausgangslage zum Vergleich der wissenschaftlichen Entwicklung im Iran ideal. Gemäss der Analyse von veröffentlichten wissenschaftlichen Dokumenten im Vergleich zu deren Verweisen in internationalen Fachzeitschriften, rangierte Iran im Jahr 1996 weltweit auf Platz 53. (im Vergleich: 1. USA, 4. Deutschland, 8. Russland, 9. China, 15. Schweiz, 19. Israel)
Zehn Jahre später, also im Jahr 2006, holte Iran bereits kräftig auf und war auf Platz 29. (im Vergleich: 1. USA, 2. China, 5. Deutschland, 14. Russland, 17. Schweiz, 22. Israel)
Und wieder 6 Jahre später, im Jahr 2012, in der Zeit also wo der Westen die schwersten Sanktionen gegen den Iran verhängt hatte, kletterte das Land auf Platz 17. (im Vergleich: 1. USA, 2. China, 4. Deutschland, 16. Russland, 18. Schweiz, 28. Israel)
Sollte Iran in diesem Tempo die Entwicklung weiter vorantreiben, gibt es Voraussagen wonach Iran im Jahr 2018 bereits auf Platz 4 vorangekommen ist.

Nun ist es ja kein Wettrennen um die vorderen Rankings, sondern eine strukturelle Aufgleisung der iranischen Technologieindustrie für die Zukunft. Das wirkliche Ziel dahinter ist es, sich für die Zeit nach dem Zeitalter der sprudelnden Öl- und Gaseinkommen zu wappnen. Ähnlich eigentlich wie es die Scheichtümer auf der anderen Seite des Persischen Golfes tun, die mit Milliardensummen ihre Diversifikation vorantreiben, allerdings mit eingekauftem Know How was sie schliesslich äusserst verwundbar macht.

Aber bleiben wir noch etwas in der Welt der Zahlen und Statistiken und schauen uns kurz mal an, in welchen Gebieten der Iran heute (bzw. im Jahr 2012) besonders hervorsticht.

Genetik- und Molekularbiologie: Platz 9 (1. USA, 2. China, 5. Deutschland, 7. Russland)
Nuklearenergie- und Engineering: Platz 9 (1. China, 2. USA, 7. Deutschland, 8. Russland)
Energieengineering:  Platz 6 (1. China, 2. USA, 3. Russland, 7. Deutschland)
Nanotechnologie: Platz 9 (nach eigenen Angaben; gemessen an den Veröffentlichungen in Fachzeitschriften aber definitiv)

Und das sind nur die Zahlen für den internationalen Vergleich. Für die Iraner selbst, aber auch für die muslimisch geprägte Region in der Nachbarschaft, ist diese iranische Entwicklung viel mehr. Für viele Eltern mit Kinderwunsch sind die rund 70 Spezialkliniken im Iran für künstliche Befruchtung oft die einzige Möglichkeit eine Familie zu gründen. Und dabei schlagen diese Kliniken sogar Brücken zu den sunnitischen Ländern des Persischen Golfes, wo die künstliche Befruchtung aus religiösen Gründen abgelehnt wird und den jungen Paaren daher gar nichts anderes übrig bleibt als ins Ausland zu gehen. Dass aber dafür der Iran gewählt wird, beweist eindeutig dass die ideologischen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten politisch zu lösen sind (wobei das für den Wahhabismus bezweifelt werden darf). Noch bemerkenswerter ist aber die Tatsache, dass ein einflussreiches Magazin wie das Foreign Policy genau über dieses Thema berichtet.
Führend in diesem Bereich ist das Royan Institute in Teheran, welches seit über 20 Jahren erfolgreiche Forschung in der Reproduktiven Biomedizin und Stammzellenforschung betreibt.

(Razavi Krankenhaus in Mashhad)



Aber auch im Bereich der Krebsforschung und Krebsbehandlung gehört der Iran mittlerweile zu den führenden Nationen der Welt. Erst letzte Woche stellte das Unternehmen CinnaGen ein neues Medikament zur Krebsnachbehandlung nach einer Chemotherapie vor. Im Feld der akuten Behandlung von Lungen- und Prostatakrebs entwickelten Wissenschaftler der Islamic Azad University eine neue Methode, in der durch eine Kombination von Nuklear, Radio-Isotope und Nanotechnologie die Tumore direkt bekämpft werden. "Diese Methode, Praseodymium-142 Isotope genannt, bestrahlt Beta-Partikel nur einige Millimeter tief in den Körper und greift den Tumor an, dabei beschädigt es so weniger das gesunde Gewebe aufgrund der deutlich kleineren Radiationsfläche", so die Wissenschaftler. Hergestellt werden diese Radioisotope (und natürlich weitere Produkte) im Karaj Agricultural and Medical Research Center , welches von den USA beschuldigt wird insgeheim an Nuklearwaffen zu forschen. Ausser dieser Anschuldigung konnte bisher aber niemand auch nur den geringsten Beweis dafür erbringen, zumal die Quelle für diese "Geheiminformation" die Terrororganisation Mujaheedin e-Khalq war und somit alles andere als glaubwürdig oder seriös erscheint.

Damit nicht genug, Forscher der Teheran and Shahid Beheshti Universitiy haben einen Chip erfunden, mit dem man sehr schnell eine Krebsdiagnose erhalten kann indem Nanostrukturen mit den betroffenen Zellen interagieren. Diese Informationen werden anschliessend von dem Chip ausgewertet und der behandelnde Arzt erkennt schnell, ob sich Krebszellen im menschlichen Körper befinden. (für Interessierte hier der Link zur Vorstellung der Studie)

Beispiel für andere Länder

Diese imposante Entwicklung auf wissenschaftlichem Gebiet trotz widriger Umstände wird natürlich mit allergrösstem Interesse in der ganzen Region beobachtet. Das es Iran geschafft hat, dem internationalen Druck seit 1979 Stand zu halten und sich nicht unter das westliche Diktat unter US-Führung zu begeben, wird nicht nur von Iran`s Nachbarn positiv bewertet. Insbesondere die Südamerikanischen Länder, welche lange Zeit als Amerika`s Hinterhof behandelt wurden, betrachten den Iran als leuchtendes Beispiel des Widerstandes gegen die US-Hegemonie. Gleichzeitig aber erscheint gerade dieser Erfolg für die sunnitischen Scheichtümer des Persischen Golfs, allen voran aber Saudi Arabien, auch als Gefahr für sich selbst. Sie haben sich alle für den eigenen Schutz an Amerika "verkauft", aufgrund ihrer Grösse auch nicht unbedingt überraschend, und haben Angst das ein wiedererstarktes Persisches Reich vor ihrer Haustür entsteht.
Aber für Länder die sich nicht vollkommen den USA ausgeliefert haben und nicht über riesige Ölvorkommen verfügen, wie beispielsweise Pakistan, ein Land mit 180 Millionen Einwohnern, zeigt der iranische Weg dass es auch ohne die USA oder den Westen geht. Das man es auch aus eigener Kraft schaffen kann wenn die Staatsführung entsprechend einschreitet. Natürlich hatte der Iran Hilfe von Aussen im Aufbau erhalten, aber ohne den Willen und den Ausbau der wissenschaftlichen Inftrastrukturen wäre das alles nicht möglich gewesen.

Wie so oft im Leben kann man diese Entwicklung entweder als halbvolles, oder aber auch als halbleeres Glas betrachten. Für die USA ist es auf jeden Fall ein halbleeres Glas. Denn ein Land das man bisher immer als rückständig, Achse des Bösen oder sonstigen rassistischen Äusserungen verunglimpft hat und Hollywood-Produktionen, die den Iran in einem negativen Licht darstellen sogar mit Oskars oder Grammys belohnt (Argo, Homeland), solch ein Land kann einfach nicht auch noch als Beispiel für andere Länder heranwachsen.

Und dennoch ist genau das geschehen, auf eine eigene Art und Weise die auch der eigenen Tradition und Kultur Rechnung trägt. So wie es zumindest im Moment aussieht, scheint man diese unaufhaltsame Revolution 2.0, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen, auch im Weissen Haus in Washington anerkannt zu haben und passt die US-Politik Stück für Stück der Realität an. Dass die Anpassung nicht über Nacht geschehen kann und wird, steht ausser Frage. Genauso wenig die vielen Steine die die neokonservative, zionistische und saudische Lobby mit aller Macht in den Weg werfen werden.

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