Der Golfkooperationsrat (GCC = Gulf Cooperation Council) wurde am 25. Mai 1981 gegründet, um ein Gegengewicht zur iranischen Revolution zu bilden welche sich zwei Jahre zuvor ereignet hat. Diese Revolution (Berichte dazu hier und hier) erschütterte die Arabische Halbinsel bis ins Mark. Nicht nur dass die bekannten Strukturen des Persischen Golfs seit der Gründung der meisten Scheichtümer plötzlich zerstört wurden und das natürlich für massive Ängste sorgte, sondern auch die Tatsache dass diese Scheichtümer über eine beachtliche Minderheit von Schiiten verfügte, deren Glaubensbrüder und Schwestern im benachbarten Iran eben erst die ihnen verhasste Monarchie vom Thron verjagt haben. Es war daher nicht weit hergeholt die Annahme aufzustellen, dass entweder der Iran diese Revolution auf die Arabische Halbinsel ausdehnen würde oder dass die schiitische Minderheit (oder im Falle Bahrains die Mehrheit) selbst einen Aufstand gegen die Scheichs und Könige wagen würde. Egal welches Szenario sich möglicherweise ereignet hätte, wäre es nicht zum irakischen Angriff auf den Iran gekommen (welchen die Petromonarchien mit Schadenfreude unterstützten), dann wären diese Länder einer iranischen Aggression (was nicht heissen soll dass es überhaupt dazu gekommen wäre) schutzlos ausgeliefert gewesen.
Der Grundgedanke dieses Golfkooperationsrates war es also eine gemeinsame Verteidigungslinie gegen den Iran aufzubauen, zu welchem es aber bis heute nicht wirklich gekommen ist. Zwar wurde 1984 eine gemeinsame "Inselschutzmacht" von zwei Brigaden ins Leben gerufen, aber viel mehr auch nicht.
Natürlich wurde in diesem Kooperationsrat auch die wirtschaftliche Vernetzung der einzelnen Länder sowie eine gemeinsame Linie in der Aussenpolitik zum Ziel erklärt, doch die Inkompatibilität der einzelnen Länder aufgrund ihrer Geschichte, Religion und Zukunftsvisionen liessen eine Art "Arabische Union" nach dem Modell der Europäischen Union nie zu. Und genau so wie es in der Europäischen Union das Problem des Machthungers der stärksten Nation (Deutschland) gibt, so gilt das noch viel mehr für die stärkste und grösste Nation des GCC, Saudi Arabien.
Schauen wir uns aber mal kurz die Länder des Golfkooperationsrates an:
Saudi Arabien:
Mit 2.149.690 km2 nimmt Saudi Arabien 83.46% der gesamten Fläche des GCC ein. Auch mit einer Bevölkerung von 28.3 Millionen sind die Saudis überproportional vertreten, was einem Anteil von 70.75% der Gesamtbevölkerung des GCC entspricht. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) betrug im Jahr 2012 711 Milliarden US-Dollar, was einem Anteil von 44.4% des gesamten BIP des GCC entspricht.
Kuwait:
Das nördlichste Emirat verfügt über eine Fläche von 17`820 km2 (0.7% des GCC) und einer Bevölkerung von 3.25 Millionen (6.9% des GCC). Das Bruttoinlandprodukt lag im Jahr 2011 bei 160.9 Milliarden US-Dollar (10.05% des GCC).
Bahrain:
Die Halbinsel Bahrain, welche nur über eine Brücke zum saudischen Festland verbunden ist, verfügt über eine Fläche 765.3 km2 (0.03% des GCC) und einer Bevölkerung von 1.38 Millionen (2.8% des GCC). Das Bruttoinlandprodukt lag im Jahr 2011 bei 29 Milliarden US-Dollar (1.81% des GCC).
Qatar:
Auch die Halbinsel Qatar grenzt an das Festland von Saudi Arabien und verfügt über eine Fläche von 11`571 km2 (0.45% des GCC) und einer Bevölkerung von 2 Millionen (4.25% des GCC). Das Bruttoinlandprodukt lag im Jahr 2011 bei 171.5 Milliarden US-Dollar (10.7% des GCC).
Vereinigte Arabische Emirate:
Das aus den 7 Emiraten bestehende V.A.E verfügt über eine Fläche von 83`600 km2 (3.24% des GCC) und grenzt an Saudi Arabien, Qatar und dem Oman. Die Gesamtbevölkerung der Vereinigten Arabischen Emiraten beträgt 9.2 Millionen (19.6% des GCC), wobei sich diese auf diese einzelnen Emirate von Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Ras al-Khaima, Umm al-Qaiwain und Fujairah verteilt und sich entlang dieser Stammeslininen auch definiert. Das Bruttoinlandprodukt lag im Jahr 2011 bei 348.6 Milliarden US-Dollar (21.8% des GCC).
Oman:
Oman ist das einzige Land der Arabischen Halbinsel das als Staatsoberhaupt einen Sultan verfügt, und somit auch das Sultanat Oman heisst. Mit einer Fläche von 312`460 km2 (12.12% des GCC) ist Oman flächenmässig das zweitgrösste Land im Golfkooperationsrat, mit einer Bevölkerungszahl von 3.3 Millionen aber vergleichbar mit Kuwait. Das Bruttoinlandprodukt betrug im Jahr 2011 allerdings "nur" knapp 70 Milliarden US-Dollar, was dem zweitniedrigsten Pro-Kopf Einkommen entspricht (Bahrain hat noch weniger).
Angesichts dieser ungleichen Grössenverteilung in nahezu sämtlichen Belangen (Fläche, Bevölkerung, finanzielle Mittel) kann es nicht verwundern, dass sich die kleineren Staaten innerhalb dieses Kooperationsrates von dem übermächtigen Saudi Arabien benachteiligt und in einer schwächeren Position befindend fühlen. Für die Saudis war die Rollenverteilung eigentlich klar: sie als grösster Partner der GCC wollten auch die Dominanz über diese Institution haben, so wie sie es sich aus anderen Institutionen aufgrund der finanziellen Übermacht gewohnt waren (wie zum Beispiel die OIC, WAMY oder auch der Arabischen Liga). Die kleineren Länder wollten sich aber nie als Junior-Partner Saudi Arabiens sehen, sondern als gleichberechtigte Partner. Sämtliche Vorstösse der Saudis die zu einer Konsolidierung der eigenen Macht dienen sollten, wie eine gemeinsame Währung oder eine Golf Union (alles nach dem Vorbild der EU) wurde von dem einen oder anderen vehement bekämpft. Gegen die gemeinsame Währung war hauptsächlich der zweitstärkste Partner im Bunde, die Vereinigten Arabischen Emirate. Gegen die Golf Union waren Qatar und der Oman, so dass kein einziges dieser "Projekte" das Licht der Welt erblicken konnte.
Der Grund weshalb dieser Golfkooperationsrat nie grossartig weiter gekommen ist liegt darin, dass der eigentlichen Gründung bereits eine Verzerrung des Feindbildes vorangegangen war. Während hauptsächlich Saudi Arabien und Bahrain mit ihren grossen schiitischen Minderheiten bzw. Mehrheiten sich vom Iran bedroht fühlten, empfanden die anderen das nur zum Teil so und im Falle Oman`s überhaupt nicht so. So lange es aber keinen klar definierten Feind gab, gab es auch nie den Anreiz oder Bedarf die Verteidigungsstrukturen der einzelnen Länder zu harmonisieren. Der Iran, oder viel mehr die iranische Religion, der Schiismus, wurde ja nur vom saudischen Wahhabismus als Gotteslästerung eingestuft, und auch traditionell waren es die Seefahrer und Händler an der Küste die seit Jahrhunderten eine enge wirtschaftliche Beziehung zum Iran pflegten, während die saudischen Wahhabiten aus dem Najd nie mit den Iranern in Kontakt kamen.
Ein weiterer Grund liegt darin, dass es sich die Scheichtümer am Persischen Golf doch etwas zu einfach gemacht haben in ihrer Selbstverteidigungsdoktrin, indem die Verantwortung für ihre eigene Sicherheit schlichtweg an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft wurde. Ganz egal welches Land, mit Ausnahme des Omans, jedes einzelne Land beherbergte seit 1991 über hunderte von amerikanischen Soldaten und ist auch heute noch Gaststation für die 5. Flotte der US Navy (Bahrain), wichtigsten Luftwaffenstützpunkt in der Region (Al Udeid Air Base in Qatar) oder auch geheime CIA-Basen in Saudi Arabien. Und es gab seit der Besetzung Kuwait`s durch den Irak keine direkte Bedrohung mehr.
Solange die "alte Ordnung" intakt war, also überall die bekannten Despoten an der Macht und deren Politik vorhersehbar, und vor der Haustüre die amerikanische Armee, gab es auch keine Motivation an dieser Situation etwas zu verändern. Aber dann kam der sogenannte "Arabische Frühling" im Jahr 2011, der die gesamte Region und die "alte Ordnung" auf den Kopf stellte. Plötzlich war nichts mehr so wie es die Nacht zuvor noch war. Unruhen in Tunesien, Ägypten, Bahrain, Saudi Arabien, Syrien und Libyen. Die Diktatoren aus Tunis und Kairo wurden vom Volk verjagt, in Bahrain und den Ost-Provinzen Saudi Arabiens rollten saudische Panzer auf und unterdrückten blutig die Demonstrationen. Und als Washington es aus saudischer Sicht einfach zuliess, dass Hosni Mubarak gestürzt wurde und dann später in Syrien nicht zuschlagen wollte wie man es noch im Irak oder Libyen oder im Yemen gesehen hat, seit diesem Augenblick scheint dem Herrscherhaus Al-Saud klar geworden zu sein, dass es diese "alte Ordnung" nicht mehr gab.
Plötzlich multiplizierten sich die Gefahren für Saudi Arabien, ohne dass jemand hinter Riad stand und alles im Hintergrund richten würde. Die USA, welche sich seit dem Zweiten Weltkrieg als Garant für die Saudis verstanden, liessen nicht nur zu dass eine vom saudischen Königshaus empfundene Nationale Bedrohung in Ägypten in Form der Muslimbruderschaft an die Macht kam, sondern dass Washington die Muslimbrüder sogar noch unterstützte. Das kleine Qatar, welches aber mit Al Jazeera über eine höchst wirkungsvolle Waffe im Krieg um die Gunst der öffentlichen Meinung in der arabischen Welt besitzt, unterstützte die Muslimbrüder ebenso wie die Türkei. In den Krisengebieten von Libyen über Mali bis Syrien spielte sich in den Augen der Saudis das kleine Qatar absolut über dessen vermeintlich zugewiesene Rolle auf, und funkte mit deren Unterstützung für Jihadisten, Muslimbrüder und sonstigen Rebellen in die traditionelle Rolle Saudi Arabiens rein.
Und dann kam der wohl grösste "Vertrauensbruch", als sich im Spätherbst herausstellte dass der Oman das Bindeglied zwischen der Annäherung der USA und dem Iran darstellte. Diese Annäherung ist für Saudi Arabien ein Albtraum sondersgleichen. Das seit 1979 erfolgreich stirilisierte Feindbild des Irans in den Korridoren der Macht in Washington wird nur noch von einigen Senatoren bereitwillig aufgesogen, aber im Weissen Haus selbst scheint dieses Bild immer mehr zu verbleichen.
Da steht Saudi Arabien und Stellvertretend für Riad auch der Golfkooperationsrat vor einem Scherbenhaufen, den es jetzt irgendwie wieder zu kitten gilt. Mit dem Abzug der saudischen, bahrainischen und des V.A.E. Botschafters aus Qatar vorletzte Woche und der offenen Drohung der Saudis in Richtung Doha (siehe "Ukraine-Chancen und Gefahren für Iran") hat Riad klar gemacht, dass es innerhalb des GCC keine eigenen Spielchen eines Mitglieds mehr geben wird. Entweder reiht sich Qatar unter die für das Emirat vorgesehene Rolle ein, oder es wird zu einer vollkommenen Neuorientierung des GCC kommen.
Was Saudi Arabien und die verbliebenen GCC-Länder brauchen werden ist eine neue Konfiguration, auch im Bereich der Selbstverteidigung. Und dieser Punkt dürfte den USA für grosse Kopfzerbrechen sorgen, da Washington es trotz ihrer für Saudi Arabien irritierenden Politik als gegeben annahm, dass sich an der militärischen Situation im Persischen Golf nichts ändern würde. Dass aber ein Emirat mit einem wichtigen Luftwaffenstützpunkt der Amerikaner plötzlich aus der Reihe tanzt und von den anderen Ländern eventuell als Gefahrenherd betrachtet werden könnte, ist sicherlich nicht im Interesse der Planer im Pentagon.
Und dennoch offenbart solch eine Konstellation gerade erst ihre Konturen. Während sich die USA aus verschiedensten Gründen dem Iran annähern, die GCC bzw. saudische Politik Qatar und Oman beinahe in die iranische Ecke drängt, erscheint es in Riad und Abu Dhabi nicht mehr ganz so abwegig neue Länder in den Golfkooperationsrat aufzunehmen. Allen voran Ägypten, das traditionell wichtigste und grösste arabische Land.
Durch den Putsch letztes Jahr in Ägypten, wo der demokratisch gewählte Präsident Mohammed Mursi gestürzt und dessen Muslimbrüder im Dezember von dem al-Sisi Regime als Terrororganisation eingestuft wurde, erhielt Riad plötzlich wieder eine Möglichkeit mit sehr viel Geld sich den Einfluss in Ägypten zu erkaufen. Das Saudi Arabien nun die Muslimbrüder ebenfalls als Terrororganisation deklarierten ist nur eine logische Konsequenz dessen.
Seitdem finanzieren Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait den ägyptischen Staat mit grosszügigen Finanzspritzen. Auch die Energiekrise in Ägypten könnte zu einem Politikum werden, wo die Energiereichen GCC-Länder "aushelfen" könnten. Das alles geschieht aber nicht nur aus reiner arabischen Bruderliebe. Saudi Arabien wird etwas im Gegenzug erwarten.
Und das ist das sehr gut ausgebildete und ausgerüstete ägyptische Militär, welches in Form eines Verteidigungspakts innerhalb des neu aufgenommenen Mitglieds Ägypten in den Golfkooperationsrat für die Sicherheit der GCC sorgen könnte.
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