Nach dem Auftritt des israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu bei der jährlichen AIPAC-Conference in Washington macht sich eine gewisse Panik breit in seiner rechtsgerichteten Regierungskoalition. Denn das was sie von Netanyahu dort hörten, war ihrer Meinung nach der Startschuss zur Vorbereitung der Israelis auf eine Entscheidung. Auf eine Entscheidung ob das israelische Volk eine Zwei-Staaten-Lösung haben möchte, oder eben nicht. Vor dieser Entscheidung drückten sich sämtliche Parteien seit dem Beginn des "Friedensprozesses" vor 23 Jahren in Madrid. Nun scheint der Tag der Wahrheit näher gerückt zu sein.
Vor 15`000 begeistert jubelnden Amerikanern erklärte Netanyahu, dass "Frieden gut für uns" und auch für die Araber wäre. "Denkt über die Möglichkeiten", erklärte er weiter, "die Kombination von israelischer Innovation und dem Unternehmertum aus dem Golf könnte die gesamte Region nach vorne katapultieren". Man müsse über die "Früchte des Friedens" nachdenken, die ein Abkommen mit den Palästinensern mit sich bringen würde.
Das war alles andere als das was die Siedlerregierung in Jerusalem hören wollte. Zwar blieb Netanyahu bezüglich des Irans seiner altbewährten Linie treu und forderte die US-Regierung auf, im Grunde die Verhandlungen mit Teheran auszusetzen, doch was den Siedlern wirklich wichtig ist bekamen sie nicht zu hören.
Ganz im Gegenteil, die Stellvertretende Ministerpräsidentin Tzipi Hotovely forderte ihre Ministerkollegen auf, Netanyahu ein Willkommensgeschenk bei seiner Rückkehr nach Israel vorzubereiten das er nicht so schnell wieder vergisst. "Die Atmosphäre die den Ministerpräsidenten begrüsst ist wichtig. Er soll merken dass selbst wenn in Übersee grosse Pläne gemacht werden, es ihm die Koalition nicht erlauben wird solch ein Abkommen zu unterzeichnen. Wenn nötig, dann sollte es auch Drohungen geben die Regierung zu stürzen", so Hotovely.
Auch Wohn- und Bauminister Uri Ariel, selbst ein Siedler, erklärte bezüglich der erst frisch veröffentlichten Zahlen welche belegen, dass der Ausbau von Wohneinheiten in den illegalen Siedlungen im Jahr 2013 um 123% zugenommen hat gegenüber dem Vorjahr 2012: "Das ist der Beweis dass es keine Chance auf einen palästinensischen Staat westlich des Jordan-Flusses gibt."
Anstelle einer Zwei-Staaten-Lösung wie es sein Vorgesetzter in Washington beschrieb, gibt es für Uri Ariel nur den weiteren Ausbau in ganz Israel, in "Galiläa, Negev, Judäa und Samaria". Also überall dort, wo es eine grosse Minderheit bzw. Mehrheit von Palästinensern gibt.
Dann gibt es noch solche Stimmen wie jene von Dr. Dan Schueftan, dem Vorsitzenden des National Security Studies Center der Universität von Haifa und ein sehr einflussreicher Berater der Regierung und der Armee. Dr. Schueftan ist zwar kein Siedler, aber auch kein Proponent einer Zwei-Staaten-Lösung. Und das nur deshalb, weil er der Meinung ist dass man keinen Verhandlungspartner hat mit welchem man überhaupt solch ein Abkommen abschliessen könnte. Schueftan ist der Vater der "Separationsmauer", welche vom Internationalen Gerichtshof als illegal eingestuft wurde, und er ist die Schlüsselfigur die Ariel Sharon davon überzeugt diese Mauer überhaupt in Angriff zu nehmen. Er ist aber auch berühmt dafür, während seinem Unterricht rassistische Witze wie er es nennt zu äussern, wie zum Beispiel "die Palästinenser sind ein widerwärtiger Teil des Nahen Ostens, lassen wir diese Meckerziegen in Ruhe" oder "die Araber sind der grösste Fehler in der Geschichte der Menschheit".
Und was sagte dieser Dr. Dan Schueftan zu diesen Ankündigungen des israelischen Ministerpräsidenten? "Wir sollten nicht zum Frieden führen, Frieden ist nicht einmal eine Option für die Araber selbst, dann sicher nicht zwischen uns und den Arabern. Was wir in dieser Gewalt im Nahen Osten tun sollten ist uns um unser eigenes Geschäft zu kümmern, unsere Kultur, unsere Demokratie und alles was für uns wichtig ist... Ich rede nicht über Lösungen, nur Puzzles haben Lösungen. Es gibt keine regionale Wichtigkeit zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Diese Phantasie von Kerry und den anderen welche behaupten dass eine Lösung des palästinensischen Konflikts eine Stabilität im Nahen Osten bringen wird, ist eine Fantasie die keine Chance auf Verwirklichung hat. Für uns ist es besser wenn wir so wenig Kontakte wie möglich zu den Palästinensern haben, wie ich es schon seit Jahren sage, damit wir eine einen unilateralen Rückzug machen können um selbst über Grenzen und Sicherheitsbestimmungen entscheiden zu können, andernfalls sind wir auf die Zustimmung der Palästinenser angewiesen."
Aber was passiert wenn auch diesesmal die Verhandlungen wieder scheitern sollten und es nicht zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommt? Dieser Frage ging ein Meinungsforschungsinstitut in den USA nach und kam auf ein erstaunliches Ergebnis: 65% der Befragten gaben an, einen Staat für alle seine Bürger einem Jüdischen Staat vorzuziehen, welcher alle anderen Minderheiten diskriminiert. Und genau davor hat nicht nur Netanyahu Angst, sondern ein Grossteil der israelischen Bevölkerung. Aber es wäre nur die logische Konsequenz einer fehlgeleiteten Kolonisierungspolitik der Israelis seit 1967, welche mittlerweile so viel Land von den Palästinensern geraubt und die Wirtschaft sabotiert hat, dass ein überlebensfähiger Staat Palästina so nicht möglich ist.
Wenn Israel aber nicht als ein rassistischer Apartheidstaat verurteilt werden möchte, wovor US-Präsident Obama ganz klar im Interview mit Jeffrey Goldberg gewarnt hatte, dann bleibt nur noch die sogenannte "Ein-Staaten-Lösung" übrig.
Es ist bezeichnend für die Panik in Israel und in Neokonservativen Kreisen der USA, dass US-Politiker wie Michele Bachman bereits die biblische Endzeit kommen sehen. Obwohl es in ihrem Statement um die Unterstützung von einflussreichen Juden in Amerika für die Iran-Politik der Obama Administration geht, gelten ihre Worte mit Sicherheit auch für Obama`s Palästina-Politik:
"Was schockierend war, war zu sehen und zu beobachten wie jüdische (-amerikanische) Organisationen allem Anschein nach es zu ihrer Priorität gemacht haben, die politische Priorität und politischen Ambitionen des Präsidenten über die besten Interessen von Israel zu setzen. Sie haben Israel verkauft." Das die biblische Endzeit naht, sieht Michele Bachman in der Tatsache begründet, dass Obama den jüdischen Staat bedroht.
Vielleicht aber sollten sich gerade Ms. Bachman oder Dr. Schueftan diese Dokumentation des Vice Magazins anschauen, um einen Einblick in die Welt der Palästinenser und der Siedler zu erhalten. Angesichts dieser Weltanschauung und fanatischen Ideologie der Siedler, ist die Panik der Siedlerregierung nicht nur wegen einer möglichen Spaltung von Gross-Israel gross, sondern auch wegen der nicht ganz abwegigen Möglichkeit eines jüdischen "Bruderkrieges". Bis an die Zähne bewaffnet sind sie ja schon...
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