Freitag, 28. März 2014

Lässt Israel die "Friedensverhandlungen" platzen?

Noch bis Morgen, Samstag den 29. März 2014, hat Israel Zeit um sich an die Abmachung zur Freilassung der letzten Tranche von 26 palästinensischen Langzeitgefangenen (die noch vor 1993 in Haft genommen wurden) zu halten. Diese Abmachung wurde vergangenen Sommer geschlossen, um Israels "Guten Willen" in den sogenannten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern zu zeigen.
Nachdem sich aber in der israelischen Regierung immer grösserer Widerstand gegen diese letzte Freilassung formierte (siehe Artikel vom 19.03.14), scheint offensichtlich letzte Nacht die Entscheidung gefallen zu sein, dass diese Deadline von Israel nicht eingehalten werden wird.

Der US-Sondervermittler Martin Indyk führte bis heute früh Gespräche mit den Palästinensern, um eine andere "Formel" zu finden wie diese Gefangenen freikommen sollen. Eine Möglichkeit die Indyk vorgeschlagen hat, wäre eine Freilassung bis 29. April 2014 zu erzielen, dem offiziellen Datum den sich die Amerikaner letzten Sommer selbst gesetzt haben um überhaupt zu einem groben Richtungsplan zu kommen. Wie aber in sämtlichen Verhandlungrunden seit 1991, ist es Israel`s Taktik geblieben zu zaudern, zu beschuldigen und hinauszuzögern, während gleichzeitig immer mehr neue Fakten auf palästinensischem Boden geschaffen werden. Der israelische Ministerpräsident Yitzak Shamir, der in seinen jungen Jahren selbst ein Terrorist in der berüchtigten Stern Gang war, sagte zu dieser israelischen Taktik anlässlich seiner verlorenen Wiederwahl 1992:
"Es ist sehr schmerzhaft für mich dass ich in den nächsten vier Jahren nicht in der Lage sein werde die Siedlungen in Judäa, Samaria und Gaza zu erweitern um die demographische Revolution zu beenden. ... Ich hätte noch die nächsten 10 Jahre Verhandlungen zur Autonomie geführt, währenddessen wir eine halbe Million Menschen (in der West Bank) erreicht hätten."

Nun denn, dieses Ziel ist heute erreicht: es leben etwa 550`000 bis 600`000 jüdische Siedler in illegalen Siedlungen auf palästinensischem Grund und Boden. Während letztes Jahr die Scharade der "Friedensverhandlungen" wieder in Gang kam und Israel als Zeichen des Guten Willens der Freilassung von insgesamt 104 Langzeitgefangenen bis spätestens 29.03.2014 zustimmte, wuchs die Zahl von neuen israelischen Wohneinheiten in Palästina um 123.7% gegenüber dem Vorjahr.

Zurecht bleiben (bis) jetzt die palästinensischen Verhandlungsführer hart in der Frage um die Freilassung der 26 Gefangenen bis Samstag. Der Ball ist nicht auf palästinensischer Seite wie es die Israelis jetzt behaupten, indem sie einfach mal wieder die Taktik und Absprachen ändern, sondern der Ball liegt auf israelischer Seite.

Es ist ja jetzt nicht so dass wir uns alle nur einbilden würden, dass sich Israel nicht an Vereinbarungen oder internationale Rechtsnormen im Umgang mit den "besetzten Gebieten" hält. Der neueste EU-Bericht zur "EU-Nachbarschaftspolitik" hält im Falle Israels fest, dass zwar Verbesserungen in puncto Luftfahrtabkommen oder gemeinsamer Entwicklungsprojekte festzustellen sind, aber dass sich die Situation in puncto israelischer Besatzung gegenüber dem Vorjahr deutlich verschlechtert hat. So wird in diesem Bericht erwähnt, dass Israel allein im Jordantal im Jahr 2013 insgesamt 390 palästinensische Häuser zerstört hat, gegenüber 172 zerstörter Häuser im Vorjahr. Das sind 126.7% mehr Zerstörungen als 2012.
Der UN-Sonderberichterstatter für die Einhaltung der Menschenrechte in Palästina, Richard Falk, empfahl dem UN-Menschenrechtsrat den Fall Israel an den Internationalen Strafgerichtshof zur Prüfung zu übermitteln, um den "legalen Status der fortwährenden Besatzung Israels von Palästina" zu überprüfen, sowie abzuklären ob die "Charakteristiken von Kolonialismus, Apartheid und ethnische Säuberung" auf Israel zutreffen.

Wer möchte kann sich gerne die "Rapporte" von Richard Falk zum Thema "Menschenrechte" und "israelische Siedlungen" in Palästina durchlesen. Diese Berichte haben auch rein gar nichts mit "anti-israelischem Vorurteil" oder "bizarrem und verletzendem Material" zu tun, wie es die amerikanische UN-Botschafterin Samanta Power erst kürzlich bezeichnete. Das sind Berichte die die Realität der israelischen Besatzung widerspiegeln und nicht Rücksicht auf political correctness nehmen. Und genau dafür wurde Richard Falk in der Vergangenheit immer wieder aufs Schärfste von Israel und den USA kritisiert.

Was seit 1967 für Israel hervorragend funktionierte, nämlich die internationale Rückendeckung für sämtliche Kriegsverbrechen und Annektierung und Besetzung von Gebieten (Sinai, Golan-Höhen, Ost-Jerusalem, West Bank, Gaza, Süd-Libanon), die nur zum Teil wieder zurückgegeben wurden (Sinai, Süd-Libanon, Gaza) und die "Schaffung von Fakten" während man in endlosen Verhandlungsrunden Katz und Maus mit den Palästinensern spielt, wird immer schwieriger. Auf diese Tatsache hat selbst US-Präsident Obama hingewiesen, als er in einem Interview kurz vor dem Treffen mit Binyamin Netanyahu im Weissen Haus sagte, "sollten die Friedensgespräche scheitern werden die USA nur limitierte Möglichkeiten haben um Israel vor dem internationalen Fallout zu beschützen". 
So ähnlich äusserste sich auch der EU-Botschafter in Israel, Lars Faaborg-Andersen, als er sagte dass wenn Israel`s Siedlungspolitik diese aktuellen Friedensverhandlungen zum Scheitern bringen, Israel "natürlich und logisch" die Verantwortung dafür tragen muss.

Wie gesagt, es wird immer schwieriger für Israel die Welt, nicht die internationale Politik, für dumm zu verkaufen. Man darf also gespannt sein was nächste Woche passiert sollten die 26 Palästinenser nicht wie vereinbart bis Morgen freikommen.


*UPDATE*
Im UN-Menschenrechtsrat kamen heute 5 Resolutionen zum Thema Israel, Palästina, Menschenrechte und Siedlungen zur Abstimmung. Hier die Ergebnisse:

Das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung - - JA: 46 Stimmen ; NEIN: 1 Stimme
Der Text zu israelischer Besatzung und Besiedlung
der West Bank, Ost-Jerusalem und Golan-Höhen   
wird angenommen:                                                   - - JA: 46 Stimmen ; NEIN: 1 Stimme
Der Text zur Situation der Menschenrechte in 
Palästina inkl. Ost-Jerusalem wird agenommen:     - - JA: 46 Stimmen ; NEIN: 1 Stimme
Der Text zur Situation in Gaza wird agenommen:   - - JA: 46 Stimmen ; NEIN: 1 Stimme
Resolution zur Aufmunterung von Unternehmen
und Ländern Produkte aus israelischen Siedlungen
zu boykottieren:                                                        - - JA: 46 Stimmen ; NEIN: 1 Stimme

So sieht die Situation also aus, während die Welt mit Sorge auf die Missachtung von internationalen Gesetzen und Normen durch Israel blickt, stehen die USA als einziges Land blind auf der Seite von Israel.

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