Dienstag, 27. August 2013

Tomahawks statt Friedenskonferenz für Syrien

Eigentlich sollte Morgen, den 28. August 2013, die Syrien Friedenskonferenz "Genf II" beginnen. Doch wie ich schon im letzten Bericht geschrieben habe, dürfte dieser Vorfall dafür sorgen dass es zu keiner Konferenz kommen wird. Und tatsächlich, das Oppositionsbündnis NCS (National Counsil of Syrian Revolution and Oppositions Forces) gab Gestern in einer Pressekonferenz in Istanbul bekannt, dass die Opposition ihre Teilnahme an der Konferenz in Genf absagt.
In einer anderen Pressekonferenz in Moskau teilte der russische Aussenminister Sergej Lavrov seine Meinung mit, weshalb die syrische Opposition nicht an Friedensgesprächen mit der Regierung von Bashir al-Assad teilnehmen möchte: "Weshalb zu einer Konferenz gehen wenn man der Meinung ist, dass die Infrastruktur des Regimes sowieso durch die Alliierten zerstört wird, und man dann einfach so ohne Gegenwehr nach Damaskus marschieren kann um die Kontrolle zu übernehmen?"

Nun, auch wenn Lavrov mit diesem Statement bestimmt auch seinen Frust zur Geltung gebracht hat, so ganz Unrecht hat er aber damit nicht. Denn es braut sich tatsächlich eine explosive Mischung im Mittelmeer zusammen. Grossbritannien fliegt nach Angaben des Guardian Militärausrüstung und Kampfjets zum britischen Luftwaffenstützpunkt Akrotiri auf Zypern. Aber auch die USA rüsten auf, insgesamt vier Zerstörer mit jeweils 90 Tomahawk Marschflugkörpern sind so positioniert, um innerhalb kürzester Zeit den Befehl aus dem Weissen Haus in die Tat umzusetzen. Noch ist es aber nicht soweit. Selbst der US-Generalstabschef Martin E. Dempsey ist gegen einen Militärschlag, aber der Druck auf Präsident Obama nimmt von allen Seiten zu. Nicht nur die Briten und Franzosen welche schon seit Monaten Obama in den Ohren liegen endlich etwas in Syrien zu unternehmen - militärisch natürlich, nicht diplomatisch - sondern nach diesem Vorfall von letztem Mittwoch auch immer mehr Abgeordnete aus beiden Kammern des Kapitols.
Das Problem das Obama aber hat, ist definitiv dass es keine Beweise gibt dass Assad hinter diesem Vorfall steckt, noch dass es sich überhaupt um einen Giftgasangriff handelt wie ihn die syrische Opposition darstellt. Selbst syrische Passanten in den Strassen von Damaskus glauben nicht daran, dass Assad etwas mit diesem Vorwurf zu tun haben soll, noch kann das von CNN besuchte Krankenhaus mit Opfern aus diesem Angriff bestätigen, dass es sich um Opfer von einem Giftgasangriff handelt. Nicht nur das, selbst die Opferzahlen die anfänglich mit 1300 angegeben wurden, mussten auf 355 revidiert werden. Das heisst nicht dass es deswegen ein kleineres Verbrechen wäre, auf gar keinen Fall!! Es muss aber der Kontext und die Konsequenz daraus analysiert werden, und diese ist eindeutig: erst die hohen Opferzahlen haben dafür gesorgt, dass der politische Druck auf Obama gestiegen ist etwas zu unternehmen.
John McCain formulierte diesen gestiegenen Druck auf den US-Präsidenten folgendermassen:
Wenn Obama jetzt nichts unternimmt, kann der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Region nicht mehr länger Ernst genommen werden.
Es gibt aber auch immer mehr Stimmen von Experten auf dem Gebiet von Chemiewaffen, die erhebliche Zweifel haben dass sich der Vorfall so zugetragen haben soll (siehe beispielsweise hier und hier) wie es die syrische Opposition darstellt. Zwar sind die UN-Ermittler vor Ort und haben erste Proben von Opfern genommen, aber das Resultat scheint offenbar keinen Einfluss auf eine Entscheidung über einen Angriff auf Syrien zu haben. Zumindest wenn es nach dem Willen der britischen Regierung geht, könnte ein Angriff auch unabhängig von jeglichem Beweis der Schuld Assad`s stattfinden, d.h. auch ohne ein entsprechendes UN-Mandat.

Einige TV-Sender in den USA und Grossbritannien folgen der Meinung der Befürworter eines Militärschlages vorzugweise mit Tomahawk Marschflugkörpern, da diese ihrer Meinung nach präzise sind und keine Menschenleben riskieren. Zumindest nicht die Menschenleben der Angreifer.
Als Analogie bringen sie den Tomahawk Einsatz im Irak von 1998, aber auch bei der US-Invasion des Iraks 2003 sowie der Libyen Krieg von 2011. Syrien ist aber anders als alle genannten Vergleiche. Die Flugabwehr ist deutlich stärker und moderner als es im Irak oder Libyen der Fall war. Und was noch viel wichtiger ist: Syrien ist für die Region viel wichtiger als es Libyen jemals war oder der Irak am Schluss noch war.
In Syrien sind aktiv diverse Staaten direkt involviert, was einen möglichen Einsatz entsprechend gefährlich macht. So kann man zum Beispiel in Washington einen Trend feststellen, dass es Senatoren und Kongressabgeordete auf beiden Seiten des politischen Spektrums gibt (also Demokraten und Republikaner), die nach den Wahlen im Iran und dem Sieg von Hassan Rohani einen Kurswechsel der USA empfehlen. So unterschrieben 131 Abgeordnete beider Lager einen Brief am 19. Juli 2013 an Präsident Obama, mit der Empfehlung "alle diplomatischen Mittel" auszunutzen um diese "wirkliche Gelegenheit zur Verbesserung" (der Beziehung zum Iran) zu ergreifen. Ferner hielten sie fest:
"Wir müssen ebenfalls vorsichtig sein, dieser potentiellen Möglichkeit nicht durch Ergreifen von Aktionen zuvor zu kommen, welche den frisch gewählten Präsidenten delegitimieren und seine Haltung gegenüber Hardlinern innerhalb des Regimes schwächen, welche seine erklärte "Politik der Versöhnung und Frieden" verhindern möchten."  

Ein US-Angriff auf Syrien würde aber genau das bewirken. Es ist daher kein Zufall dass letztes Wochenende  Sultan Qaboos bin Said vom Oman bei Präsident Rohani als Staatsgast zu Besuch war, während gleichzeitig UN-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman ebenfalls in Teheran zu Gesprächen weilte. Feltman war während des Libanonkrieges von 2006 US-Botschafter in Beirut, was ihm wegen seiner eindeutigen Unterstützung für Israel`s Bombenangriffe keine Pluspunkte in der Region einbrachte. Nichtsdestotrotz sass er während dreier Sitzungen mit den Iranern am Tisch und erläuterte den Krieg in Syrien. Die UN-Position bezüglich Iran`s Rolle im Syrien Konflikt ist klar: es gibt nur eine politische Lösung wo der Iran eine wichtige Position zur Vermittlung inne hat. Die Iraner wollten von Feltman aber auch die US-Position diesbezüglich hören und wenn man den Berichten glauben kann, informierte Feltman die Iraner über einen begrenzten Schlag in Syrien und bat Iran, keine Gegenmassnahmen zu ergreifen. Erst dann könne man sich mit allen Parteien in Genf an den Verhandlungstisch setzen.

Die Nachricht ist also klar: erst Tomahawks, dann Friedenskonferenz in Genf.
Vielleicht aber sollte Obama auf einen Mann hören, der ebenfalls beste Erfahrungen im Umgang mit gefälschten Beweisen hat, welche dann zu einem katastrophalen Krieg geführt haben. Die Rede ist von Colin Powell, dem hochdekorierten ex-General und US-Aussenminister während George W. Bush`s erster Amtszeit. Powell sagte in der beliebten CBS Sendung "Face the Nation", dass die USA in Ägypten und in Syrien ein "viel cleverere Rolle" übernehmen und abwarten sollte, bis der Krieg vorüber ist um dann die Hilfe beim Wiederaufbau des Landes anzubieten.

Die Frage wird sein, was Obama nun tun wird. Wenn er einen massiven Schlag gegen Damaskus austeilt, wird er ein Feuer in der Region entfachen die der Westen nicht löschen werden kann. Wenn er nur ein paar Marschflugkörper abschiesst welche dazu dienen seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, dann werden ihn seine politischen Gegner als "Schwächling" versuchen darzustellen. Das amerikanische Volk aber hat trotz des angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen kein Interesse an einem weiteren US-Krieg im Mittleren Osten, nur 9 Prozent befürworten einen Militärschlag.






Freitag, 23. August 2013

Clusterbomben Verkauf an Saudi Arabien

Die Amerikaner, Saudis und die Qataris waren diejenigen, die am heftigsten im UN-Sicherheitsrat gegen die Nutzung von Clusterbomben (oder auch Kassettenbomben oder Streubomben) durch die syrische Armee protestiert haben. Eine von Qatar vorgestellte Resolution zur Verurteilung der Gewalt in Syrien durch Nutzung von schwerem Kriegsgerät, Raketen und Clusterbomben, wurde schliesslich von der UN-Generalversammlung am 15.05.2013 verabschiedet. 

Was aber von Washington, Doha und Riad als Verstoss gegen die Menschenrechte in Syrien bezeichnet wird, hindert sie aber keineswegs selbst zu nutzen. Alle drei Länder sind keine Unterzeichner des Abkommens gegen Streubomben, welches von 112 Ländern bisher angenommen wurde. Noch viel weniger hindert es die USA daran, diese Art von Bomben an ein Land wie Saudi Arabien zu verkaufen, welches sich selbst nicht grossartig um Menschenrechte kümmert, weder im eigenen Land noch in Syrien.

Das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika meldete am 20. August 2013, dass es bei dem Unternehmen Textron Defence Systems 1300 solcher Clusterbomben des Typs CBU 105-D/B für Saudi Arabien in Auftrag gegeben hat, deren Verkaufswert bei 640`786`442 USD liegt. Der Verkauf wurde damit begründet, dass Saudi Arabien diese Streubomben für "Modernisierungszwecke" und zur "besseren Verteidigung einer ganzen Reihe von Bedrohungen" benötigt.





Donnerstag, 22. August 2013

Giftgasangriff in Syrien

Es ist wohl unbestritten klar dass am Mittwoch das erste Mal in dem seit über zwei Jahren dauernden Krieg in Syrien ein massiver Giftgasangriff gegen die unschuldige Zivilbevölkerung stattgefunden hat. Die ersten die davon berichtet haben, war die Organisation "Syriens Observation für Menschenrechte" in Coventry/Grossbritannien.
Obwohl die Tatsache des Giftgasangriffs sich als wahr herausstellte, ging die Organisation umgehend einen Schritt weiter und beschuldigte ohne konkrete Beweise zu liefern, die syrische Regierung für diesen brutalen und Menschenerachtenden Angriff. Diese Information wurde dann umgehend von den internationalen Medien übernommen und als Tatsache in den Headlines dargestellt. Die US-Regierung ging gestern Abend sogar noch einen Schritt weiter und erliess folgende Erklärung: "Es gibt starke Hinweise darauf, dass es einen Angriff mit Chemiewaffen gab - ganz klar durch die (syrische) Regierung. Aber wir müssen zuerst unser Due Diligence (sorgfältige Überprüfung und Analyse) durchführen und alle Fakten erhalten, und dann entscheiden welche Schritte getätigt werden müssen."

Viele Medien haben genau diese Erklärung abgedruckt, aber niemand hat sich offenbar die Mühe gemacht diese Worte etwas genauer zu betrachten. Was hier gesagt wurde ist folgendes: Es deutet darauf hin dass es einen Angriff mit Chemiewaffen gab, aber wir haben keine Ahnung wer das war. Trotzdem beschuldigen wir die syrische Regierung, noch bevor wir alle Fakten haben.

Natürlich kann man ohne jegliche Beweise nicht ausschliessen dass es tatsächlich syrische Truppen waren die diese grausame Raketenangriffe mit Chemiewaffen durchgeführt haben. Sollte sich tatsächlich herausstellen dass die syrische Armee hinter diesen Angriffen steckt, wird sie mit den Konsequenzen leben müssen die zweifelsohne folgen werden.
Betrachtet man aber die Umstände und den Zeitpunkt dieses feigen Angriffs, deuten die Zeichen viel mehr in Richtung von wahhabitischen takfiris, also Muslime die aufgrund von religiösen Vorstellungen andere Muslime umbringen, eine Praktik die im Islam prinzipiell als verboten gilt.

1. Das Ziel
Obwohl es Vororte von Damaskus waren die unter der Kontrolle von "Rebellen" stehen, waren die Raketenziele nicht etwa Militärstellungen der Rebellen, was dann tatsächlich eher für das syrische Militär als Urheber der Raketenangriffe gesprochen hätte. Das Ziel aber war die Zivilbevölkerung und ein möglichst hoher Anteil an Opfern. Wie selbst das Wall Street Journal festhielt, gab es bei den gezeigten Opfern keine Anzeichen (keine sichtbaren Wunden) eines gezielten Militärschlages der Zerstörung mit sich bringt.

2. Der Zeitpunkt
Erst vor 3 Tagen sind UN-Ermittler in Damaskus eingetroffen um die älteren Vorwürfe von Chemiewaffen Einsätze zu überprüfen. Warum sollte Präsident Assad ausgerechnet jetzt solch einen Angriff befehlen, wo sich doch UN-Ermittler in unmittelbarer Nähe der tragischen Geschehnisse vom Mittwoch befinden? Natürlich ist ihre Bewegungsfreiheit stark eingeengt, doch ein so massiver Einsatz von Giftgas unweit der Unterkunft der UN-Ermittler lässt sich weder vertuschen, noch sonstwie verdrängen.
Ausserdem befindet sich die syrische Armee in grossen Teilen des Landes auf dem Vormarsch und erobert Gebiete zurück, die zuvor von den "Rebellen" gehalten wurden. Auch die Bevölkerung Syriens steht in der Mehrheit hinter Präsident Assad (siehe Bericht) und verabscheut die immer grösser werdende Flut von ausländischen Jihadisten die in ihr Land strömt. Der scheidende stellvertretende Direktor der CIA, George Morell, sagte gar dass mehr Jihadisten jeden Monat nach Syrien kommen um mit Al Qaeda Ablegern gegen die syrische Regierung zu kämpfen, als im Irak Krieg zur schlimmsten Zeit. Morell sagte sogar, dass wenn Assad gestürzt werden sollte und das Land dadurch unter die Kontrolle dieser Al Qaeda Ableger gerät, es die grösste Gefahr für die Nationale Sicherheit der USA darstellen würde.
Warum also sollte Assad so einen Angriff ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wagen, wo doch die Zeit und die Erfolge seines Militärs eher für ihn sprechen? Das macht aus strategischer Sicht überhaupt keinen Sinn. Er weiss ganz genau dass ein solcher Angriff die Weltgemeinschaft zum Handeln zwingen und insbesondere jenen Staaten in die Hände spielen würde, die nur darauf warten endlich militärisch gegen ihn losschlagen zu können.

Der französische Aussenminister Laurent Fabius äusserste sich auch prompt genau in diese Richtung als er sagte: "Sollte der UN-Sicherheitsrat zu keiner Entscheidung kommen können, dass es andere Wege geben wird eine (Entscheidung) zu finden. ... Es wird eine Antwort mit Gewalt in Syrien von der internationalen Gemeinschaft geben, aber es steht nicht zur Frage Bodentruppen zu entsenden." Natürlich vorausgesetzt es stellt sich heraus, dass die syrische Regierung hinter diesen Giftgasangriffen steckt. Aber was Frankreich oder auch die internationale Gemeinschaft tun soll wenn sich herausstellt dass es nicht Assad war, sondern die "Rebellen" diese Tat verübt haben, das verriet Fabius nicht.

Ein weiterer Punkt der vom Standpunkt des Timings eher dafür spricht dass es nicht syrische Truppen waren, ist die "Friedenskonferenz" in Genf die für den 28.08.2013 angesetzt ist. Wie ich bereits am 21.06.13 schrieb, hoffte US-Aussenminister John Kerry das eine solche Konferenz bis Ende Mai stattfinden kann. Doch für die "Rebellen" gab es nach eigenen Angaben keinen Grund sich an den Verhandlungstisch zu setzen solange sich ihre Ausgangsposition auf dem Boden (sprich die Zurückdrängung der Offensive der syrischen Truppen) nicht verändert.
Mit einem solchen Giftgasangriff ändert sich die Situation aber auf dramatische Art und Weise, unabhängig erst einmal von wem der Angriff verübt wurde. Ein solches Verbrechen wird nicht toleriert werden, egal von welcher Seite. Glaubt man Berichten des Sprechers des russischen Aussenministeriums Aleksandr Lukashevich, verfügt Moskau über Berichte welche belegen, dass die "Rakete welche am 21. August von Stellungen gefeuert wurde die von Aufständischen besetzt ist, ähnlich der ist welche von Terroristen am 19. März in Khan al-Assal genutzt wurde."
Wer auch immer diesen schändlichen Angriff zu verantworten hat, wird es vermutlich geschafft haben diese Friedenskonferenz vom 28. August torpediert zu haben, denn es wird keine Seite sich an einen Tisch setzen so lange nicht geklärt ist wer dahinter steckt. Selbst dann ist eine Konferenz eher ungewiss, angesichts der lauernden Gefahr eines militärischen Schlages des Westens.
Vergessen wir nicht die Warnung des stellvertretenden CIA-Direktors George Morell, dass Al Qaeda und deren Ableger in Syrien eine Gefahr für die Nationale Sicherheit der USA darstellen sollten sie in den Besitz von Chemiewaffen kommen. Wenn sich nun herausstellt dass genau das der Fall ist, wird der Druck von Frankreich und Grossbritannien auf die USA zunehmen um militärisch vorzugehen. Denn das Schreckensszenario welches von Gegnern solch eines militärischen Aktionismus gezeichnet wurde, nämlich dass nur Al Qaeda und deren wahhabitische Ableger in Syrien von einem Sturz Assad`s profitieren würden und diese gefürchteten Waffen in die Hände bekommen, wäre bereits hinfällig. Auch Israel machte mehr als einmal klar, dass es nicht zulassen werde dass diese Waffen in die Hände von Extremisten gerät.
Washington hätte aber lieber das Problem mit Moskau zusammen am Verhandlungstisch in Genf gelöst gehabt, (und dabei die Machtverhältnisse in der gesamten Region neu verteilt) als tatsächlich in einen erneuten Krieg im Nahen Osten hineingezogen zu werden. 

Angesichts dieser Punkte erscheint mir die voreilige Verurteilung und Beschuldigung von Präsident Assad für diesen Giftgasangriff als fragwürdig, weil einfach kein Nutzen auf strategischer noch auf taktischer Ebene für Assad ersichtlich ist. Diese Meinung teilt auch Charles Lister, ein Analyst für das IHS Jane`s Terrorism and Insurgency Center.



Freitag, 16. August 2013

Saudi Arabien in Panik

Nichts verdeutlicht mehr wie sehr sich Saudi Arabien in Panik befindet, als der Besuch des mittlerweilen legendären Geheimdienstchefs der Saudis, Prinz Bandar bin Sultan bin Abdulaziz, bei dem russischen Präsidenten Vladimir Putin in Moskau. Bandar bin Sultan, oder auch Bandar Bush wie ihn manche aufgrund seiner intimen Nähe zum Bush Clan nennen, war von 1983 bis 2005 saudischer Botschafter in Washington und DIE Adresse für sämtliche US-Administrationen, wenn es darum ging, Geld für irgendwelche Aktivitäten der Amerikaner aufzutreiben die der eigene Kongress niemals bewilligt oder zumindest nicht in diesem Umfang zur Verfügung gestellt hätte. Ob das der Krieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan war, der Iran-Irak Krieg in den 1980er Jahren, Bestechung von Diktatoren in Schwarz-Afrika, der Golfkrieg von 1991 oder die Irak Invasion 2003, es war immer Prinz Bandar der die Wünsche des Weissen Hauses an das Haus Saud in Riad übermittelte und dafür sorgte, dass die Beziehung zwischen den USA und Saudi Arabien nicht an Stabilität verliert. Im Gegenzug erhielt er Waffensysteme wie die Kampfjets F15 oder die Aufklärungssysteme wie AWACS, die trotz massivsten Grabenkämpfen zwischen Weissem Haus und der zionistischen Lobby und deren ungeheuerlichen Einfluss im Kongress geliefert wurden.




Russland wurde von den Saudis während des Kalten Krieges stets als Gottloser Staat bezeichnet, und Moskau galt als "Hauptstadt des kommunistischen Atheismus" welcher mit Hilfe der USA bekämpft werden muss.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Prinz Bandar kann im Weissen Haus nicht mehr ein und ausgehen wie und wann er es wollte. Obwohl er nach wie vor einige sehr überzeugende Argumente der engen Beziehungen zwischen den USA und Saudi Arabien in der Hand hält (siehe Bericht), musste er doch festhalten dass nicht nur die Zeit des freien Zutritts im Weissen Haus vorbei ist, sondern auch die Zeit des amerikanischen Interesses an der "Transformation des Mittleren Ostens" Irakischer Bauart.

Die ausschliessliche Wette auf das amerikanische Pferd ist in Riad längst kein Thema mehr, zu sehr sitzt noch der Schock im Nacken wie schnell die Amerikaner einen langjährigen Partner (-Diktator) wie den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak fallen gelassen haben und wie zögerlich sich Washington im Umgang mit dem Erzrivalen Iran gibt. Zwar wurde mit grösster Freude das "Geschenk" Obamas angenommen, nämlich die alleinige Herrschaft über Syriens "Rebellen", egal welcher Ausrichtung. Nach dem Zusammenbruch der Herrschaft der Muslimbruderschaft in Ägypten und der "in die Schranken Weisung Qatars", bedurfte es der starken Hand Saudi Arabiens um den Einfluss Irans und auch Russlands zu durchbrechen.  Doch weit gefehlt. Trotz des immer grösser werdenden Stromes von wahhabitischen Jihadisten nach Syrien, sitzt Syriens Präsident Bashir al-Assad fester im Sattel als am Anfang des Krieges vor zwei Jahren und weiss eine Mehrheit der syrischen Bevölkerung hinter sich. Das alles ist natürlich auch den Saudis bekannt.

Und das ist genau das Problem welches Prinz Bandar hat. Syrien ist nunmal nicht Afghanistan von 1979 wo die Bevölkerung sich der Eindringlinge entledigen wollte und sich deshalb auf die Seite der Mujahedeen stellte, welche wiederum von Saudi Arabien und den USA finanziert und ausgerüstet wurden. Damals wie heute strömten Jihadisten aus vielen Ländern zum Kriegsschauplatz, und wieder findet sich Saudi Arabien in der Rolle des Financiers der Jihadisten. Der grosse Unterschied von Afghanistan zu Syrien ist aber, dass diese Jihadisten damals als Mujahedeen im Westen verehrt wurden die es mit der Supermacht UdSSR aufnahmen. Doch heute nimmt man sie nicht mehr als Helden wahr, sondern als Terroristen die unschuldige Menschen auf grausamste Art und Weise abschlachten. Diese Sichtweise teilt auch der grösste Teil der syrischen Bevölkerung, weswegen sie diese ausländischen Kämpfer nicht unterstützen. Und solange Präsident Assad auch weiterhin militärisch so robust durch Russland und dem Iran unterstützt wird, sind die Pläne von Saudi Arabien von vornherein zum Scheitern verurteilt.

"Money counts, millions even more" ist ein beliebtes Motto der Saudis und öffnete dem Königreich viele Türen in den Hauptstädten wie London, Washington, Paris und Berlin. Zuletzt sah man dieses Schema in Kairo, als eine Delegation aus Saudi Arabien kurz nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi nach Ägypten reiste und mal eben 5 Milliarden US-Dollars Soforthilfe im Gepäck hatte.
In London, Washington, Paris und nicht zuletzt auch Berlin sind diese Praktiken ebenfalls nichts Neues, nur verkaufen sie nicht die Souveränität ihrer Länder sondern Waffen. Und mit diesen Waffen folgen die Schmiergelder auf dem Fusse, in Form von Kickback-Zahlungen, Vermittlergebühren oder Bartergeschäften (beispielsweise Waffen für Öl). In den 1980er Jahren war es Grossbritannien unter der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher, das skandalöse Geschäfte mit Saudi Arabien betrieb. Thatcher schreckte nicht einmal davor zurück internationale Waffenhändler in der Downing Street 10 zu bewirten, um den Deal mit den Saudis perfekt zu machen. Dieser Deal, der sagenumwobene Al-Yamamah Deal, brachte für das britische Rüstungsunternehmen Britisch Aerospace (BAE) einen Langzeitvertrag über 20 Jahre und einen fantastischen Umsatz von ca. 150 Milliarden US-Dollars (nach Schätzungen des langjährigen Vorsitzenden von BAE, John Cahill).
Gross verdient hat dabei auch niemand geringeres als Prinz Bandar, der, ähnlich wie später in Washington auch, in London bei den Premierministern immer eine offene Tür vorfand und eine erhebliche Rolle bis zum Abschluss des Al-Yamamah Vertrags spielte. Berichten zufolge sollen dabei etwa 30 Millionen US-Dollars auf sein Konto in Washington geflossen sein, was heute ca. 43 Millionen EURO entsprechen würde.

Und genau dieses Muster versuchte Prinz Bandar nun in Moskau bei Vladimir Putin anzuwenden, nach dem Motto "was seit Jahrzehnten im Westen sehr gut funktioniert hat, wird auch im Osten funktionieren". Dem saudischen Geheimdienstchef ging es darum, Russland aus Syrien mit Geld und Versprechungen wegzuködern, damit Moskau seine militärische wie auch politische Unterstützung für Syrien fallen lässt. Nur so wäre der Weg frei für eine offene Intervention des Westens in Syrien, und im Gegensatz zur Irak Invasion von 2003 sehr wahrscheinlich mit UN-Mandat.
Dass Bandar aber überhaupt nach Moskau geflogen ist, obwohl nur einen Monat zuvor der saudische Aussenminister Prinz Saud al-Faisal Russland beschuldigt hat, durch die militärische Unterstützung den "Genozid am syrischen Volk" zu betreiben, zeigt in welcher verzweifelten Lage sich Saudi Arabien befindet.
Der saudische Aussenminister selbst gewährte der Welt Einblick in die Weltanschauung des Herrscherhauses in Riad. Bei einer Pressekonferenz mit US-Aussenminister John Kerry sagte er:
"Syrien ist ein okkupiertes Land unter einer ausländischen Invasion, mit Waffenlieferungen aus Russland und der Hezbollah Miliz, was im Widerspruch jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen steht".
Ausländische Invasion? Widerspruch jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen? Ich bin mir 100%ig sicher dass Prinz Saud al-Faisal noch nie einen syrischen Bürger nach seiner Meinung gefragt hat, wen dieser wohl als ausländischen Eindringling betrachtet der unter Missachtung jeglicher internationaler Gesetze und Konventionen seine Landsleute umbringt.
Bandar bin Sultan weiss das aber mit Sicherheit und dennoch teilt er mit dem Rest des Herrscherhauses al-Saud die Angst und den Hass vor und auf den Iran, beziehungsweise die direkt involvierte Hezballah in Syrien. Nichts und niemand kann offensichtlich diese Partei Gottes aufhalten, nicht einmal Israel als die militärische Übermacht im Nahen Osten. Und wie soll es da erst Saudi Arabien schaffen? Bandar weiss dass die Jihadisten militärisch ebenfalls nichts ausrichten können, solange sie nicht über entsprechende Waffen verfügen. Er scheint aber einen Plan B für sie zu haben, sollte Widererwarten doch etwas unvorhergesehenes passieren und Bashir al-Assad entweder abdankt oder sonstwie aus dem Weg geräumt wird. Wie sonst könnte man die Worte Bandar`s an Putin verstehen, als er sagte dass "egal welches Regime nach Assad kommt, es wird komplett in Riad`s Händen sein". Angesichts dessen das sich Saudi Arabien nicht nur vor dem Iran und der Hezballah fürchtet, sondern auch vor den wahhabitischen Zeloten in Syrien dass diese nach dem Krieg in Syrien es auf die korrupte Monarchie selbst absehen, ist es nicht weit hergeholt die Hypothese aufzustellen, dass die Jihadisten ein eigenes Staatengebilde als Prämie für den Pakt mit Saudi Arabien erhalten.

Das aber Saudi Arabien mit ihrer Weltanschauung und der daraus justierten Politik eben genau dafür erst sorgt, dass der Iran, aber auch die Hezballah immer mehr auch ausserhalb ihrer Grenzen an Einfluss gewinnt, scheint noch nicht wirklich richtig verstanden worden zu sein. Das bestätigt auch Faisal Itani vom Hariri Center des Atlantic Council`s, einem einflussreichen Think Tank. Itani beschreibt die Reaktionen der GCC-Länder (Gulf Cooperation Council = Saudi Arabien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Qatar, Bahrain, Oman) auf die Intervention der Hezballah in Syrien, wobei sich die Reaktion auf blosse Abschiebung von libanesischen Gastarbeitern beschränkt die der schiitischen Glaubensrichtung angehören. Mit diesen Massnahmen wollen die GCC-Länder, angeführt von Saudi Arabien, die Hezballah zum Einlenken in Syrien bewegen. Die Kalkulation dahinter ist, wenn tausende Libanesen ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit verlieren, wird die libanesische Regierung schon genügend Druck auf die Hezballah ausüben um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Diese Strategie basiert aber nicht nur auf Rassismus und Diskriminierung der übelsten Sorte, sondern hat auch schon früher nie zum "Erfolg" geführt. Israel hat diese Taktik bereits mehrere Male angewendet als es sogar mit Krieg, Zerstörung und Mord gegen die schiitische Bevölkerung im Süd-Libanon vorgegangen ist, nur um politischen Druck auf die "anderen" im Libanon zu erhöhen etwas gegen die Hezballah zu unternehmen. Es ist ganz einfach eine Realität die nicht durch Wunschdenken verändert werden kann: die Hezballah ist zu einem organischen Teil des Libanons geworden.
Diese Deportationen (es ist nichts anderes als das) von schiitischen Libanesen aus den GCC-Ländern werden nur dazu führen, dass die Hezballah noch grösseren Zulauf und Zuspruch erhält und zwar nicht nur von Schiiten die nichts ausser vielleicht Sympathie mit der Partei Gottes verbindet, sondern auch von Libanesen anderer Religionszugehörigkeiten. Von der Nutzung dieser Deportationen für die iranische Propaganda gar nicht erst zu sprechen.

Ein weiteres Zeichen wie sehr sich das Haus Al-Saud in Panik befindet beschreibt niemand anderes als ein Mitglied des Herrscherhauses selbst. Prinz Khalid bin Farhan al-Saud, sagte sich vor Kurzem von einem Leben in Saus und Braus los und beschuldigte die saudischen Herrscher, das Land Saudi Arabien wie ihr eigenes, persönliches Eigentum zu behandeln und jegliche kritische Stimme zum Schweigen zu bringen. Er sagt dass sich etwa 30`000 politische Gefangene in den saudischen Gefängnissen befinden, die zum Teil gefoltert oder getötet werden. Ein Beispiel wie brutal die Saudis gegen jegliche Form von Kritik vorgehen, ist die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi aufgrund seiner angeblichen Beleidigung des Islams. Die Strafe: 600 Peitschenhiebe und 7 Jahre Gefängnis.
Selbst Amnesty International hält in ihrem provisorischen Jahresbericht von 2013 fest, dass die saudischen Behörden massiv gegen politische Aktivisten vorgehen und es bisher zu 79 berichteten Hinrichtungen kam.


Das sind nicht gerade die Art von Nachrichten die Deutschland von einem der wichtigsten Partner der deutschen Rüstungsindustrie hören will (nur die Vereinigten Arabischen Emirate kaufen noch mehr deutsche Waffen als Saudi Arabien). Der Deal mit den Leopard II. Panzern ist Deutschland bereits wegen der grossen Aufregung deswegen durch die Lappen gegangen. Wenn noch mehr solche negativen Nachrichten aus Saudi Arabien kommen darf Frau Merkel davon ausgehen, dass die Opposition zu solchen Waffenverkäufen nicht kleiner wird. Dabei sollte doch Saudi Arabien gemäss den Worten des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert ein "Stabilitätsfaktor in der Region" sein.
Der "Stabilitätsfaktor" ist sogar so gross, dass kein einziges deutsches Medienblatt den "Seitenwechsel" des saudischen Prinzen Khalid bin Farhan al-Saud oder dessen Beweggründe dokumentiert hat, obwohl er seine Interviews aus der deutschen Metropole Düsseldorf gegeben hat.

Das aber von Stabilität in Saudi Arabien keine Rede sein kann, sprach nicht nur Prinz Khalid an, sondern auch indirekt Bandar bin Sultan bei seinem Besuch in Moskau. Bandar unterbreitete Putin nebst dem Angebot von Waffenkäufen (man spricht von 15 Milliarden US-Dollars) noch etwas an, was einem Verrat der europäischen Partnerschaft gleich kam. Der saudische Geheimdienstchef weiss ganz genau, dass sich Europa in gewisser Weise im Würgegriff der russischen Energiezange befindet und alles versucht, sich daraus zu lösen. Und dennoch bot er dem russischen Präsidenten an, im Gegenzug für die Schliessung des russischen Militärhahnes "keine Verträge zu schliessen welche russischen Interessen schaden könnte, indem es Golfländern (arabische Scheichtümer) erlaubt wird ihr Gas über Syrien nach Europa zu transportieren."
Wenn aber die Nationale Sicherheit, oder besser gesagt das Überleben des Hauses Al Saud bedroht ist, dann spielen solche Sentimentalitäten wie "Partnerschaft mit Europa" keine Rolle mehr.

Etwas Gutes hat der Besuch von Prinz Bandar bin Sultan in Moskau trotzdem gehabt, wofür ich ihm persönlich äusserst dankbar bin, denn nun hat er selbst bestätigt worum es eigentlich in dem Krieg um Syrien geht (nebst den religiösen und ideologischen Motiven): nämlich um die Herrschaft über die Gas-Transportroute durch Syrien, und damit meiner Analyse vom 15.10.2012 Recht gibt.








Freitag, 9. August 2013

Friedensprozess oder Farce?

Was haben der Friedensprozess, der von US-Aussenminister John Kerry einberufene Sondervermittler Martin Indyk und die kürzliche Einstufung der Europäischen Union des "militärischen Flügels" der Hezballah als Terrororganisation gemein?

Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Für die meisten Menschen in Europa und insbesondere in den USA war es ohnehin keine Frage ob die Hezballah eine Terrororganisation ist oder nicht, für sie ging die Trennung zwischen einem "militärischen Flügel" und dem Rest der Organisation entschieden zu weit. Ihrem Verständnis nach hätte die ganze Organisation entsprechend eingestuft werden müssen. Warum aber entschied sich Brüssel genau jetzt zu diesem Schritt, wo man doch seit Jahren darüber streitet und dem Druck der USA und Israels genau das zu tun ausgesetzt war?

Genau hier schliesst sich dann der Kreis auf die Frage, was Indyk, der Friedensprozess und die Hezballah gemein haben. Was in den Medien jeweils als einzelne und voneinander getrennte Aktionen dargestellt wird, ist in Wirklichkeit miteinander verwoben wie ein undurchdringliches Spinnennetz. Das der "militärische Flügel" vom EU-Rat in die Liste der Terrororganisationen aufgenommen wurde, hängt unmittelbar mit dem Friedensprozess, aber auch mit der EU-Entscheidung zusammen, den längst überfälligen Schritt zu unternehmen um israelische Unternehmen welche sich auf palästinensischem Boden befinden, zu sanktionieren. Das heisst es werden von der EU keine Fördermittel und keine Investitionen mehr getätigt, wenn sich das entsprechende israelische Unternehmen entweder auf besetztem Gebiet in der West Bank oder Ost-Jerusalem befindet oder es produzierte Ware in die EU exportieren möchte.
In Israel löste diese Entscheidung aus Brüssel heftige Kritik, aber auch Angst aus. Ministerpräsident Netanyahu schimpfte dass er "keinerlei Verordnungen aus dem Ausland zu unseren Grenzen akzeptieren" werde, der Wohnungsminister Uri Ariel (selbst ein rechtsgerichteter Siedler) sprach gar von "Rassismus der EU gegen Juden".

Die israelische Justizministerin Tzipi Livni, und gleichzeitig auch Chefunterhändlerin Israels für den erst frisch in die Wege geleiteten Friedensprozess, sah in dieser Entscheidung der EU nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern auch eine Chance. Eine Chance dahingehend, die USA UND die EU in gewisser Weise zu erpressen. Livni forderte von US-Aussenminister John Kerry eine Kompensation für die ihrer Meinung nach ungerechte Behandlung durch Brüssel. Da kam die Abstimmung im Europäischen Rat in Brüssel ob Hezballah als Terrororganisation bezeichnet werden soll oder nicht gerade Recht. Israel forderte diesen Schritt schon seit Jahren und setzte sämtliche Lobbyisten in Washington und Brüssel dafür ein. Doch die Europäer waren sich bisher alles andere als einig darüber. Auch die Probeabstimmung vom 18.07.2013 ergab kein einstimmiges Resultat.
Als Tzipi Livni über das Resultat dieser Probeabstimmung informiert wurde, telefonierte sie umgehend mit John Kerry und forderte von Washington die Muskeln spielen zu lassen, andernfalls könnte sich diese gesamte Situation in welcher sich Israel befindet, negativ auf den Friedensprozess und Israels Gespräche mit den Palästinensern auswirken. Was Livni also damit androhte war nichts anderes als das Israel vom Verhandlungstisch weglaufen könnte und somit John Kerry persönlich, aber auch den Vereinigen Staaten von Amerika einen enormen Schaden zufügen würde. 
Denn für die USA geht es in diesem Prozess um nichts anderes als der Welt zu beweisen, dass Washington doch noch was in dieser Region bewegen kann. Wenn aber eine Partei einfach vom Verhandlungstisch wegläuft, bedeudet dass das endgültige Aus für die politische Supermacht USA in einer der wichtigsten Regionen der Welt! Das ist mitunter auch der Grund, weshalb überhaupt beide Seiten an den Gesprächen teilnehmen. Denn substantiell hat sich nichts verändert, Israel baut weiter fleissig weitere Siedlungen auf palästinensischem Grund und Boden oder ändert den Status von Siedlungen welche bisher selbst von Israel als illegal bezeichnet wurden.
Um einen Reinfall nach sechsmaligen Reisen in den Nahen Osten zu verhindern, übte also John Kerry mächtig Druck in Brüssel aus. Und tatsächlich, man fand einen Weg wie man fast alle Parteien zufrieden stellen konnte. Anstatt das die gesamte Hezballah Organisation als Terrorgruppe gebrandmarkt wird, nahm Brüssel "nur" den "militärischen Flügel" auf.  Was genau damit gemeint ist, welche Personen oder Abteilungen, ist aus dem Brüssler Dokument nicht ersichtlich. Muss es auch nicht, denn dieser Schritt hatte höchstens symbolischen Charakter. Als Grund für die Aufnahme des "militärischen Flügels" nannten die EU-Ratsmitglieder die angebliche Verwicklung der Hezballah an dem Bombenanschlag im bulgarischen Burgas auf einen Bus mit israelischen Touristen, obwohl es dazu keinerlei Beweise gab. Auch die Involvierung von Truppen der Hezballah in Syrien ist den Europäern ein Dorn im Auge, läuft diese Entwicklung doch genau in die entgegengesetzte Richtung wie es einige EU-Länder gerne hätten. Konfrontiert mit diesen Diskrepanzen, antwortete der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes in Berlin, Reinhold Lopatka, dass es tatsächlich "keine neuen Erkenntnisse über die Rolle der Hisbollah bei dem Anschlag in Bulgarien" gibt. Es wäre das Verhalten, das eigene Selbstverständnis der Partei Gottes, welches den EU-Aussenministern nicht gefällt, deshalb auch dieses "Signal". 
Noch bevor die EU ihre Entscheidung überhaupt veröffentlicht hat, musste die niederländische EU-Botschafterin im Libanon, Angelina Eichhorst, bereits zwei Besuche in Beirut abstatten: einmal bei der Hezballah selbst (bei Ammar al-Musawi) und bei Mohammad Fneish, dem Staatsminister für administrative Reformen (ebenfalls ein Politiker der Hezballah).
Eichhorst relativierte in diesen Gesprächen schnell die Entscheidung Brüssels und machte klar, dass die "EU keine Probleme hat mit der Hezballah in irgendeiner künftigen Regierung zusammen zu arbeiten" und "finanzielle Unterstützung wird fortgesetzt, von welcher das Ministerium von Minister Fneish eine grossen Anteil erhalten wird, und wir möchten dass diese Kooperation fortgesetzt wird." Und obwohl die EU-Botschafterin auch in diesen Gesprächen als Grund Hezballah`s angebliche Beteiligung am Bombenanschlag von Burgas angibt, sagte sie im privaten dass es aber dazu keine konkrete Beweise gibt. Fneish antwortete darauf, dass diese Entscheidung der EU Israel nur politische Rückendeckung bei einem künftigen Angriff auf den Libanon liefern wird (weil Israel dann behaupten kann man greift doch eine terroristische Gruppierung an, aus legitimen Gründen der Selbstverteidigung!). Eichhorst gab darauf zurück, dass "diese Entscheidung nichts mit dem Widerstand gegen Israel oder der Libanesischen Souveränität zu tun hat".


 Israel testet neue Verhältnisse mit Hezballah

Obwohl diese Information nichts mit dem Friedensprozess zu tun hat, hat es doch sehr viel mit der EU-Entscheidung zu tun, Hezballah`s "militärischen Flügel" auf die Terrorliste zu setzen. Denn wie bereits oben beschrieben, wird Israel diese neuen Tatsachen versuchen auszutesten. Und genau das geschah in der Nacht vom 6. August. 
Eine israelische Kommandoeinheit drang auf libanesischer Seite ein und versuchte eine Operation durchzuführen. Was genau geplant war ist nicht bekannt. Denn bereits nach nur wenigen Minuten auf libanesischem Territorium geriet die israelische Kommandoeinheit in eine Falle der Hezballah. Zwei Explosionen erschütterten die Strasse wo sich die Eindringlinge befanden und verletzten nach israelischen Angaben vier Soldaten. Nach einem etwa zehnminütigem Schusswechsel musste die Operation abgebrochen werden und die Kommandoeinheit zog sich wieder auf israelisches Territorium zurück.
Dieser Zwischenfall bewies den Menschen im Libanon einmal mehr, dass wenn es um die Verteidigung Libanons geht, auf keinen anderen Verlass ist als auf die Hezballah.


Martin Indyk wird wieder Sonderbeauftragter für Friedensgespräche

Ein weiteres Zugeständnis welches US-Aussenminister John Kerry machen musste, war die Einberufung von Martin Indyk zum Sonderbeauftragten für die Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern. Aber warum ausgerechnet Martin Indyk? Der Mann, der schon bereits mit den Camp David Gesprächen von 2000 beauftragt war und schliesslich spektakulär gescheitert ist. Der Mann, der die gesamte Schuld für das Scheitern von Camp David Yassir Arafat in die Schuhe schob, obwohl sämtliche Parteien mit Bill Clinton vereinbart haben dass es keine Schuldzuweisungen geben wird sollte sich ein Scheitern abzeichnen. 

Und dennoch nannte die palästinensische Führung die Ernennung von Indyk als ein positives Zeichen. Wie kann das nur möglich sein?
Das liegt hauptsächlich an der paradoxen Realität des amerikanischen politischen Systems. Was wie ein schlechter Film klingt, ist leider tatsächlich traurige Wahrheit. Wie bereits oben beschrieben geht es den USA primär darum der Welt, und insbesondere den arabischen Ländern der Region, zu beweisen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika noch über genügend Macht und Einfluss verfügen um in einem der wichtigsten und ältesten Konflikten der Moderne etwas zu bewegen. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas weiss das, Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu weiss das auch. Aber wo Abbas`eigenes Überleben von Amerikas goodwill abhängt, verhält es sich bei Netanyahu deutlich anders. Er weiss dass seine Wählerinnen und Wähler von ihm eine taffe Haltung gegenüber den Amerikanern fordern, und er weiss auch dass es Millionen von Zionisten in den USA gibt, die jeder Administration im Weissen Haus die Hölle heiss machen wird wenn sie der Meinung sind, das Israel in irgendeiner Art und Weise ungerecht behandelt wird.
Und das heisst also für Obama, obwohl er alles versucht hat um die Erwartungen so niedrig wie möglich zu halten, das schwierigste Glied der Kette in die richtige Bahn zu lenken. Und genau DAS gibt Israel ein Druckmittel welches es auch ohne zu zögern einsetzt.
Wenn also John Kerry einen Sonderbeauftragten eingesetzt hätte, von dem Israel nicht absolut überzeugt gewesen wäre dass er nicht eindeutig pro-Israel geeicht ist, hätte es keine direkten Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis gegeben. Wichtig ist aber in dieser Konstellation, dass die Vorgesetzten von diesem Sonderbeauftragten starke Persönlichkeiten sind und sich nicht vom Druck der zionistischen Lobby beeindrucken lassen, noch sich von dem Sonderbeauftragten beeinflussen lassen wie das leider der Fall während Bill Clinton`s Zeit war und schliesslich zum ultimativen Scheitern von Camp David im Jahr 2000 führte.
Es ist also kein Zufall das Martin Indyk von den Israelis als Wunschkandidat für die amerikanische Seite nominiert wurde, es kann niemand daran zweifeln dass er nicht pro-Israel eingestellt ist. Aber er kann auch berechtigte Kritik an Israel ausüben, was ihm den Zorn von einigen hartgesottenen zionistischen Lobbyisten wie der Zionist Organisation of America eingebracht hat.

Eine der wichtigsten Fragen wird sein, ob tatsächlich über den endgültigen Status und pragmatisch/realistische Vorschläge gesprochen werden kann wie es John Kerry versicherte, oder ob sich Israel wie immer in der Vergangenheit mit unrealistischen Vorstellungen und Forderungen durchsetzen kann und die Schuld dabei den Palästinensern in die Schuhe geschoben wird. Oder wie es der ehemalige Aussenminister unter Präsident George H.W. Bush, James Baker III., formulierte, die "tote Katze vor die Türe gelegt wird". James Baker III. war der letzte Mann der tatsächlich bereit gewesen wäre das Kind beim Namen zu nennen wenn seine Bemühungen aufgrund des israelischen Taktierens gescheitert wären und er war auch der letzte Aussenminister, der die pro-Israel eingestellten Unterhändler in Schach hielt um das zu erreichen was er sich vorgenommen hat. (Baker ist es zu verdanken dass die Madrid Konferenz von 1991 überhaupt zustande kam und er war es auch, der Dennis Ross noch im Griff hatte. Ross war nach der Bush-Administration auch in der Clinton-Administration wieder mit den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinsern beauftragt, jedoch gab es diese Kontrolle über ihn nicht mehr da Clinton selbst überzeugter Zionist war bzw. ist.)

Die andere nicht weniger wichtige Frage wird sein, wie die jeweiligen Bevölkerungen auf diese Gespräche reagieren. Netanyahu kündigte bereits an, dass jegliche erzielte Übereinkunft der Gespräche durch eine Volksabstimmung zuerst legitimiert werden muss. Die Palästinenser selbst stehen bereits den Gesprächen äusserst kritisch gegenüber, angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit und den Realitäten auf dem Boden ist das aber auch nicht verwunderlich. Nicht zu Unrecht fragen sich die Menschen, was diese Verhandlungen und Gespräche überhaupt bringen wenn doch gleichzeitig die israelische Regierung bisher illegale Siedlungen legitimiert und ein Grossteil der israelischen Minister sich offen gegen jegliche Zwei-Staaten Lösung stemmt.

Die palästinensische Bevölkerung würde es viel lieber sehen wenn praktische Schritte eingeleitet werden würden, wie beispielsweise eine Anklage gegen Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Das wären Schritte die effektive Konsequenzen nach sich ziehen würden, positive wie auch negative. Viele fragen sich wieder zu Recht, wieviel Schlimmer es denn noch werden kann als es ohnehin schon ist. Bei einer Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof drohte Washington bereits die Einstellung der Hilfsgelder für die Palästinenser. Aber wäre das denn wirklich so schlimm? Israel müsste seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht wieder vollumfänglich nachkommen und die Kosten dafür selbst tragen, und sich nicht für die illegale Besatzung auch noch von den USA und der EU bezahlen lassen.
Die neuen Friedensgespräche verschieben diese Möglichkeit zumindest bis auf Weiteres, sie verschieben auch die palästinensische Aspiration zur Aufnahme als vollwertiges UN-Mitglied vor der UN-Vollversammlung in New York im September. Dieses Detail dürfte Israel und den Amerikanern mit Sicherheit nicht entgangen sein.


Dienstag, 6. August 2013

Iran: Wieder sorgen falsche Übersetzungen für Spannungen

Wie bereits im Falle des iranischen ex-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, sorgt wieder eine falsche Übersetzung des neuen Präsidenten Hassan Rohani für dicke Luft. Er soll anlässlich des Al-Quds (Jerusalem-Tag) Tages in Teheran gesagt haben, dass "Israel die Wunde im Körper der Muslime" ist. Das Nachrichtenportal "Online Focus" sprach gar von einer Hetzrede, "ähnlich der radikalen Töne von Vorgänger Ahmadinejad".
Obwohl Ahmadinejad tatsächlich bei der Amtsübergabe einen weiteren Seitenhieb in Richtung Israel feuerte: "Ich informiere euch mit Gott als meinen Zeugen, ein schrecklicher Sturm ist unterwegs der die Basis des Zionismus entwurzeln wird".
Auch wenn mich jetzt Kritiker als einen Verteidiger von Ahmadinejad bezeichnen, aber dass was er da gesagt hat, bedeutet in keinster Weise dass Israel oder die Juden vernichtet werden müssen oder was sonst noch so alles in den Medien geschrieben wurde. Er hat ganz klar den Zionismus angesprochen und ich bin mir 1000%ig sicher, dass weder jeder Jude noch jeder Israeli sich als Zionist betrachtet. Betrachtet man die immer grösser werdende internationale Isolation Israels, welches die Konsequenz der langen Jahre der zerstörerischen Politik ist welche durch Kriege, Besatzung, Unterdrückung und Terror geprägt wurde und sich selbst religiöser Zionismus definiert, dann war es nicht nur ein Seitenhieb Ahmadinejad`s, sondern auch eine Reflektion der Realität.

Aber zurück zu dem was Präsident Rohani gesagt haben soll, und was er tatsächlich gesagt hat. Auch wenn Online Focus (und die allermeisten anderen Medien auch) sich wie gierige Wölfe auf eine Lüge gestürzt haben um einen reisserischen Bericht an den Mann/Frau zu bringen, war die Rede von Rohani alles andere als eine Hetzrede wie es hierzulande benannt wurde.
Hier ist es was Präsident Rohani anlässlich des Al-Quds Tages zu sagen hatte:

"Der Tag von Quds (Jerusalem), welcher eines der Erinnerungen an den Imam (Khomeini) ist - möge er in Gottes Paradies Zugang finden - ist der Tag wo die Menschen die Einheit der Islamischen Welt gegen jegliche Form von Tyrannei und Aggression zeigen. Auf jeden Fall, in unserer Region, sass eine Wunde auf dem Körper der Islamischen Welt viele Jahre lang, im Schatten der Besetzung des Heiligen Landes (Palästina) und des geliebten Quds (Jerusalem). Dieser Tag ist im Grunde eine Erinnerung daran, dass das muslimische Volk nicht ihr historisches Recht vergessen wird und es auch weiter gegen Aggression und Tyrannei stehen wird."

Keine Spur von Hetzrede, kein Aufruf zur Zerstörung von Israel, keine Krebsgeschwür-Analogie und erst Recht nicht radikal wie von Online Focus geschildert. Ist es nicht eine Schande, dass ausgerechnet eine israelische Tageszeitung diese falsche Übersetzung als solche bezeichnet, und sogar noch die respektlose Reaktion darauf von Ministerpräsident Binyamin Netanyahu in Frage stellt, aber unsere deutschsprachigen Medien dafür (zumindest bisher) nicht in der Lage sind? Müssen deutsche Medien zionistischer sein als die israelischen? Nur der Vollständigkeit halber, es sind nicht nur deutsche Medien die umgehend auf diesen Zug aufgestiegen sind. Auch US-Medien haben diese falsche Übersetzung in die Welt gesetzt, doch haben einige ziemlich schnell den Fehler zugegeben und die Berichterstattung entsprechend abgeändert.