Donnerstag, 31. Juli 2014

Neue Bomben und neue Verhandlungen

Für uns Europäer scheint der Fall normalerweise auf der Hand zu liegen. Wenn man wirklich etwas gegen das sinnlose Blutvergiessen im Gaza Streifen tun möchte, dann muss der Rotstrich bei den Mitteln angesetzt werden die für das Blutvergiessen verantwortlich sind. Wenn also den Israelis die Bomben ausgehen weil man einen nach jedem Massstab unproportionalen Krieg gegen "Terrortunnels" führt und dabei nicht einmal Halt vor UN-Einrichtungen macht in denen Kinder, Frauen und ältere Menschen Zuflucht suchen, dann müsste die Logik doch eigentlich ungefähr so aussehen: keine Bomben - keine Angriffe.

Nicht so in diesem Falle. Während das US-Aussenministerium sich für einen Waffenstillstand einsetzt und dafür von Israel massive Kritik geerntet hat, worüber man sich in Washington "äusserst irritiert" zeigte, setzt das Pentagon am anderen Ende an und ersetzt Israel die verbrauchte Munition. Diese wird von den ohnehin in Israel eingelagerten "War Reserve Stockpile Ammunition-Israel" geliefert, einem strategischen US-Waffenlager in Israel das eine breite Palette an Kriegsmaterial zur "Reserve" für Israel enthält. Bewilligt wurden offenbar 120mm Mörserbomben und 40mm Granaten, die Israel aus diesem Lager erhält. Das pikante an dieser ganzen Angelegenheit ist aber, dass es für die Belieferung Israels aus diesem Lager nicht nur der Zustimmung des Verteidigungsministers bedarf, sondern auch des Aussenministers.
Mit anderen Worten: während Aussenminister John Kerry seine Bemühungen um einen Waffenstillstand medial in Szene setzt, fördert er mit seiner Unterschrift unter die Waffenlieferung aus einem US-Waffenlager in und für Israel jenes Blutvergiessen, welches er doch eigentlich zu stoppen versucht.

Damit nicht genug, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sieht in der von Verteidigungsminister Chuck Hagel beantragten Finanzspritze von zusätzlichen 225 Millionen USD für das israelische Iron Dome Raketenabwehrprogramm eine klaffende Lücke, angesichts der 62`000 US-Dollar pro abgefeuerter Rakete des Iron Dome Systems. Seiner Meinung nach können die zusätzlichen 225 Millionen, nebst den jährlichen US-Zahlungen in Höhe von 3.1 Milliarden Dollar, "nur vorübergehender" Natur sein. "Wir können es besser und müssen Israel`s Verteidigung weiter ausbauen", so Reid weiter.

Damit scheint unsere Logik nicht im Geringsten mit jener der amerikanischen, aber auch vielen europäischen Politiker übereinzustimmen. So wird das Blutvergiessen in Gaza nicht gestoppt.


*UPDATE 01.08.14*
Aus den USA erreicht uns gerade die unglaubliche Nachricht, dass der Senat sich nicht auf die zusätzlichen "Hilfszahlungen" an Israel einigen konnte! Als Begründung wurde die Verschuldung der USA und die zusätzliche finanzielle Belastung deswegen angeführt, doch die wahren Gründe könnte durchaus auch politischer Natur sein. Man ist sich der "speziellen Bande" zwischen den USA und Israel aufgrund der hässlichen Attacken auf US-Regierungsbeamte längst nicht mehr so sicher, auch wenn man das offiziell so nie zu hören bekommen wird. Egal wie, dieses Resultat des Senats ist eine Sensation und könnte Signalwirkung besitzen.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Israel versucht Kritiker zum Schweigen zu bringen

Es war nur eine Frage der Zeit bis sich Israel zu diesem Schritt entschliesst. Nicht dass es etwas Neues oder sogar Besonderes wäre, dieses Spiel beherrschen die Hasbaristen Israels in Perfektion (siehe auch "Israel`s Beschneidung europäischer Meinungsfreiheit"). Was allerdings anders ist und nach jedem erneuten Gewaltausbruch immer deutlicher wird, ist die Wahrnehmung der Menschen weltweit zu den Exzessen Israels. Und das stört die PR-Strategen, und zwar gewaltig.

Die Diplomaten Israels verweisen bei ihren Stellungnahmen vor der UN oder bei anderen offiziellen Gelegenheiten immer wieder darauf, dass die Vereinten Nationen auf Israel " einseitig fixiert" sind und "sofort alles verurteilen", während in benachbarten Ländern wie zum Beispiel Syrien ein viel grösseres Blutbad stattfindet ohne dass man sich so sehr mit dem Thema befasst wie bei Israel. Auch Ruanda oder Darfur werden in diesem Zusammenhang genannt. Israels Lobbyisten in den USA, wie zum Beispiel der berüchtigte Kriegshetzer Senator Lindsey Graham, beschuldigte die UN erst gerade des Antisemitismus.

Dass die israelischen Diplomaten nicht einmal davor zurückschrecken Vergleiche mit den schrecklichsten Genoziden seit dem Zweiten Weltkrieg anzustellen, zeigt an sich schon die prekäre Lage in welcher sich Israel befindet. Zum einen werden einige Regierungen nicht müde zu betonen, dass Israel "die einzige Demokratie im Nahen Osten" ist und diese Bekundungen natürlich von israelischen Diplomaten immer wieder zur Rechtfertigung bei internationaler Kritik benutzt werden, da es ja nicht sein kann dass die "einzige Demokratie" mit Vorwürfen des Genozids oder anderer schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezichtigt werden kann. Das will nicht wirklich in dieses Bild der "einzigen Demokratie" passen. Obwohl die Behauptung zutrifft, dass Israels Verbrechen mit dem Ausmass der Genozide von Ruanda oder Darfur tatsächlich nicht verglichen werden können, so sind doch die begangenen Verbrechen der Vergangenheit, Gegenwart (und es gibt keinen Grund anzunehmen dass es in Zukunft anders sein sollte), gerade wegen des eigenen Anspruchs "die einzige Demokratie im Nahen Osten" zu sein, zu verurteilen.

Nebst den Vereinigten Staaten von Amerika, hat kein anderes Land auf der Welt das für sich den Anspruch erhebt eine Demokratie zu sein, mehr Menschen getötet als Israel. Seit der Gründung des modernen Staates Israel im Jahr 1948, führte Israel insgesamt 8 Kriege gegen Nachbarstaaten, die man als war of choice, also Krieg nach Wahl bezeichnen kann. Lediglich der Oktoberkrieg von 1973 war ein Krieg, indem Israel tatsächlich angegriffen wurde und wo die Behauptung mit dem Recht auf Selbstverteidigung, die bis heute gebetmühlenartig aus einige Hauptstädten zu vernehmen ist, wirklich berechtigten Charakter hatte. Hier ein kleiner Überblick der Konflikte seit der Gründung Israels und die resultierenden Opferzahlen:

Konflikt:                               Israelische Opfer:                                   Arabische Opfer:   
1956: Suezkrieg                           231                                                          4000
1967: Junikrieg                            776                                                        18000
1973: Oktoberkrieg                    2688                                                        19000
1978: 1. Libanoninvasion               20                                                         2000
1982: 2. Libanoninvasion            657                                                        19085
 1987 - 1991: 1. Intifada              160                                                          1160
1994: "Früchte des Zorns"              0                                                            150
2000 - 2005: 2. Intifada             1010                                                         3200
2006: Libanonkrieg                     164                                                         1800
2008: Gazakrieg                            13                                                         1440
2012: Gazakrieg                              4                                                           133
2014: Gazakrieg                             52 (Stand 28.07.14)                           1301 (Stand 30.07.14)

Und das sind nur die Zahlen die einem bestimmen Konflikt zugeordnet werden können. Es versteht sich daher von selbst, dass israelische Propagandisten versuchen von diesen Fakten abzulenken oder sie mit noch gewaltigeren Verbrechen wie eben Ruanda oder Darfur zu "verschönern". Indem aber unsere politischen Führer wie Angela Merkel, Barack Obama, David Cameron, um nur einige zu nennen, nach wie vor der israelischen Aggression den Rücken decken, gibt es für Ministerpräsident Netanyahu überhaupt keinen Grund dieses aktuelle Morden im Gaza Streifen zu stoppen. Länder wie Ecuador, Südafrika, Malediven oder Brasilien hingegen reagierten mit unterschiedlichen Massnahmen gegen diesen Krieg, und wurden von Israel prompt lächerlich gemacht oder als "diplomatischer Zwerg" beschimpft (im Falle Brasiliens).

Während in vielen Städten weltweit gegen den Gaza Krieg demonstriert wird und die Menschen ganz offensichtlich eine andere Position als ihre politischen Vertreter einnehmen, versuchen israelische Diplomaten genau an diesem Punkt anzusetzen. Weil es bei einigen Protesten in Europa ganz klar zu antisemitischen Parolen aufgrund des israelischen Kriegsverbrechen kam, wird unweigerlich das Horrorszenario des Holocausts verwendet um so Druck auf die europäische Politik auszuüben. "Wir stehen möglicherweise vor dem Beginn eines erneuten Holocaust", warnte der Präsident des Israelischen Jüdischen Kongresses. 
Dabei haben die Proteste gegen Israels Krieg gegen unschuldige Zivilisten im Gaza Streifen nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern sie sind Ausdruck von Solidarität mit den Menschen die schutzlos der gesamten Kriegsmaschinerie Israels ausgeliefert sind. In Zeiten von Twitter und Youtube sehen die Menschen selbst und ohne Zensur was sich abspielt, und das führt natürlich zu noch grösserem Ärger und Wut nicht nur über Israels Angriffe, sondern auch über die eigenen Regierungen die nichts dagegen unternehmen.
Und genau das will Israel verhindern wenn es nach dem Willen von Netanyahu & Co. ginge.

Es gibt Rufe die von der Europäischen Union (EU) verlangen, dass Brüssel "strikte Regulierungen" des Formats und Inhalts der Proteste einführt, und dass eigens dafür ein "Spezial Europa-Kommissar" eingesetzt wird der die Proteste genehmigt und überwacht. Den Einwand der Europäer dass es sich dabei um das "Recht der freien Meinungsäusserung" handelt wenn Menschen gegen Israel`s Kriege protestieren, wischten die israelischen Vertreter beiseite und behaupten dass "jede Kritik gegen Israel eine Form von Antisemitismus" ist. Und nach diesem Maßstab wären dann tatsächlich sämtliche Proteste antisemitischer Natur, was natürlich vollkommen absurd ist. Wenn gezielte Hasstiraden gegen Juden bei solchen Protesten geführt werden, dann müssen diese Leute auch entsprechend bestraft werden. Aber wenn Menschen Kritik gegen den israelischen Staat aufgrund der begangenen Politik ausüben, dann hat das mit Sicherheit nichts mit Antisemitismus zu tun.

Während aber israelische Vertreter von Europa "strikte Regulierungen" verlangen um so die Kritik an der eigenen Politik einzudämmen, gibts es nichts dergleichen im Umgang mit den eigenen Rechtsradikalen die frei und ohne jegliche Konsequenzen durch Tel Aviv schreiten können, und Parolen von der hässlichsten Art verbreiten:
"Es gibt keine Schule Morgen in Gaza, es sind keine Kinder in Gaza übrig geblieben" singen diese jüdischen Rechtsradikalen, und skandieren die obligatorischen "Ich hasse alle Araber" und "Gaza ist ein Friedhof".


Dieser Kampf gegen die Kritiker ist aber nicht nur auf Regierungsebene beschränkt. Selbst Blogger die über sehr gute Kontakte in Israel verfügen, werden immer wieder versucht gezielt zum Schweigen oder zumindest in Schwierigkeiten zu bringen. So traf es zuletzt den jüdisch-amerikanischen Blogger Richard Silverstein.
In seinem Fall mischte sich der Direktor des Drohnen und Weltraumprogramms des Fisher Instituts, Tal Inbar, ein und versuchte mit seiner Macht das Konto von Richard bei Facebook zu löschen. Durch eine gut organisierte Verleumdungskampagne wurde Facebook gemeldet, dass es Richard gar nicht gibt und dass er absichtlich seine Identität verschleiern wollte. Natürlich war das Blödsinn, aber wenn bei Facebook eine genügend grosse Anzahl von solchen Behauptungen eintreffen, sperrt das System automatisch das Konto und verlangt dann erst vom Kontoinhaber die Bestätigung der Identität. Auf seiner eigenen Facebook Seite machte Tal Inbar gegen Richard Silverstein mobil und beschuldigte ihn, "widerliche und schreckliche Lügen" zu verbreiten.
Das Problem klärte sich zwar innerhalb von 48 Stunden, aber dennoch bedeutete diese Verleumdungskampagne einen zusätzlichen administrativen Aufwand und Ärger. Das aber der Direktor jenes Instituts gegen einen Blogger vorgeht, das die Drohnen entwickelt die gerade im Einsatz gegen die Palästinenser stehen und weltweite Abnehmer finden soll, so auch u.a. die Schweiz, zeigt ebenso wie der Versuch der israelischen Diplomaten die Verbrechen der Regierung zu verharmlosen, dass man in allen Bereichen äusserst nervös über die globalen Reaktionen ist. Und das obwohl die Mainstream Medien oder die Regierungen eindeutige Positionen bezogen haben und ausser Lippenbekenntnissen nichts weiter unternehmen um das Blutbad durch die Hand der "einzigen Demokratie im Nahen Osten" zu stoppen, so sorgen doch die vielen Menschen weltweit die die Augen nicht verschlossen haben, für eine gehörige Portion Unmut. Vielleicht schaffen wir es, dass auch unsere Regierungen die Augen öffnen.

Montag, 28. Juli 2014

Gaza: Bilder sagen mehr als Worte

Unglaublich traurige, erschreckende und heftige Bilder aus dem Gaza Streifen, die mehr sagen als es je eine Beschreibung der Geschehnisse tun könnte:

http://www.vg.no/bildespesial/12009/

Sonntag, 27. Juli 2014

Gaza: das "Problem" mit dem Waffenstillstand

Wenn das Thema auf die Verhandlungen um einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas kommt, hört man prinzipiell das eine: Hamas hatte die Möglichkeit einem Waffenstillstand zuzustimmen, als die Opferzahlen noch nicht diese Ausmasse erreicht haben wie einige Tage später. Deshalb ist die Hamas selbst schuld dass es heute über 800 Todesopfer im Gaza Streifen zu beklagen gibt.

Das ist zumindest die Sichtweise die die israelische Armee vertritt, obwohl man nach wie vor sehr gerne davon spricht, dass es "keine andere Armee auf der Welt gibt, die mehr dafür tut um unschuldige Menschen zu beschützen". Nun, die Statistik spricht eine andere Sprache. Um in der kalten Sprache der Zahlen zu bleiben: 73% der Opfer sind unschuldige Zivilisten und "nur" 15% sind Mitglieder von bewaffneten Gruppierungen. Bemerkenswert dabei ist allerdings, dass das Weisse Haus in Washington diese Zahlen anfänglich nicht so interpretiert sondern angemerkt hat, dass man "keinen Beweis für einen unproportionalen Einsatz der Luftschläge" feststellen konnte.

Und genau diese Zahlen sind es die die Menschen im Gaza Streifen dazu veranlassen, in diesem Krieg zur Hamas zu halten weil sie die einzigen sind, die für ihre Rechte kämpfen. Wie das mit der Ablehnung des Vorschlags für einen Waffenstillstand vom 14.07. zusammenpasst fragen Sie sich? Auch wenn in unseren Medien von einem "ägyptischen Vorschlag" die Rede war und das israelische Kabinett diesen Vorschlag umgehend angenommen und die Hamas mindestens so schnell abgelehnt hat, so dass das Bild entstand als ob die Hamas nicht gewillt war die Waffen ruhen zu lassen.
Das Problem an der ganzen Sache war, dass es sich weder um einen "ägyptischen Vorschlag" gehandelt hat, noch dass dieser Vorschlag mit der Hamas als Kriegspartei überhaupt besprochen wurde. Diplomatie sieht anders aus.

Was in den Medien als eine ägyptische Initiative und Vorschlag dargestellt wurde, wobei man fairerweise anmerken muss dass es Tony Blair selbst war der seine Initiative als eine ägyptische verkaufte, war die Arbeit von Tony Blair, der aber im Mittleren Osten sämtliches politisches Kapital über das er als britischer Premierminister jemals verfügt hat, schon längst verspielt hat. Selbst in Grossbritannien gibt es Stimmen die verlangen, dass Tony Blair wegen Kriegsverbrechen aufgrund seiner krimineller Rolle die zur US-Britischen Irak-Invasion geführt hat, und trotz alledem steht dieser Mann noch dem sogenannten "Nahostquartett" vor und unterhält ein Büro in Jerusalem. Und ausgerechnet dieser Tony Blair soll nun einen Vorschlag ausgearbeitet haben, der einen Waffenstillstand zum Ziel gehabt haben sollte. Das Problem an der ganzen Sache aber war, abgesehen von Blair`s Reputation, dass der Inhalt dieses Vorschlags mit Israel abgesprochen und zu Netanyahu`s Bedingungen formuliert wurde. Kein Wunder also segnete das israelische Sicherheitskabinett diesen "ägyptischen Vorschlag" so schnell ab.
Was beinhaltete aber dieser Vorschlag? Nicht viel...

Dem Wunsch von Binyamin Netanyahu folgend, hätten die Hamas den Status Quo akzeptieren müssen, d.h. weiter die Ghettoisierung durch Israel als unabwendbaren Fakt hinzunehmen und immer wieder mal mit Angriffen rechnen zu müssen. Und was vielleicht der wichtigste Punkt von allem gewesen wäre wie es einige israelischen Regierungsangehörige selbst zugegeben haben, durch die Unterzeichnung dieses Blair Abkommens hätte Hamas die israelische Version der "Selbstverteidigung" legitimiert, so dass Israel für die Kriegsverbrechen nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden könnte. 

Kein Wunder nannte der Sprecher der Hamas diesen Vorschlag als "unakzeptabel und die Tinte auf dem Papier nicht wert". Auch wenn in unseren Medien immer der Zusatz "radikal-islamisch" hinzugefügt wird sobald die Hamas erwähnt wird, so sind die Forderungen der Hamas zur Waffenruhe alles andere als "radikal". Es gibt in unseren Medien nicht einen Hinweis darauf, dass die Hamas selbst auch einen 10-Punkte Plan für einen zehnjährigen Waffenstillstand mit Israel vorgelegt hat, der vom israelischen Sicherheitskabinett nicht einmal besprochen wurde, geschweige denn zur Abstimmung gebracht worden wäre. Es ist aber sehr wichtig dass sämtliche verfügbaren Informationen auf den Tisch kommen, umso mehr als in unseren Medien ein eindeutiges pro-Israel Narrativ verfolgt wird wie man anhand der abgezogenen Journalisten gesehen hat die es gewagt haben, einfach nur die Realität ohne jegliche Wertung zu zeigen. Deshalb hier der 10-Punkte Plan der Hamas und urteilen Sie bitte selbst, ob es sich dabei um irgendwelche "radikal-islamische" Forderungen handelt, oder ob es sich nicht viel mehr um Punkte handelt die dem Gemeinwohl der palästinensischen Bevölkerung des Gaza Streifens dienen:

1: Abzug der israelischen Panzer von der Grenze zu Gaza
2: Freilassung aller Gefangener die in der Folge nach der Entführung der drei (israelischen) Jugendlichen festgenommen wurden
3: Aufhebung der Belagerung (Blockade) und die Öffnung der Grenzübergänge für den Handel und die Menschen
4: Errichtung eines internationalen Hafens und Flughafens die unter UN-Aufsicht stehen
5: Erweiterung der gestatteten Fischereizone auf 10 Kilometer
6: Der Rafah-Übergang (Grenze zu Ägypten) soll internationalisiert werden und unter die Aufsicht der UN und einigen arabischen Ländern gestellt werden
7: Internationale Kräfte an den Grenzen
8: Lockerung der Bedingungen für Genehmigungen um an der Al Aqsa Moschee beten zu können
9: Verbot für israelisches Einmischen in das Versöhnungsabkommen (zwischen Hamas und Fatah)
10: Wiederherstellung einer Industriezone und Verbesserungen in weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen im Gaza Streifen

Meiner Meinung nach findet sich in diesen Forderungen nicht einziger Punkt, der als radikal oder sonstwie zur Förderung eines radikalen Islamismus oder gar Terrorismus der Hamas gewertet werden könnte, sondern stellt das Wohlergehen der Menschen im Gaza Streifen über parteipolitisches Geplänkel hinweg. Aber wie gesagt, weder wurde dieser 10-Punkte Plan in unseren Medien erwähnt noch wurde er vom israelischen Sicherheitskabinett diskutiert. Das zeigt einmal mehr, dass nicht etwa die Hamas kein Interesse an einem fairen Waffenstillstand hat, sondern viel mehr ist es Israel. Durch einen fairen Waffenstillstand, der durch Verhandlungen aller involvierten Parteien ausgehandelt wurde, müsste Israel der Welt zeigen was man für ein Ghetto aus dem Gaza Streifen gemacht hat. Und die internationale Gemeinschaft, allen voran die USA und die EU, müssten sich eingestehen dass das alles mit deren aktiver Unterstützung erst geschehen konnte.

Offensichtlich versuchte der amerikanische Aussenminister John Kerry genau das mit seinem Vorstoss zu einem Waffenstillstand, der von Israel glattweg vom Tisch gefegt wurde. Die genauen Punkte sind zwar noch nicht bekannt, aber anhand der heftigen Reaktionen selbst aus den Federn der Tageszeitung Haaretz, die ansonsten durchaus hart mit der Regierung von Netanyahu ins Gericht geht, kann man schliessen, dass John Kerry einen Versuch unternommen hat nicht nach Israels Pfeife zu tanzen. Man regt sich insbesondere darüber auf, dass "dieses Dokument Israel und die Hamas auf die gleiche Ebene gestellt hat, als ob die Erste nicht eine primäre Alliierte der USA ist und als ob die  Zweite nicht eine Terrorgruppe ist".

Eines muss jedoch klar sein: nachdem die israelische Polizei zugeben musste dass der von Binyamin Netanyahu angeführte Grund für den Krieg gegen die Hamas, nämlich dass die Hamas für die Entführung und Ermordung der drei israelischen Jugendlichen verantwortlich ist, nicht korrekt ist, geht es schon längst nicht mehr (bzw. ging es noch nie darum!) darum. Es geht darum, ob die Hamas und die Palästinenser im Gaza Streifen zum Status Quo des von Israel gestalteten Ghetto zurückgebombt werden können, oder ob es die Hamas und die Palästinenser schaffen einen strategischen Waffenstillstand zu erzielen der genau dieses Ghetto zum zentralen Aspekt macht, um das Leben der 1.8 Millionen Menschen im Gaza Streifen zu verbessern. Betrachtet man die Entschlossenheit nicht nur der Hamas, sondern der Palästinenser im Allgemeinen (also im Gaza Streifen, in Israel und der West Bank), dann scheint es kein Zurück zum Status Quo mehr zu geben.
Dasselbe denken auch einige israelische Regierungsmitglieder, wie zum Beispiel Avigdor Liberman oder Uri Ariel:



*UPDATE*
Hier der Inhalt der Waffenstillstandsinitiative von John Kerry. Damit sollte klar sein warum Israel diesen Plan abgelehnt hat und nun so massiv in den israelischen Medien dagegen gewettert wird. Von "Verrat" ist die Rede...

Freitag, 25. Juli 2014

Beweis: Mörder der 3 Jugendlichen nicht unter Hamas Anordnung

Jetzt ist es offiziell: die Mörder der drei israelischen Jugendlichen die aus einer illegalen Siedlung entführt und dann leider ermordet wurden, waren Einzelgänger die zwar Mitglieder der Hamas Partei waren, aber nicht unter Anweisung der Hamas Führung operierten. Diese Bestätigung kam vom Polizeichef Mickey Rosenfeld.

Der ganze vorbereitete Krieg gegen die Hamas, die von Anfang an ohne jegliche Beweise dafür verantwortlich gemacht wurden und die nun mittlerweile über 800 Todesopfer unter der palästinensischen Bevölkerung im Gaza Streifen, haben nichts mit der Hamas und dem Tod der drei Jugendlichen zu tun, sondern einzig und allein mit der Absicht Netanyahu`s gegen die Hamas loszuschlagen und die Einheitsregierung zu stürzen.


Donnerstag, 24. Juli 2014

Gaza: der gewollte Krieg

Das der Krieg gegen die Hamas von Israel`s rechtsgerichteter Regierung herbeigesehnt wurde, ist für die Leser dieses Blogs nichts Neues. Bereits am 3. Juli habe ich geschrieben, wie Ministerpräsident Netanyahu den Tod der drei aus einer illegalen Siedlung in Palästina entführten Jugendlichen schamlos ausgenutzt hat, um gegen die erst kürzlich vereidigte palästinensische Einheitsregierung unter Fatah und Hamas losschlagen zu können. Netanyahu forderte von Mahmoud Abbas in einer Kabinettserklärung, das Abkommen mit der Hamas "zu zerreissen".

Nathan Trall, ein Analyst der International Crisis Group, bestätigte zwei Wochen nach meinem Bericht diese Tatsache in seinem Artikel "How the West Chose War in Gaza" in der New York Times, und gab noch folgende Hinweise darauf dass der Krieg von Israel, und auch durch die USA sowie der EU, einer politischen Entwicklung dieser Einheitsregierung vorzuziehen sei:

"Israel wehrte sich entschieden gegen eine Anerkennung der neuen Regierung durch die USA, und versuchte sie (die Einheitsregierung) international zu isolieren, indem sie (Israel) jeglichen kleinen Schritt in Richtung palästinensischer Einheit als Bedrohung empfanden.

Aber die Schlüsselfragen wie die Bezahlung der Beamten in Gaza und die Öffnung der Grenze zu Ägypten blieben unangetastet. Die vorgeblichen Unterstützer der neuen Regierung, insbesondere die Vereinigten Staaten und Europa, hätten Ägypten dazu drängen können die Grenzen (zu Gaza) zu lockern, und hätten damit den Menschen in Gaza zeigen können dass die Herrschaft der Hamas der Grund für ihre Isolierung und Verarmung war. Aber sie haben das nicht getan.

Stattdessen wurde das Leben in Gaza noch schlimmer als die Hamas die Obrigkeit einer Regierung von pro-westlichen Technokraten übergeben hat. 
Qatar bot sich an die Löhne für die 43`000 Beamten zu bezahlen, und Amerika und Europa hätten dabei behilflich sein können. Doch Washington warnte davor, dass das amerikanische Gesetz jegliche Übermittlung einer Zahlung auch nur an einen einzigen von diesen Angestellten verbietet - obwohl viele Tausende von ihnen nicht einmal Mitglieder der Hamas sind, aber vom amerikanischen Gesetz so eingestuft werden als dass sie materielle Unterstützung von einer terroristischen Organisation erhalten haben. 

Als ein Gesandter der Vereinten Nationen eine Lösung zu dieser Krise vorschlug indem die Löhne über die Vereinten Nationen ausbezahlt werden sollten, so dass keiner Partei irgendein gesetzlicher Schaden entsteht, wurde das von der Obama Administration nicht unterstützt. Stattdessen stand sie auf der Seite, als der israelische Aussenminister Avigdor Liberman die Ausweisung des UN Gesandten forderte indem er ihm unterstellte, dass er "versucht habe Geld für die Hamas zu übermitteln". 

Hamas versucht jetzt mit Gewalt das zu erreichen, was sie nicht mit einer friedlichen Übergabe der Verantwortung erreichen konnte. Israel versucht wieder zum Status Quo Ante zurückzukommen, wo Gaza nur für etwa 8 Stunden pro Tag Strom hatte, das Wasser nicht trinkbar war, das Abwasser in das Meer gepumpt wurde und Treibstoffmangel dazu führte dass sanitäre Anlagen heruntergefahren mussten, so dass manchmal Fäkalien durch die Strassen schwammen.

Für viele Gazaner, und nicht nur Hamas Unterstützer, ist es wert mehr Bombardierungen und jetzt diese neue Bodenoffensive zu riskieren, für die Chance diesen inakzeptablen Status Quo zu ändern."

Während also einerseits die Menschen in Gaza wieder nahezu geschlosssen hinter der Hamas stehen, was vor gar nicht all zu langer Zeit ganz anders aussah und die Hamas erst zu dieser Einheitsregierung mit der Fatah zwang, und zwar aus dem einfachen Grund weil die Hamas die einzige palästinensische Organisation ist die tatsächlich etwas gegen die brutale Unterdrückung Israels unternimmt, auch wenn es für die Menschen nicht wirklich etwas bewirken kann, sieht sich Israel mit einem Problem konfrontiert dass so nicht vorgesehen war.

Wie bereits im Sommerkrieg 2006 gegen Hezballah im Libanon, hat der israelische Geheimdienst auf ganzer Länge versagt. Genau wie acht Jahre zuvor haben die Geheimdienste die extensive Tunnelarbeit der Hamas nicht feststellen können und zeigen sich nun ausserdem davon überrascht, dass trotz massivsten Bombardements und nun auch unter Einsatz von Bodentruppen nach wie vor dutzende Raketen auf Israel abgefeuert werden können.
Die zweite grosse Überraschung ist, wie mir ein israelischer Offizier mitteilte der anonym bleiben wollte, ist die Tatsache wie professionell die Kämpfer der Al Aqsa Brigaden, dem bewaffneten Flügel der Hamas, in diesem Krieg vorgehen. Das zeigt sich auch unter anderem an den rasant steigenden Opferzahlen unter den israelischen Soldaten, die bis zum Einsatz der Bodenoffensive letzten Donnerstag keinen einzigen Verlust hinnehmen mussten. Doch seitdem kamen bereits 32 Soldaten der Israel Defence Force (IDF) ums Leben, mehr als in den letzten beiden Gaza Kriegen von 2008/2009 und 2012 zusammen (insgesamt 12 Soldaten, drei davon durch friendly fire). Und je mehr israelische Soldaten im Gaza Streifen den Tod finden, desto grösser wird der öffentliche Druck auf Binyamin Netanyahu werden, zumindest den Bodenkrieg so schnell wie möglich zu beenden. Denn es sind nicht die mittlerweile über 700 palästinensischen Todesopfer, wovon dreiviertel unschuldige Zivilisten und sehr viele Kinder sind, die für Betroffenheit sorgen, sondern ausschliesslich die eigenen gefallenen Soldaten.

Das zeigt sich beispielsweise an der unbetrübten Ruhe und Ausgelassenheit die die Strandgänger am schönen Strand von Tel Aviv geniessen, nur eine Stunde von der Kriegszone des Gaza Streifens entfernt.

                                                             (Tel Aviv am 20.07.14)

Die Israelis in Tel Aviv scheren sich grösstenteils nicht im Geringsten um die wachsende Opferzahlen der Palästinenser im Gaza Streifen, was sie allerdings angesichts der unerwartet hohen eigenen Verluste nachdenklich stimmt ist die Frage, was denn eigentlich genau das Ziel ihrer Regierung "dort unten" sein soll. Denn zuerst hiess es, man wolle die 10-15 Tunnels eliminieren die die Hamas gegraben hat. Nachdem sich herausgestellt hat dass es eben viel mehr als nur diese 10-15 Tunnels waren, (24 Tunnels waren es am Tag meiner Abreise am Dienstag) hiess die Direktive dass man das ganze Tunnelsystem der Hamas stoppen möchte. Es war keine Rede mehr von irgendwelchen Raketen oder Raketenstellungen die man eliminieren muss. Nach über zwei Wochen Krieg, gibt die IDF an etwa 30-40% der Tunnels zerstört zu haben. Diese Zahl wurde allerdings bereits ganz am Anfang des Krieges genannt, als man noch von den 10-15 Tunnels ausging. Was die Tel Aviver am Strand noch mehr bohrt, ist die schwammige Aussage ihrer Militärführung die sagt, dass "vermutlich nicht sämtliche Tunnels" gefunden und zerstört werden können, und das trotz der Bodentruppen.
Zwangsläufig stellt sich also die Frage, weshalb man als Reservist überhaupt in diesen Krieg ziehen soll, wenn schon von Anfang an der Ausgang von der eigenen Führung als ungewiss eingestuft wird. Das sorgt nicht gerade für die richtige Moral im Kampfeinsatz.

                                   (IDF Soldat betet auf seinem Panzer vor dem Einsatz im Gaza Streifen)

Es erscheint dem Besucher in Tel Aviv doch recht merkwürdig, wie die Menschen dort so gleichgültig gegenüber dem Leid ihrer Mitmenschen nur 75 Kilometer weiter südlich eingestellt sind. Als die Sirenen heulten, hörte man dann sogar Stimmen die sagten, dass "Zahal dort endlich richtig aufräumen soll, damit das hier ein Ende hat". Zahal ist das hebräische Synonym für die IDF und was diese Stimmen sagten, war nichts anderes als der Ruf nach einem Genozid an der palästinensischen Bevölkerung, damit die am eigenen Leib empfundene Unannehmlichkeit "ein Ende" hat. Anders ausgedrückt, zu diesem Zeitpunkt stand die israelische Bevölkerung in grosser Mehrheit hinter Netanyahu und seinem gewollten Krieg gegen die Hamas (aktuell denken noch immer 46% dass der Krieg so lange weiter gehen soll, bis Hamas vertrieben wurde).

Moshe Feiglin, der seit Jahren immer wieder für Kontroversen aufgrund seiner rassistischen Kapriolen sorgte (siehe auch "Israel: Ist der Friedensvertrag mit Jordanien in Gefahr?"), zeigte auch jetzt wieder wie völlig weltfremd diese Regierung agiert, als er die Behauptung aufstellte dass die "IDF Soldaten die einzigen Unschuldigen in Gaza sind".
Ganz ähnlich äusserte sich der israelische Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika, Ron Dermer, vor der jährlichen Konferenz der christlich-zionistischen Organisation Christians United for Israel (CUFI):
"Israel verdient mehr als nur die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Israel verdient die Bewunderung der internationalen Gemeinschaft. Keine Armee in der Geschichte hat grössere Vorsicht als die IDF walten lassen, um Unschuldige der anderen Seite zu beschützen.

Wir senden unsere Soldaten in dieses Hornissennest von palästinensischem Terror, das mit Sprengfallen, Minen und Tunneln versehen ist. Manche beschuldigen Israel ohne Scham des Genozids, oder setzen uns auf die Anklagebank wegen Kriegsverbrechen. Die Wahrheit ist das man der Israel Defence Force den Friedensnobelpreis verleihen sollte! Einen Nobelpreis für den Kampf mit unvorstellbarer Zurückhaltung!"

Man mag es wirklich kaum glauben. Zwei Männer, beide Offizielle der israelischen Regierung, sprechen trotz über 700 Todesopfern im Gaza Streifen, davon mindestens 75% unschuldige Zivilisten, von Zurückhaltung oder sogar von einem Friedensnobelpreis für die begangenen Kriegsverbrechen. Das sprengt jegliche morale Vorstellungskraft.

Nicht so aber bei den Israelis die in der Nähe des Gaza Streifens leben, oder sogar eigens für diesen makaberen Treff aus anderen Landesteilen anreisen um sich an dem Leid der Palästinenser zu ergötzen.
Der britische Guardian berichtete davon, und sogar CNN in einer Live-Reportage. Allerdings wurde die Reporterin Diana Magnay umgehend von Gaza abgezogen und nach Moskau versetzt, weil sie es sich erlaubt hat in einer Live-Sendung die Wahrheit zu zeigen, als Israelis jubelnd den Raketenbeschuss von Gaza zelebrierten. Selbst der Tweet von Diana Magnay dazu wurde von ihrem Sender nur zwanzig Minuten nach der Veröffentlichung gelöscht. Aber wir haben alles, den Tweet und das Video hier:



Nicht anders erging es dem NBC-Reporter Ayman Mohyeldin, der die Schreckensmeldung der vier getöteten Kinder am Strand von Gaza in die Welt brachte. Das war für die zionistische Lobby und die Neokonservative Klique in den USA offensichtlich zuviel, die schon vor dieser Berichterstattung des Raketenangriffs auf die vier Kinder Ayman Mohyeldin als "Hamas Sprecher" denunzierten.
Wie auch Diana Magnay zuvor, musste nun auch Mohyeldin das Feld für jemanden räumen, der nicht die ganze Wahrheit zeigen wird sondern sich eher für das eindeutig israelische Narrativ einspannen lässt.

Und was hat es mit dieser "unvorstellbaren Zurückhaltung" der IDF zu tun? Als ich mit Reporten von westlichen Medien über dieses Thema sprach, insbesondere der deutschsprachigen Medien, präsentierten sie mir fast alle die gleiche Geschichte. Israel warne doch die Palästinenser in jenen Gebieten die sie angreifen will mit Flugblättern, automatisierten Anrufen und SMS.
Wenn so viele Menschen das gleiche erzählen, dann drängt sich einem der Verdacht auf dass das gezielte Informationen der IDF sind, die in klimatisierten Pressekonferenzen den anwesenden Journalisten vorgekaut werden. Dass aber oftmals zwischen solch einem automatisierten Anruf und dem Einschlag der Rakete nur 5 Minuten vergehen, dass es Menschen gibt die ihr Haus nicht innerhalb von 5 Minuten verlassen können weil sie krank oder sonstwie behindert sind, scheint keinen Einzug in die Berichterstattung dieser Reporter zu haben und somit auch nicht in die Zeitungen die Millionen Menschen in Deutschland oder der Schweiz lesen. Dann gibt es auch noch die andere Art von Warnung, von der man hierzulande überhaupt nichts hört, nämlich der Warnung per "Anklopfen auf dem Dach" mit einer Mörsergranate, die aber noch nicht detoniert. Erst eine knappe Minute nach dem "Anklopfen" auf dem Dach, trifft eine Rakete das "gewarnte" Gebäude und zerstört es. Eine Minute bleibt den Menschen in solch einem Gebäude, in welchem sehr oft bis zu 20 Menschen leben, dieses zu verlassen um ihr Leben zu retten.


Das in einem Krieg die "unvorstellbare Zurückhaltung" der IDF manchmal eben doch nicht so ausfällt wie es die Propagandisten wie der israelische Botschafter Ron Dermer gerne hätten, zeigte der heutige Angriff auf eine Schule der Vereinten Nationen in Gaza, wo ungefähr 800 Menschen Schutz vor israelischen Raketen und Bomben gesucht haben. Bei diesem Angriff kamen mindestens 15 Kinder ums Leben. Der ITV News Reporter Dan Rivers filmte die Folgen dieses Angriffs, welche sich nur diejenigen anschauen sollten, die über starke Nerven verfügen. Daher poste ich hier lediglich seinen Tweet, das Video ist hier zu sehen.


Das dieser Krieg nicht nur die schlimmsten Folgen eines Krieges hervorbringt wie Tote, Verwundete, Zerstörung oder Vertreibung - ganz zu schweigen von dem psychischem Leid für Hunderttausende Kinder - zeigt sich an den öffentlichen Auswüchsen der rassistischen Rabbis, die unter "normalen" Umständen (d.h. relativem Frieden für die israelische Bevölkerung) eher auf zum Teil heftige Kritik stossen.
Aber nicht jetzt. Zwar gibt es auch diesesmal Israelis die diesen predigenden Hass solcher Rabbis in aller Form verabscheuen, doch ihre Stimmen dürfen sie in der breiten Masse der Zustimmung nicht zu laut erheben um nicht zu riskieren, selbst das Opfer des Mobs zu werden.

Rabbi Dov Lior, der in der illegalen Siedlung von Kiryat Arba bei Hebron lebt und dort eine der berüchtigsten Yeshivas führt (jüdisch religiöse Schule, im Islam wäre es eine Medresse), sorgte bereits in den 1990er Jahren für Schlagzeilen. Allerdings war damals eine andere Zeit. Als Rabbi Dov Lior gegen Ministerpräsident Yitzak Rabin aufgrund seiner Palästinenserpolitik für din rodef erklärte, ein uraltes jüdisches Gesetz dass den Mord an einem anderen Juden erlaubt (was sonst strengstens verboten ist) wenn er dessen Leben oder Eigentum in irgendeiner Form gefährdet, nahm das zu diesem Zeitpunkt niemand wirklich ernsthaft zur Kenntnis. Allerdings muss gesagt werden, dass es nicht nur dieser Rabbi war der diesem uralten Gesetz Aktualität verlieh, sondern hunderte Rabbis aus den USA auch. Sollte sich jetzt noch jemand fragen was Yitzak Rabin denn überhaupt getan hat dass man ihn innerhalb des jüdischen Klerus als Todeskandidaten gebrandmarkt hat, ist die Antwort relativ einfach: sie betrachten das GANZE Land als Heiliges Land Israel, also auch jene Gebiete wo die Palästinenser noch leben und 1948 oder 1967 nicht vertrieben wurden, und Rabin durfte ihrer Interpretation nach keinen Millimeter dieses heiligen Landes aus der jüdischen Hand geben.
Und als dann der jüdische Fanatiker Dr. Baruch Goldstein den Massenmord in der Abrahamskirche von Hebron 1994 beging, ehrte ihn Rabbi Dov Lior als einen Märtyrer und baute sein Grab zu einer Pilgerstätte um.



Eben dieser Rabbi sorgt auch jetzt wieder für Schlagzeilen, indem er eine religiöse Anordnung (fatwa im Islam) ausgab in der es hiess, dass "in Zeiten des Krieges, hat die angegriffene Nation die Erlaubnis, die feindliche Bevölkerung mit allen Mitteln die es für angemessen hält zu bestrafen, wie zum Beispiel Lieferungen und Strom zu blockieren. Sie kann das ganze Gebiet nach dem Urteil des Kriegsministers bombardieren, und abschreckende Massnahmen zur Ausrottung des Feindes sind erlaubt. ... Der Verteidigungsminister kann selbst die Zerstörung von Gaza anordnen, so dass der Süden nicht mehr zu leiden hat und so den Schaden an Mitgliedern unserer Volkes verhindern".
Ein anderer Rabbi hingegen bezeichnete den Gaza Krieg als einen "Heiligen Krieg" der in der Torah vorgeschrieben ist und gnadenlos zu erfolgen hat.
Auch andere öffentliche Auswüchse wie der Aufruf zur Massenvergewaltigung der palästinensischen Frauen wurde von David Sheen festgehalten, alles ohne dass solche Informationen es jemals bis in unsere Medien geschafft hätten. Wie der Krieg selbst, ist auch das gewollt.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Wieder zurück aus Israel / Palästina

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich bin froh mit einer der letzten Maschinen aus Tel Aviv wieder von meiner "Fact Findings Tour" angekommen zu sein.

Der Grund für die Reise der letzten Tage nach Israel und Palästina war es, direkte Gespräche mit Israelis und Palästinensern jeglicher Couleur führen zu können um abseits der offiziellen Berichterstattung ein besseres Bild im und um den aktuellen Gaza Krieg zu erhalten.

In den nächsten Tagen werden einige Berichte folgen, die sich ausschliesslich mit dem Thema Israel und Palästina (darunter zählt selbstverständlich auch der Gaza Streifen) auseinandersetzen werden.

Was aber jetzt schon gesagt werden muss: ich hoffe sehr dass die Kampfhandlungen bald eingestellt werden, damit die Menschen im Gaza Streifen nicht weiter wie Hühner in einem Käfig abgeschlachtet werden (harte Worte, ich weiss, aber die Realität kann nicht anders beschrieben werden).

Samstag, 12. Juli 2014

Propaganda zu Gaza Krieg `14

Die Lieblingsfrage der israelischen Hasbara (Propaganda) lautet: was würdet ihr in Berlin, Paris, London oder sonstwo an unserer Stelle tun? Würdet ihr den ständigen Raketenbeschuss von einer Terrororganisation einfach so hinnehmen?

Der Neokonservative Kriegstreiber und Berater von John McCain, Daniel Pipes, geht sogar noch einen Schritt weiter und schreibt in seinem Blog: "Warum hat dann die Hamas einen Krieg mit Israel provoziert? Ohne jeglichen Grund begannen sie mit Raketenangriffen am 11. Juni und beendeten den Waffenstillstand vom November 2012."

Diese Sichtweise übernahmen nahezu sämtliche westliche Medien ohne sich die Mühe gemacht zu haben die Fakten zu überprüfen. Bleibt man nämlich bei der israelischen Hasbara oder Propaganda, dann könnte sich durchaus der Eindrück erhärten, als ob Israel tatsächlich lediglich das Opfer von "wahllosem Raketenbeschuss" ist - um beim Terminus der Europäischen Union zu bleiben - und sich nun einfach verteidigen muss um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. So gesehen würde also die Lieblingsfrage nach "was würdet ihr in Berlin usw. machen" absolut Sinn ergeben.

Nur ist die Realität wie so oft ein ganz andere. Schauen wir uns mal den Bericht von einer unabhängigen Organisation in Gaza Stadt an, die von der Europäischen Kommission für humanitäre Hilfe unterstützt und von der internationalen Care Organisation mit Sitz im schweizerischen Genf ins Leben gerufen wurde. Die Rede ist von GANSO, Gaza Strip NGO Safety Office Project.
GANSO registriert jede Art von Gewalttat die innerhalb, von und zum Gaza Streifen begangen wird die im Zusammenhang mit der Beziehung von Gaza und Israel steht. Und da steht folgendes für den Zeitraum vom 29.05.14 - 11.06.14 geschrieben:
"Entsprechend dem augenscheinlichen Trend von relativem Frieden und Ruhe, ist die Anzahl von Grenzbeschuss Vorfällen von neun auf drei gefallen und der Beschuss von der See von neun auf sieben. Ausser dem einen Zwischenfall wo israelische Kräfte an der Grenze auf eine abgefeuerte Rakete reagierten, gab es keinen aktiven Austausch von Feuergefechten an der Grenze."

Und dieser eine Vorfall der in diesem Bericht erwähnt wird wo eine Rakete aus dem Gaza Streifen abgefeuert wurde, wird von Daniel Pipes als der Anfang des "provozierten Krieges mit Israel" durch die Hamas betrachtet. Das Problem an der ganzen Sache ist aber, dass diese Rakete gar nicht von der Hamas oder ihrem militärischen Flügel abgefeuert wurde. Innerhalb des Gaza Streifens gibt es verschiedene Organisationen die um die Vorherrschaft mit der Hamas buhlen, darunter tatsächliche Terrororganisationen wie Global Jihad. Diese eine Rakete die am 11. Juni abgefeuert wurde, stammte vermutlich von solch einer Organisationen, da der Zusammenschluss zwischen Hamas und Fatah unter einer Einheitsregierung massiv kritisiert wurde. Die Hoffnung war, dass durch den Beschuss Israel nicht lange mit einer Antwort auf sich warten lässt und die für den 12. Juni geplante Vereidigung der Einheitsregierung zum Scheitern kommt. Israel liess in der Folge auch nicht lange mit einer Antwort warten, nur fiel sie nicht so aus wie sich die Urheber dieses Anschlags das erhofft hatten. Die Israel Air Force führte eine "gezielte Tötung" durch; ein Mann der Terrorgruppe Global Jihad war dabei das Opfer.
Nur zwei Tage später wurden dann die drei israelischen Jugendlichen aus einer illegalen Siedlung in der West Bank entführt.

In dem darauffolgenden Bericht hält auch GANSO fest, dass der vermeintliche Trend von "relativem Frieden und Ruhe" vorbei war, nachdem Ministerpräsident Netanyahu umgehend die Hamas für die Entführung verantwortlich gemacht hat und auch sofort begonnen hatte, gegen die Hamas loszuschlagen. Mit Verhaftungen von Hamas Mitgliedern, die erst ein paar Wochen zuvor aufgrund der Vereinbarung zu den schliesslich gescheiterten "Friedensverhandlungen" aus den Gefängnissen entlassen wurden, gab Netanyahu auch in diesem Punkt klein bei, da die Entlassungen an sich bereits seine Regierungskoalition fast zum zerbrechen brachte (siehe auch "Lässt Israel die "Friedensverhandlungen" platzen?" und "Die Luft wird dünn für Netanyahu").

Am 8. Juli lautete dann der Befehl gemäss Brigade General Moti Almoz: "Wir wurden von der politischen Führung instruiert, hart gegen die Hamas zuzuschlagen". Das Problem an der ganzen Sache mit dem "hart zuschlagen" aber zeigte sich bereits am nächsten Tag, als die israelische Armee zugeben musste dass ihnen die militärischen Ziele der Hamas ausgegangen sind und man deshalb "sekundäre Ziele" bombardiert. In einem Gebiet wo auf einem Quadratmeter Land so viel Menschen wie nirgendwo sonst auf der Welt leben, bedeuten "sekundäre Ziele" zwangsläufig sehr viele unschuldige Opfer. Das hat nichts mit der weiteren israelischen Hasbara von der "moralsten Armee der Welt" zu tun oder dass man "alles erdenliche unternimmt um die Zivilbevölkerung zu beschützen". Gemäss der UN sind 77% der Opfer (Stand 11.07.14) unschuldige Zivilisten und 512 Häuser wurden entweder zerstört oder stark beschädigt.

Zurück zu der Frage ob Berlin, London, Paris oder Washington einfach so den "ständigen" Raketenbeschuss hinnehmen würden oder auch ihre Bevölkerung verteidigen würden. Und in dem unsere Regierungen auf diesen Propagandatrick hereinfallen und Netanyahu sogar den Rücken stärken, tragen sie eine Mitverantwortung an dem so brutal hohen Anteil von 77% von getöteten Zivilisten. Obwohl keine der Regierungen es zulassen würde dass man sie mit Raketen beschiesst und die eigene Bevölkerung solch einer Bedrohung aussetzt, was auch absolut so sein soll, so haben aber keine dieser Länder solche Ghettos wie Israel im Gaza Streifen eingerichtet, wo sie über 1.7 Millionen Menschen eingepfercht haben und von wo aus diese Raketen abgefeuert werden.
Das ist ein gewaltiger Unterschied, der aber von unseren Medien ebenfalls nicht bemerkt wird. Die Hasbara hat unsere Hauptstädte völlig im Griff.



Donnerstag, 10. Juli 2014

Rassismus in Israel ist kein Randphänomen

Alle kennen den Spruch aus der Bibel "Auge um Auge, Zahn um Zahn" (2. Buch Mose Kap. 21 oder auch 5. Buch Mose Kap. 19). In einer vom religiösen Wahn geprägten Ideologie wie die von vielen der jüdischen Siedler in der West Bank, gilt diese Beschreibung aus der Bibel fast so wie ein Gesetz Gottes welches es umzusetzen gilt. Als die drei israelischen Jugendlichen ermordet aufgefunden wurden, war der Ruf nach Rache im ganzen Land Israel zu hören. Und der Ruf wurde sehr schnell erhört und in die Tat umgesetzt.

Der Autopsiebericht des ermordeten palästinensischen Jugendlichen ergab, dass er lebend verbrannt wurde. Man zwang ihn Brandbeschleuniger zu trinken, damit er von innen heraus verbrennt.

Man fragt sich unweigerlich wer zu solch einer bestialischen Tat in der Lage ist. In der Psychologie findet man für Mörder zwei verschiedene Bezeichnungen die schliesslich auch unterschiedlich zum Mord führen: die kalte Aggression und die heisse Aggression.
Während sich der potentielle Mörder bei der kalten Aggression im "Jagdmodus" befindet, eiskalt und völlig emotionslos seinen mörderischen Plan in die Tat umsetzt, verhält es sich bei der heissen Aggression genau entgegengesetzt. Dort handelt der Täter aus einer akuten Bedrohung heraus, wo sein Puls steigt und seine Muskeln sich verspannen. Er befindet sich in einem Zustand wo er nicht klar denken kann.

Der 16-jährige Muhammad Abu Khdeir wurde aber nicht von einem einzigen Mann ermordet, sondern von einer Gruppe die ihn bei lebendigem Leib verbrannt haben. Ich habe mich bei einem Psychologen erkundigt und gefragt ob auch auf eine Gruppe das Prinzip der "kalten Aggression" zutreffen kann. Seine Antwort: "... nur bedingt. Das einigende Band ist aber ein anderes, welches die mörderischen Pläne eines Einzelnen auf das Kollektiv überträgt. Tiefer Hass wäre solch ein mögliches Band..."

Hass gibt es zur Genüge, auf beiden Seiten. Während sich der Hass auf der einen Seite aufgrund der täglichen Demütigungen, Erniedrigungen und Entwurzelungen durch die Besatzungsmacht nährt, wird der Hass auf der anderen Seite seit Jahren durch eine Kultur der Rache, religiösen Intoleranz und des immer grösser werdenden Rassismus gefördert.
Nochmal zur Erinnerung: sogar die Vereinigten Staaten von Amerika, die ansonsten sämtliche Kritik an Israel versuchen zu kaschieren oder sonstwie zu stoppen, mussten in ihrem Menschenrechtsindex von 2013 des Aussenministeriums festhalten, dass es in Israel eine "institutionelle und gesellschaftliche Diskriminierung" gegenüber israelischen-Arabern gibt (so werden in Israel lebende Palästinenser genannt).

Dieses Eisen ist so heiss, dass sich sämtliche westliche Medien weigern von dieser Tatsache zu berichten. Eine grosse und wichtige Ausnahme in dieser Hinsicht bilden die israelischen Medien, die schon seit Jahren von diesem wachsenden Rassismus berichten und vor dessen Folgen warnen. Zwar gibt es dazu hin und wieder Hinweise in westlichen Medien dass es solche Probleme geben könnte, aber wenn es erwähnt wird dann wird es als ein "Randphänomen" bezeichnet. Isabel Kershner, eine Journalistin der New York Times mit US-Israelischer Doppelstaatsbürgerschaft und deren Mann für das Institute for National Security Studies in Tel Aviv arbeitet, einem Think Tank das eng mit der israelischen Regierung verbunden ist, berichtete ebenfalls von dem Mord an Muhammad Abu Khdeir. Sie interviewte dafür den für seine Kritik an der Regierungspolitik bekannten Professor Shlomo Avineri der Hebräischen Universität in Jerusalem, der zu dem Mord aus Rache sagte dass "eine Linie überschritten wurde". "Das ist absolut böse" ergänzte Professor Avineri, wobei er sich nicht auf den Mord bezog, sondern auf den vorherrschenden Rassismus.
Doch Isabel Kershner ging hin und ergänzte die Aussage, beziehungsweise die Interpretation des gesagten Inhalts von Professor Avineri, um ihre eigene Sicht der Dinge. Das Resultat ist dann genau das was man Isabel Kershner immer wieder vorwirft, nämlich keine objektive Berichterstattung sobald es um Israel geht. Hier die Passage die gemeint ist:
""Das ist ein Weckruf" sagte Professor Shlomo Avineri, ein Politikwissenschaftler an der Hebräischen Universität in Jerusalem, (er) beschuldigte die Regierung und die Sicherheitsdienste in den letzten Jahren den extremen, nationalistischen Rand nicht mit genügend Ernsthaftigkeit verfolgt zu haben, die Moscheen entweiht und palästinensisches Eigentum zerstört zu haben."

Nach Rücksprache mit Professor Avineri bestätigte er, dass er in der Tat die Regierung und die Sicherheitsdienste beschuldigt hat das Problem nicht mit genügend Ernsthaftigkeit verfolgt zu haben. Aber was er nicht gesagt hat und lediglich die Interpretation der Journalistin darstellt, ist der Teil dass es sich bei dem Problem um einen "extremen, nationalistischen Rand" handelt. Viel mehr handelt es sich bei dem Problem nämlich um die generelle Gesellschaft die sich nationalistisch entwickelt hat und der Rassismus, insbesondere gegen die "israelischen Araber", der immer breitere Gesellschaftsschichten durchdringt. Das alles hat aber entweder Isabel Kershner nicht aufs Papier gebracht, oder die Redakteure der New York Times haben es gestrichen.
Die Absicht dahinter dürfte aber für jedermann klar sein: es gilt dieses Problem mit dem Rassismus entweder komplett zu verschweigen, oder dann als ein Randphänomen darzustellen um die Realität zu verschleiern.

Um den Leserinnen und Lesern dieses Blogs dieses Problem mit dem Rassismus in Israel besser erklären zu können, werde ich einige Artikel aus ausschliesslich israelischen Zeitungen übersetzen um die ganze Tragweite dieses "Problems" besser verstehen zu können. Diese Artikel geben auch eine Antwort darauf, wie es sein kann dass ein Grossteil einer Bevölkerung öffentlich nach Rache und Vergeltung ruft, und die Regierung diesem Ruf auch tatsächlich folgt. So hart es jetzt auch klingen mag: wären diese drei Jugendlichen innerhalb von Israel verschleppt worden und von jüdischen Israelis ermordet worden, hätten wir nie etwas davon erfahren und die Regierung hätte nie die ganze Kriegsmaschinerie in Gang gebracht.

"Jüdischer Hass auf Araber beweist: Israel muss sich einer kulturellen Revolution unterziehen (erschienen auf Haaretz am 07.07.14)

Es gibt keine Worte um den Horror zu beschreiben der angeblich durch sechs Juden an Muhammad Abu Khdeir aus Shoafat begangen wurde. Obwohl ein Maulkorberlass die Veröffentlichung von Details des schrecklichen Mordes und die Identitäten der angeblichen Täter verbietet, würde die Aussage der Khdeir-Familie - nach welcher der Junge lebend verbrannt wurde (was die Autopsie nun auch bewiesen hat) - jeden Sterblichen erschüttern. Jeder der mit dieser Beschreibung nicht zufrieden ist, kann das Horrorvideo ansehen in welchem Mitglieder von Israels Grenzpolizei brutal den 15-jährigen Cousin des Opfers, Tariq Abu Khdeir, zusammenschlagen. 

Die israelische Polizei hat die Mörder schnell als "jüdische Extremisten" bezeichnet, was bedeutet dass sie nicht Teil der Herde sind; sie sind Ausreisser, "wildes Unkraut". Das ist der Weg der Polizei um den Versuch zu unternehmen, diese Sünde rechtzufertigen, um das "Ungeziefer kosher zu machen". Aber das Ungeziefer ist gross und mehrbeinig. Es hat Soldaten und andere junge Israelis umfasst die die Social Media Netzwerke mit Rufen nach Rache und mit Hass gegen Araber überrannt haben. Das Ungeziefer wurde von Mitgliedern der Knesset (israelisches Parlament), Rabbis und öffentlichen Figuren willkommen geheissen, die nach Rache verlangten. Noch hat es den Ministerpräsidenten (Binyamin Netanyahu) übersprungen der erklärt hat: "Rache für das Blut eines kleinen Kindes, (welches) Satan noch nicht (einmal) geschaffen hat."

Abu Khdeir`s Mörder sind keine "jüdische Extremisten". Sie sind Nachfahren und Erbauer einer Kultur des Hasses und Vergeltung, welche von den Anführern des "Jüdischen Staates" gepflegt und befruchtet werden. Jene, für die jeder Araber ein bitterer Feind ist, nur weil sie Araber sind; jene die still waren als während der Spiele (des Fussballclubs) Beitar Jerusalem`s deren Fans die arabischen Spieler mit "Tod den Arabern" anschrien; jene die die Säuberung des Staates von seiner arabischen Minderheit fordern, oder sie zumindest aus den Häusern und Städten der Juden vertreiben wollen.

Nicht weniger verantwortlich für die Morde sind die, die nicht mit eiserner Hand die Gewalt von israelischen Soldaten gegenüber palästinensischen Zivilisten gestoppt haben und die es nicht geschafft haben Beschwerden "aufgrund mangelndem öffentlichen Interesse" nachzugehen. 
Der Begriff "jüdischer Extremist" erscheint aktuell angemessener für die kleine jüdische Minderheit zu sein, welche noch immer über diese Akte der Gewalt und Mordens entsetzt ist. Aber sie erkennen unglücklicherweise auch, dass sie zu einem rachsüchtigen jüdischen Stamm gehören, deren Lizenz zur Durchführung solchen Horrors auf dem Horror basiert, das ihnen angetan wurde.

Die Strafrechtliche Verfolgung der Mörder ist nicht mehr länger genug. Es muss eine kulturelle Revolution in Israel geben. Seine politischen Führer und Militäroffiziere müssen diese Ungerechtigkeit anerkennen und sie berichtigen. Sie müssen endlich damit anfangen die nächste Generation auf humanistische Werte zu erziehen und einen toleranten öffentlichen Diskurs zu fördern. Ohne das wird der jüdische Stamm seines eigenen Staates nicht würdig sein."


"Unser erbämlicher jüdischer Staat (erschienen auf Haaretz am 06.07.2014)

Die Jugendlichen des jüdischen Staates greifen Palästinenser in den Strassen von Jerusalem an, genau so wie nichtjüdische Jugendliche einst die Juden auf den Strassen in Europa angegriffen haben. Die Israelis des jüdischen Staates randalieren auf Sozialnetzwerken, zeigen Hass und ein Begehren auf Rache, noch nie dagewesen in diesem teuflischen Ausmass. Einige unbekannte Leute des jüdischen Staates, einzig und allein basierend auf seiner Ethnie. Das sind die Kinder der nationalistischen und rassistischen Generation - Netanyahu`s Nachwuchs.

In den letzten fünf Jahren haben sie nichts anderes gehört als Aufhetzung, Angstmacherei und Vorherrschaft über die Araber von dem wahren Instruktor dieser Generation, Ministerpräsident Binyamin Netanyahu. Nicht ein humanes Wort, kein Mitgefühl oder Gleichbehandlung.

Sie sind mit der provokativen Forderung für die Anerkennung Israels als "Jüdischen Staat" aufgewachsen und sie haben die unausweichliche Schlussfolgerung gezogen. Selbst bevor überhaupt geklärt wurde was ein "jüdischer Staat" bedeutet, ist der Groschen für die Massen gefallen.

Der Mob war der Erste der die wahre Bedeutung verinnerlicht hat: ein Jüdischer Staat ist einer in dem es nur Platz für Juden gibt. Das Schicksal der Afrikaner ist es zum Holot Auffanglanger in der Negev Wüste geschickt zu werden, während es für die Palästinenser die Pogrome auszuhalten gilt. So soll es in einem jüdischen Staat aussehen: nur so kann es jüdisch sein.

In dem jüdischen Staat in Gründung gibt es keinen Platz für einen Araber der alles dafür tut um ein guter Araber zu sein, so wie der Schriftsteller Sayed Kashua. In einem jüdischen Staat schneidet der Vorsitzende der Plenarsitzung der Knesset, der Abgeordnete Ruth Calderon, dem arabischen Abgeordneten Ahmad Tibi das Wort ab, der gerade eben völlig bewegt von einem Besuch bei der Familie des ermordeten Jungen aus Shoafat zurückgekommen ist, und ihn dreist belehrt dass er auch die drei ermordeten jüdischen Jungs erwähnt obwohl er das gerade getan hat.

In einem jüdischen Staat genehmigt der Oberste Gerichtshof die Zerstörung des Hauses der Familie von einem Verdächtigten, noch vor seiner Verurteilung. Ein jüdischer Staat erlässt rassistische und nationalistische Gesetze.

Die Medien in dem jüdischen Staat schwelgen an dem Mord an drei Yeshiva Studenten, während nahezu vollkommen das Schicksal von einigen palästinensischen Jugendlichen im gleichen Alter ignoriert wird, die durch den Beschuss der Armee in den letzten Monaten gewöhnlich ohne Grund getötet wurden.

Niemand wurde für diese Tagen bestraft - in diesem jüdischen Staat gibt es ein Gesetz für die Juden und ein anderes für Araber, deren Leben billig ist. Es gibt keine Spur zur Einhaltung von internationalen Gesetzen und Abkommen. Im jüdischen Staat gibt es Mitleid und Mitgefühl nur für Juden, Rechte nur für das auserwählte Volk. Der jüdische Staat ist nur für Juden.

Die neue Generation die im Schatten (des Staates) aufwächst ist eine Gefährliche (Generation), für sich selbst und für die Umgebung. Netanyahu ist deren Erziehungsminister; die militaristischen und nationalistischen Medien dienen als ein episches, pädagogisches Gedicht; das Erziehungssystem dass sie nach Auschwitz und Hebron führt dient ihnen als Leitfaden.

Der neue Sabra (in Israel geborene Israelis) ist eine neue Spezies, stachelig auf der Aussenseite wie auch auf der Innenseite. Er hat nie sein palästinensisches Gegenstück getroffen, weiss aber alles über ihn - der Sabra weiss dass er ein wildes Tier ist, nur dafür da ist um ihn (den Araber) zu töten, dass er ein Monster ist, ein Terrorist.  

Er weiss das Israel keinen Partner für einen Frieden hat, denn das ist ja was er unzählige Male von Netanyahu, Aussenminister Avigdor Liberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett gehört hat. Von Yair Lapid (den im Westen gefeierten Moderaten in der Regierung von Netanyahu) hat er gehört dass sie alle (gemeint sind die Palästinenser in Israel) "Zoabis" sind, ein abschätziger Bezug auf die Abgeordnete Haneen Zoabi.

Im jüdischen Staat ist es ein Verbrechen ein Linker zu sein oder ein Sucher nach Gerechtigkeit, eine Zivilgesellschaft wird als verräterisch betrachtet, echte Demokratie ein Übel. In einem jüdischen Staat - von dem nicht nur der rechtsgerichtete Flügel geträumt hat, sondern auch die vermeintliche Mitte-Links, Tzipi Livni und Lapid mit eingeschlossen - ist die Demokratie verwischt. 

Es sind nicht die Skinheads die das Hauptproblem des jüdischen Staates sind, es sind die scheinheiligen Augenroller, die Schläger, der extreme rechte Flügel und die Siedler. Es ist nicht der Rand (der Gesellschaft), sondern der Mainstream der zum Teil sehr nationalistisch und zum Teil gleichgültig ist. 

In dem jüdischen Staat gibt es keine biblischen Überbleibsel des Gebotes, wonach die Minderheit oder der Fremde gerecht behandelt werden soll. Es gibt keine Juden mehr die mit Martin Luther King marschiert sind oder mit Nelson Mandela im Gefängnis sassen. Der jüdische Staat, der darauf besteht von den Palästinensern als solcher anerkannt zu werden, muss sich erst selbst anerkennen. Am Ende des Tages, am Ende einer schrecklichen Woche, erscheint es dass ein jüdischer Staat als ein rassistischer, nationalistischer Staat gedacht ist, ein Staat nur für Juden."


Dann gibt solche Leute in der israelischen Regierung wie die Anwältin Ayelet Shaked, die auf ihrer Facebook Seite einen bis dato unveröffentlichten Brief von Uri Elitzur doch noch veröffentlicht hat. Elitzur war ein Anführer der Siedlerbewegung und Redensschreiber sowie enger Berater von Binyamin Netanyahu.
In diesem Brief heisst es "dass das ganze palästinensische Volk der Feind ist" und dass die Regierung endlich der Verpflichtung des Krieges nachkommen soll. Nämlich dass ein Krieg nicht nur gezielte Tötungen gegen Anführer beinhaltet, sondern dass ein Krieg "immer ein Krieg zwischen zwei Völker" ist. "Die Moral des Krieges weiss dass es nicht möglich ist davon abzusehen die Zivilbevölkerung des Feindes zu verletzen", heisst es da weiter.
Und der Brief endet folgendermassen: "Sie sollen gehen, genauso wie es ihre physischen Häuser tun sollen in denen sie die Schlangen erzogen haben. Ansonsten werden dort weitere kleine Schlangen erzogen werden."

Eine führende Persönlichkeit der Regierungskoalition unterstützt also durch ihre Veröffentlichung eines Briefes den darin beinhaltenden Ruf nach einem Genozid an dem palästinensischen Volk.

Es ist nicht schwer zu verstehen wie sich der Rassismus in dieser Art entwickeln konnte angesichts solch eines unverantwortlichen (zumindest in unseren Augen) Handelns einer Person die im öffentlichen Fokus steht. Kein Wunder sagte Philip Gordon, der Sondergesandte von US-Präsident Obama für den Nahen Osten, während der von der israelischen Zeitung Haaretz organisierten Friedenskonferenz diese Woche, dass Israel mit der Besatzung und Dehumanisierung der Palästinenser für die regionale Instabilität sorgt. Solche Worte stellen ein Novum in der US-Israelischen Beziehung dar, insbesondere da diese Worte während einer laufenden Bombenkampagne auf den Gaza Streifen und in aller Öffentlichkeit stattfanden.

Israel steckt in einer tiefen Krise, nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Und um davon ablenken zu können braucht Netanyahu Kriege und bedient somit auch gleichzeitig den vorherrschenden Rassismus in seinem Staat.

Mittwoch, 9. Juli 2014

EU`s Stellungnahme zu Gaza ist purer Zynismus

Wie unausgewogen die Reaktion der Europäischen Union auf die neueste Gewalteskalation im Nahen Osten ist, habe ich bereits im letzten Artikel mit den Statements der EU-Mission in Israel gezeigt. Aber wie zynisch die offizielle Stellungnahme der Europäischen Union ausgefallen ist, wie Brüssel eindeutig Partei für eine Seite nimmt, nämlich ausschliesslich pro-Israel, ist schon fast Menschenverachtend. Hier die Stellungnahme:

"Wir verfolgen mit grosser Sorge die sich rapide verschlechternde Situation im Süden von Israel und dem Gaza Streifen.

Die EU verurteilt aufs Schärfste den wahllosen Beschuss von Israel durch militante Gruppen im Gaza Streifen. 

Die EU bedauert die wachsende Zahl von zivilen Opfern, unter ihnen wie verlautet auch Kinder, verursacht durch israelischen Vergeltungsbeschuss. Die Sicherheit aller Zivilisten muss von allergrösster Bedeutung sein. 

Die EU ruft alle Seiten auf,  maximale Zurückhaltung auszuüben um Opfer zu vermeiden und Ruhe wieder herzustellen. Aus diesem Grund ruft die EU Parteien in der Region auf, ihr bestmöglichstes zu unternehmen um einen augenblicklichen Waffenstillstand zu erreichen."

Ist das nicht Menschenverachtend? Während die EU "aufs Schärfste den wahllosen Beschuss" von Israel verurteilt, wird der Tod von über 25 Menschen, darunter auch Kinder und alte Menschen, nur "bedauert".



Kein Wunder kann sich der stellvertretende Aussenminister Danny Ayalon (und Mitglied in der rechtsgerichteten Partei von Avigdor Liberman) mit solch einem Post auf Twitter rühmen:

"Es gibt keine andere Armee auf der Welt die so viel wie die IDF (Israel Defence Force) tut um zivile Opfer zu vermeiden."

Dienstag, 8. Juli 2014

Gaza: Netanyahu gibt dem Ruf nach Rache nach

Es ist leider wieder soweit. Die israelische Air Force fliegt massive Bombenangriffe auf den Gaza Streifen mit Kampfhubschraubern, Drohnen und Kampfjets amerikanischen Formats. Hält man sich bloss an die westliche Berichterstattung, dann reagiert Israel lediglich auf die Raketenangriffe die aus dem Gaza Streifen kamen und israelische Dörfer und Städte und bedroht haben. Selbst ein Kreuzfahrtschiff der AIDA bekam den Schrecken eines Krieges zu spüren, als offensichtlich Schrapnelteile von israelischen Abfangraketen auf das Deck des Kreuzfahrtschiffes herunter regneten.

Bezeichnenderweise heisst diese neueste Bombardierung des Gaza Streifens "Operation Protective Egde", oder Operation Schutzrand, was die Übersetzung des hebräischen Originals "Tzuk Eytan" sein soll.
Aber hier fängt die Propaganda bereits an. Die übersetzte Version des Operationsnamens ist genau für die internationalen Medien gedacht, die ihren Job bisher aus israelischer Sicht sehr gut ausführen: nämlich die Verbreitung der Propaganda. Operation "Protective Edge" klingt defensiv, es gibt den Anschein als ob sich Israel lediglich wehren würde.

Der hebräische Originalname dieser Operation "Tzuk Eytan" ist aber alles andere als defensiv, ganz im Gegenteil. Tzuk Eytan bedeutet korrekt übersetzt nämlich "solider Fels" oder "mächtige Klippe", was der Operation und dem Grund der sinnlosen Bombardierung eine ganz andere Richtung gibt.

Selbstverständlich ist auch auf der anderen Seite der Beschuss mit Raketen aus dem Gaza-Streifen auf israelische zivile Ziele zu verurteilen. Wobei einige Dinge ganz klar in die richtige Perspektive gerückt werden müssen um die Tragweite dieses erneuten Krieges besser verstehen zu können:

1. Der Gaza Streifen - und somit die über 1.7 Millionen Menschen darin (manche sprechen sogar von zwei Millionen Menschen) - ist von Israel hermetisch abgeriegelt. Offiziell kommt nicht eine Fliege in oder aus dem Gaza-Streifen ohne die Bewilligung von Israel. Obwohl der Gaza Streifen direkt am Meer gelegen ist, haben die Fischer riesige Probleme ihre Fänge einzuholen weil ihnen auch auf dem Wasser der Weg von israelischen Patrouillenbooten versperrt wird. Ob zu Wasser, in der Luft oder auf dem Boden, die Menschen sind wie in einem Ghetto eingesperrt und müssen alles, wirklich alles, über sich ergehen lassen. Die direkte israelische Besatzung, sprich die physische Präsenz von jüdischen Siedlern und israelischen Soldaten im Gaza Streifen, wurde zwar 2005 für beendet erklärt, aber das anschliessend errichtete Ghetto wurde von der Weltöffentlichkeit bisher stillschweigend angenommen. Um dieses Ghetto noch genauer zu verdeutlichen: die Herrschaft der Israelis über die Menschen in Gaza ging sogar soweit, dass die israelische Regierung im Jahr 2008 eine Studie (die Red-Lines Dokumente) in Auftrag gab und nach dessen Ergebnissen auch die Einfuhr von Waren und Lebensmittel in den Gaza-Streifen steuerte, in der es darum ging wieviel Kalorien der durchschnittliche Bürger in Gaza pro Tag benötigt, um nicht zu verhungern (siehe auch den Bericht vom 15.11.2012 "Von langer Hand vorbereiteter Krieg in Gaza").

2. Das internationale Recht erlaubt ausdrücklich einen bewaffneten Widerstand für Völker, "die gegen Kolonialherrschaft und fremde Besatzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen", gem. 1. Zusatzprotokoll der 4. Genfer Konvention, Art. 1 Absatz 4.
Fremde Besatzung, Kolonialherrschaft und ja, sogar rassistisches Regime trifft auf die gegenwärtige Zusammensetzung der Regierung von Binyamin Netanyahu zu, die also gemäss internationalem Recht in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung mit Waffengewalt bekämpft werden dürfen.
Wenn also die Hamas gegen die israelische Unterdrückung, gegen die Kolonialherrschaft und gegen die fremde Besatzung kämpft oder gekämpft hat, dann war das in eindeutigem Einklang mit internationaler Rechtssprechung für Völker die unter einer Besatzung stehen. Aber, und das muss ebenfalls mit allem Nachdruck betont werden, diese Angriffe auf die israelische Besatzungsmacht dürfen nicht auf die zivile Bevölkerung Israels ausgedehnt werden. Wenn also Raketen aus dem Gaza Streifen gezielt solche sogenannten soft targets wie Dörfer, Städte etc. ins Visier nehmen oder Selbstmordanschläge auf unschuldige Menschen verübt werden, dann ist das mit dem "erlaubten" Rahmen des Widerstandes nicht zu vereinbaren.
Bleibt also die Frage zu klären, was die Menschen in Gaza sonst tun könnten um die Welt auf das von Israel auferzwängte Ghetto aufmerksam zu machen, und wie der bewaffnete Widerstand geführt werden kann.

Fakt bleibt, dass sich die Welt bisher trotz der angeblichen humanitären Verantwortung nicht grossartig für das Leid der Menschen im Gaza Streifen interessiert, und somit die Ghettoisierung durch Israel stillschweigend akzeptiert hat. Selbst die bevorstehende humanitäre Katastrophe vor welcher die UN schon lange warnt, nämlich dass der Gaza Streifen aufgrund der israelischen Blockade bald nicht mehr bewohnbar sein wird, interessiert so gut wie niemanden hier. Die Ironie an der ganzen Sache ist, dass dieses Interesse erst dann zurückkehrt, wenn Israel wieder einmal einen Krieg gegen die Bevölkerung des Gaza Streifens führt.
Auch der bewaffnete Widerstand gestaltet sich schon aus praktischen Gründen fast unmöglich aufgrund der Blockade und der Mauer. Es kann keinen klassischen Guerilla Kampf geben wie das der Fall bei Widerstandskämpfern unter einer Besatzung sonst ist. Was bleibt ist der Abschuss von eben jenen Raketen die grösstenteils für die Schäden in Israel verantwortlich sind. Das "Problem" mit diesen Raketen ist die Tatsache, dass es sich dabei um primitive fliegende Bomben handelt die ohne jegliche moderne Zielerfassung ausgestattet sind, und somit eben unkontrollierbar über die Mauer geschossen werden. Das ist die einzige Möglichkeit des bewaffneten Widerstandes. Muss es denn aber überhaupt einen solchen Widerstand geben? Gibt es keine andere Formen?
Natürlich gibt es solche Formen, diese wurden und werden aber von Israel brutal unterdrückt und im Keime bereits erstickt. Jeder der schon einmal an einer Freitagsdemonstration in der West Bank teilgenommen hat, einer unbewaffneten und friedlichen Demonstration gegen die Besatzung wohlgemerkt, wird bezeugen können wie Israel mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vorgeht.

Nicht weniger brutal sind die Luftangriffe auf den Gaza Streifen. Mit Kampfjets, Drohnen und Kampfhubschraubern werden Bomben auf einen der dichtbesiedeltsten Gebiete der Welt abgeworfen, wohlwissend dass dabei entweder beabsichtigt oder unbeabsichtigt unschuldige Menschen verletzt oder getötet werden. Und trotz dieser Tatsachen verkündet die Mission der Europäischen Union in Israel heute, dass man "vorbehaltlose Solidarität mit den Menschen von Süd-Israel hat" oder dass "wahlloser Beschuss von Zivilisten nicht gerechtfertigt ist und gestoppt werden muss". Kein Wort des selben Mitgefühls für die Menschen in Gaza.



Weshalb kam es aber überhaupt zu dieser Eskalation der Gewalt?

Nun, in unseren Medien wird diese Frage nur zum Teil beantwortet. Als Grund wie die Entführung und anschliessende Ermordung der drei israelischen Jugendlichen angeführt, sowie der Mord aus Rache an einem palästinensischen Jungen. Das ist aber nur ein sehr kleiner Teil der Antwort.

Der weitaus grösste Teil der ungeheuerliche Ruf nach Vergeltung innerhalb grosser Teile der israelischen Bevölkerung und der rechtsgerichteten Regierung (siehe meine Berichte hier und hier). Insbesondere die Siedlerbewegung wollte einen endgültigen Schlag gegen die Hamas sehen, die ohne jegliche Beweise zu liefern als Drahtzieher der Morde an den drei Jugendlichen in der West Bank beschuldigt wird. Die Antwort von Ministerpräsident Netanyahu auf diesen Ruf nach Rache fiel in ihren Augen zu mild aus. Erst als sich auch politisch die Situation für Netanyahu verschärfte indem sein Bündnispartner, der rechtsgerichtete (nicht Wenige würden rechtsradikale sagen) Avigdor Liberman der Partei Jisrael Beitenu (Unser Haus Israel) dieses Bündnis mit Netanyahu`s Likud-Partei aufkündigte und sich somit als direkter Herausforderer für Binyamin Netanyahu für die nächsten Wahlen präsentierte, sah sich der Ministerpräsident gezwungen zu reagieren. Da ihn Liberman der Feigheit beschuldigte und gegen seine Politik massiv losdonnerte, liess Netanyahu seinen Sicherheitsrat zusammenkommen und entschied dabei die "phasenweise Eskalation" mit der Hamas.

Nur damit Netanyahu nicht als Schwächling vor dem israelischen Volk dasteht und potentielle Wähler seiner Likud nicht an Liberman`s Partei verliert (bei den letzten Wahlen war es ja ein Block mit Likud-Beitenu) und somit bei einem Zusammenbruch seiner Regierungskoalition vermutlich keine, oder zumindest weniger Chancen mehr auf eine Wiederwahl hätte, ordnete er eine "phasenweise Eskalation" an. Dass es Netanyahu aber von Anfang an des Dramas um die drei entführten Jugendlichen nur um die Hamas bzw. der Einheitsregierung mit der Fatah ging, wird in unseren Medien überhaupt nicht erwähnt. Demzufolge auch nicht, dass die jetzige Eskalation nur eine logische und tödliche Konsequenz daraus ist. Die Hamas hat von Anfang an gesagt, dass sie mit der Entführung nichts zu tun hat. Sie hat auch noch während den sporadischen Angriffen der israelischen Air Force der letzten Tage verlauten lassen, dass man "nicht an einer Konfrontation mit Israel interessiert ist". Als dann aber 9 hochrangige Hamas-Aktivisten durch israelische Drohnenangriffe ums Leben kamen, reagierte man mit einer grossen Barrage von Raketen auf Ziele in Israel. Das war genau das was Netanyahu noch zur Rechtfertigung gebraucht hatte.

Die Einberufung von 1500 Soldaten aus der Reserve zeigt aber, dass das Interesse auf eine grossangelegte Kampagne gering ist, verglichen mit der Einberufung von über 50`000 Reservisten im Dezember 2008. Vieles wird davon abhängen wie die Welt reagieren wird, wie hoch die Opferzahlen in Gaza sein werden und wie viele Raketen aus dem Gaza Streifen in Israel landen, und vor allem WO sie landen werden. Es kann aber keine Rede davon sein dass es sich um eine Verteidigung Israel`s handelt, wenn doch genau diese Ausweitung der Gewaltspirale von allen Seiten gefordert wurde. Aber die Büchse der Pandora wurde geöffnet, und niemand wird behaupten können die Situation im Griff zu haben oder die Eskalation "phasenweise" kontrollieren zu können.

*UPDATE* Die Situation hat sich dramatisch verschärft. Nach dem massiven Bombardement des Gaza Streifens über den heutigen Tag hinaus, hat die Hamas ihre gefürchteten Fajr Raketen aus dem Arsenal geholt (wie bereits im November 2012) und Ziele in Jerusalem und sogar Tel Aviv angegriffen. Daraufhin erliess Binyamin Netanyahu den Befehl, weitere 40`000 Soldaten aus der Reserve zu mobilisieren und bereitet nun einen Bodenkrieg vor. Das könnte eine Wiederholung, wenn nicht sogar eine Verschlimmerung, des brutalen Krieges vom Dezember 2008/Januar 2009 werden. Was der heutige Tag aber definitiv bewiesen hat sind zwei Dinge:
1: die israelischen Multi-Milliarden teure Raketenschirme wie Arrow, David`s Sling oder Iron Dome, die massiv vom amerikanischen Steuerzahler subventioniert werden, haben der israelischen Bevölkerung keine Sicherheit gebracht.
2: genau wie ich es oben beschrieben habe, ist nun der Fall eingetreten dass ein Krieg nicht kontrollierbar ist, auch wenn er nur "phasenweise" geplant war.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Wie Israel den Tod von 3 Jugendlichen ausgenutzt hat

Die Jagd nach den drei vermissten israelischen Jugendlichen endete mit Luftangriffen der Israelischen Air Force (IAF) auf den Gaza-Streifen. Hunderte unschuldige Palästinenser wurden auf dieser Jagd verhaftet, mindestens zehn Menschen (3 Jugendliche, eine schwangere Frau, ein psychisch kranker Mann und 5 erwachsene Männer) wurden von israelischen Soldaten erschossen.

(israelische Luftangriffe auf Gaza am 1. Juli 2014)

Es gibt in der israelischen Armee eine Order die besagt, dass keine eigene Soldaten zurückgelassen werden. Dabei spielt es keine Rolle ob es sich um Tote oder Verwundete, Soldaten oder Zivilisten handelt. Es gibt in der kollektiven Psyche Israels nichts Schlimmeres als ein ungewisses Schicksal eines hinter "den feindlichen Linien" zurückgebliebenen Juden. Auch die Umstände spielen dabei erst einmal keine Rolle. Was zählt ist die Repatriierung dieses Soldaten oder eben wie in diesem Fall der drei Jugendlichen. Und dafür rechtfertigt der Zweck sämtliche Mittel, inklusive der Tötung von hunderten von unschuldigen Menschen. Fragen werden dann erst hinterher gestellt.

Israel reagierte in der Vergangenheit ganz unterschiedlich auf solche Vorfälle, immer abhängig davon wer gerade das Land regierte.
Als 1976 ein Flugzeug der Air France mit über 100 israelischen Passagieren von palästinensischen Terroristen entführt und zur Landung in Entebbe/Uganda gezwungen wurde, entsandte der damalige Ministerpräsident Yitzak Rabin eine Spezialeinheit unter der Leitung von Yonatan Netanyahu, dem Bruder des heutigen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu und der während der Befreiungsaktion ums Leben kam, die die unschuldigen Passagiere retten sollte.
Einer der berühmtesten Fälle betrifft den Abschuss eines israelischen Kampfjets am 16. Oktober 1986 über Libanon. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Israel im vierten Jahr der Besatzung des Süd-Libanon, und musste an diesem Tag den überraschenden Abschuss eines ihrer Kampfjets registrieren, die ansonsten über nahezu kompletten Handlungsspielraum in der Luft verfügten. Der Pilot wurde gerettet, aber der Navigator, Ron Arad, landete in einem von der schiitischen Partei Amal kontrollierten Gebiet und wurde gefangen genommen. An diesem Tag war noch Shimon Peres Ministerpräsident von Israel, doch bereits vier Tage später wurde er von dem ehemaligen Terroristen Yitzak Shamir abgelöst. Natürlich war der Druck enorm den vermissten Ron Arad zu finden, aber sämtliche Operationen der israelischen Spezialkräfte verliefen im Sand. Es fehlte jegliche Spur von Arad. Der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Golfkrieg, sowie der internationale Versuch nach dem Golfkrieg einen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern sowie der arabischen Welt im Allgemeinen in Gang zu setzen, hinderte Shamir wild um sich zu schiessen um die Freilassung von Ron Arad zu erzwingen.

Ganz anders verhielt es sich im Juli 2006, als zwei israelische Soldaten (Udi Goldwasser und Eldad Regev) den von Israel diktierten Grenzverlauf in der Nähe der Hezballah Hochburg von Aitta Shaab kontrollierten, und dabei in einen Hinterhalt gerieten und schliesslich gefangen genommen wurden. Ministerpräsident Ehud Olmert, neben Shimon Peres der einzige Ministerpräsident in Israels Geschichte der nicht vom Militär kam, liess sich von seinen Militärs zu einem brutalen Krieg überreden. Das primäre Ziel war nicht die Befreiung der beiden vermissten Soldaten, sondern die Vernichtung der Hezballah. In Israel wurde aber genau das behauptet. Über 1100 Menschen wurden getötet, hunderttausende Bewohner des Südlibanons wurden zu Flüchtlingen oder verloren ihr ganzes Hab und Gut. Aber erst als die israelischen Bodentruppen in heftigste Kämpfe verwickelt wurden, als es auch auf israelischer Seite zu steigenden Opferzahlen führte und zum ersten Mal Raketen auch in Haifa einschlugen, zeigte sich die Regierung von Ehud Olmert zu Gesprächen bereit.
Was in dem ganzen Drama um diesen "Sommerkrieg" von 2006 zwischen Israel und Hezballah untergegangen ist, ist eine andere Entführung die nur ein paar Tage vor dem Zwischenfall an der libanesisch-israelischen Grenze stattgefunden hat. Die Rede ist von Gilad Shalit, der am 25. Juni 2006 aus seinem Panzer entführt wurde, der sich an der Mauer-Sperranlage am Gaza-Streifen befand. Auch hier fand eine Operation der israelischen Armee statt um Shalit zu finden, auch hier starben wieder unschuldige Zivilisten, jedoch nicht in dem Ausmass wie im Libanon ein paar Tage später. Das sollte sich allerdings im Dezember 2008 ändern, mit Binyamin Netanyahu als Ministerpräsident, der zu einem brutalen Krieg gegen die Hamas ausholte und Israel dabei wie im Libanon zwei Jahre zuvor über 1000 Menschen tötete. Doch Gilad Shavit blieb verschollen. Knappe drei Jahre später kam der israelische Panzerführer dann doch noch im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Als dann letzten Monat diese drei Jugendliche aus einer illegalen Siedlung in der West Bank entführt wurden, blieb Netanyahu seiner Linie treu und startete die Suche nach den Vermissten mit einer kollektiven Bestrafung der ganzen palästinensischen Bevölkerung und insbesondere der Hamas, der ohne jegliche Beweise zu nennen die Schuld zugeschoben wurde.
Doch was niemand in der israelischen Bevölkerung ahnte war die Tatsache, dass die diversen Geheimdienste Israel`s sich sicher waren dass die Jugendlichen bereits tot waren. Wie eigentlich immer in kritischen Situationen in Israel, verpasste die Regierung von Netanyahu den israelischen Medien einen Maulkorb der erst jetzt Stück für Stück abgenommen wird.

Natürlich dienten die Operationen der israelischen Einsatzkräfte der Suche nach den drei entführten Jungs, aber das eigentliche Ziel von Binyamin Netanyahu war es, diese Situation (oder Möglichkeit aus der Sicht von Netanyahu) schamlos auszunutzen um so gegen die erst kürzlich vereidigte Einheitsregierung Palästina`s zwischen Fatah und Hamas vorgehen zu können. Das zeigte sich in der Anschuldigung der Hamas für die Entführung verantwortlich zu sein und der wiederholten Drohung dass "Hamas dafür bezahlen wird", das zeigte sich in den gezielten Schlägen gegen Regierungsmitglieder der Hamas sowie in der Bombardierung des Gaza-Streifens, obwohl der Gaza-Streifen überhaupt nichts mit der Entführung der drei Jugendlichen zu tun hatte.
Wie sich jetzt auch immer mehr herausstellt, wusste die Regierung von Netanyahu (siehe hier und hier) schon seit einigen Tagen dass die Jugendlichen nicht mehr am Leben sind, und dennoch liess er die Bevölkerung in dem Glauben dass die israelische Armee alles tut um sie lebend wieder zurückzubekommen. Doch was Netanyahu wirklich vor hatte, zeigte er am 29. Juni in einer Kabinettserklärung:

"... und wir werden weiterhin unser Möglichstes tun um sie sicher nach Hause zu bringen. Unmittelbar nach der Entführung haben wir gesagt dass Hamas dafür verantwortlich ist. Ich denke dass es jetzt für alle klar ist worauf wir uns bezogen haben (Netanyahu bezieht sich auf einzelne Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen die er im Absatz zuvor erwähnt hat und die nichts mit der Entführung zu tun haben). Abu Mazen (Mahmoud Abbas) sagt dass er gegen Entführungen ist; er sagt dass er weiter den Weg des Friedens gehen will. Wenn er dazu steht was er sagt, dann gibt es nur einen Weg um den Frieden zu fördern - und das ist das Abkommen mit Hamas zu zerreissen."

Ganz nebenbei wurde in dieser Kabinettserklärung erwähnt, dass das Kabinett den Plan von Netanyahu zur "sozio-ökonomischen Entwicklung von Ost-Jerusalem" gebilligt hat. Diese Entwicklung ist aber nicht für die Palästinenser in Ost-Jerusalem gedacht, und noch viel weniger für die Ermöglichung einer Hauptstadt für einen palästinensischen Staat, sondern ausschliesslich für die Entwicklung der jüdischen Siedlungen im Gürtel von Jerusalem.

Einen Tag nach dieser Kabinettserklärung wurden die Jugendlichen in Hebron in der West Bank gefunden. Die Mörder sollen Mitglieder des riesigen Qawasmeh-Klans (ca. 10`000 Angehörige) sein. Allein diese Tatsache reichte für die Regierung von Netanyahu bereits aus, um die Verbindung zur Hamas herzustellen weil gewisse Mitglieder des Klans die Hamas in der Vergangenheit unterstützt haben. Man darf aber nicht vergessen dass die Hamas die Parlamentswahl von 2006 klar und deutlich gewonnen hat, und dass diese Wahl ohne Vorkommnisse, sprich demokratisch abgehalten wurde. Hamas ist also nicht gleichbedeutend mit Terror wie das in unseren Medien vorgetragen wird, und dennoch kann die israelische Regierung diese Karte nach Belieben ziehen solange unsere Medien dieses Bild auch weiterhin zeichnen.
Aber im Gegensatz zur Regierung Netanyahu waren und sind sich die israelischen Geheimdienste alles andere als sicher dass Hamas hinter dieser Entführung und anschliessenden Morden steckt.
Doch der Schaden wurde angerichtet. Eine regelrechte Welle des Hasses und der Ruf nach Vergeltung wurde laut. Schon während der Suche nach den drei entführten Jugendlichen wurde eine Seite auf Facebook veröffentlicht, die den Tod von "jedem Terroristen" forderte (siehe "Kollektive Bestrafung der Palästinenser"). Was aber nach dem Fund der Leichen in Israel geschah, sollte jedem auf der Welt die Augen öffnen.

Noch am Montag wurde eine Facebook Seite mit dem Titel "Das Volk von Israel verlangt Rache" veröffentlicht. In nur zwei Tagen erhielt die Seite über 35`000 Likes und wurde nun aber vom Netz genommen. Nebst tausenden von normalen Bürgern Israels, waren es auch erschreckend viele Soldaten die in den besetzten Gebieten von Palästina stationiert sind die in aller Öffentlichkeit nach Blutrache verlangten oder sonstige rassistische Äusserungen von sich haben. Hier ein kleiner Überblick von diesen Bildern:

"Wir sind auch Kämpfer der Kfir Division - Netzah Yehuda Battailon und unterstützen die Todesstrafe für alle Terroristen die sich in Israel frei bewegen. Wir sind gekommen um Rache zu nehmen!"

"Rache! 97" (97 ist die Netzah Yehuda Einheit in der West Bank)

"Bibi (Netanyahu) das Volk will Rache" (ebenfalls aus der Netzah Yehuda Einheit)

"Das Volk von Israel verlangt Rache"


Uri Bank, ein Mitglied der nationalistisch-religiösen Partei "Die jüdische Heimat", ging auf seiner Facebook Seite sogar soweit und forderte die Annexion von "Judäa und Samaria", die Ermordung sämtlicher "Terroristen" (d.h. Palästinensern) die in Israel wegen Mordes einsitzen und die Vertreibung der Menschen aus dem Gaza-Streifen. 
David Rubin, ehemaliger Bürgermeister der illegalen Siedlung "Shiloh", rief gar zum Massenmord an allen Palästinensern auf:
"Der erste Schritt ist den Feind zu identifizieren. In diesem Fall ist nicht nur Hamas der Feind, welche die Jungs entführt und getötet haben und jahrelang Raketen aus ihren Hochburgen in Gaza auf israelische Städte abgeschossen haben. ... Und ja, der Feind sind auch die Zivilisten die diese zwei Terrororganisationen (damit meint er Hamas und Fatah) an die Macht gewählt haben. Nicht jeder Deutsche war ein aktiver Nazi, so wie nicht jeder Gazaner ein aktives Mitglied von Hamas ist, und nicht jeder arabische Bewohner von Samaria (so wird in Israel nach wie vor versucht eine palästinensische Nation zu leugnen) ist ein aktives Mitglied der Fatah welche Terroristen bezahlt damit sie jüdische Kinder töten.
Dennoch, ein Feind ist ein Feind, und der einzige Weg diesen Krieg zu gewinnen ist den Feind zu zerstören, ohne übertriebene Rücksicht darauf zu nehmen wer ein Soldat und wer ein Zivilist ist. In Dresden, in Berlin, in Nagasaki und in Hiroshima haben Amerikaner und ihre Alliierten die vom Feind kontrollierten Städte massiv bombardiert und hunderttausende feindliche Zivilisten getötet und die feindliche politische Führung dazu gebracht, sich zu ergeben. Der einzige Weg einen Krieg zu gewinnen ist hart, sehr hart zuzuschlagen und die internationale Verurteilung zu ignorieren. ...
Wir Juden werden unsere Bomben immer primär auf militärische Ziele richten, aber es gibt überhaupt keinen Grund sich schuldig zu fühlen wenn "der Alltag von ihnen gestört wird", und feindliche Zivilisten getötet oder verwundet werden. ...
Zerstöre den Feind. Die Zeit zu handeln und entschieden zu handeln ist jetzt."

Noam Perel, Generalsekretär von Bnei Akiva, der grössten religiösen-zionistischen Jugendorganisation der Welt, forderte ebenfalls Rache. "Eine ganze Nation und tausende Jahre von Geschichte fordern Rache" schrieb er auf seiner Facebook Seite. "Diese Schande wird mit dem Blut des Feindes bezahlt, nicht mit unseren Tränen", hiess es dazu weiter. Doch auch diese Meldung wurde in der Zwischenzeit von Facebook gelöscht.


In Jerusalem trieb ein wütender Mob durch die "heiligen" Gassen und schrie "Tod den Arabern" und "wir wollen Rache".


In den israelischen Medien wurde dieser Mob mit diversen Aktionen aus den 1930er Jahren in Nazi-Deutschland verglichen, als Nazibanden auf der Jagd nach Juden die Strassen unsicher machten. 



Der Aufruf nach Rache wurde schliesslich begierig von israelischen Siedlern aufgenommen, die den 16-jährigen Muhammad Hussein Abu Khdeir entführt, ermordet und schliesslich verbrannt haben. 
Und die Reaktion von vielen Israelis dazu auf Facebook? Zustimmung.


Man muss dabei die Reaktion der Familien der drei israelischen getöteten Jugendlichen in Ehren halten, die diesen grausamen Mord aus Rache verurteilen und sogar Ministerpräsident Binyamin Netanyahu beschuldigen, den Tod ihrer geliebten Söhne für seine Zwecke ausgenutzt zu haben.