Freitag, 21. Dezember 2012

Warum Iran für gewisse Kreise als Feind nützlicher ist als Freund

Wie einfach könnte es doch sein, die Welt ein bisschen sicherer zu machen. Wir alle müssten heute keine Angst davor haben, wie die Welt wohl Übermorgen aussehen würde, wenn sich Morgen US-Präsident Obama mit seinem iranischen Amtskollegen treffen und einfach mal eine offene und ehrliche Diskussion führen würde. Blickt man dann noch 34 Jahre in die Vergangenheit, als es eine schon fast unglaubliche Zeit gab, als der Iran der wichtigste Alliierte der Vereinigten Staaten im Mittleren Osten war (damit meine ich das gesamte Gebiet von der Levante bis zum Persischen Golf, wie das Middle East welches sich im englischsprachigen Raum durchgesetzt hat), erscheint die heutige Situation doch äusserst bizarr.

Was ist passiert, dass es heute sogar Absichten gibt dem Präsidenten einen gesetzlichen Maulkorb zu verpassen welcher es ihm verbieten würde genau diesen dringend benötigten Dialog zu führen? Eine von der pro-Israel Lobby AIPAC (die sich im Übrigen selbst so bezeichnet) verfasste Resolution sah vor, es per Gesetz jeglichem Offiziellen der US-Regierung zu verbieten, einen Kontakt zur iranischen Regierung zu pflegen, selbst dem Präsidenten und dem Aussenministerium. Es ist auch die gleiche Lobby die dafür kämpft und sich später dann selbst applaudiert, wenn ihre Hetzkampagnen vom US-Kongress angenommen werden und es zur offiziellen Politik der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wird!

Durch solche und weitere gesetzlichen Massnahmen, die aber von einem anderen Staat bzw. deren Lobby den Amerikanern aufgezwängt werden, manövriert sich das mächtigste Land der Welt selbst ins Abseits. Wer sagt denn das die Interessen eines Drittlandes, wie beispielsweise Israel, deckungsgleich sind mit jenen der USA? Auch wenn es die AIPAC Lobby gerne so darstellt, bleibt es dennoch ein Ding der Unmöglichkeit. Aber die Lobby verhält sich genau so und versucht, ihren Willen dem amerikanischen Volk aufzusetzen. Und das mit sehr grossem Erfolg wie es keine vergleichbaren Beispiele in der Welt belegen.
Das bedeutet wenn Präsident Obama eines Morgens den Drang verspürt, seinen Kollegen in Teheran anzurufen um nach über 30 Jahren ein Gespräch auf höchster Ebene zu führen, dann darf er das nicht weil Israel das nicht möchte. Sollte Obama trotzdem den Hörer in der Hand halten und sowas sagen wie zum Beispiel: "Mr. President, lassen sie uns diese Mauer des Schweigens niederreissen und fangen an, konstruktive Gespräche zu halten und als Geste des guten Willens lockern wir die ohnehin illegalen Sanktionen gegen Ihr Land auf", selbst dann würde sich der amerikanische Präsident strafbar machen. Denn gemäss dem "Comprehensive Iran Sanctions, Accountability and Divestment Act of 2010" können die Sanktionen nur dann aufgehoben werden, wenn der Präsident innerhalb von 30 Tagen den Nachweis erbringen kann, dass a) der Iran aufgehört hat, Akte des internationalen Terrorismus zu unterstützen, und b) der Iran aufgehört hat nach Nuklearen, Biologischen oder Chemischen Waffen zu streben, erwerben oder zu entwickeln.
Oder etwas anders formuliert: wenn es die iranische Regierung in ihrer Form nicht mehr gibt und die neue Regierung genau das tut, was Washington gerne hätte.

Dabei könnte eigentlich genau der Iran DIE Schlüsselrolle zur Lösung einiger Probleme einnehmen. Mit den enormen Vorkommen an Erdöl und Gas, der geo-strategisch wichtigen Lage des Landes, könnte ein Grossteil der Welt profitieren. Würden die Sanktionen gegen den Iran eingestellt werden, könnte der Energiesektor modernisiert und weiter ausgebaut werden, könnten die Länder Zentralasiens an die grossen Transportrouten nach Westen angeschlossen werden und ihre teilweise grossen Ressourcen zu günstigeren Kosten anbieten. Diese Massnahmen kämen nicht nur der iranischen Bevölkerung zugute, sondern auch den Menschen in den Zentralasiatischen Ländern. Aufgrund der zusätzlichen Menge an Erdöl und Gas, würden die Energiepreise deutlich fallen und zu mehr Stabilität in Europa, aber auch in den USA führen. Die Bedrohung einer Blockade der Ölader im Persischen Golf, der Strasse von Hormuz, wäre nicht mehr vorhanden und würde sich ebenfalls positiv an unseren Tankstellen bemerkbar machen. Die Billionen die die USA für ihr Verteidigungsetat ausgeben, könnten in die total veraltete und überholte Infrastruktur des Landes gesteckt werden um Amerika wieder zu einem Vorzeigestaat zu machen. Schulen könnten damit renoviert und Lehrer anständig bezahlt werden um der immer schlechter werdenden Allgemeinausbildung entgegen zu wirken. Ganz zu schweigen von der immer grösser werdenden Armut im Land.
Angesichts dieser Tatsachen sollte man also eigentlich annehmen, dass es im nationalen Interesse der USA liegen würde, endlich einen anderen Kurs im Umgang mit dem Iran einzuschlagen. Obwohl es einige Personen auf Mittlerer Ebene im Weissen Haus gibt die tatsächlich diese Misstände ändern würden, sind sie doch absolut in der Minderheit.

Nicht nur dass solche Amerikaner mit einem nationalen Verantwortungsbewusstsein in der Minderheit sind, es gibt äusserst mächtige Institutionen denen eine Änderung der amerikanischen Iran-Politik Angst und Schrecken einjagt. Dazu gehören der Militärisch-Industrielle-Komplex (MIK), die "saudische Fraktion" (denn von der Ölindustrie kann man nicht sprechen da diese Firmen nur auf den Tag warten dass sie wieder im Iran Fuss fassen können) und die nahezu übermächtige Israel-Lobby und deren jüdische wie christliche Zionisten. Betrachtet man nun nüchtern die Aufteilung dieser verschiedenen Interessengruppen, stellt man fest, dass sie über überproportionalen Einfluss in der Machtelite der Vereinigten Staaten verfügen.

-Der Kongress, dessen Aufgabe es eigentlich ist die Interessen der amerikanischen Wählerinnen und Wähler zu vertreten und sie genau vor jenem Machtmissbrauch des Weissen Hauses zu verteidigen welcher aktuell vorherrscht, steht nahezu unter kompletter Kontrolle der pro-Israel Lobby. Die grösste Organisation dieser Lobby, AIPAC, finanziert die Wahlkampagnen für angehende Senatoren und Kongressabgeordnete, welche vorher auf Herz und Nieren überprüft wurden und als "sicher" in Bezug auf Israel eingestuft wurden. Jährlich lässt AIPAC zahlreiche Kongressabgeordnete nach Jerusalem einfliegen um dort auf Konferenzen teilzunehmen und Kontakte zur israelischen Regierung knüpfen. Seit Jahren gibt es immer wieder Skandale um Mitglieder von AIPAC, die als Spione Israels entlarvt wurden und auf deren Konto sogar über hundert tote CIA-Agenten gehen, wie der Fall von Jonathan Pollard zeigte.

- Der Militärisch-Industrielle-Komplex lebt naturgemäss vom Krieg. Würden die USA in Frieden leben, gäbe es keinen Bedarf mehr an einer exorbitanten Rüstungsindustrie. Davon betroffen wären aber auch Tausende Arbeitsplätze die wegfallen würden, was wiederum dem zuständigen Gouverneur des betroffenen Staates wie auch dessen Abgeordneten auf Capitol Hill für erhebliche Kopfzerbrechen sorgen würde. Es ist aber nicht nur die Rüstungsindustrie die von den Kriegen profitiert. Auch das US Militär, mitsamt den verschiedenen Teilbereichen wie Navy, Air Force, Army, Marines und das immer wichtiger werdende Joint Special Operations Command (also die Sondereinsatzkräfte), brauchen die Kriege um ihre eigenen Interessen umzusetzen. Nebst dem Militär benötigt die auf inzwischen 17 verschiedene Geheimdienstorganisationen gewachsene Branche, mit einem Jahresbudget von 75 Milliarden US-Dollar und zehntausenden von Angestellten, auch eine permanente Krisenphase die das alles rechtfertigen würde.

- Die "Saudi-Fraktion" beinhaltet natürlich hauptsächlich Saudi Arabien, aber auch in gewissen Bereichen die anderen Scheichtümer am Persischen Golf. Sie alle sind massiv in der amerikanischen Wirtschaft investiert, allein Saudi Arabien mit ca. 800 Milliarden US-Dollar (mit Fokus auf Banken, Energie, Rüstung). Man braucht kein Hellseher zu sein um zu erahnen was mit der amerikanischen Wirtschaft passieren würde, wenn ein Grossteil dieses Kapitals aus den USA abgezogen wird. Gleichzeitig überweist das saudische Königreich seit 2001 Millionen von Dollar an Eliteuniversitäten um dort "Zentren für Islam Studien" zu fördern. Allerdings dürfen keine Saudi-kritischen Studien unternommen werden oder negative Implikationen des Wahhabismus. Ganz nebenbei finanziert Saudi Arabien auch 80% der neugebauten Moscheen oder islamischen Zentren in den USA, wo ebenfalls kein liberaler Islam erwartet werden darf der den Gläubigen vermittelt wird.
Da Saudi Arabien und die anderen Scheichtümer alles andere sehen wollen als eine Annäherung der USA an den Iran, halten diese Länder durchaus einige Trümpfe in der Hand um solch einen Schritt zu vereiteln (oder zumindest massiv zu verzögern). Dabei spielt nicht nur der religiöse Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten eine Rolle, sondern primär innenpolitische Probleme. Wie schon weiter oben erwähnt, würde eine Annäherung zwischen den USA und dem Iran zu einer spürbaren Reduktion des Ölpreises führen, was angesichts der Revolten im arabischen Raum für die rigiden Monarchien am Persischen Golf einem Albtraum gleich käme. 2011 liess Riad die Geldhähne öffnen und sprudelte 129 Milliarden US-Dollar in den Binnenmarkt um das unzufriedene Volk bei Laune zu halten. Gegen die schiitische Minderheit in der für die Monarchie wichtigsten Ölregion liess man statt Dollars Panzer auffahren um die Proteste zu unterdrücken. Damit dieser Geldregen aber finanziert werden kann, ist gemäss dem Internationalen Währungsfonds ein Ölpreis zwischen 80-85 USD/Barrell nötig. Das bedeutet also: es liegt im nationalen Interesse der Ölscheichs dass es zu keiner Annäherung der Vereinigten Staaten von Amerika an den Iran kommt, da dieses Ereignis ihr eigenes Überleben gefährden würde!

- Nicht zu unterschätzen sind die Zionisten (Zion ist der alt-biblische Name Jerusalems) jüdischen, aber noch viel wichtiger christlichen Glaubens. Millionen von ihnen (Schätzungen zufolge etwa 35% der US-Bevölkerung) leben in einer streng religiösen Welt in der die Bibel die Quelle des Lebens ist und glauben an das Zweite Kommen Jesu. Dafür aber müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein die in den Prophezeiungen der Bibel beschrieben sind. Die Juden und Israel/Palästina spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit der Errichtung von Israel sehen diese Zionisten eine der wichtigsten Voraussetzungen erfüllt. Am liebsten würden sie es aber auch sehen, wenn Israel offiziell die West Bank, Gaza und die Golan Höhen annektiert und die Palästinenser des Landes verweist. Sämtliche Gefahren für Israel gilt es also auch auszumerzen. Und der Iran spielt in dieser Hinsicht diese Rolle die von der israelischen Regierung perfekt inszeniert wird: alt ultimative Gefahr für Zion! Für diese christlichen Fundamentalisten spielen Beweise oder Fakten überhaupt keine Rolle. Wenn Binyamin Netanyahu immer wieder sagt dass der Iran eine Bedrohung für Israel darstellt, dann ist das so! Eine Annäherung der USA an den Iran, käme in den Augen dieser Menschen einem Verrat an Gott und die Bibel gleich.

Sollte sich irgendwann einmal ein US-Präsident entscheiden das zu tun, was eigentlich im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten ist, muss er zuerst wieder Herr im eigenen Haus werden und den verschiedenen Interessengruppen im Lande die Stirn bieten und ihnen ihre Grenzen aufzeigen.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Generation Shahid

Obwohl in den letzten Jahren die Mauer des eisernen Schweigens im Umgang mit Israel und deren Verbrechen Risse erhalten hat, wird eine Gruppe leider viel zu oft aus der Berichterstattung einfach ausgelassen: die Kinder.

In jedem Krieg sind es die Kinder, die ihr Leben lang mit diesen Erfahrungen von Tod und Gewalt zu kämpfen haben und die Geister aus dieser Welt ihre kleinen Köpfen nie wieder verlassen werden. Natürlich betrifft dieses Drama immer Kinder auf beiden Seiten des Konfliktes. Auf beiden Seiten sind es Mütter und Väter die, wenn sie nicht gerade von Sirenen oder dem Lärm des Gefechts geweckt werden, trotzdem schlaflose Nächte verbringen weil ihre Kinder genau diesen Albtraum Nacht für Nacht durchleben.

Dieser Bericht befasst sich aber mit den Kindern in Gaza, jenem Küstenstreifen Palästina`s welcher sich zum grössten Gefängnis der Welt unter der Belagerung Israels entwickelt hat (siehe auch diesen Post). Das soll auf gar keinen Fall das Trauma von Kindern in Israel beschwichtigen oder in Abrede stellen. Dennoch muss man fair bleiben und anerkennen, dass die Kinder in Gaza (vielfach aber auch in der West Bank) unter ganz anderen Umständen ihre Umwelt kennenlernen als ihre Altersgenossen in Israel. In diesem Punkt liegen ganze Welten dazwischen, obwohl diese Kinder teilweise nur ein paar Kilometer voneinander trennen.



Während Kinder irgendwo in Tel Aviv einem geregelten Alltag entgegen sehen können, Kindergärten und Schulen, Freunde und Verwandte irgendwo im Land besuchen, und abhängig davon welchen Stellenwert die Religion in einer Familie ausmacht, auch die wichtigste Stätte des Judentums in Jerusalem besuchen können, bleibt das den allermeisten Kindern in Gaza verwehrt.
Und was am Allerwichtigsten für diese Kinder ist, was am Allerwichtigsten für ALLE Kinder dieser Welt ist, sie können sich darauf verlassen dass, wenn sie Abends nach Hause kommen, ihre kleine Welt in Ordnung ist.
Dieses elementare Gefühl der Sicherheit, welches dafür sorgt dass aus uns Menschen eine selbstsichere und verantwortungsbewusste Person wird, wurde den Kindern von Gaza, durch die Aktionen der israelischen Armee auf Anordnung der Regierung, genommen.

Diese Kinder haben in den vergangenen Jahren nichts anderes gesehen oder erlebt als Angst. Angst davor, dass ein Familienmitglied nicht mehr mit am Tisch sitzt oder dass das ganze Haus nicht mehr da ist, weil es als kollektive Strafe der Israelis in die Luft gesprengt wurde. Angst vor schreienden IDF-Soldaten die ihre Mütter, aber hauptsächlich Väter und Brüder vor allen Augen hin und her schubsen und sie erniedrigen. Angst vor jeglichen Geräuschen die aus der Luft kommen. Zu oft haben die Kinder lernen müssen, dass aus der Luft der Tod die Menschen heimsucht wenn Kampfflugzeuge, Helikopter oder Drohnen ihre Raketen und Bomben abwerfen. In Gaza spricht man nicht von einem "Post-traumatischen Syndrom" sondern von einem fortwährenden Trauma. Aber auch die Angst vor Krankheiten, die immer häufiger auftreten aufgrund von verunreinigtem Trinkwasser und stinkendem Abwasser.  Wenn die Kinder ein bisschen grösser werden und mehr verstehen können, erkennen sie die Angst in den Augen ihrer Familien und Freunden, und dass die Ruhe und Geborgenheit, die sie kannten als sie kleiner waren, nur eine schmerzhafte Fassade war um sie vor genau diesem Augenblick zu bewahren.



Nebst diesen Ängsten müssen die Kinder eine äusserst schlechte Ernährungsweise in Kauf nehmen, um überhaupt etwas im Magen zu haben. Obwohl Gaza noch in den 1990er Jahren zu den grössten Produzenten von Olivenöl und Fisch der Region gehörte, und es auch ansonsten an nichts fehlte verglichen mit heute, leiden heute die Menschen Hunger und Durst. Nur 10% der Kinder in Gaza haben täglichen Zugang zu Wasser, von abwechslungsreicher und gesunder Nahrung ganz zu Schweigen. Zyniker, insbesondere aus den USA, verweisen bei diesem Thema sehr gerne auf die vollen und reichhaltigen Gemüse- und Obststände in Gaza. Dieses Bild stimmt nur zur Hälfte, denn diese Nahrungsmittel werden aus Israel importiert und zu deutlich höheren Preisen als in Israel verkauft. Und das kann sich in Gaza so gut wie niemand leisten. Diesen Kreislauf versuchen Hilfsorganisationen zu durchbrechen, indem sie den Menschen neue Methoden des Gemüseanbaus beibringen, die gänzlich ohne zusätzlichen landwirtschaftlichen Boden auskommen, indem sie ihre Gemüsebeete beispielsweise auf den Dächern der Häuser pflanzen können.

Obwohl dringend notwendig, sind solche kleinen Erfolge nur Tropfen auf heissem Stein. Weitere gesundheitsgefährdende Probleme bleiben bestehen. Medikamentemangel, zerstörte Infrastruktur, fehlende medizinische Geräte und Hygieneprobleme bedrohen die Gesundheit der Kinder. Sie spielen in Gebäuderuinen wo immer wieder Blindgänger explodieren und Freunde verstümmeln, sie spielen an Erdlöchern die gefüllt sind mit verseuchtem Abwasser, baden manchmal darin. Dabei infizieren sie sich mit allen möglichen Erregern die nur sehr schlecht behandelt werden können.

Kommt dann irgendwann mal die Frage nach der eigenen Zukunft auf, wird die ganze Angelegenheit noch trostloser. Es gibt nicht genügend Arbeit, die Bewegungsfreiheit ist massiv eingeschränkt (abgesehen von jenen die durch die zahlreichen Tunnel nach Ägypten Ware und frei erhältliche Medikamente schmuggeln und dabei ihr Leben riskieren).
Fragt man diese jungen Männer dann nach der Ursache der Misere, kommt wie auf Kommando die Antwort "Israel"! Wer kann es ihnen auch verübeln wenn diese jungen Menschen ausser Angst, Wut, Erniedrigung nur noch Stolz und Ehre als Gefühlsausdrücke kennen? Und genau hier hat die Theorie der Israelis versagt. Die Absicht die Menschen leiden zu lassen hat zu den erwünschten Ergebnissen geführt (Demoralisation), aber nicht im Hinblick auf die eigene Sicherheit des Staates Israel.
 Mit solchen Methoden werden keine zukünftigen Politiker heranwachsen die sich dem Diktat Israels bedingungslos beugen werden, im Gegenteil, die Basis des Widerstandes wird dadurch nur weiter zementiert.
Die verschiedenen islamistischen Fraktionen im Gaza Streifen haben mit dem Ergebnis der israelischen Blockade auf jeden Fall keine Probleme an neue Mitglieder heranzukommen. Und einige von ihnen werden zu jenen shahid (Märtyrer) ausgebildet, die Israel mit genau dieser Blockade und anderen Schikanen aufzuhalten versucht und sämtliche männliche Personen als potentielle Terroristen betrachtet.



Würde aber die Blockade aufgehoben, den Menschen und insbesondere den Kindern jene Rechte zugesprochen die überall auf der Welt ihre Gültigkeit haben (oder haben sollten), dann hätte Israel zumindest den Ball wieder auf die Seite der politischen Vertretung Gaza`s, der Hamas, gespielt. Immerhin hat auch Israel die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und müsste sich an diese Vorgaben halten. Unter Artikel 6 heisst es: "Die unterzeichnenden Staaten erkennen an, dass jedes Kind das angeborene Recht zu Leben hat, ... sie gewährleisten in grösstmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes."

Oder aber wir irren uns alle, und Israel hat mit dieser Theorie doch ihre Ziele erreicht. Das würde aber bedeuten dass gar kein Interesse an einer Lösung besteht, ganz zu schweigen von einer Zwei-Staaten-Lösung. Im Gegenteil, mit einer Heranzüchtung von einer ganzen Generation von Menschen die dem Staat Israel nicht freundlich gesinnt ist, schaffen sich die Vertreter des Expansions-Zionismus unter der Führung von Binyamin Netanyahu genau jenes Bild des bösen Arabers, welches sie seit der Gründung Israels 1948 aufrecht erhalten und tatsächlich immer mehr Israelis an diesem Bild festhalten.

Freitag, 14. Dezember 2012

Saudi Arabien Teil 2

In den Jahren als die Al Saud an der Küste des Persischen Golfes versucht haben die kleinen Emirate zum Wahhabismus zu bekehren und natürlich auch nach Möglichkeit das ganze Territorium zu erobern, stiessen sie auf eine neue, aufgehende Macht in den warmen Gewässern des Golfes: die Briten.
Das Königreich Grossbritannien war darauf bestrebt, die Nachschublinien ihrer Kolonien von Indien bis Mesopotamien zu sichern und bildete dafür an beiden Seiten des Persischen Golfes eigene Stützpunkte. Dafür benötigte es aber die Einwilligung, und bei Bedarf militärische "Überzeugung", der lokalen Emire und auf der iranischen Seite des Shah`s. Nahezu über das gesamte 19. Jahrhundert waren die Briten bemüht, mit Friedensverträgen die 1820 ihren Anfang nahmen, die Gewässer einigermassen sicher vor Überfällen auf die Frachtschiffe zu halten. 
Die Emire hatten aber nicht mit den Briten zu kämpfen, sondern auch mit Gefahren wie den Al Saud`s. Unter der Führung von Faisal versuchten sie Bahrain und Qatar unter die Kontrolle zu bringen, wobei Bahrain das vorrangige Ziel der beiden Emirate war. In Qatar herrschte der Bruder des Emirs von Bahrain, Scheich Muhammad bin Khalifa al-Khalifa, den Faisal mit Unterstützung von loyalen Wahhabiten von der kleinen Insel verjagt hatte. Zusammen brachen sie auf um das Gleiche in Bahrain zu erreichen, doch dem dortigen Emir Muhammad kamen britische Kriegsschiffe zu Hilfe und setzten dem Angriffstrupp der Wahhabiten sehr zu. Wohl oder übel musste Faisal die Situation an der Küste akzeptieren wie sie war: uneinnehmbar für die Al Saud`s durch die Hilfe welche die Emire durch die britische Krone erhielten.
Gleichzeitig gedemütigt und voller Hass kehrten Faisal und seine Getreuen der Küste den Rücken zu und entschlossen sich, in das Kernland der eigentlichen Wahhabi-Bastion, dem Najd, zurück zu kehren. Aber auch dort haben sich die Verhältnisse während der Abwesenheit der wichtigsten Vertretern der Al Saud`s geändert. Diesen Umbruch bemerkte auch ein Engländer der Arabien bereiste, Charles M. Doughty, als er das Einflussgebiet der Al Sauds beschrieb: „Die Stadt Riad mit ihren Vorstädten, und die nächsten Dörfer im Umkreis, ist alles was noch von der Wahhabi Dominanz übrig geblieben ist; welches eine kleine und schwache Gemeinschaft geworden ist. Ibn Saud`s Diener verlassen ihn und heuern bei Ibn Rashid an. Keine Beduinen gehorchen jetzt mehr dem Wahhabi. Sie sind alle glücklich das die Tage der Wahhabi Tyrannei vorbei sind.“

Der Al Rashid Stamm aus der Provinz Jabal Shammar galt unter den Beduinen Arabiens als der höchstangesehenste und einflussreichste Stamm. Seine Krieger waren bereits in vor-islamischer Zeit legendär, die berühmten und wunderschönen Araberpferde stammen aus dieser Region und sogar in der Poesie spielte der Stamm eine prominente Rolle.
Die Al Rashid`s hegten jedoch nie sonderlich grosses Interesse ihren Wirkungsgrad grossartig auszudehnen, bis Talal ibn Abdullah al Rashid 1847 zum Anführer des Stammes wurde. Talal vergrösserte seinen Herrschaftsanspruch im Najd in alle Himmelsrichtungen und stiess zwangsläufig mit den Al Sauds zusammen. Obwohl auch TalalWahhabiten taten. Ganz im Gegenteil, unter seiner Führung blühten die Gemeinschaften der Schiiten und Juden in Hail, der „Hauptstadt“ der Al Raschid. Zwar mussten sie deutlich höhere Steuern bezahlen als die muslimischen Nachbarn, konnten aber dennoch ohne Gefahr ihrem Glauben nachgehen was unter der Herrschaft der Wahhabiten überhaupt nicht denkbar gewesen wäre.
So kam es wie es kommen musste. Der Al Rashid Clan überrante Riad 1891, die Hochburg der Al Saud`s und tötete oder vertrieb die Familie. Doch die Wahhabi-Lehre überlebte das Exil der Al Saud`s, welche sich auf den Weg nach Kuwait machten. Dort wähnten sie sich unter der Obhut des Emirs Muhammad al-Sabah in Sicherheit vor den Al Rashid`s, da sich der Emir unter dem Schutz der britischen Krone befand.

Die Gründung des modernen Königreiches Saudi Arabien
In Kuwait entwickelte sich der elfjährige Junge Abdul Aziz bin Abdul Rahman Al Saud zum Liebling des Bruders des Emirs, Mubarak al-Sabah.
Die Bewunderung für Mubarak wuchs noch mehr als dieser sich 1896 durch Morde an seinen Brüdern an die Spitze des Scheichtums brachte. Wie eng die Freundschaft tatsächlich war lässt sich daran erkennen das der neue Emir den jungen Ibn Saud als Sohn bezeichnete und dieser ihn als Vater. Neun Jahre nach der Flucht aus Riad sollte der Moment der Wahrheit für beide Familien in Kuwait werden. Mit Unterstützung von osmanisch-türkischen Soldaten starteten Kämpfer der Al Rashids einen Angriff auf Kuwait um sich ein für alle Mal von den Rivalen zu entledigen und aus türkischer Sicht den religiösen Unruhestiftern ebenfalls endgültig das Rückgrat brechen. Sie hätten es niemals für möglich gehalten das die Weltmacht Grossbritannien wegen ein paar exilierten Araber in einem kleinen Scheichtum ihre Flotte bemühen würde um sie vor anderen Arabern zu beschützen.  Doch die Engländer standen zu ihren Vertraglich vereinbarten Pflichten und eilten der Al-Sabah Familie zu Hilfe. Mit donnernden Kanonen bombten sie die Angreifer zurück in die Wüste und sicherten mit ihrem Eingreifen das Überleben zweier Dynastien die sie noch Jahre und Jahrzehnte später beschäftigen würden.

Durch diesen Angriff der Al Rashids entschied sich Ibn Saud die Initiative zu ergreifen und selbst für neue Tatsachen auf der Arabischen Halbinsel zu sorgen. Er bat den Emir von Kuwait, Sheikh Mubarak Al-Sabah, um Hilfe für seine Mission, Riad wieder zu Ehren der angestammten Familie zu erobern. Lange musste Ibn Saud nicht bitten, Mubarak entsprach seiner Bitte mit dreissig Kamelen und Kanonen. Mit dieser schlagkräftigen Unterstützung und vierzig loyalen Wahhabiten zog Ibn Saud in Richtung Riad wo der von Al Rashid eingesetzte Gouverneur  Ajlan regierte. Heimliche Hilfe erhielten sie ausgerechnet von Ajlans Frau die zum Stamm der Al Sauds gehörte. Sie liess die Truppe in ihr Haus rein wo sie warteten bis ihr Ehemann von seinem Morgengebet zurückkehrte. Als dieser die Eindringlinge in seinem Haus bemerkte rannte er davon und versuchte sich hinter die Stadtmauern von Riad zu retten. Doch es war zu spät, ein Begleiter von Ibn Saud erwischte ihn am Bein so dass Ajlan stürzte. Sofort war Ibn Saud zur Stelle, köpfte Ajlan mit seinem Säbel und warf den Kopf in Richtung der Menschenmenge welche sich am Ort des Geschehens versammelte und schrie dabei: „Wer ist jetzt an meiner Seite – WER? Euer eigener Emir ist wieder zurück unter euch!“
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde in den Gassen Riads dass der Gouverneur vom angestammten Emir getötet wurde und die Stadt wieder für sich beansprucht. Zwar war es unter der Führung der Al Rashid etwas freier zugegangen, doch es gab auch während der Herrschaft der Al Saud und deren Wahhabiten keine unüberbrückbare Differenzen die nun einer erneuten Herrschaft unter Ibn Saud im Wege gestanden hätte. Die Bevölkerung von Riad hiess ihn Willkommen.
Der nächste Schritt galt dem Erzrivalen um die Vorherrschaft im Najd, dem Al Rashid Clan. Im April 1906 lockte Ibn Saud seinen Widersacher in einer Oase bei Buraidah in eine Falle und tötete ihn. Ibn Saud entschloss sich nach diesem Sieg gegen seinen Hauptrivalen nicht einfach nach Riad zurückzukehren und der Dinge harren, sondern ging mit grossem Eifer und auch Erfolg daran das Herrschaftsgebiet des Hauses Al Saud zu erweitern. Umgeben von einer Aura der Stärke und Macht, und im Schlepptau eine Horde von Kriegern, unterdrückte Ibn Saud in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine Provinz nach der anderen. Diese Entwicklung wurde mit grösster Sorge im Hijaz, im Sultanat Oman, im Yemen und an der Persischen Golfküste beobachtet. Auch Sheikh Mubarak Al-Sabah, der Emir von Kuwait und einstiger Beschützer von Ibn Saud, wurde immer unwohler bei dem Gedanke, dass sein ehemaliger Schützling die Jahrhunderte alte Balance auf der Arabischen Halbinsel ins Wanken bringen würde.
 
Der neue starke Mann im Najd ritt 1910 nach Kuwait, um sich dort mit dem britischen Politischen Agenten, Capt. William Shakespeare, zu treffen und einen Disput mit dem kuwaitischen Emir Mubarak zu schlichten. Capt. Shakespeare war der allererste Mensch aus dem Westen, den Ibn Saud jemals gesehen hat. Und was noch viel bemerkenswerter war, sie freundeten sich sofort miteinander an. Wahrscheinlich rührt von dieser Bekanntschaft mit dem britischen Offizier die relative freundliche Gesinnung Ibn Sauds gegenüber den Christen, was den wahhabitischen ulama ein grosser Dorn im Auge war. Für Ibn Saud waren die Muslime, die nicht den Wahhabismus annehmen wollten ein grösseres Übel als die Christen, weil die letzteren wenigstens ihrer Religion und der Bibel treu blieben. Dazu äusserte sich Ibn Saud gegenüber Shakespeare: "Wir Wahhabiten hassen die Türken nur ein bisschen weniger als die Perser, weil sie ungläubige Praktiken in den wahren und puren Glauben gebracht haben welcher uns aus dem Koran mitgeteilt wurde.“
Es war eben dieser britische Agent der Ibn Saud bei seinem Besuch im Najd ermunterte, dass „die Zeit reif ist das sich der Najd von der osmanischen Oberhoheit entledigt und deren Truppen aus al-Hasa vertreibt“. Ibn Saud entschied sich diese Situation für sich auszunutzen, zumal er bereits eine Verbindung zu den Händlern hergestellt und sich der Unterstützung der Bevölkerung von al-Hasa sicher war, und zog mit dreihundert seiner besten Krieger am 04. Mai 1913 nach Hofuf, der grössten Stadt der Provinz mit ihrem imposanten Fort. Und wieder überraschte er im Schutze der Dunkelheit die türkischen Soldaten die sich ohne grosse Gegenwehr den Angreifern übergaben. Zu diesem Zeitpunkt hätte niemand wissen können das mit diesem Erfolg in al-Hasa und der Eingliederung des Territoriums unter das Herrschaftsgebiet Ibn Sauds, dass es ausgerechnet diese Provinz sein würde die den finanziellen Grundstock für das künftige Saudi Arabien bilden würde.


Najd vs. Hijaz oder Ibn Saud vs. Sharif Hussain von Mekka
Durch die Freundschaft Ibn Saud`s zu Capt. William Shakespeare entwickelte der Wüstenkönig eine gewisse Bewunderung für die Engländer. Natürlich erkannte er auch den Vorteil, die damalige Supermacht besser zum Freund als zum Feind zu haben. Am 26. Dezember 1915 wurde das erste Abkommen zwischen dem britischen Pro-Konsul aus dem iranischen Busher und Ibn Saud unterzeichnet wurde. Ibn Saud wurde als Sultan des Najd, al-Hasa, Jubail und al-Qatif anerkannt und im Gegenzug würde er die Interessen der englischen Krone wahren und die Scheichtümer an der Küste nicht angreifen. Als gemeinsames Interesse wurde die Vertreibung der Türken von der Arabischen Halbinsel vereinbart.
Im Hijaz dagegen blickte der seit 1908 eingesetzte Sharif Hussain mit Sorge auf diese Entwicklung zwischen den Wahhabiten und den Briten. Denn in Mekka planten er und seine Söhne ebenfalls einen Aufstand gegen die im fernen Konstantinopel an die Macht gekommenen „Jungen Türken“ und deren Politik. Auch ihnen schwebte ein territoriales Gebilde, sowas wie ein "Vereintes Arabien" vor, in welchem sämtliche Stämme unter Führung eines Königs unabhängig von den Türken leben würden. Zustimmung erhielt Sharif Hussein von den Stämmen des Hijaz und auch teilweise aus dem Najd, aber Ibn Saud und Imam Yahya aus dem Jemen blockierten dieses Vorhaben vehement.
Der britische Politische Agent für den Persischen Golf, Sir Percy Cox, hielt aber zu Ibn Saud und erachtete ihn als äusserst nützliches Instrument für die englische Krone, in den Wirren des ersten Weltkrieges die eigenen Interessen im Nahen Osten zu wahren. Viel nützlicher jedenfalls als den Sharifen von Mekka welcher aber vom Kriegskabinett in London favorisiert wurde. Fakt ist aber dass die Briten und die Araber, unabhängig davon unter welcher Führung, in den Türken einen gemeinsamen Feind sahen obwohl die Gründe davor nicht unterschiedlicher hätten sein können. Für die Araber stellten die Türken eine fremde Macht dar die sie seit Jahrhunderten unterdrückten und von deren Fesseln sie sich entledigen wollten. Für Grossbritannien wurden die Türken erst dann zum Feind als sie sich nach längerem Zaudern auf die Seite Deutschlands schlugen und der Sultan, der auch gleichzeitig der Kalif war, also Stellvertreter Gottes auf Erden, einen Jihad gegen die Ungläubigen ausrief. Für Grossbritannien bedeutete das ein enormes Risiko da das Königreich über eine unglaublich hohe Zahl von Muslimen in ihren Kolonien herrschte. Wenn die Menschen in Ägypten, Sudan und dem Indischen Subkontinent dem Aufruf aus Konstantinopel folgen würden, hätte das katastrophale Auswirkungen auf Grossbritannien gehabt. Dieses Risiko galt es also unter allen Umständen einzudämmen.

Der neue britische Hochkomissar für den Nahen Osten in Kairo, Sir Arthur Henry McMahon, bevorzugte ebenfalls eine Allianz zwischen London und Sharif Hussein und liess ihm in einem Brief mitteilen, dass er einem Arabischen Königreich mit Hussein als König befürworten würde. Wie sehr aber Britisch Indien diesen Plan eines Arabischen Königreiches verabscheute zeigte sich in einem Protestbrief vom Vizekönig in Indien Lord Hardinge an das Aussenministerium in London: „Wir waren sehr gestört ob den Zusicherungen die McMahon dem Sharif von Mekka gegeben hat. Ich vertraue darauf dass das Aussenministerium in der Lage sein wird McMahon aus dem Loch heraus zu holen in welches er gefallen ist. Ich hoffe inständig dass dieser vorgeschlagene unabhängige Staat in alle Teile zerfallen wird sollte er jemals gegründet werden. Niemand hätte wahrscheinlich ein Schema entwickeln können das noch nachteiliger für britische Interessen im Nahen Osten gewesen wäre als dieses.“
In der Folge wurden beide Anführer mit Waffen und Geldern ausgestattet um sie bei Laune zu halten und ihren Beitrag im Krieg gegen das Osmanische Reich zu leisten. Als sich der Erste Weltkrieg langsam dem Ende neigte, kam es immer öfters zu offenen Schlachten zwischen Ibn Saud`s Wahhabiten und den Soldaten des Sharifen.

General Allenby, der gefeierte britische Offizier der Jerusalem befreit hat, schrieb am 28.05.1920 an Lord Curzon dass die Zahlungen an beide Protagonisten auf der Arabischen Halbinsel beibehalten werden sollten da sonst das Königreich Hijaz in Anarchie verfallen würde, aufgrund fehlender wirtschaftlichen Zweige. Ausserdem deutete er an, dass sich die Regierung der englischen Krone massive Kritik gefallen lassen müsste weil sie ihren Versprechen nicht nachkommt und diejenigen hintergeht, die für den Sieg der Alliierten mit verantwortlich waren. Die Schatzkammer Grossbritanniens vertrat in dieser Hinsicht eine eher nebulöse Linie, sie verwies darauf dass es problematisch wäre, solche Summen an eine Partei oder Staat zu zahlen ohne dass die genaue völkerrechtliche Situation geklärt ist.
Dass aber die Brüder Faisal und Abdullah den Löwenanteil an der Verwaltung und Umsetzung der britischen Politik in den besetzten Gebieten Syriens (heutiges Syrien und Jordanien) trugen um die Kosten für London so gering wie möglich zu halten, muss diese Haltung der britischen Schatzkammer für König Hussain wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Um nicht den Zorn der gesamten islamischen Welt durch diesen Verrat heraufzubeschwören, musste sich London etwas anderes einfallen lassen. Immerhin gab es ja Versprechen seitens der Briten, obwohl es gravierende Meinungsverschiedenheiten und Interessen zwischen London und Delhi darüber gab, ein arabisches Königreich zu gründen. Mit Abdullah als Emir im britisch kontrollierten Teil Syriens und Faisal als faktische Speerspitze der Arabischen Revolte im Kampf gegen die Türken, gab es gleich zwei Möglichkeiten König Hussain im Hijaz zu beruhigen.

Abdullah wurde davon überzeugt das britische Mandatsgebiet östlich des Jordans zu übernehmen welches für die Briten zu kostspielig wurde und Frankreich aber kein Interesse an diesem Gebiet hatte. Am 2. März 1921 traf Abdullah in Amman ein. Es kann nicht unbedingt behauptet werden dass er mit Fanfaren empfangen wurde, auch er würde die dort herrschende Stammesgebiete aufwirbeln und das Machtvakuum nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches füllen müssen. Aber er hatte die Rückendeckung Grossbritanniens und London war darauf aus das vorsichtig gepflegte Image einer fairen Imperialmacht zu bewahren.
Faisal dagegen wurde von den Engländern als künftiger König in Mesopotamien ins Spiel gebracht, gegen starke Einwände aus Paris und Britisch-Indien. Man machte sich aus Gedanken darüber wie wohl Ibn Saud reagieren würde wenn er erfährt dass zwei seiner Erzfeinde ein Königreich erhalten würden und ihn damit von drei Seiten eingekreist hätten. Im Westen der Hijaz mit König Hussein, im Norden (Nordwest und Nordost) Abdullah und Faisal. In Riad erkannte Ibn Saud dass er den Briten nicht weiter trauen konnte. Zu viel Zeit der Warterei und Beschwichtigungen der verschiedenen Repräsentanten die mit Capt. William Shakespeare seinen Anfang nahmen ist vergangen und nichts Entscheidendes, nichts Entscheidendes für Ibn Saud, ist bis jetzt geschehen. Und anstatt das Ibn Saud das Feld beherrscht ist es nun Hussein und seine Söhne. Die Zeit war gekommen um das Heft an sich zu reissen. Ibn Saud rief zum Angriff im Norden gegen Ibn Rashid in Hail auf und versammelte eine Wahhabiten Armee von Zehntausend zu allem entschlossene Krieger. Im August 1921 führte er sie in das Stammesgebiet der Jabal Shammar und überrannte die Verteidigung von Hail. Ibn Rashid wurde gefangen genommen aber nicht getötet. Ibn Saud wollte eine taktische Verbindung mit seinem Erzfeind eingehen  um die Stammesmitglieder der beiden Todfeinde mundtot zu machen, indem er die Tochter Ibn Rashid`s heiratete (Abdullah bin Abdul Aziz, der Sohn dieser Verbindung, sollte 1982 Kronprinz von Saudi Arabien werden).
Auf allen Seiten zog Ibn Saud seine Kämpfer in den Krieg um sein Erbe als Emir eines grossen Reiches anzutreten. Es sollte nirgendwo sonst mehr mit so wenig Blutvergiessen geschehen wie in Hail. Über 400.000 Menschen fanden dabei den Tod da die Wahhabiten nichts von gefangenen mushrikun hielten beziehungsweise sie nicht für lebenswert hielten. Weit über eine Million Menschen flohen vor den berittenen Schergen in die Nachbarländer wie Irak, Kuwait oder auch Transjordanien.

Als in Konstantinopel 1924 das Kalifat abgeschafft wurde, überschlugen sich in Arabien die Ereignisse. König Hussein proklamierte sich selbst zum neuen Kalifen. Für Ibn Saud bedeudete diese "Selbstkrönung" die allerletzte Provokation des Königs und er setzte im August 1924 zum Sturm auf den Hijaz an. Wieder sollte es die Sommerresidenz Taif als Erstes treffen. Wieder kam es zu einem Massaker an der Bevölkerung.
Der neue Sharif, Awn bin Hashim, der sich zu dieser Zeit ebenfalls in Taif aufhielt berichtete von diesem Sturm auf seine Stadt: „Die Strasse vor mir war voll gepflastert mit Leichen, getrocknetes Blut war überall zu sehen. Es gab fast keinen Baum am welchen nicht ein bis zwei tote Körper an der Baumwurzel zu sehen waren.“ Bei dem Angriff auf Taif zeigte Ibn Saud grosse strategische Weitsicht, denn das Massaker dort führte nicht er an, sondern dreitausend seiner Ikhwan Krieger. Hätte es eine starke Gegenreaktion der Briten gegeben, hätte er seine Hände in Unschuld waschen und auf die Ikhwan verweisen können. Angesichts der Demonstration von blutiger Entschlossenheit Ibn Saud`s und gleichzeitiger Ignoranz der Briten zu diesem Vorfall, erkannte Hussein dass er nicht mehr auf Hilfe von irgendeiner Seite rechnen konnte. Grossbritannien hatte ihren grössten und wichtigsten Unterstützer im ersten Weltkrieg im Kampf gegen die Türken geopfert.

Am 03. Oktober 1924 trat Hussein als König zurück und übergab die Regierungsgeschäfte seinem Sohn Abdullah, dem späteren König Transjordaniens. Aber auch Abdullah konnte nichts gegen die Attacken der Ikhwan und Ibn Saud ausrichten, geschweige denn sie stoppen oder gar zum Rückzug zwingen. Die Ikhwan setzten ihre Spur der Verwüstung unterdessen fort und verwüsteten einen Schrein und eine Moschee nacheinander um jegliche Spur von islamischer Tradition zu vernichten die nicht ihrem eigenen fanatischen Weltbild entsprach. Nur zwei Monate nach dem Rücktritt von Hussein stand Ibn Saud vor den Toren von Mekka und läutete den Untergang des einst so hoffnungsvollen Königreiches von Hussein ein. Im Jahr darauf war es dann soweit: Hussein wurde von den Briten nach Zypern evakuiert und Ibn Saud blieb der unangefochtene Herrscher Zentralarabiens.

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Aufstieg des Wahhabismus Teil 1

Saudi Arabien ist das einzige Land auf dieser Erde welches den Namen der herrschenden Elite als Staatsfirmierung trägt, nämlich den der Al-Saud Familie. Es gibt kein Merkel-Deutschland, kein Hollande-Frankreich, ebensowenig wie ein Borbon-Spanien. Das gab es nicht einmal im ältesten Königreich Europas, Großbritannien, in ihrer ganzen langen Geschichte.
Dass Saudi Arabien so heisst wie es heisst, zeugt von einem deutlichen Signal welches der Begründer dieses Königreiches an die Adresse seiner Feinde setzen wollte. Wie kam es aber dazu, dass ein Stammesführer aus der unwirtlichsten und lebensfeindlichster Gegend der Arabischen Halbinsel, dem Najd, ein solch grosses Königreich ausrufen konnte? Und was hat das alles mit Jordanien zu tun? Die Antworten auf diese Fragen sind auch zum Verständnis für die Umwälzungen in der arabischen Welt von grösster Bedeutung und bringen etwas Licht in ein ansonsten absichtlich dunkel gehaltenes Kapitel dieser enorm wichtigen Gegend.


Historisch betrachtet gab es auf der Arabischen Halbinsel über Jahrhunderte hinweg bloss zwei fortgeschrittene Zivilisationen auf den Gebieten des heutigen Jemen und des Omans. Der Rest der riesigen Fläche der Halbinsel wurde von verschiedenen Beduinenstämmen bewohnt. Erst durch die Ankunft einer neuen Religion, des Islam, gelang die Region des Hijaz (im welchen die Heiligen Städte Mekka und Medina liegen) zu überregionalem Bekanntheitsgrad. Mit der Verbreitung des Islams schufen die Krieger des Propheten Muhammad in kürzester Zeit ein Riesenreich das sich bis nach Europa ausdehnte. Dieses Gebiet welches nur den Islam als einigenden Faktor hatte, wurde Kalifat und deren Herrscher Kalif(en) genannt. Interessanterweise wurden die Hauptstädte der Kalifate nie am Ursprung der Religionsstiftung angesiedelt, sondern waren in fernen Gebieten wie Damaskus, Bagdad und zuletzt Konstantinopel (Istanbul).
Für die Betreuung der Heiligen Stätten von Mekka und Medina setzten die Kalifen sogenannte Sharifen ein, was etwa einem Gouverneur entspricht, aber ausschliesslich aus den Nachfahren des Propheten rekrutiert und ausgebildet wurden.


Die Nachfahren des Propheten Muhammad werden heute nur noch in zwei Kategorien aufteilt: die Sharifen vom Stamme der Banu Hashim (ein Zweig des Hauptstammes der Banu Quraish aus welchem Muhammad stammt) und die Sayyiden aus dem Geschlecht von Hussein ibn Ali, dem Enkel des Propheten und Sohn des Ali, welcher als Begründer des schiitischen Glaubenszweiges des Islams gilt.
Nachdem sich das heutige Schisma zwischen Schiiten und Sunniten bereits in kürzester Zeit nach dem Tod von Muhammad betreffend der Nachfolgeregelung bildete, als die Wahl des Ali (immerhin Vetter und Schwiegersohn des Propheten) nach der Ermordung des Dritten Kalifen Uthman von dessen Zweig der Umayyaden nicht anerkannt wurde, kam es zur Ermordung von Ali und zur Gründung der Umayyaden Dynastie bzw. Kalifats in Damaskus. Seitdem kam für die Betreuung von Mekka und Medina nur noch der Stamm der Banu Hashim, der Hashemiten, in Frage.

Der Einflussbereich der Hashemiten blieb auf das Gebiet des Hijaz beschränkt, da sich im Hinterland der Berge die Mekka schützten nur karges Wüstengebiet befand und die dort ansässigen Beduinenstämme genug mit ihrer Viehzucht zu tun hatten und durch ihre gegenseitigen Blutfehden keine Gefahr für den Sharifen darstellten.
Das alles sollte sich ändern, als im Jahr 1744 in der Oasenstadt Diriya im Najd zwei Männer eine Übereinkunft trafen, welche nicht nur für die Menschen in Diriyah von Bedeutung waren, sondern ihren Schatten über Jahrhunderte bis heute warf und massgeblich viele Ereignisse des 20. und des bisherigen 21. Jahrhunderts beeinflusste. Bei diesen zwei Männern handelte es sich um den Kleriker Muhammad ibn Abdul Wahhab, der sich auf der Flucht vor seinem eigenen Stamm befand, und dem Anführer des Oasenstädtchens von Diriya, Scheich Muhammad ibn Saud.
Ibn Wahhab war ein weitgereister Mann für die damalige Zeit und die Region. Er besuchte das Persische Reich und studierte gar in den Wissenschaftszentren von Isfahan und Qom, lebte für einige Zeit in Basra (im heutigen Irak) welches unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stand. Diese Erfahrungen haben Ibn Wahhab radikalisiert, der in der schiitischen Glaubenslehre eine Götzenanbetung sah und der liberaleren Auslegung des Islams im Osmanischen Reich äusserst kritisch gegenüberstand. Nach seiner Rückkehr in den Najd schrieb Ibn Wahhab sein wichtigstes Werk, das "Kitab at-Tauhid" oder "Buch des Einzigen (Gottes)" welches die Anbetung eines einzigen und einigenden Gottes vorschrieb. In seinem Versuch die Stammesangehörigen von seiner Sichtweise zu überzeugen, ging er sogar soweit und zerstörte einige Gräber der ersten Weggefährten des Propheten Muhammad in Medina, welche sich zu Stätten der Anbetung entwickelt hatten. Diese Tat rechtfertigte Ibn Wahhab damit, dass die Verehrung von toten Menschen von Christen kopiert wurde und somit unislamisch sei. Damit zog sich Ibn Wahhab den Zorn von prominenten Gelehrten aus Medina zu, selbst seine eigene Familie distanzierte sich vor seinen Äusserungen und Taten und verjagten ihn aus seiner Heimatstadt Uyayna.
In Diriya traf er auf einen Mann, der seine Vorstellung teilte und nach Möglichkeiten suchte, seine Machtbasis über Diriya hinaus zu erweitern. Obwohl Blutfehden im Najd zum täglichen Leben gehörten, dienten sie prinzipiell nicht zur Machtausdehnung. Ibn Saud ging sogar einen Schritt weiter indem er die Tochter von Ibn Wahhab zur Frau nahm und somit eine alte Tradition der Beduinen brach, die eine Heirat zwischen verschiedenen Stämmen der Allianz wegen verbot. Nun ausgestattet mit religiöser Legitimität starteten Ibn Saud und Ibn Wahhab den ersten Jihad gegen andere Muslime, die der Lehre Wahhab`s nach als unislamisch galten, oder shirk, um ihnen den einzig wahren Glauben zu bringen. Das war der Grundstein für das erste saudische Emirat von 1744 bis 1786.

Dieser Zusammenschluss revolutionierte auch die Kriegsführung innerhalb des Najd. Plötzlich tauchten fanatische Schwerterschwingende Reiter auf, die den schon berühmt/berüchtigten Ruf "Allahu Akbar!" (Gott ist Gross!) schrien und nicht auf die traditionelle und zu erwartende Blutrache aus waren. Sie wollten dass sich die eroberten Stämme zu ihrem Glauben bekennen und streng nach den Vorschriften des Ibn Wahhab lebten, sowie die im Koran beschriebene zakat (eine Art religiöse Steuer die für die Armen und Bedürftigen gedacht ist) an den neuen Emir leisteten. Diejenigen die sich weigerten wurden als takfir gebrandmarkt, also vom Glauben abgefallene Muslime die keine Daseinsberechtigung mehr dadurch hatten und getötet werden mussten.

Die loyalen Reiter des neuen Emirs und Imams, wie sich Ibn Saud und Ibn Wahhab fortan nannten, wurden nicht nur in dieser neuen Lehre indoktriniert, sie erhielten sogar ein Versprechen welches zu diesen Zeiten absolut unerhört war: den sofortigen Zugang ins Paradies wenn sie im Jihad als Märtyrer starben.
*Genau diese "Innovationen" die aus dem Zusammenschluss von Ibn Wahhab und Ibn Saud entstanden sind, leben heute in Form von Al Qaida und deren Ableger weiter, die mit dieser gefährlichen Ideologie den Jihad missbraucht haben und es in ihrer Sichtweise nicht die geringsten Skrupel gibt, andere Muslime zu töten die nicht ihren Glauben oder Gesetze teilen wollen.*

Was im Hinterland des Najd passierte drang natürlich auch den Menschen im Hijaz und dem Sharifen zu Ohren, jedoch hielten sie es vorerst für eine neue Art der uralten Blutfehden der Beduinen die nur eine lokale Sensation darstellten. Das änderte sich mit der Zeit als die Wahhabiten, wie sie von den Menschen genannt wurden die sich nicht dieser Form des Islams unterwerfen lassen wollten, ihr Territorium immer weiter ausdehnten und schliesslich die Pilgerkarawanen bedrohten die sich auf dem Weg nach Mekka zum jährlichen hajj befanden. Für den Sultan des Osmanischen Reiches stellte dies ein grosses Ärgernis dar. Als Hüter der Heiligen Stätten von Mekka und Medina war er auch für die Sicherheit der Pilger verantwortlich, zumal es sich beim hajj um eine äusserst lukrative Einnahmequelle handelte die nun bedroht wurde.
Damit nicht genug, der neue Emir, Abdul Aziz ibn Saud der seinen Vater beerbt hatte als dieser 1765 starb, versuchte die Doktrin des Ibn Wahhab auch in Mekka und Medina durchzusetzen. Dafür wählte er drei Männer aus die die Gelehrten der Heiligen Städte davon überzeugen sollten, sich dem einzig richtigen Glauben anzuschliessen und die Sünde der Häresie abzulegen. Stattdessen wurden sie aber von den Klerikern belehrt selbst vom Pfad des Propheten abgekommen zu sein und beschuldigten sie des Massenmordes an Muslimen. Wütend kehrten die drei Gesandten zurück zu Abdul Aziz und berichteten ihm über die Entscheidung der Gelehrten. Für den Emir aus Diriya bedeutete dies nur eins: selbst die angeblich weisesten Gelehrten der Heiligen Stätten sind vom Glauben abgefallen und müssen bestraft werden.

Massaker von Taif und Kerbala
Abdul Aziz belagerte Mekka und versuchte die Stadt zu stürmen, doch der Sharif, Ghalib Effendi, konnte die Angreifer in die Flucht schlagen. Allerdings gelang es den Kriegern Saud`s, einige Stämme im Umkreis Mekka`s zum Wahhabismus zu konvertieren was für die weitere Entwicklung von enormer Wichtigkeit war. Sharif Ghalib sendete nämlich über einen Vertauten, Uthman al-Mudayiqi, aus einem dieser Stämme einen Friedensvertrag an Abdul Aziz nach Diriyah. Uthman jedoch, überzeugt von den Worten und Taten der Wahhabiten, dachte gar nicht mehr daran die Interessen des Sharifen weiter zu vertreten und teilte dies Abdul Aziz mit. Der Emir liess eine Antwort verfassen worin er den Friedensvertrag des Sharifen ablehnte und eine weitere Belagerung Mekka`s androhte. Sharif Ghalib blieb keine andere Wahl als den Versuch zu unternehmen, die heranrückenden Wahhabiten aufzuhalten. Es sollte beim Versuch bleiben. Seine Soldaten wurden bezwungen und der Sharif zog sich nach Taif zurück. Taif war die Sommerresidenz des Sharifen von Mekka, ein blühendes Städtchen umringt von einer Festung in den Sarawat-Bergen, welche idealen Schutz vor der mörderischen Hitze des Najd bot.

Von dort aus plante der Sharif die Verteidigung von Mekka, welche er nicht kampflos aufgeben wollte. Zunächst griff er in Malis, einer kleinen Siedlung vor Taif, die dort lauernden Reiter an und zwang sie diese Position aufzugeben. Unterdessen flohen viele Einwohner Taif`s vor dem drohenden Unheil, aber im Gegenzug suchten viele Menschen aus den umliegenden und ungeschützten Dörfern Zuflucht hinter den Mauern der Festung. Abdul Aziz, noch gedemütigt aus der Niederlage von Malis, sinnte nach Rache und schickte einen wegen seiner Kaltblütigkeit berüchtigten Anführer und seine Reiter nach Taif.

Angekommen vor den Toren der Festung fanden sie eine Weisse Flagge vor, auch ein auf der Arabischer Halbinsel bekanntes Symbol der Aufgabe bzw. Niederlage. Doch der von religiösem Eifer erfasste Anführer Salim ibn Shakban, hielt eine Aufgabe für einen Akt der Feigheit und belagerte die Stadt zwölf Tage lang. Als die Menschen in der Festung auf der Suche nach Nahrung unvorsichtig wurden, stürmten die Truppen Ibn Shakban`s die Festung.

Mit unerbittlicher Brutalität wüteten die Wahhabiten innerhalb der Festungsmauern von Taif.  Es ging ihnen hauptsächlich um das Eigentum der Einwohner, als aber ihrer Meinung nach nicht genug geplündert wurde, wurden aus Rache Frauen und Kinder abgeschlachtet. Männer die sich den Forderungen der Wahhabiten ergaben, wurden trotzdem einer nach dem anderen, insgesamt 367, auf einem Hügel vor der Stadt mit dem Schwert geköpft. Damit nicht genug, als Zeichen der absoluten Verachtung und unter Missachtung jeglicher islamischen Tradition, hetzten sie Tiere über die Leichen und liessen diese für zwölf Tage nicht beerdigen. Erst nachdem ein übler, fauliger Geruch über Taif hing, liessen die Wahhabiten die Einwohner ihre Verwandten begraben.

Mit diesem Massaker, verübt von Muslimen an Muslime, setzten die Wahhabiten unter der Führung von Abdul Aziz ein bedrohliches Zeichen an sämtliche Gegner: entweder sie unterwerfen sich oder sie finden alle den Tod.

Mit dieser Botschaft ausgestattet startete Abdul Aziz ibn Muhammad al-Saud seinen Eroberungsfeldzug weiter in Richtung Osten tief ins Mesopotamische Kernland (im heutigen Irak) welches sich ebenfalls unter Osmanischer Herrschaft befand. Mit einer überwältigenden Streitmacht von 12000 Mann griffen sie am 21. April 1802 die den Schiiten Heilige Stadt Kerbela an.


Die dort stationierte osmanische Garnison, deren Aufgabe es eigentlich war die Heiligtümer zu beschützen, ergriff angesichts der heranstürmenden Übermacht die Flucht und überliess die Stadt und deren Einwohner schutzlos den Wahhabiten. Die Entscheidung, ausgerechnet Kerbela anzugreifen kam nicht aus einer einfachen Laune heraus, sondern war das Ergebnis einer tödlichen Weltanschauung. 

Die Schiiten galten ihrer Verehrung für die Imame Ali und Hussein wegen als "lebensunwürdige" Menschen, ihnen wurde das Existenzrecht noch mehr verweigert als den Juden und Christen. Aus dieser Überzeugung heraus war somit Kerbela die einzige pervers-logische Wahl um den Schiiten einen ähnlichen Schrecken einzujagen wie zuvor den Menschen in Taif. Kerbela war der historische Ort wo Hussain, der Sohn des Imams Ali, von den Umayyaden getötet wurde und sein Leichnam in der Imam Hussain Moschee begraben ist.

Abdul Aziz und seine Männer wüteten für acht Stunden in der Stadt. Auf den Dächern der Stadt wurden sie immer wieder von mitgebrachten religiösen Eiferern aus dem Najd aufgehetzt „dass alle Ungläubige die Gott jemandem zur Seite stellen umgebracht werden müssen!“  Die Männer töteten nahezu 5000 Menschen, plünderten die heiligen Schreine und verwüsteten das Grab Imam Hussains. Solch eine gottlose Vernichtung gab es seit den Mongolenstürmen nicht mehr. Die Wahhabiten packten unzählige und unersetzliche kulturelle Schätze und wertvolle persische Teppiche auf ihre viertausend Kamele.

Als Fath Ali Shah, der persische König, von diesem Massaker an seinen Glaubensbrüdern und der Schändung der heiligen Schreine von Kerbela erfuhr, schickte er sofort einen Emissär nach Konstantinopel um sich beim Sultan darüber zu beschweren, dass die Osmanen nicht in der Lage waren sich gegen die Wahhabiten zu stemmen, sondern die Stadt kampflos ihrem Schicksal überliessen.

Was Abdul Aziz ibn Saud einmal in Kerbela gelang, versuchten seine Männer ein zweites Mal in einer weiteren schiitischen heiligen Stadt im heutigen Irak: Najaf. 

In Najaf liegt Imam Ali, der Begründer der schiitischen Glaubenslehre, in der Imam Ali Moschee begraben. Die Männer aus dem Najd wussten um die Wichtigkeit dieser Stadt für die Schiiten, daher war es auch diesesmal kein Zufall einen Angriff auf diese Stadt zu starten um dort den Blutrausch zu stillen, den sie in Kerbela zweifelsohne entfacht haben. Aber was ihnen in Kerbela gelang sollte in Najaf nicht so einfach gelingen. Die Einwohner Najafs waren auf die wahhabitischen „Banditen“, wie sie in vielen muslimischen Texten genannt werden, vorbereitet und wussten was da aus dem Sandsturm auf sie zukommen würde. Nach blutigen Kämpfen konnten sie sich endlich den Fesseln der Belagerung entledigen und die Wahhabiten in die Flucht schlagen.

Im März 1803 entschloss sich Abdul Aziz auch den Hijaz mit den Heiligen Stätten von Mekka und Medina zu erobern. Als sie vor den Toren von Mekka standen, sandten sie nochmal einen Vertreter der der ulama die Wahhabi-Lehre nahelegen und sie zum Bekenntnis für den einen, einzig wahren Glauben zu bewegen. Doch die inzwischen in weiten Teilen der muslimischen Welt bekannt gewordene, oder besser gesagt berüchtigt gewordene Lehre des Muhammed Abdul Wahhab wurde ein weiteres Mal als Häresie bezeichnet und als un-islamisch verachtet. In den Augen Abdul Aziz` war das eine gottlose Brüskierung des einzig wahren Glaubens und musste daher bestraft werden. Er liess Mekka stürmen. 

Die wahhabitischen Eiferer zerstörten sämtliche Mausoleen, sämtliche Gebäude die sie als un-islamisch betrachteten und machten nicht einmal vor Moscheen halt die mit einer Kuppel gebaut worden. Obwohl diese Bauart einer Moschee einer wunderschönen und traditionellen Architektur entspringt, galt es den Wahhabiten dennoch als zu christlich geprägt und somit polytheistisch, was zu den schlimmsten Verstössen überhaupt in der Lehre Abdul Wahhab`s galt und somit zerstört werden musste. Selbst das Grab des Propheten Muhammad wurde nicht verschont, sämtliche Grabbeilagen wurden entwendet und die Schätze der Moschee des Propheten geplündert. Sie zerstörten nicht nur Moscheen und Gebäude, sondern auch unbezahlbare islamische Literatur aus den Bibliotheken Mekkas. Nachdem es nichts mehr zu zerstören gab, sollte den Einwohnern Mekkas, die einem eher liberalen Islam angehörten und zu dieser Zeit auch dem Genuss von Alkohol und Prostitution nicht abgeneigt waren, die puristische wahhabistische Lehre aufgezwängt werden.

Für den Sultan in Konstantinopel stellte dieser "Emir aus dem Najd" nun nicht mehr nur ein lästiges Problem dar, sondern eine regelrechte Gefahr für die Heiligen Stätten und verschiedene Provinzen des Osmanische Reiches. Diese Gefahr musste eliminiert werden. Mit dieser Aufgabe betraute der Sultan den albanischen General Muhammad Ali Pascha in Kairo. Eine erste Antwort auf die Schändung der Heiligtümer, sowohl von Mekka als auch der schiitischen von Kerbela, sollte für Abdul Aziz ausgerechnet bei einem Besuch einer Freitagspredigt in seiner Heimatstadt Diriyah kommen. Am 4. November 1803 wurde er Opfer eines Mordanschlages, ausgeführt von einem persischen Assassinen.

Es folgten Jahre voller erbitterten Schlachten zwischen ägyptischen Söldnern und den wahhabitischen Truppen des Sohnes von Abdul Aziz, Saud ibn Muhammad ibn Abdul Aziz al-Saud, der die Führung des saudischen Emirates übernommen hatte. Erst im Jahr 1818 schien sich das Blatt entscheidend zugunsten des Osmanischen Reiches zu wenden, als der Sohn von Muhammad Ali Pascha, Ibrahim, im März vor den Toren Diriya`s Stellung bezogen hat. Zwischenzeitlich haben sich einige Stämme wieder vom rigiden Wahhabismus losgesagt und unterstützten die ägyptischen Truppen im Sturm auf die Bastion der Al Saud`s, natürlich unter anderem in der Annahme dass sie auf die Sieger der "Endschlacht" setzen würden. So kam es dann schliesslich auch.

Nach Monaten der Belagerung ergab sich schliesslich am 11. September 1818 Abdullah ibn Saud seinen Jägern. Wie hungrige Wölfe stürzten sich nun Ibrahims Männer (und auch die dazu gekommenen Stammeskrieger) über die Stadt her. Sie mordeten, raubten, vergewaltigten und verfielen in einen Zerstörungswahn welcher oft die Sieger einer Schlacht befällt. Die genaue Zahl der zu beklagenden Toten auf der Seite von Diriya`s Bevölkerung ist unbekannt, aber nachdem es keine Verteidigung mehr zum Schutz der Bevölkerung gab und sie den Schlächtern schutzlos ausgeliefert waren, müssen es Hunderte gewesen sein.

Nachdem der erste Blutdurst der Ägypter gestillt wurde, zogen sie sich wieder in ihr Lager vor den Toren der Stadt zurück. Diriya war zu diesem Zeitpunkt noch nicht dem Erdboden gleich gemacht worden, vielleicht hätte dieses Schicksal der Stadt überhaupt erspart bleiben können. Doch als Ibrahim von wahhabitischen Eiferer in der Stadt hörte, die, noch bevor sich die Schwaden des Todes gelegt haben, versucht haben Pläne für die wahhabitische Dominanz nach Abzug der Truppen wieder herzustellen, befahl er die komplette Zerstörung. Diriya wurde dem Erdboden gleichgemacht.


Das Haus Al Saud sollte nie wieder zur Macht aufsteigen können. Aber trotz der Zerstörung gelang es einigen wichtigen wahhabitischen ulama und Mitgliedern des Al Saud Clans sich an den Persischen Golf zu retten, genauer zum kleinen Emirat Ras al-Khaima welches als wahhabitischer Aussenposten am Persischen Golf galt.

Abdullah hingegen wurde zuerst zu Muhammad Ali nach Kairo überführt. Nach einem halbjährigen Aufenthalt dort verlangte Sultan Mahmud II. die Überstellung von Abdullah nach Konstantinopel. Trotz der Zusage Muhammad Ali`s das ihm kein Leid in Konstantinopel zugeführt werden sollte, verhängte ein Gericht am Hofe des Sultans das Todesurteil durch Enthauptung. Der Tod des Mannes der es gewagt hatte, seinen häretischen Glauben in den Heiligen Stätten von Mekka und Medina aufzuzwängen und die Türken als takfir, als Ungläubige, bezeichnete, wurde in den Strassen Konstantinopels frenetisch gefeiert. Sogar vom Persischen Shah kamen Glückwünsche zu diesem Sieg an die Adresse der Türken an, aber nicht beim Sultan sondern direkt beim Verantwortlichen für diesen Erfolg, Muhammad Ali Pascha.

Die Al Saud`s, nun unter der Führung von Turki ibn Abdullah ibn Saud welcher sich in Riad, unweit des zerstörten Diriya, versteckt hielt, floh ebenfalls an die Küste des Persischen Golfes und schloss sich dort den verschanzten Familienmitgliedern an. In den nachfolgenden Jahren konzentrierten sich die Al Saud`s auf die Unterwerfung der kleinen Scheichtümer und Emirate am Golf zum Wahhabismus.

Freitag, 7. Dezember 2012

Letzte Phase der syrischen Regierung eingeläutet?

 Um die aussenpolitischen Manöver der US-Regierung im richtigen Kontext sehen zu können, kommt man nicht umher als auch die grössten Medienanstalten des Landes zu beobachten. Denn das Weisse Haus kann nicht einfach mal eben einen Krieg vom Zaun brechen, der amerikanische Menschenleben fordern könnte, ohne zumindest eine kleine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu wissen. Abgesehen von geheimen Kriegen mit Spezialeinheiten welche ihre Toten nicht öffentlich betrauern. Während der ersten Amtszeit von Präsident Barack Obama zeigte sich das amerikanische Volk äusserst Kriegsmüde. Die "Lust" an einem neuen militärischen Abenteuer in Syrien lag nur bei 25% der Befragten gemäss einer Pew-Umfrage vom Juni 2012. 64% sagten ganz klar "NO"!
Nach der Wiederwahl vor einem Monat aber scheint es Washington nicht schnell genug zu gehen. Egal was Obama nun machen wird, egal wie tief seine Umfragewerte sinken könnten; ausser dass er eventuell mit dem Makel leben müsste, mit dem tiefsten Beliebtheitsgrad aus dem Weissen Haus ausgeschieden zu sein, hätte er keine weiteren Konsequenzen zu befürchten sollte er nun tatsächlich Grünes Licht für Syrien geben.

Sollte die Geschichte der US-Medien in den Monaten vor einem Krieg mit US-Beteiligung auch nur die geringste Indikation sein, dann passiert zur Zeit genau das jetzt wieder was immer vor einer US-Intervention passiert: Hysterie!
Vor dem Golfkrieg von 1991 gegen den Irak überschlugen sich die Meldungen geradezu mit Berichten und Bildern von Babys, die von irakischen Soldaten aus den Brutkästen herausgenommen und gegen die Wand geschleudert wurden. Unvergessen die Tränen einer Kuwaiterin die das alles angeblich miterleben musste. Erst im Nachhinein wurde aber kleinlaut zugegeben, dass es sich bei der Kuwaiterin um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA handelte und diese Stories und Bilder nur gefälscht waren. Für die breite Masse der Amerikaner blieb aber diese Lüge bis heute die Wahrheit.
Dann wieder die Hysterie um den Irak die im Jahr 2002 ihren Anfang nahm. Diesesmal waren es die Massenvernichtungswaffen Saddam Hussein`s welche er gegen die Bürger und Bürgerinnen Amerikas einsetzen wollte und die dringend beseitigt werden mussten. CIA-Chef George Tenet sprach gar von einem "Slam Dunk" in der Beweiskraft der Analysen seiner Organisation. Immer hysterischer wurde das Thema in den Medien durchgekaut und angebliche Verbindungen des Iraks zu Osama bin Laden aufgebaut, bis schliesslich die amerikanische Bevölkerung nicht anders konnte als dem Ganzen Glauben zu schenken. Nach der Invasion des Iraks im Jahr 2003 stellte sich aber ziemlich schnell und in breiter Öffentlichkeit heraus, dass es nicht den geringsten Hinweis auf Massenvernichtungswaffen im Irak gibt.

Seit Mittwoch findet nun die gleiche "Hetzjagd" in den amerikanischen Medien statt. Nur ist es diesesmal Syrien und eben nicht der Irak, aber das Thema ist gleich geblieben: Massenvernichtungswaffen und Chemiewaffen.
Einer der grössten Propaganda Sender der USA (leider gibt es für diesen Sender keinen anderen Terminus der zutreffender wäre), FOX News, will sogar von "hohen US-Militärkreisen" erfahren haben, dass Syrien "vermutlich Sarin in zerbrechliche Kanister befüllt hat um es dann aus Flugzeugen herauszuwerfen". (weitere FOX News Hysteria hier, hier und hier)
NBC-News, ein weiterer Sender der zu den grössten Unterstützern des Militärisch-Industriellen-Komplexes gilt, und zahlreiche Offiziere und Generäle (pensionierte und im Dienst) als "Experten" zu Sendungen einlädt, welche nichts weiter tun als das war wir hierzulande als "Stimmungsmache" bezeichnen würden, berichtet sogar, dass "Offizielle" bestätigt haben "das Bomben mit dem Nervenagenten (Sarin) befüllt wurden" und die syrische Armee nur noch auf das Zeichen von Präsident Assad wartet.
Leider springt auch CNN auf den gleichen Zug auf um der "Stimmungmache" etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, wie die Berichte hier und hier zeigen. Und gerade das könnte eine Indikation sein, dass die USA dem Konflikt in Syrien offenbar eine neue Richtung geben wollen. Damit die gesamte Bevölkerung eine mögliche Intervention ihres Präsidenten gutheissen, muss auch der Teil der Zuschauer überzeugt werden, welcher der Berichterstattung von FOX News und NBC News ansonsten nicht viel Gewicht zuordnet. Dass dann gleichzeitig Aussenministerin Clinton bei der NATO-Abstimmung in Brüssel zu den Patriot Raketen für die Türkei aussagt, dass "ein immer verzweifelteres Assad Regime zu Chemischen Waffen greifen könnte" und "wir glauben, dass ihr Fall (Regierung Assad) unausweichlich ist", könnte dafür sorgen dass die Meinung in Amerika kippen könnte und einer US-Beteiligung an einer Invasion Syriens nichts mehr im Wege steht.
Der Ansprache von Clinton folgte die Äusserung des NATO-Generalsekretärs Fogh Rasmussen, der die NATO-Staaten aufforderte "nicht den Kopf in den Sand zu stecken". Das ging dann wohl einigen teilnehmenden Staaten (allen voran Deutschland) doch zu weit, die von "Kriegstrommeln" sprachen und vor einer Überbewertung der angeblichen Gemeimdienstinformationen warnten.
Es bleibt aber zu hoffen, dass die Menschen die Hysterie als solche erkennen und sich nicht von Aussagen wie jenen von FOX News beeindrucken lassen, dass Sarin in zerbrechlichen Kanistern aus Flugzeugen geworfen werden könnte.

Diese plötzliche Stimmungmache in den amerikanische Medien dient offensichtlich auch der Legitimierung von der immer grösser werdenden Armada von US-Kriegsschiffen vor Syrien. Zuletzt traf die USS Eisenhower Strike Group vor der Küste Syriens ein und bildet nun einen Verbund mit bereits vor Anker liegenden Schiffen von insgesamt 10`000 Mann und einer Feuerkraft, die ganz Syrien in Schutt und Asche legen könnte. Amerikanische Spezialeinheiten warten schon seit längerer Zeit auf den Marschbefehl auf jordanischer Seite und das französische Blatt "Le Point" meldete, dass Frankreich zusammen mit Grossbritannien Spezialeinheiten vorbereite, die einen Einsatz nach dem "Libyen Modell" ausführen sollten. Auch der amerikanische Senat befasste sich mit einer Ausweitung des US-Einsatzes. Mit 92 zu 6 Stimme beauftragten die Senatoren Verteidigungsminister Leon Panetta, in den nächsten 90 Tagen einen Plan vorzulegen, wie man "den syrischen Präsidenten Bashir al-Assad davon abhalten könnte, Luftangriffe gegen Zivilisten und Oppositionsgruppen in Syrien durchzuführen." Dieser Plan steckt aber bereits seit Anfang Jahr in der Schublade von Panetta: für diesen Zweck benötigt es Patriot Raketen, eine Flugverbotszone und Angriffe auf Stellungen der syrischen Luftwaffe.
Nun, zufälligerweise hat die Türkei genau nach solchen Patriot Raketen angefragt und deren Entsendung wurde in Brüssel, Berlin und Amsterdam zugestimmt. Blieben also noch die offiziell deklarierte Flugverbotszone und die angeordneten Luftschläge übrig. Für den Fall der Fälle befindet sich schon mal die geballte Feuerkraft der US-Navy und des Special Operations Command an der Schwelle zu Syrien.



Erschwerend kommt hinzu, dass die USA offenbar kurz davor stehen die wahhabitischen Gruppierungen in Syrien auf die Liste von Ausländischen Terrororganisationen zu setzen, genau aus den beschriebenen Gründen von meinem letzten Post. Was zunächst einmal nach einem eigentlich guten Ansatz klingt um nicht die gleichen Fehler wie in Libyen zu machen, wo man bis zu Letzt  Rebellen unterstützt hatte die eindeutig zur Al Qaida gehörten. Das würde aber in der Realität bedeuten, dass man den syrischen Rebellen die schlagkräftigsten Truppen wegnehmen würde. Und das hätte wiederum zur Folge, dass die enormen Bodengewinne der letzten Wochen vermutlich schnell aufgegeben werden müssten und der syrischen Regierung wieder die Oberhand überliesse. Um genau solch ein Szenario zu verhindern, könnte also der Pentagon-Plan zum tragen kommen. Dazu kommt, dass das US-Aussenministerium es Frankreich und Grossbritannien nachmachen möchte und die in Qatar geformte "Nationale Koalition" als einzige Vertreterin des syrischen Volkes anzuerkennen, obwohl nicht einmal das Volk diese Koalition verschiedener Gruppierungen als ihr Sprachrohr anerkannt hat.

Fügt man nun alle diese Puzzlestücke zu einem Bild zusammen, dann scheinen sich die Hinweise zu verdichten dass die letzte Phase gegen Präsident Assad eingeläutet wurde.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Reaktionen auf Post vom 04.12.12

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen bedanken die ihre Reaktionen auf den gestrigen Post per E-Mail kund getan haben. Ich lade euch alle ein, gerne auch die Möglichkeit direkt unter den jeweiligen Posts zu nutzen um eure Kommentare und Gedanken mit uns allen zu teilen.

Der Grund weshalb ich mich hier öffentlich dazu äussern möchte liegt darin, dass es einige Fragen gab die eventuell auch andere Leser und Leserinnen interessieren könnte. Insbesondere eine Frage möchte ich hier gerne beantworten. Diese ist in Fettschrift dargestellt (natürlich ohne Namen oder E-Mail Adresse) und meine Einschätzung oder Meinung dann direkt darunter.

- Wieso denken sie das einige salafistischen Splintergruppen in Syrien an die Macht kommen könnten? Sie schreiben das es sich um die gleichen Gruppen handelt wie im Irak, müsste sie also nicht das gleiche Schicksal ereilen wie im Irak? Auch dort haben sunnitische Extremisten versucht die Macht an sich zu reissen und wurden aber besiegt.

Zunächst habe ich von einer bestimmten Gruppierung gesprochen deren Hintermänner ebenfalls im Irak aktiv waren und Beziehungen zur Al Qaida pflegten, nämlich Jabhat-al Nusra. Diese Gruppe hat sich der selben wahhabitischen Ideologie verpflichtet wie Al Qaida, in einigen Kreisen wird sogar vermutet dass es sich bei der syrischen Gruppe effektiv um Al Qaida`s ersten Ableger in der Levante handelt. Die Indizien würden diese Theorie sogar bekräftigen: sie verwenden die gleichen Methoden wie im Irak, sie erhalten generöse Unterstützung aus den Scheichtümern des Persischen Golfes (wie im Irak), die Ziele sind die selben geblieben (Errichtung eines Kalifates) sowie die Feinde sind die selben geblieben (säkulare muslimische Führer, USA, Israel und Schiiten).
In den letzten Wochen gab es insbesondere aus Aleppo unterschiedliche Meldungen der Islamisten, die mal ein "Islamisches Kalifat Aleppo" ausriefen und nichts mit der erst kürzlich in Qatar gegründeten "Nationalen Koalition" (eine bunt zusammengewürfelte Gruppe die auf grossen internationalen Druck zustande kam und umgehend von Frankreich als einzig legitimes Sprachrohr des syrischen Volkes anerkannte) zu tun haben wollte. Dann zogen sie ihre Behauptung zurück (vermutlich ebenfalls auf Druck von Saudi Arabien und Qatar, den grössten Geld- und Waffengebern) aber bestanden auf den Standpunkt, dass sie von Demokratie nichts wissen wollen und es nur als "Westliche Verschwörung" einstufen. Das "Islamische Kalifat Aleppo" bzw. die eroberten Stadtgebiete Aleppo`s erhielten dann den Namen "Befreite Zone", was in den Ohren der Europäer und Amerikaner einfach besser und vertrauter klingt. Das aber am 22. November 2012 von dem neu gegründeten "Komitee zur Bestimmung von Guten und Verbot von Ungläubigen Taten" in Aleppo bereits das erste Dekret zur Einführung der Scharia nach dem Vorbild Saudi Arabiens verkündet wurde, scheint bisher in der Medienlandschaft noch niemanden gross zu interessieren. Mit diesem Dekret danken sie verschiedenen saudisch-wahhabitischen Gelehrten für ihre entsprechenden "Fatwas" und führten als allererstes ein Fahrverbot für Frauen ein.

Und das ist einer der grossen Unterschiede zum Irak. Dort wurden Al Qaida und ihr nahestehende Gruppierungen von den USA und den Briten gnadenlos gejagt. In Syrien wurden aber die selben Terroristen in Rebellen umgetauft und erhalten breite internationale Unterstützung. Auch die ethnische Landschaft sieht im Irak total anders aus als in Syrien. Nach hunderten Jahren der Unterdrückung schaffte es endlich die schiitische Mehrheit an die Macht, in Syrien hingegen hat die den Schiiten zugeordete Alewitische Minderheit vor 40 Jahren die Macht an sich gerissen. Das bedeutet, dass vielen Menschen die zwar mit der wahhabitischen Ideologie von Gruppen wie Jabhat-al Nusra ansonsten nichts (zumindest bisher) am Hut hatten, die herrschende Clique von Alewiten aber sehr wohl ein Dorn im Auge war, dass Teile von diesen Menschen durchaus für den Moment nicht abgeneigt sind die neuen "Herrscher in der Strasse" zu unterstützen.
Und so wie es aussieht scheint gerade das in Aleppo passiert zu sein. Denn aus anderen Teilen des Landes wo die Gruppe Dörfer, Städte oder Stadtteile erobert hat, sind die meisten Bewohner aus Angst vor dem drohenden Unheil geflohen. Nachdem aber in Aleppo die Gebiete unter wahhabitischer Kontrolle von dem christlichen Teil und anderen Minderheiten der Bevölkerung "gesäubert" wurde, scheint es aber eine beträchtliche Anzahl zu geben die dennoch geblieben ist und die neue Realität vorerst akzeptiert zu haben.
Und genau DAS ist in meinen Augen das gefährliche an der Situation wo man nicht weiss wie diese und ähnliche Gruppierungen, allesamt dem einen und vereinten Ziel verschrieben (nicht nur Sturz von Assad, sondern auch Errichtung eines Kalifats), reagieren werden sollte es tatsächlich zu einem Machtwechsel in Syrien kommen. Werden sie ihre bereits errichteten "Befreiten Zonen" nach dem Vorbild Saudi Arabiens zugunsten einer "Nationalen Koalition" aufgeben? Oder wird es zu einer Aufteilung der Gebiete nach dem Recht des Stärkeren kommen, aber um westliche Legitimität zu erlangen verpackt unter dem Mantel der Muslimbruderschaft? Sollte sich die syrische Geschichte zum Letzteren entwickeln, was meiner Meinung nach nicht im Geringsten ins Reich der Träumerei anzusiedeln ist, dann hätten diese Elemente Zugang zu einem für sie riesengrossen Waffenarsenal wo bestehende Geheimabsprachen zwischen Syrien und den verschiedenen Nachbarn keine Gültigkeit mehr hätten.

Noch kurz der letzte Satz zur Al Qaida im Irak: sie wurde dort nicht besiegt. In die Enge getrieben und dezimiert, ja, aber nicht besiegt. Nach wie vor gibt es viele Anschläge mit zahlreichen Opfern die der Organisation zugeschrieben werden. Nur sind sie grösstenteils aus der Berichterstattung verschwunden.