Freitag, 28. Februar 2014

Frau Merkel, meinten Sie diese einzige Demokratie im Nahen Osten?

Bitte entschuldigt diese überspitzte Wortwahl im Titel, aber ich konnte irgendwie nicht anders. Wie viele andere auch habe ich den Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der fast kompletten Regierungsmannschaft nach Israel aufmerksam beobachtet.

Man kann von solch einem Besuch halten was man möchte, aber in einer demokratischen Gesellschaft ist es wichtig dass die Kommunikation aufrechterhalten wird und dazu gehören natürlich auch Staatsbesuche. Aber was mich doch sehr enttäuscht hat ist, dass Frau Merkel es zumindest in der Öffentlichkeit versäumt hat auf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Israel hinzuweisen. Selbst das US-Aussenministerium hat in dem erst diese Woche vorgestellten Menschenrechtsindex für das Jahr 2013 festgehalten, dass in Israel die israelisch-"arabischen Bürger institutionelle und gesellschaftliche Diskriminierung erleben", sowie die offizielle Hetze gegen afrikanische Flüchtlinge die von der Regierung als "illegale Infiltranten" bezeichnet werden und in einem riesigen Camp festgehalten werden (siehe dazu mehr auf der Seite von David Sheen).

Auch Amnesty International veröffentlichte Gestern einen Bericht über Israels überproportionale Gewaltanwendung in den palästinensischen Gebieten. Dieser Bericht mit dem Titel "Trigger Happy", also "Schiessfreudig- oder wütig", fordert ebenfalls die internationale Staatensgemeinschaft auf, keine Waffen und Munition mehr an Israel zu liefern/verkaufen weil diese mit einer ungeheuren Brutalität gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung eingesetzt werden.

Wie diese Brutalität aussieht, zeigt ein sehr gut dokumentierter Zwischenfall von Gestern in Bir Zeit, wo die israelische Armee eine Exekutionskommando mit anschliessender "kollektiver Bestrafung" durchgeführt hat. Dieses Video wurde auf Facebook hochgeladen und von sämtlichen Institutionen bestätigt. Zwar unterscheiden sich die Begründungen für diesen Einsatz der israelischen Armee, aber das "Ergebnis" wurde selbst von der Armee bestätigt.



























Wenn dann noch Staatsoberhäupter wie Angela Merkel & Co. angesichts solcher tragischen Fakten hingehen und aussagen, dass "Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten" ist, dann diskreditieren sie sich selbst und das Verständnis von Demokratie in den Augen von Milliarden von Menschen die ebenfalls solche Nachrichten sehen. Kein Wunder sagen dann viele: "Wenn das Demokratie ist, dann wollen wir sie nicht!"

Noch anstössiger wird es wenn man bedenkt, dass Deutschland zum drittgrössten Waffenexporteur weltweit aufgestiegen ist und natürlich auch Israel mit "nahezu allem was es haben wollte" ausstattet.

Donnerstag, 27. Februar 2014

Israel: ist der Friedensvertrag mit Jordanien in Gefahr?

Das alles hatten wir schon mal. Ein israelischer Politiker besteigt schwer bewacht den Platz vor dem Felsendom in Jerusalem, in vollem Bewusstsein dass das von über einer Milliarde Menschen als Provokation aufgefasst wird, lächelt in die Kameras und verschwindet wieder.

Als das der kürzlich verstorbene Ariel Sharon als Oppositionsführer gegen Ministerpräsident Ehud Barak am 28. September 2000, einem Donnerstag, die "Plaza" vor dem Felsendom und der Al Aqsa Moschee betritt, will er eigentlich keinen Aufstand unter den Palästinensern auslösen sondern ein Signal an Ehud Barak und an die religiösen Nationalisten (Wahlen waren für 2001 angesagt) senden, nämlich dass die Regierung ihn vor diesem Schritt nicht stoppen kann und dass er, Ariel Sharon, dafür sorgen dass Juden wieder Zugang zu ihrem grössten Heiligtum erhalten können.

An diesem Donnerstag passierte noch nichts, doch der nächste Tag sollte erst die Zweite Intifada, die als Al Aqsa Intifada in die Geschichte einging, auslösen. Am Freitag versammelten sich etwa 20`000 Palästinenser auf genau diesem Platz zum Gebet, wo noch einen Tag zuvor Ariel Sharon stand. Als sich die Menschenmenge nach dem Gebet aufzulösen beginnt, werfen etwa 20 junge Palästinenser aus Wut vor Sharon`s "Entweihung des heiligen Platzes" mit Steinen nach den israelischen Polizisten die wie jeden Freitag das Gebiet überwachen. Sofort beginnen diese mit Gummigeschossen und richtigen Kugeln auf die Menge zu schiessen, und richten dabei ihre Waffen auf herannahende Menschen die aus der Al Aqsa Moschee herauskamen. Diese Situation schliesslich war es, die nicht nur zu 4 Todesopfern und 160 Verletzten an diesem Tag führte, sondern die angestaute Wut über die Enttäuschung des Scheitern der Friedensverhandlungen in einen spontanen Aufstand gegen die Besatzung Israels explodierte.

Auch jetzt im Jahr 2014 befinden wir uns wieder kurz vor einer Entscheidung ob die "Friedensverhandlungen" die die USA letztes Jahr initiierten zu einer für beide Seiten akzeptable Lösung führen werden. Aufgrund der durchgesickerten Informationen erscheint es, wie es auch seit 1967 immer der Fall war, dass die USA kein neutraler Vermittler darstellen und nahezu auf sämtliche israelische Forderungen in den Verhandlungen eingehen. Diese Tatsache birgt natürlich ein enormes Frustpotential innerhalb der palästinensischen Bevölkerung und da braucht es nicht viel bis sich dieser Frust wieder in einen Aufstand gegen die israelische Unterdrückung entlädt.
Und just in solch einem sensiblen Moment ist es wieder ein Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten, Moshe Feiglin, der genau so wie sein Vorgänger Ariel Sharon 14 Jahre zuvor diesen Schritt zum Tempelberg unternahm. Und genau so wie Ariel Sharon, ist auch Moshe Feiglin für seinen Rassismus gegenüber den Palästinensern berüchtigt. Dieser Rassismus ist es, der ihm auch ein Einreiseverbot nach Grossbritannien beschert hat aufgrund der "Befürchtung vor innergemeinschaftlicher Gewalt aufgrund seines inakzeptablen Verhaltens" bei einem Besuch im Jahr 2005 in London.
Zwar klebt nicht Blut an seinen Händen wie das der Fall bei Ariel Sharon war, was ihm auch den Zusatz "der Schlächter" oder "der Bulldozer" einbrachte, aber dennoch könnte Feiglin zu einer äusserst gefährlichen Figur aufgrund seines offenen Rassismus werden sollte er tatsächlich an die Macht in Israel kommen. Deshalb ist es wichtig kurz einige Passagen aus Moshe Feiglin`s Reden und Schriften aufzulisten um einen Einblick in seine Welt zu erhalten.

Moshe Feiglin`s Ansichten:
- Israel sollte die Elektrizität und die Wasserversorgung zu den palästinensischen Gebieten kappen
- Israel sollte die UNO verlassen und ihre Botschaften in "Deutschland und anderen antisemitischen Ländern" schliessen
- Israel sollte den Schulkalender entsprechend des hebräischen Kalenders umbilden, damit so endlich der "Puls des Jüdischen Staates nach der jüdischen Uhr schlägt und nicht nach der Christlichen".
- "Es gibt kein palästinensisches Volk, noch gab es jemals eines, und es wird niemals einen palästinensischen Staat geben. Wir sollten ihnen (den Palästinensern) Menschenrechte ohne Bürgerrechte anbieten, so lange sie ihre Loyalität gegenüber ihrem jüdischen Staatswirt beweisen und die jüdische Souveränität über ihr Land akzeptieren."
- Zur Zwei-Staaten-Lösung: nachdem die Juden nach dem 2000-jährigen Exil nach Israel zurückgekehrt sind um ein Ziel zu erreichen und nicht nur um zu erleben, dann wird man verstehen können dass Israel das ganze Land braucht.
- Israel muss volle Souveränität über den Tempelberg haben

Und nun ist es ausgerechnet dieser Mann, der mit seiner Einstellung und Rhetorik ein ganzes Volk unterdrückt und verletzt, ausgerechnet er muss einen medial hervorragend inszenierten Besuch auf dem Platz des Felsendoms erzwingen um auf absolut gerechtfertigte Misstände wie die Zuteilung von Besuchszeiten für Juden (und auch für Christen und demzufolge auch für Muslime) hinzuweisen? Er, der bekannt dafür ist dass er nichts lieber täte als den Dritten Jüdischen Tempel aufzubauen was unweigerlich die Zerstörung der Al Aqsa Moschee sowie des Felsendoms zur Folge hätte. Und doch waren es nicht nur die Missstände die Feiglin als Begründung anbrachte, sondern viel mehr störte es ihn, dass "im Herzen des Landes Israel, im Heiligsten der Heiligtümer, gegenwärtig muslimische Souveränität die Regel ist".  Und für einen Mann dessen Rassismus nur zu gut bekannt ist, stellt das natürlich ein erhebliches Problem dar das es zu ändern gilt.


 Aber was hat es eigentlich mit dieser "Souveränität" des Tempelbergs auf sich? Dieser Punkt war es der die Camp David Gespräche von 2000 zum Scheitern brachten, und daraufhin die gesamte Schuld vor die Türe von Yassir Arafat gelegt wurde. Um das besser verstehen zu können, muss einiges kurz erklärt werden.

Tempelberg
Der Tempelberg erlangte die Ausmasse die er heute hat während der Zeit des Königs von Herodes dem Grossen. Er baute dieses gigantische Plateau aus, um einen Tempel für den Gott der Juden zu erstellen um sich so deren Wohlwollen und Unterstützung zu sichern. 

Als die jüdische Rebellion gegen die Römer schliesslich im Jahr 70 n.Chr. niedergeschlagen wurde, zerstörten die Römer auch den Tempel und raubten die enormen Schätze aus dem Tempel. 

Erst mit der Ankunft der muslimischen Eroberer unter dem Kalifen Omar nach Jerusalem im Jahr 638 n.Chr. wurde wieder ein Heiligtum auf dem Tempelberg errichtet: der noch heute erhaltene Prachtbau des Felsendoms oder auch als "Umarmoschee" bekannt. Jerusalem wurden fortan von den Muslimen als Al-Quds bezeichnet, die Heilige. 

  
Seit der Rückeroberung Jerusalems von den Kreuzrittern im Jahr 1187 unterlag die Betreuung von Jerusalems islamischen Heiligtümern, dem drittheiligsten Ort des Islams (nach Mekka und Medina), dem islamischen Waqf. Daran änderte sich auch nach der Gründung Israels nichts, als der Tempelberg in Ost-Jerusalem unter jordanische Kontrolle geriet. 
Erst mit der Eroberung von Ost-Jerusalem durch Israel im Junikrieg (oder Sechstagekrieg) von 1967 sollten die heutigen Probleme um die Souveränität des Tempelbergs entstehen. Zwar drängten die Israelis die Jordanier hinter den Fluss Jordan zurück und eroberten dabei natürlich auch den Tempelberg, doch der damalige legendäre Verteidigungsminister Moshe Dayan entschied, dass alles was AUF dem Tempelberg wieder unter die Kontrolle des jordanische Waqf gestellt wird. Der Süden, Südosten und Südwesten des Tempelbergs wurde der israelischen Archäologieabteilung unterstellt, damit diese Ausgrabungen und Untersuchungen durchführen kann. 

Noch komplizierter wurde die Situation, als sich die Palästinenser nicht mehr länger vom Hashemitischen Königreich bevormunden lassen wollten und die Betreuung des Waqfs für sich beanspruchten. Schon wieder waren es aber die Amerikaner die den Unabhängigkeitsbestrebungen der Palästinenser einen Dämpfer verpassten, als durch den Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien im Jahr 1994 der Tempelberg in diesen Vertrag aufgenommen wurde. Und das obwohl in den vorhergehenden Verhandlungen und der Unterzeichnung der "Allgemeinen Agenda" von 1993 der Tempelberg überhaupt nicht Gegenstand dieser Agenda war! 
In diesem Friedensvertrag wurde vereinbart, dass Israel den Jordaniern "eine hohe Priorität bei den Verhandlungen über den permanenten Status aufgrund der historischen Rolle Jordanien`s" gewährt, sowie die aktuelle "Spezialstellung des Hashemitischen Königreichs von Jordanien über die muslimischen Heiligtümer in Jerusalem" bestätigt. Das bedeutete, dass Israel Jordanien als Hüterin der muslimischen Heiligtümer, also des OBEREN TEILS des Tempelbergs, anerkannt hatte.

Nachdem es nun Moshe Feiglin geschafft hat nicht nur den Auftritt auf dem Platz des Felsendoms durchzusetzen, sondern auch eine Grundsatzdiskussion in der israelischen Regierung (Knesset) erwirkt hat ob Israel diesen speziellen Status aufheben soll den man mit dem Friedensvertrag Jordanien zugesprochen hatte, damit Israel die volle Souveränität über ganz Jerusalem erhält. Diese spezielle Rolle wurde auch erst letztes Jahr offiziell von der palästinensischen Regierung mit einem Abkommen mit König Abdullah II. unterzeichnet und bestätigt.
Als Reaktion auf diese Provokation (wie sonst sollte man eine Parlamentsdiskussion um die Aufhebung eines Friedensvertrages bezeichnen?) stimmte die Mehrheit der 150 Parlamentsmitglieder in Jordanien dafür, den israelischen Botschafter des Landes zu verweisen. 47 Parlamentarier unterzeichneten sogar eine Petition, die zur Aufhebung des Friedensvertrages mit Israel aufruft. Allerdings gilt dieses Szenario als äusserst unwahrscheinlich, nachdem König Abdullah II. nach wie vor das letzte Wort bei solchen Entscheidungen hat und das Büro des israelischen Ministerpräsidenten verlauten liess, dass "der Status Quo des Tempelbergs nicht geändert wird".

Dennoch zeigt diese Episode überdeutlich, wie schnell ein rechtsgerichteter Politiker in Israel eine ganze Region zum Explodieren bringen könnte und wie wenig solche Politiker internationale Gesetze und Verträge respektieren. Und was sagt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die fast mit der ganzen deutschen Regierung in Israel dieser Tage angereist ist, zu diesem Thema? Gar nichts... Ausser das Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten ist.

Dienstag, 25. Februar 2014

Syrien: muss Al Qaeda wieder herhalten?

In meinem Bericht "Hat Saudi Arabien in Syrien verloren?" vom 22. Januar 2014 habe ich darauf hingewiesen, dass es Anzeichen gibt, dass die USA Saudi Arabien zu einem Kurswechsel in Syrien drängen werden. Auch der Zeitpunkt wurde exakt genannt: März 2014.
Allen saudischen Unkenrufen zum Trotz, welche, seit dem spektakulär gescheiterten Plan das US-Militär mit aller Macht in den syrischen Krieg miteinzubeziehen, eine eigenständige und "robustere" saudische Aussenpolitik für Syrien ankündigte, scheint sich die Erkenntnis in Riad durchgesetzt zu haben dass es ohne die USA doch nicht geht.
Wie das Wall Street Journal berichtete, wurde dem bisherige starken Mann für die Syrienpolitik,  Geheimdienstchef und ehemaliger Botschafter in den USA Prinz Bandar bin Sultan, diese Verantwortung entzogen. Aus gesundheitlichen Gründen wie es offiziell heisst. Es wird viel mehr daran gelegen haben, dass Bandar bin Sultan mit seinem Plan a) nichts erreicht hat und b), für Saudi Arabien plötzlich viel mehr auf dem Spiel stand als "nur" die Syrienpolitik. Den Informationen des Wall Street Journal zufolge soll die "Syrienakte" der saudische Innenminister Prinz Muhammad bin Nayif übernehmen. Er gilt als der Mann, der die Al Qaeda aus Saudi Arabien verjagt hat und zusammen mit den USA die Drohnenangriffe im Yemen koordiniert. Zusammen mit Prinz Miteb bin Abdullah, dem Sohn des Königs Abdullah, soll er dafür Sorgen dass "eine neue Strategie" für Syrien geformt wird, die "ruhiger, offener und nicht zu extrem ist, in der mehr Politik sein wird und wahrscheinlich viel weniger Militär".

Diesem "Sturz" von Bandar bin Sultan ging ein neues Anti-Terror-Gesetz in Saudi Arabien zuvor, welches unter anderem die Teilnahme von saudischen Staatsbürgern an Kampfeinsätzen im Ausland verbietet und eine Gefängnisstrafe von drei bis zwanzig Jahren droht. Das bedeutet jeder saudische Jihadist der nach seinem "Einsatz" wieder zurückkehrt, könnte verhaftet und für lange Zeit hinter Schloss und Riegel gesteckt werden. Was zunächst nach einem Schritt nach vorne im "Kampf gegen den Terror" klingt, wird von dazugehörigen Artikeln und Paragraphen mehr als nur zunichte gemacht. Mit diesem neuen Anti-Terror-Gesetz sollen nicht nur die Jihadisten bekämpft werden, sondern im Grunde jegliche Form von Opposition gegen das Herrscherhaus al-Saud. Oder wie es ein saudischer Menschenrechtsaktivist formulierte: "Sie (das Herrscherhaus) charakterisieren dich als Terroristen weil du das Königreich um etwas bittest was sie nicht tun wollen."

Das weitere, und bei weitem grösste Problem mit diesem Anti-Terror-Gesetz und dem Wechsel der saudischen Syrien-Strategie ist die Verzerrung der Wahrnehmung. Während Prinz Bandar bin Sultan (oder auch als Bandar Bush bezeichnet) nun als "point-man" von Washington abgesäbelt und von US-Aussenminister John Kerry sogar als "das Problem" bezeichnet wurde, kommt nun ein Mann der in Washington als Macher gilt. Nicht das Bandar bin Sultan kein Macher gewesen wäre. Mitnichten! Bandar galt seit den 1980er Jahren für diverse Administrationen in Washington als Macher. Immer wenn es galt irgendwelche illegale Operationen durchzuführen, war Bandar zur Stelle und organisierte die Finanzierung. Das sicherte ihm direkten Zugang ins Oval Office, insbesondere während den Regierungszeiten unter den Bush`s. Das ging solange gut bis der Macher Bandar bin Sultan genau das tat was Washington wollte. In Syrien aber überspann er offensichtlich in den Augen der Amerikaner den Bogen mit seiner eigenen Politik. Der vom Iran besessene Prinz (was ihn eigentlich zu einem guten Partner von Netanyahu gemacht hätte) wollte eine US-Intervention, die Amerikaner aber auf gar keinen Fall. Genau das sollte ihm schliesslich zum Verhängnis werden.
Dann ist da jetzt Prinz Muhammad bin Nayif, mit dem die US-Behörden ausserordentlich gute Erfahrungen im Kampf gegen Al Qaeda in Saudi Arabien und im Yemen gesammelt haben. Regelrechte Lobpreisungen gab es in den US-Medien für den mittlerweile 54-Jährigen, während man seine Generation von saudischen Prinzen im Allgemeinen für sehr gut ausgebildete Macher hält.

Während also Bandar`s eigene Pläne den Ärger Washingtons hervorriefen, steht nun ein Saudi an der Spitze der Syrienpolitik der sich in den Augen der Amerikaner als Teamplayer präsentiert. Erst vor 2 Wochen weilte Prinz Muhammad bin Nayif in Washington zu Gesprächen mit CIA-Chef John Brennan, der Nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice, Aussenminister John Kerry, und den Direktoren des FBI und NSA. Und so wie es aussieht, hat er es geschafft die Amerikaner davon zu überzeugen, dass die syrischen "guten" Rebellen endlich Flugabwehrsysteme erhalten sollen und er dafür sorgen kann, dass diese High-Tech Waffen nicht in die Hände von "bösen" Rebellen gelangen. Das aber ist nichts weiter als Wunschdenken! Das Problem dabei ist, dass die fanatischsten Rebellen in Syrien auch gleichzeitig die erfolgreichsten auf dem Schlachtfeld sind und im religiösen Wahn des Wahhabismus gefangen sind. Wie ich schon desöfteren berichtet habe, hat ihr Kampf nichts mit einem demokratischen Staat in Syrien zu tun, sondern die Errichtung eines islamischen Kalifats und der Heilige Krieg gegen alle Ungläubige ist es der sie antreibt. Immer mehr Ausländer beteiligen sich an diesem Ziel, auch dutzende Europäer und hunderte Tunesier, Libyer, Jordanier, Saudis, Iraker,  Tschetschenen und andere Kaukasische Extremisten.
Sollte es auch nur den Anschein erwecken dass dieses Ziel eines Kalifats, oder eines Diyar al-Tamkeen (Wehrhaus) wie es der jordanische Islamismus Experte Tamer Smadi bezeichnete, in die Reichweite des Möglichen kommen könnte, würde es zu einem enormen Schub unter den bisher nur sympathisierenden weltweiten Salafisten führen und sie zum Eingreifen in den Kampf ermuntern. Sollten diese wahhabitischen Extremisten es schaffen Bashir al-Assad zu stürzen, dann stünde das Herrscherhaus al-Saud als Nächstes auf der To-Do Liste.Tamer Smadi erklärte auch, dass diese neue Generation von wahhabitischen Extremisten nicht mehr daran interessiert ist einen Heiligen Krieg gegen den Westen zu führen, sondern darauf bedacht ist regionale Ziele zu erreichen. Denn was vielen Menschen nicht klar ist, die meisten Ziele von Al Qaeda (wie zum Beispiel das finanzielle Ausbluten der USA) wurden bereits erreicht und man konzentriert sich nur noch auf den defensiven Jihad, d.h. den Krieg gegen von Ungläubigen besetzten heiligen islamischen Boden. Darunter zählt auch paradoxerweise das Herrscherhaus al-Saud. Paradoxerweise deshalb, weil erst die wahhabitische Ideologie Al Qaeda hervorbringen konnte und diese wahhabitische Weltsicht auch weiterhin die prägende Ideologie der Organisation darstellt.

Das alles weiss natürlich auch der saudische Prinz, genau so wie es auch Bandar vor ihm wusste. Der Unterschied ist nur was man mit dieser Gefahr anstellen soll. Bandar bin Sultan hielt diese wahhabitischen Extremisten an der Leine, während Muhammad bin Nayif diese bekämpfen soll. Und hier kollidieren dann wieder die Ziele der USA und Saudi Arabiens. Das grosse Problem dabei ist, und was Washington offensichtlich keine moralische Mühe bereitet genau so wenig wie man keine Bedenken hat Nazis in der Ukraine zu unterstützen, dass der Wahhabismus trotzdem seine dunkle Ideologie weiter exportieren wird (siehe hier und hier). Es ist wie ein Kampf gegen die Hydra: schlägt man dem mehrköpfigen Ungeheuer einen Kopf ab, wächst dieser nach.
Es bringt nichts die wahhabitischen Extremisten in Syrien zu bekämpfen, während in Saudi Arabien der Wahhabismus nach wie vor Staatsreligion ist und gleichzeitig versucht wird, diese Ideologie weiter in die Welt zu exportieren. Damit nährt man das Ungeheuer welches man eigentlich besiegen möchte. Nochmal zur Erinnerung: selbst die Europäische Union betrachtet den Wahhabismus als Gefahr! (siehe Studie der EU)

Es muss also eine andere Erklärung für diesen plötzlichen Strategiewechsel in Riad und Washington geben. Und zwar geht es um die Ehre des Hauses al-Saud. Die Saudis haben im vergangenen Jahr eine bittere Pille nach der anderen schlucken müssen und standen Ende 2013 vor einem politischen Scherbenhaufen. Syrien: Ziel (Sturz von Bashir al-Assad) nicht erreicht. USA: Ziel (US-Intervention) nicht erreicht. UNO: Ziel durch eigene Entscheidung nicht erreicht. Iran: Ziel (weitere Isolierung und Sanktionierung) nicht erreicht. Libanon: Ziel (Ausschluss von Hezballah aus der Regierung) nicht erreicht.
Für ein Land welches sich als Führungsnation des Dar ul-Islam, des Haus des Islams sieht, ist dieses Ergebnis eine reinste Katastrophe. Es muss also unbedingt ein Erfolgserlebnis her, welcher diesen Führungsanspruch wenigstens oberflächlich gerechtfertigt. Viel Spielraum bleibt da nicht übrig; momentan eigentlich nur in Syrien. Gegen die Annäherung der USA an den Iran können die Saudis wenig ausrichten. Wenn es nicht einmal Israel geschafft hat hier einen Strich durch die Rechnung zu machen, dann wird das den Saudis noch viel weniger gelingen. Diesen Punkt unterstrich letzte Woche ein US-Regierungssprecher ziemlich deutlich, als er nach den Gesprächen mit dem Iran in Wien gefragt wurde, was er von der Forderung von Binyamin Netanyahu nach "Null Anreicherung und Null Zentrifugen" hält. Seine Antwort: "Wir respektieren Netanyahu`s Statements und es ist wichtig zu hören was unsere Alliierten zu sagen haben. Aber wir werden nicht immer einer Meinung sein."  
Auf deutsch übersetzt das: Netanyahu kann sagen was er will, aber HIER lassen wir uns nicht mehr reinreden! Nachdem nun auch der Iranophobe Bandar bin Sultan nicht mehr im syrischen Sattel sitzt, muss Riad seine Politik schlicht der Realität anpassen. Das bedeutet aber nicht, dass der Traum vom Sturz von Bashir al-Assad ausgeträumt ist. Auch Washington teilt nach wie vor den selben Traum, obwohl die Geheimdienste längst ihre Einschätzung zur Lage in Syrien revidiert haben und der einhellige Tenor nun ist, dass Assad am Drücker ist und die Mehrheit der Syrer hinter ihm steht.

Es sind aber nicht nur die Saudis die schlechte Karten in Syrien haben. Den USA geht es da nicht besser, und das nagt doch ziemlich am Selbstbewusstsein des mächtigsten Staates der Erde. John Kerry hat angeblich gegenüber einigen US-Senatoren zugegeben, dass die bisherige US-Politik in Syrien gescheitert ist und dass man die Strategie ändern muss. Angesichts der Tatsache dass die Obama-Administration tatsächlich an einer Annäherung mit Teheran interessiert ist, auch wenn es immer wieder rhetorische Seitenhiebe gibt die das Gegenteil vermuten lassen, dann dürfte sich die neue US-Strategie in Syrien nicht fundamental diametral den iranischen Interessen entgegenstellen. Noch nicht. Zur Erinnerung: Washington`s ursprüngliche Gründe zur Beseitigung von Assad lagen hauptsächlich in der Eliminierung von Irans soft power in der Region. Für gewisse Neokonservative Kreise aber war Damaskus nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Regimewechsel in Teheran, wie es der ehemalige NATO-Kommandeur Wesley Clark in einer Rede selbst sagte: "... wir starten mit dem Irak, danach gehen wir nach Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran".

Sollten die Verhandlungen aber mit dem Iran scheitern, unabhängig der Gründe dafür, dann möchte Washington sicher nicht ohne einen Trumpf im Ärmel dastehen. Und dafür braucht man eben die Saudis. Aber an diesem Punkt sind wir (noch) nicht.
Damit nun Saudi Arabien ihren vermeintlichen Führungsanspruch unter Beweis stellen kann, "darf" der saudische Inneminister und womöglich künftiger König, Muhammad bin Nayif, mit US-Segen entschlossener in Syrien eingreifen. Und prompt brodelte die Gerüchteküche, als nach dem Besuch bin Nayif`s in Washington der saudische Kronprinz und Verteidigungsminister Salman bin Abdul Aziz nach Pakistan flog um einen Verteidigungspakt zwischen den beiden Staaten zu unterzeichnen, und nebenbei auch angefragt haben soll, pakistanische Luftabwehrraketen für die "guten" syrischen  Rebellen zu kaufen. Diese Berichte sorgten für extremen Wirbel in der pakistanischen Regierung, und veranlassten den Regierungssprecher zur Aussage dass es "keine Änderung der Regierungspolitik zu Syrien gibt".  Er meinte weiter, dass jeder weiss was es bedeutet sich in den "Schlamassel des Mittleren Ostens" einzumischen, und dass Pakistan "genug eigene Probleme hat und man sich das nicht leisten kann".
Nichtsdestotroz wird dieser amerikanische Strategiewechsel in Syrien zur Folge haben, dass Saudi Arabien die "guten" Extremisten in Syrien mit neuen Waffen ausstatten wird um propagandistisch den Kampf gegen Assad in der Mehrheitlich vom Wahhabismus geprägten Arabischen Halbinsel auszuschlachten. Da in Washington aber niemand mehr ernsthaft daran glaubt dass der syrische Präsident militärisch zu stürzen ist, hat sich Prinz bin Nayif dafür "verpflichten" müssen, nicht nur gegen die syrische Armee vorzugehen sondern auch gegen die Al Qaeda Ableger wie Jabhat al-Nusra oder ISIS. Und schon wird in den US-Medien die Gefahr für die USA heraufbeschworen die von Al Qaeda (wieder) ausgeht, unter aktiver Beteiligung von CIA-Chef John Brennan, um das amerikanische Volk auf auch weiterhin für den "Kampf gegen den Terror" fit zu halten.


Beteiligt an dieser Ausweitung der Propaganda sind auch die Medien der Arabischen Halbinsel, denn es muss den gläubigen Wahhabiten ja klar gemacht werden, weshalb ausgerechnet die schlagkräftigsten Gruppen in Syrien nun plötzlich von den eigenen Regierungen bekämpft werden, obwohl man sie bisher aktiv unterstützt hat und sie als Avantgarde im Religionskrieg gegen die "Ungläubigen" betrachtete.

Das alles wird König Abdullah II. von Jordanien ziemlich Kopfzerbrechen bereiten. Denn aus seinem Land werden und wurden die Operationen über die Grenze hinweg geführt (Logistik, Training, Ausbildung, Rückzugsgebiete). In seinem Land hat die grösste Anzahl von Syrien Zuflucht gefunden. Und aus seinem Land wächst die Zahl von Salafisten beständig, die sich auf den Weg über die Grenze machen um Seite an Seite von Jabhat al-Nusra gegen die syrischen Truppen zu kämpfen. Gleichzeitig wird aber die US-Präsenz in Jordanien, welche bisher offiziell die Rolle als Ausbilder für die "guten" Rebellen inne hatte, immer mehr zu einem voll funktionstüchtigen Hauptquartier der US-Armee ausgebaut.  Dieser Widerspruch, Bekämpfung von wahhabitischen Extremisten welches von diesem Hauptquartier koordiniert werden soll und der Zustrom von jordanischen Salafisten zu eben jenen Gruppierungen, wird zwangsweise negative Auswirkungen auf die innere Sicherheit von Jordanien haben. Als kleines "Schmankerl" aber wurde dem jordanischen Monarchen nebst der jährlichen Gratifikation für den Friedensvertrag von 1994 mit Israel über 660 Millionen USD, eine Kreditgarantie über eine Milliarde US-Dollar von Präsident Obama persönlich gewährt (von den Petromonarchien der Arabischen Halbinsel wurden Jordanien 5 Milliarden USD zugesagt).




Donnerstag, 20. Februar 2014

Bibi hat mich in einen Antisemit verwandelt

"Bibi hat mich in einen Antisemit verwandelt" ist eine Reaktion des Israeli Roy Isacowitz zu den verzweifelten Versuchen der israelischen Regierung, die BDS-Kampagne gegen die israelische Besatzung von Palästina und Syrien (Golan Höhen) als "klassischen Antisemitismus im modernen Umhang" zu verteufeln.
Diese Zeilen von Roy Isacowitz sind aber angesichts der äusserst ernsten Tragweite dieser Anschuldigung Netanyahu`s von herzerfrischendem Mix von Selbstironie und Zynismus, dass sie es absolut verdient haben in die deutsche Sprache übersetzt zu werden. Daher hier meine Übersetzung:

"Es ist nicht einfach für jemanden zu akzeptieren, der seit seiner Geburt Jüdisch ist, seit über 40 Jahren in Israel lebt und gerne daran glaubt dass er keinen rassistischen Knochen in seinem Körper hat. In Wirklichkeit ist es ein echter Hammer!

Aber es muss ja wahr sein weil es Ministerpräsident Netanyahu gesagt hat dass es so ist - und wir alle wissen dass Bibi niemals unglaubwürdige und inkonsistente (Meinung von "play fast and loose" aus der Übers.) über Dinge sagen würde die so heilig sind wie Antisemitismus und Holocaust. 

Um genauer zu sein, Netanyahu beschrieb Unterstützer eines Boykotts gegen Israel, von welchen ich einer bin, als "klassische Antisemiten im modernen Umhang". In der Vergangenheit - sagte der Ministerpräsident Anfang der Woche - "boykottierten Antisemiten jüdische Geschäfte, und heute rufen sie zum Boykott gegen den Jüdischen Staat auf."

Fall geschlossen. Jeder der einen Boykott gegen Israel unterstützt um es als Druckmittel zu nutzen damit es (Israel) ihre verrückte und suizidale Herrschaft über das palästinensische Volk aufgibt, ist ein klassischer Antisemit. Nicht ein ordinärer, nullachtfünfzehn Antisemit, nein, sondern ein klassischer - vom Typ der zuerst noch durch die Protokolle von Zion fliegt bevor er das Licht in der Nacht ausmacht und glaubt, dass die Juden christliches Blut für das backen ihres Matzot benutzen. 

Es ist auch wert zu erwähnen, dass das Boykott-Gesetz der Regierung speziell "jedes Gebiet unter israelischer Kontrolle" inkludiert hat, was bedeutet dass selbst der Verzicht von Weinen aus dem Golan ein sicheres Zeichen von Antisemitismus ist. Wenn sie also das nächste Mal im Supermarkt die Herkunft der Petersilie überprüfen möchten, denken sie nochmal darüber nach. Das nächste was sie dann wissen werden ist, dass sie Hakenkreuze an die Wände sprayen werden. 

Das ist wie Drogen dieses antisemitische Zeug.  Sie beginnen mit etwas Kleinem, wie Vermeidung von Kräutern aus Gush Etzion (illegale Siedlung), und bevor sie es wissen ziehen sie sich mit Schaum vorm Mund Mein Kampf rein.

Es ist das Gleiche, ehrlich; Antisemitismus ist Antisemitismus. Nur ein proto-Antisemit würde nach Nuancen im Schmutz und Dreck schauen. Glücklicherweise haben wir unseren scharfen und zielsicheren Ministerpräsidenten um die Gefahr abzuwehren und uns auf der Geraden und Enge zu halten. Nur er weiss wie teuflisch hinterhältig die Antisemiten wirklich sind. 

Es wird seine Zeit brauchen bis ich mich daran gewöhnt habe ein klassischer Antisemit zu sein. Es ist wie in meinen Sechzigern herauszufinden, dass mein biologischer Vater in der Tat Himmler war oder das ich fälschlicherweise nach meiner Geburt verwechselt wurde (ich frage mich ob er auch zum Antisemit gemacht worden wäre). Ein ganzes Leben von Selbstfindung muss zerschrottet werden und der Prozess von vorne begonnen werden.

Nicht das es gänzlich unerwartet gekommen wäre, um ehrlich zu sein. Ich habe relativ früh verstanden dass das progressive, nicht-rassische Judentum welches ich mit der Muttermilch eingeflösst bekommen habe (was war in dieser verdammten Milch um Himmels Willen?), weit weg von dem Judentum war welcher Israel aufrecht hält. So ziemlich von Anfang an war ich ein bisschen ein jüdischer wunder Stachel in Israel; ein Anachronismus unter meinen exklusiven und revanchistischen jüdischen Gefährten. 

Aber ich mich noch nie zuvor als Antisemit betrachtet. Ein nicht-mainstream Israeli, sicherlich; ein nicht-Zionist, vielleicht; sogar, vielleicht, ein quasi-selbsthassender Jude. Aber niemals ein Antisemit. 

Nun dank dem Ministerpräsidenten habe ich das Licht entdeckt. Ich bin zu alt und zu sehr festgefahren um meine Politik zu ändern, so dass ich mich einfach daran gewöhnen muss ein Antisemit zu sein und das beste daraus zu machen. Lerne mein antisemitisches Selbst zu lieben, wie es die moderne Pop-Psychologie bezeichnen würden. 

Und ich bin froh sagen zu können, dass es ein paar Glimmer der Erleuchtung zu geben scheint, wenn nicht exakte Hoffnung. Zum einen scheinen wir Antisemiten die Stimmung des Ministerpräsidenten und seiner Kohorten zu säuern. Es gibt keinen Zweifel dass sie von diesem Boykottzeugs besorgt sind, und besorgte Juden sollten einen Antisemiten glücklich machen, denke ich zumindest. Ich bin nach wie vor ein Novize bei den Antisemiten, deshalb weiss ich das nicht wirklich. Aber die Zeichen sind gut. 

Dann gibt es da noch die komischen, nagenden Zweifel die ich gelegentlich wegen meiner politischen Positionen hatte - wie zum Beispiel wegen dem Iran. Für mich hatte Netanyahu schon immer eine starke Strangelovian (Besessenheit von nuklearer Apokalypse, vor allem durch Inkompetenz oder Kurzsichtigkeit) Besessenheit den Iran mit Atombomben anzugreifen, aber ich gebe zu dass es Momente gab wo ich mich fragte ob er vielleicht doch mehr darüber weiss was abgeht als ich; immerhin ist er der Ministerpräsident.

Jetzt muss ich mich nicht mehr länger sorgen. Als ein Antisemit kann ich den jüdischen Ministerpräsidenten ohne Skrupel oder Gewissen zumüllen. Wenn pro-Israeli zu sein bedeutet, intellektuell so unehrlich wie der Ministerpräsident zu sein, dann könnte ich möglicherweise als ein Antisemit eine Stufe höher sein."   
 

Mittwoch, 19. Februar 2014

Ukraine ist Wichtig

Obwohl sich dieser Blog hauptsächlich mit dem Mittleren Osten beschäftigt, könnten die Entwicklungen in der Ukraine auch ernsthafte Folgen in dieser Region haben. Es geht in diesen mittlerweile tödlichen Protesten in Kiew längst nicht mehr um eine politische Opposition oder demokratische Forderungen des Volkes gegenüber der Regierung, sondern um eine aktive Einmischung des Westens in die innere Angelegenheit der Ukraine. Noch mal zur Erinnerung: die Proteste begannen erst, als der ukrainische Präsident Viktor Janukovitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU überraschend absagte. Die Demonstrationen die daraufhin aufflammten sollten gem. unseren Medien zeigen, dass das Volk absolut hinter der Europäischen Union stand und Janukovitsch etwas getan hat, was so eigentlich niemand für gut hiess.
Als dann am 01. Januar 2014 etwa 15`000 rechtsradikale Unterstützer der "Freiheitspartei" durch die Strassen Kiew`s zogen und gegen die Zentralregierung protestierten, wurden sie von unseren Medien als "pro-westliche Nationalisten" bezeichnet. 

Dass es sich um diese "pro-westliche Nationalisten" nicht um friedliche Demonstranten handelt, zeigen die Bilder der Kriegsähnlichen Zustände der letzten Nacht in Kiew:


Auch die Reaktion des schwedischen Aussenministers Carl Bildt spricht Bände:

 (Bildt fordert "Unterstützung für den europäischen Traum für die Ukraine"?)
(Sofortige Schuldzuweisung in martialischer Ausdrucksweise)






Auch die Tatsache dass nicht erst durch das "F..K the EU" von US-Assistent Secretary of State Victoria Nuland klar ist, dass Washington endlich Resultate in der Ukraine sehen will, sondern mit dem erst kürzlich aufgetauchten Eingeständnis von der gleichen Victoria Nuland, dass die USA bisher 5 Milliarden US-Dollar aufgewendet haben, um "der Ukraine zu helfen diese und andere Ziele zu erreichen". Mit "diesen und anderen Zielen" meinte Nuland die Ziele der "Ukrainischen Europäer", oder kurz gesagt: den Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Viktor Janukovitsch.

  

Hier meine Übersetzung einer meines Erachtens nach realistischeren Einschätzung der Geschehnisse in der Ukraine von Thierry Meyssan:

"Die Ukraine war historisch bedingt geteilt zwischen dem Westen, mit einer Bevölkerung die sich der Europäischen Union zugehörig fühlt, und dem Osten mit einer Bevölkerung welche Russland orientiert ist, und noch einer kleinen muslimischen Minderheit auf der Halbinsel Krim. 
Nach der Unabhängigkeit des Landes zerbröckelte langsam die Regierung. Diese Konfusion nutzten die Vereinigten Staaten aus und organisierten die "Orangene Revolution" (im Jahr 2004), welche einen Mafia Clan an die Macht brachte, ebenfalls pro-Westlich eingestellt. Moskau reagierte durch Anheben von deren Subventionen der Gaspreise, doch die orangene Regierung konnte sich nicht auf ihre westliche Alliierte verlassen um für die erhöhten Gaspreise aufzukommen. Deshalb verloren sie die Präsidentschaftswahlen von 2010 zugunsten von Viktor Janukovitsch, einem korrupten Politiker und ein mal ja/mal nein pro-Russe. 

Am 21. November 2013 sagte die Regierung das ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union ab. Die Opposition antwortete mit Protesten in Kiew und dem westlichen Teil der Ukraine, welche schnell den Anschein eines Aufstandes einnahmen. Sie riefen nach vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und lehnten es ab, eine gemeinsame Regierung zu bilden nachdem es Präsident Janukovitsch angeboten hatte; daraufhin trat der Ministerpräsident zurück. Diese Ereignisse wurden von Radio Free Europe (welches vom US-Aussenministerium geführt wird) Euromaidan getauft, dann Eurorevolution. 
Die "Massenkontrolle" der Opposition oblag (bis anhin) der Azatlyk, einer Gruppe von jungen Krim Tataren welche erst kürzlich vom Jihad aus Syrien für diesen Zweck angereist sind. 

Die westlichen Medien nehmen Partei für die Sache der "demokratischen Opposition" und verurteilen den russischen Einfluss. Westliche VIP`s fliegen ein um ihre Unterstützung für die Protestler zu verfestigen, einschliesslich Victoria Nuland (Assistent Secretary of State und ehemalige US-Botschafterin in der NATO) und John McCain (berüchtigter Kriegstreiber). Die russische Presse verurteilt für ihren Teil die Protestler die auf die Strasse gegangen sind um demokratisch gewählte Institutionen zu stürzen.


(John McCain am 15.12.13 in Kiew, rechts neben ihm der rechtsradikale Anführer Oleh Tyahnybok, dessen Antisemitische Partei sich für die Ausbürgerung jüdischer Ukrainer einsetzt)








  Zuerst schien es als ob diese Bewegung einen Versuch darstellt, eine zweite "Orange Revolution" anzuzetteln. Doch am 1. Januar 2014 wechselte die Macht in der Strasse die Hände. Die Nazi "Freiheit" Partei organisierte einen 15`000 (Mann) starken Fackelmarsch in Gedenken an Stepan Bandera (1909-1959), dem nationalistischen Führer welcher sich den Nazis gegen die Sowjets anschloss. Seit diesem Ereignis wurde die Hauptstadt (Kiew) mit anti-semitischen Graffiti zugepflastert und Menschen wurden attackiert weil sie jüdisch sind.

Die pro-europäische Opposition besteht aus drei politischen Parteien:

- die Ganz-Ukrainische Union "Vaterland" (Batkyvshchyna), geführt durch die Oligarchin und ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko (sitzt eine Haftstrafe wegen Unterschlagung ab), wird momentan vom Anwalt und ehemaligen Parlamentssprecher Arseniy Yatsenjuk geführt. Sie (die Partei) steht für Privateigentum und dem liberalen Model des Westens. Sie erhielt 25.57% der Stimmen während der Parlamentswahlen von 2012.

- die Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen (Udar = russisch für "Schlag") des ehemaligen Boxweltmeisters Vitali Klitschko. Sie geben für die christliche Demokratie einzustehen und haben in den Wahlen von 2012 13.98% erzielt.

- die Ganz-Ukrainische Union "Svoboda" (Freiheit), geführt durch den Chirurgen Oleh Tyahnybok. Diese politische Gruppe entsprang aus National Sozialistischen Partei der Ukraine. Sie fördern die Ausbürgerung jüdischer Ukrainer.  Sie gewannen 10.45% der Stimmen in der Parlamentswahl 2012.

Diese Parlamentsparteien haben die Unterstützung von folgenden Organisationen:

- Der Kongress der Ukrainischen Nationalisten; eine Nazi Splittergruppe aus dem ehemaligen NATO-Netzwerk im Ostblock. Eine zionistische (Gruppierung) welche sich für die Ausbürgerung und Deportation der ukrainischen Juden nach Israel einsetzt. Sie erreichten 1.11% der Stimmen in der Wahl 2012.

- Die Ukrainische Selbstverteidigung; eine nationalistische Splittergruppe welche ihre Mitglieder nach Tschetschenien und Ossetien entsandte um gegen Russen zu kämpfen. Sie erhielten 0.08% der Stimmen 2012.

Zusätzlich hat die Opposition die Billigung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche erhalten, was als Revolte gegen das Moskauer Patriarchat gilt. Seitdem die Nazi Partei die Strasse übernommen hat, haben die Demonstranten - viele von ihnen tragen Helme und paramilitärische Uniformen - Barrikaden errichtet und Regierungsgebäude gestürmt. Gewisse Elemente der Polizeikräfte haben auch grosse Brutalität angewendet, was soweit ging als das Gefangene gefoltert wurden. Ein Dutzend Protestler wurden getötet und fast 2000 verwundet. Die Unruhen verbreiteten sich in die westlichen Provinzen des Landes.

Gemäss unseren Informationen versucht die ukrainische Opposition Militärmaterial zu importieren welche sie auf Parallelmärkten erworben haben. Es ist offensichtlich nicht möglich Waffen in Westeuropa zu kaufen und diese ins Land zu bringen ohne grünes Licht der NATO. 

Washington`s Strategie in der Ukraine scheint eine Kombination von bewährten "Farbrevolutionen"-Rezepten mit anderen kürzlich Erworbenen während des "Arabischen Frühlings". Zudem unternehmen die Vereinigten Staaten keine Anstrengung es zu verbergen, (nachdem) sie zwei Offizielle wie Victoria Nuland und John McCain entsandt haben um die Protestler zu unterstützen. Im Gegensatz zu Libyen und Syrien hat Washington keine Jihadisten zur Hand um Chaos zu säen (abgesehen von tatarischen Extremisten, diese sind jedoch auf die Krim Halbinsel beschränkt). Es wurde deshalb entschieden sich auf die Nazis anzulehnen, mit welchen das Aussenministerium gegen die Sowjets gearbeitet hat und die sich seit der Unabhängigkeit der Ukraine in politische Parteien organisiert haben.

Der unerfahrene Leser könnte aufgrund dieser Allianz zwischen der Obama-Administration und den Nazis überrascht sein. Es muss allerdings daran erinnert werden, dass die ukrainischen Nazis öffentlich im Weissen Haus durch Ronald Reagan geehrt wurden, einschliesslich Jaroslav Stetsko, dem ukrainischen Ministerpräsidenten unter dem Dritten Reich, der der Kopf des anti-Bolschewikischen Blocks der Nationen und ein Mitglied der Welt Anti-Kommunistischen Liga wurde. Einer seiner Stellvertreter, Lev Dobriansky, wurde US-Botschafter auf den Bahamas, während seine Tochter Paula Dobriansky als Unterstaatssekretärin für Demokratie in der Administration von George W. Bush diente! Es ist die gleiche Frau Dobriansky die für zehn Jahre eine historische Untersuchung sponserte, mit der Absicht die Tatsache zu verschleiern, dass der Holodomor, die Hungersnot welche die Ukraine 1932-33 traf, auch Russland und Kasachstan verwüstete, um so den Mythos zu verstärken dass Stalin entschlossen war das ukrainische Volk zu eliminieren. 

Tatsächlich hatte Washington, welches die deutsche Nazipartei bis 1939 unterstützte und weiter Geschäfte mit Nazideutschland bis Ende 1941 betrieb, nie ein moralisches Problem mit dem Nazismus, nicht mehr als es heute hat indem es militärische Unterstützung für die Jihadisten in Syrien bietet. 

Die westliche europäische Elite welche den Nazismus als Vorwand nutzt um Hitzköpfe zu belästigen - wie man es mit der Kontroverse um den französischen Komödianten Dieudonne M`Bala M`Bala sehen konnte - scheint vergessen zu haben was es wirklich ist. Im Jahr 2005 schlossen sie vor der Rehabilitation des Nazismus durch die litauische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga ihre Augen, als ob es etwas triviales wäre. Nur durch die einfache Kraft von Aussagen zugunsten der Europäischen Union und eingepackt in deren seligen Atlantizismus, stecken sie nun unter einer Decke mit dem schlimmsten Feind. 

Ein Bürgerkrieg könnte ohne Weiteres während den Olympischen Spielen von Sochi beginnen."    

Dienstag, 18. Februar 2014

Ist Israel eine Demokratie?

Ist Israel eine Demokratie? Angesichts der vielen Bekundungen von Offiziellen in diese Richtung erscheint diese Frage vielleicht etwas irritierend. Zuletzt hatte der Parlamentspräsident der Europäischen Union Martin Schulz in seiner Rede vor der Knesset beteuert, dass "Israel heute eine starke Demokratie" und "eine pulsierende, offene Gesellschaft mit all ihren Konflikten" ist. 
Der kanadische Premierminister Stephen Harper äusserte sich bei seiner Rede vor der Knesset Ende Januar mit ähnlichen Worten, nämlich das Israel "das einzige Land im Mittleren Osten ist, das sich bereits vor langer Zeit in den Idealen von Freiheit, Demokratie und Gesetz verankert hat."
George W. Bush äusserte sich in einer Rede vor der AIPAC-Konferenz am 22. Mai 2000, damals noch in seiner Funktion als Gouverneur von Texas, dass "Amerika und Israel Brüder und Schwestern in der Familie der Demokratie sind". Nach der Invasion des Iraks im Jahr 2003, skizzierte Bush als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eine Vision des Mittleren Ostens, wonach alle Länder sich in blühende Demokratien verwandeln sollten, ganz nach dem Muster des erst frisch besetzten Iraks.
Der erste Aufschrei nach demokratischen Wahlen erfolgte im Sommer 2005, als im Libanon die syrische Armee die letzten Stellungen geräumt hatte und anschliessend Parlamentswahlen durchgeführt wurden. Dabei gewann die Partei Gottes (Hezballah) einen entscheidenden Anteil der Regierungssitze. Die Verblüffung in der Bush-Administration war riesengross und entsprechend fiel die Reaktion auf das Wahlergebnis aus: "Die Vereinigten Staaten betrachten sie (Hezballah) als eine Terrororganisation die entwaffnet werden sollte", andere Regierungsbeamte meinten dass es keine "Rolle für eine bewaffnete Miliz in einer demokratischen Regierung" geben dürfte.
Und als man dann hinging und auf Druck Washingtons Anfang 2006 die ersten Wahlen in Palästina abhielt um die Macht der gewünschten Partei, der Fatah, zu zementieren, zerschlug es allen die Sprache als nicht die Fatah die Mehrheit der Stimmen erlangte, sondern die Hamas.
Condoleeza Rice, Aussenministerin der USA in dieser Zeit, ging daher auch sofort zum Angriff über und erklärte, dass eine Partei "nicht einen Fuss in der Politik und den anderen im Terror haben kann. Unsere (US-) Position gegenüber der Hamas hat sich daher nicht geändert."

Demokratie hin oder her, an der US-Position hatte sich tatsächlich nichts geändert wie Condoleeza "Condie" Rice es so eloquent beschrieben hat. Stattdessen griff das mächtigste Land der Welt in Zusammenarbeit mit der "einzigen Demokratie im Mittleren Osten" Israel zum einzigen Mittel das man wirklich gut kannte, nämlich den Waffen. So organisierte das Weisse Haus neue Waffen, die man via Israel den Sicherheitskräften der Fatah zuschob damit diese einen Bürgerkrieg gegen die Hamas starten konnte. Und es kam wie es kommen musste: der Plan schlug fehl! Statt sie zu zerstören hinterliess dieser Plan der Bush-Administration die Hamas nur noch stärker und verjagte dann auch die Fatah aus dem Gaza-Streifen. Diese zynische Heuchelei war dann wohl selbst für den Neokonservativen David Wurmser zuviel, der daraufhin seine Stelle als Chefberater für den Mittleren Osten im Büro des Vize-Präsidenten Dick Cheney aufgab. Wurmser`s Worte zu diesem US-Skandal: "Es gibt eine atemberaubende Trennlinie zwischen dem Ruf des Präsidenten nach Demokratie im Mittleren Osten und dieser Politik. Sie widerspricht ihr direkt."

Seit diese demokratischen Wahlen nicht die gewünschten Parteien an die Macht brachten und eben jene Überraschungen zuliessen die allgemein bei einer demokratischen Wahl zu erwarten sind, nennt sich Israel nicht mehr nur noch "die einzige Demokratie im Mittleren Osten", sondern "die einzig wahre Demokratie im Mittleren Osten".  Aber ist das tatsächlich so?

Die Gründung des "demokratischen" Staates Israel

Dieses Wort "Demokratie" erscheint nirgendwo in der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel. Auch wenn der kanadische Premierminister eine ähnliche Version aus der Passage dieser Unabhängigkeitserklärung bei seiner Rede vor der Knesset zitiert hat (siehe weiter oben), fehlt dieses Wort "Demokratie" im Original vollkommen. Hier die entsprechende Passage aus dem Jahr 1948:
"Der Staat von Israel wird für die jüdische Immigration offen sein sowie für die Zusammenkunft der Exilanten; er wird die Entwicklung des Staates zum Wohle alle seiner Bewohner fördern; er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden basieren wie es von den Propheten Israels vorhergesehen wurde; er wird die komplette Gleichstellung von sozialen und politischen Rechten aller seiner Bewohner unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht sicherstellen; er wird die Freiheit von Religion, Bewusstsein, Sprache, Erziehung und Kultur garantieren; er wird die Heiligen Plätze aller Religionen bewachen und er wird den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben."

Zusammengefasst heisst das also, dass per 14. Mai 1948 als mit dieser Unabhängigkeitserklärung der Staat Israel gegründet wurde, dieser Staat auf dem Fundament von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden basieren sollte wie es die biblischen Propheten Israels vorgesehen hatten. Desweiteren steht in dieser Erklärung schwarz auf weiss geschrieben, dass der "Staat Israel für die jüdische Immigration offen sein wird, sowie für die Zusammenkunft der Exilanten". Wenn also explizit eine bestimmte religiöse Gemeinschaft genannt wird die für die Immigration nach Israel in Frage kommt, dann heisst das konsequenterweise dass die Türen für alle anderen geschlossen sind.
Nun gibt und gab es immer wieder jene Apologeten die darauf hinweisen, dass aber im gleichen Abschnitt die Rede von "Gleichstellung von sozialen und politischen Rechten aller seiner Bewohner unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht sichergestellt wird" ist.

Das ist in meinen Augen nur eine absichtliche Augenwischerei mit der Absicht, die wahren Tatsachen zu unterdrücken. Denn zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung, dem 14. Mai 1948, befanden sich die zionistischen Milizen bereits seit fast 6 Monaten im Krieg gegen die einheimische palästinensische Bevölkerung. Bis zum 14. Mai wurden nach Angaben der Haganah-Archive bereits 391`000 Palästinenser von ihrem Grund und Boden vertrieben. Für Statistikfans hier die nackten Zahlen zum Vergleich: im Jahr 1946 lebten nach dem britischen Zensus zufolge 608`000 Juden, 145`000 Christen und 1`077`000 Muslime im britischen Mandatsgebiet von Palästina. Das heisst, von den 1`222`000 Palästinensern (Muslime und Christen) wurde noch vor Gründung des Staates Israel Mitte Mai 1948 ca. 32% der Bevölkerung aus ihrer Heimat vertrieben. Noch erdrückender werden die Zahlen, wenn man die geografische Verteilung der systematischen Vertreibung berücksichtigt. Denn es lebten ja nicht alle Palästinenser auf dem Gebiet des heutigen Israel, sondern etwa die Hälfte lebte auf dem Gebiet das heute die West Bank und den Gaza-Streifen darstellt.
Von den 684`000 Palästinensern die seit Jahrhunderten auf dem Gebiet des heutigen Israel lebten, wurden also bis zur Staatsgründung Israels 391`000 Menschen vertrieben; das sind ca. 57%! Bis zum Waffenstillstandsabkommen vom 03. April 1949 wurden insgesamt 805`000 (65%!) Palästinenser aus ihren Dörfern und Städten vertrieben und auf dem neu eroberten Staatsgebiet von Israel lebten nur noch knapp 121`000 Palästinenser.


Vergleicht man diese Zahlen und Grafiken mit den tatsächlichen Gebieten die noch 1947 im jüdischen Eigentum waren, dann wird schnell klar dass die zionistische Führung unter David Ben Gurion von Anfang an auf Expansion aus war. Und zwar auf Kosten der einheimischen Bevölkerung.


Dass die Vertreibung der Palästinenser nicht etwa im Hitze des Gefechts oder als unbeabsichtigte Folge eines unberechenbares Krieges war, wie manche in der jüngeren Vergangenheit versucht haben die ethnische Säuberung der Zionisten zu erklären, sondern eine absolut geplante und gewollte Aktion der Führung der Jewish Agency, zeigte David Ben Gurion an einer Sitzung der Exekutive der Jewish Agency am 02.11.1947. Vor versammelter Führungsriege erklärte er:
"Die Palästinenser innerhalb des Jüdischen Staates könnten eine Fünfte Kolonne werden, und sollte es so sein, können sie entweder massenhaft verhaftet oder vertrieben werden; es ist besser sie zu vertreiben."
Es ist bezeichnend für die Entschlossenheit der Exekutive der Jewish Agency ihre Pläne auch in die Tat umzusetzen, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt, am 02. November 1947, von einem "Jüdischen Staat" sprachen, obwohl die UN-Abstimmung zur Teilung Palästina`s erst 27 Tage später stattfand.
Nur ein paar Wochen später fand das "Lange Seminar" der Berater der zionistischen Führung vom 31.12.1947 bis 02.01.1948 statt. Zu diesem Berater-Gremium gehörten u.a. David Ben Gurion, die Haganah-Kommandeure Yigal Allon, Moshe Dayan, Yigal Yadin und Josef Weitz. Die Rolle von Josef Weitz in diesem Gremium kann nicht genug hervorgehoben werden. Er war einer der lautesten Verfechter des euphemistisch bezeichnenden "Transfers" der Palästinenser, also der Vertreibung. In seiner Rolle als Vorsitzender des Jewish National Fund oblag ihm die Verantwortung, jedes einzelne palästinensische Dorf in Palästina in die Datenbank des Jewish National Fund aufzuzeichnen um genau Buch zu führen, wo und wieviele Palästinenser lebten. Durch diese Datenbank erhielt die Haganah (die jüdische Miliz aus welcher später die Israel Defence Force hervorging) eine detaillierte Karte zur Hand, um die Vertreibungen äusserst effektiv durchzuführen.
Während diesem "Langen Seminar" überzeugte Josef Weitz David Ben Gurion davon, den "Transfer" als "Eckpfeiler der zionistischen Politik" zu übernehmen, was ihm schliesslich auch gelang. Weitz erhielt den Auftrag das "Transfer Kommittee" zu gründen, welches die Vertreibung überwachen sollte.
Es war auch in diesem "Langen Seminar" wo entschieden wurde, dass die gesamte Anstrengung der Haganah-Kräfte auf eine offensive Ausrichtung gelenkt werden sollen. Das bedeutete die Zeit der Gleichmässigkeit und der Zurückhaltung war endgültig vorbei. David Ben Gurion gab den Befehl nicht mehr zwischen Unschuldigen und Schuldigen zu unterscheiden; grösstmöglicher "Kollateralschaden" sollte die neue Maxime werden. Ezra Danin, ein weiterer Kommandeur der Haganah, gab Jahre später bekannt was Ben Gurion als "Kollateralschaden" meinte: jeder Angriff muss mit der Besetzung, Zerstörung und Vertreibung enden. Der Generalstabchef der Haganah, Yigal Allon, erläuterte Ben Gurion`s Befehl noch deutlicher. Allon meinte dass eine neue Form der Indoktrination stattfinden müsse, dass man nicht mehr von "Vergeltungsangriffe" spricht, weil das nicht das wäre was man macht: "Das ist eine Offensive und wir müssen Präventivschläge einsetzen und nicht mehr darauf warten dass uns ein Dorf angreift. Wir haben unsere Möglichkeiten zur Strangulation der palästinensischen Wirtschaft nicht richtig genutzt. Wir müssen jetzt stark und brutal reagieren. Wir müssen unser Timing, Ort und Zielpersonen genau definieren. Wenn wir eine Familie beschuldigen müssen wir ihnen ohne Gnade zusetzen, Frauen und Kinder inklusive. Andernfalls ist nicht eine effektive Reaktion. Während der Operation braucht man nicht zwischen Schuldigen und Unschuldigen unterscheiden."

Diese Fakten sind wichtig um eine Vorstellung des Zeitgeistes vom Mai 1948 zu erhalten. Der zionistischen Führung ging es nicht darum einen Staat für alle seine Bewohner zu gründen. Auch wenn in der Unabhängigkeitserklärung ein Lippenbekenntnis an "alle Bewohner" des Staates Israel gemacht wurde und man eine "Gleichstellung von sozialen und politischen Rechten, unabhängig von Rasse, Religion oder Geschlecht" sicherstellen wollte, galt dieser Anschein einer Demokratie nur der Beruhigung von berechtigten Zweifeln der westlichen Welt. Mit "allen Bewohnern" meinte die zionistische Führung in erster Linie die jüdische Bevölkerung, während man sich im Klaren war dass die Vertreibung der Palästinenser noch nicht abgeschlossen war.
Obwohl man sich insbesondere in den USA in den Wochen vor dem 14. Mai 1948 klar wurde dass eine Staatsgründung Israels nicht mehr zu verhindern ist, geht aus den Dokumenten des Aussenministeriums klar hervor dass man sich aber doch sicher war, dass ein neuer demokratischer Staat im Nahen Osten entstehen wird. Man hatte in Washington keine Ahnung darüber, dass noch am Vorabend der Unabhängigkeitserklärung eine entscheidende Abmachung zwischen der Jewish Agency, aus der dann die Übergangsregierung Israels gebildet wurde, und der religiösen jüdisch-orthodoxen Partei Agudat Israel getroffen wurde.
Der Grund für diese Abmachung war ein notwendiger Kompromiss zwischen der säkularen Jewish Agency und den religiösen Juden, die einem Jüdischen Staat ablehnend gegenüberstanden weil sie das als einen Bruch des biblischen Gelübdes betrachteten das Gott von den Juden abverlangt haben soll bevor sie ins Exil gingen. Dieses Gelübde besteht aus drei Teilen: sich nicht gegen die Nichtgläubigen (Nicht-Juden) zu erheben unter denen sie lebten; das Heilige Land nicht durch Gewalt zu erobern; nicht danach zu trachten das Ende der Tage zu beschleunigen.
Da der Zionismus gegen jeden einzelnen Teil dieses Gelübdes verstiess, benötigte die zionistische Führung aber sozusagen die Absolution der religiösen Führung. Die Agudat Israel konnte zwar nicht durchsetzen dass ein Gottesstaat, eine direkte Theokratie gegründet wurde, aber der erzielte Kompromiss stellte dennoch einen Teilerfolg für die jüdische Orthodoxie dar die zur künftigen Entwicklung der israelischen Bevölkerung massgeblich verantwortlich sein würde.

Nicht etwa die Demokratie nach westlichem Muster sollte die Grundlage des Staates werden, sondern die jüdisch-religiöse Praxis. Der Agudat Israel wurde das Familienrecht zugesprochen welches dann auch per Gesetz so verankert wurde. Das bedeutete dass nicht der Staat die Gesetze in diesem wichtigen Bereich machte oder über Recht und Unrecht entschied, sondern die jüdisch-religiöse Gesetzgebung der Halacha (im Islam die Sharia).

Als im Herbst 1948 die Rufe innerhalb Israels, insbesondere von den neu gegründeten Parteien, nach einer Verfassung laut wurden wie es in den Demokratien üblich ist um ein rechtsverbindliches Dokument in den Händen zu halten, wehrte sich David Ben Gurion mit aller Macht dagegen. Nicht nur dass seine Koalition mit den religiösen Parteien eine Verfassung als "weltliches Staatsdokument" ablehnte, sondern weil er selbst darin eine Gefahr für seine weiteren Pläne sah. Er selbst verteidigte seine Ablehnung vor der Knesset im Januar 1949 wie folgt: "Unser Staat ist der dynamischste der Welt und wird sich jeden Tag erneut bilden. Jeden Tag kommen neue Juden ins Land und jeden Tag wird verlassenes Land befreit. Diese Dynamik kann sich einem vorgegebenem Rahmen und künstlichen Fesseln nicht unterwerfen."
Vereinfacht gesagt wollte der Staatsgründer David Ben Gurion kein rechtlich bindendes Dokument haben, dass der "Dynamik" der Expansion, oder wie er es beschrieb der "Befreiung von verlassenem Land", im Wege stand. Damit war ein ständiger Konflikt im Nahen Osten vorprogrammiert, denn ohne eine Verfassung die gewisse Rechten und Pflichten eines demokratischen Staates festsetzt, konnten entsprechend die Aggressionskriege Israels auch nicht gegen irgendeine Verfassung verletzen oder der Staat von den Bürgern verklagt werden.
Daher gab es auch nie die Möglichkeit einer Klage der kleinen in Israel verbliebenen palästinensischen Minderheit gegen die 1949 verhängte Militärregierung die bis Dezember 1966 ihre Gültigkeit besass. Das Ziel dieser ausschliesslich gegen eine ethnische Minderheit verhängte Militärregierung war nicht etwa die "Sicherstellung der Gleichheit aller Bewohner" wie es noch in der Unabhängigkeitserklärung hiess, sondern die völlige Kontrolle dieser Minderheit. Die Verwaltung der Palästinenser oblag somit nicht den zivilen Behörden des israelischen Staates, sondern dem Militär. Was auch immer die Palästinenser benötigten, sie mussten ihre Anträge bei der israelischen Armee stellen und wurden 18 Jahre lang einer Ausgangssperre ab 21 Uhr unterstellt.

Ausserdem verhing der israelische Staat seit der Gründung bis heute über 50 Gesetze, die bewusst und gezielt auf die palästinensische Minderheit im Staat abzielt und sie gegenüber den jüdischen Israelis diskriminiert. Das ist offener Rassismus! In unseren Medien herrscht noch grosse Angst über dieses Thema zu sprechen, Angst davor sofort von der zionistischen Lobby als Antisemit bezeichnet zu werden. Weshalb aber diese Scheu vor der Berichterstattung von Tatsachen, wenn sogar selbst israelische Medien ihre Berichte mit dem Titel "Ein rassistischer jüdischer Staat" versehen?
In keiner Demokratie, zumindest nicht seit dem Inkraftsetzen des Civil Right Act von 1964 in den USA, welcher offiziell die Rassentrennung in Amerika beendete (obwohl diese in den letzten Jahren wieder stark zugenommen hat), gibt es solch eine Hülle und Fülle von rassistischen Gesetzen und gelebtem Rassismus wie in Israel. Während wir Europäer die Trennung im Busverkehr von Schwarzen und Weissen in den USA noch verurteilten, traut sich das im Falle Israels so gut wie niemand. Auf palästinensischem Gebiet ist diese Rassenaufteilung noch eklatanter, weshalb ja dieses System auch "Apartheid" genannt wird. In Hebron gibt ganze Strassen die nur von Juden benutzt werden dürfen, während die Strassen nur für Palästinenser oft nicht einmal mit einem ordentlichen Strassenbelag ausgestattet sind bzw. aufgrund der absurden Gesetzgebung diese nicht repariert werden können.

Deshalb ist die Frage nach dem Zustand der Demokratie in Israel nicht so einfach zu beantworten. Für Juden in Israel ist es definitiv eine Demokratie, während Nicht-Juden in Israel systematisch benachteiligt werden. Auch wenn jetzt vielleicht einige sagen: "Moment mal, die "israelischen Araber" (so werden die Palästinenser genannt die nach 1948 in Israel verblieben) dürfen doch wählen gehen und haben sogar Abgeordnete in der Regierung sitzen", ändert das dennoch nichts an der Tatsache dass die Minderheiten wie gesagt mit diversen Gesetzgebungen benachteiligt werden.
Und weil Israel auch seit 1967 eine Besatzungsmacht darstellt, in diesen "besetzten Gebieten" aber eine vollkommen andere Gesetzgebung als in Israel selbst angewendet wird, wird dieses System zurecht als Apartheidsystem bezeichnet, denn nichts anderes ist es ja im Endeffekt.
Ein Staat also der eine Ethnie gegenüber der anderen systematisch bevorzugt, ist nicht eine Demokratie nach unserem Verständnis, sondern eine Ethnokratie.

Donnerstag, 13. Februar 2014

US-Stolpersteine in Atomverhandlungen mit Iran

Nächste Woche finden die ersten Verhandlungen in Wien über ein "umfassendes Atom-Abkommen" mit dem Iran statt, welche als Fortsetzung des historischen Übergangsabkommens von Genf gelten.

In den letzten Wochen standen hunderte potentielle Investoren in Teheran Schlange, um sich und ihre Unternehmen vor den iranischen Behörden zu präsentieren. Allein aus Frankreich reiste eine 116-köpfige Delegation an mit Vertretern von prominenten Unternehmen wie Total, Technip oder GDF Suez die allesamt gerne in den iranischen Markt investieren würden.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und sein Aussenminister Ahmed Davotuglu reisten ebenfalls Ende Januar nach Teheran um Spitzengespräche mit der iranischen Führung zu halten. Angesichts der schweren politischen Regierungskrise zu Hause braucht Erdogan dringend ein Erfolgserlebnis, auch wenn es für ihn eher demütigend sein musste sich die massive Kritik an seiner Syrienpolitik anhören zu müssen. Es ging für Erdogan also um Schadensbegrenzung. Und um den Ausbau der Geschäftsbeziehung beider Länder sowie die Sicherstellung des immer grösser werdenden Energiehungers der Türkei. Und glaubt man dem quasi-Geheimdienstlichen Nachrichtenportal DEBKAfile, welches von Israel gesteuert wird, dann ging es Erdogan auch darum, seine Position gegenüber angeblichen US-Ambitionen ihn vom Thron zu stürzen, abzusichern.
An der Unterzeichnung von drei bilateralen Verträgen in Teheran, welche die Handelsbilanz zwischen der Türkei und Iran von 15 Milliarden USD auf 30 Milliarden USD bis 2015 verdoppeln soll, und der schon fast komischen Erklärung Erdogan`s dass er sich im Iran wie im "zweiten Zuhause" fühlt, konnte auch der einen Tag vor Abflug der Türken nach Teheran angeeilte David Cohen nichts ändern.
David Cohen ist im US-Finanzamt zuständig für die Einhaltung des illegalen Sanktionsregimes der Vereinigten Staaten, was ihn zum ersten Mann für die Obama-Administration macht der Jagd auf alle Länder und Unternehmen macht, die sich nicht an das Sanktionsregime der USA gegen den Iran halten. In Ankara drohte er seinen türkischen Amtskollegen keine Geschäfte mit Teheran zu machen: "Iran ist nicht offen für Geschäfte. Unternehmen die sich im Iran engagieren wollen sollten sich wirklich zurückhalten. Der Tag mag kommen wenn der Iran offen für Geschäfte ist, aber dieser Tag ist nicht heute."
Nein, mit dieser Drohung konnte Cohen den türkischen Ministerpräsidenten nicht überzeugen, der in Teheran nicht nur die Geschäftsbeziehung auszubauen versuchte, sondern auch in der Syrien-Frage sich ganz offensichtlich von seinem früheren Standpunkt distanziert und sich eher an die Realität angepasst hatte. Andernfalls wäre dieser Staatsbesuch nicht möglich gewesen und erst Recht nicht die Geschäftsabschlüsse. Die Türkei war längst nicht das einzige Land welches Cohen besuchte um die Verantwortlichen daran zu "erinnern", dass die Zeit noch nicht reif für Geschäfte mit dem Iran ist. Nach eigenen Angaben "erinnerte" er die Leute noch in Grossbritannien, Deutschland, Italien, Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Dieser plötzliche und völlig logische Ansturm von westlichen Unternehmen und Staatsmännern in den Iran schien die Amerikaner ziemlich überrascht zu haben, was ganz deutlich zeigt wie beschämend die EU-Unterwürfigkeit dem US-Diktat gegenüber dem initiierten Wirtschaftskrieg gegen den Iran war und völlig diametral den eigenen nationalen Interessen der einzelnen EU-Länder gegenüberstand. Und dennoch schien man in Washington davon auszugehen, dass sich die Europäer einfach damit abgefunden haben und weiter brav die Stange halten werden.
Selbst US-Präsident Barack Obama schreckte nicht davor zurück den zu Besuch weilenden französischen Präsidenten Hollande wegen der aussergewöhnlich grossen französischen Wirtschaftsdelegation masszuregeln welche nach Teheran gereist war, und warnte ihn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in bekannter amerikanischer Wild West Manier:
"Sie (die Unternehmen) tun dies jetzt auf eigene Gefahr, weil wir uns auf sie werfen werden wie eine Tonne Ziegelsteine".

In einer Anhörung vor dem Aussenpolitischen Ausschuss des US-Senats letzte Woche standen David Cohen und Wendy Sherman bezüglich des aktuellen Standes der Regierungsarbeit im Umgang mit dem Iran Antwort und Rede. Wäre es nicht eine todernste Angelegenheit die Einfluss auf die ganze Welt haben kann, dann wäre diese Anhörung einer traurigen Komödie sehr nahe gekommen.
Man muss sich die Fakten noch einmal vor Augen führen bevor man sich die Videos dieses Ausschusses ansieht, um diesen Irrsinn begreifen zu können der sich dort am 04. Februar abgespielt hat.
Also: die USA befinden sich zusammen mit fünf anderen Ländern in einer heissen Phase der Verhandlungen mit dem Iran um nicht nur ein Übergangsabkommen zu erzielen welches im Juli ausläuft, sondern ein Abkommen welches Zweifel und geschürte Ängste über Iran`s Atomprogramm beenden und der illegale Wirtschaftskrieg gegen den Iran beendet werden soll. Verhandlungsführerin auf amerikanischer Seite ist ebenjene Wendy Sherman, die nicht vor rassistischen Äusserungen wie "Täuschung ist ein Teil der DNA der iranischen Führung" zurückschreckt oder im eben jenen Ausschuss die These aufwirft, dass Teheran mit der ersten Tranche von 500 Millionen USD die es aufgrund des Genfer-Abkommens erhalten hat, das iranische Volk mit Nahrungsmittel versorgt. Diese Äusserung, welche ohne jegliche Angabe von Beweisen von Sherman in den Raum gestellt wurde um die anwesenden Senatoren davon zu überzeugen dass die Sanktionen das Land stark getroffen haben, traf die Iraner bis ins Mark weil sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlten und zu wütenden Protesten während den Feiern zum 35-jährigen Jubiläum der Islamischen Republik Iran führte.
Dann ist da noch David S. Cohen, ein bekennender Anhänger des anti-Iran Lagers im politischen Washington, der sich schon fast fanatisch der Jagd nach Organisationen und Personen verpflichtet hat, die sich in irgendeiner Weise mit dem Iran beschäftigen und verzweifelt versucht, irgendwelche Verbindungen von Al Qaeda zum Iran aufzuzeigen nur um das Bild eines "Schurkenstaates" zu unterstreichen.
Und ausgerechnet diese zwei Personen sitzen in einem Saal voll von Senatoren, von denen die meisten nichts von einer Annäherung zwischen den USA und dem Iran halten und das Vorgehen der Obama-Administration missbilligen. Aber schauen Sie sich die Videos gerne an und entscheiden selbst, ob das was dort gesagt wurde einer "Verhandlung in gutem Geiste" entspricht wie es von allen Seiten gefordert wird, aber dem Iran vorgeworfen wird genau nicht zu tun. (für alle die gerne die Transkripte lesen möchten, hier die Links der Aussagen von Wendy Sherman und David Cohen) Achten Sie bitte auf die Wortwahl des Vorsitzenden Senator Robert Menendez, der ebenfalls zu den "Falken" des politischen Spektrums gehört:


Natürlich ging es in diesem Ausschuss um die Beruhigung der Kriegstreiber im US-Kongress, die von diesen Verhandlungen nichts halten und am liebsten die Kriegsmaschinerie in Gang setzen würden. Aber dass die Nummer 3 des Aussenministeriums und Verhandlungsführerin Wendy Sherman so sehr über den Iran herzieht und die ganze Welt dabei zuhören kann, wird nicht gerade zu "Verhandlungen im guten Geiste" beitragen, wie es John Kerry vor Kurzem erst noch gefordert hatte.

Diese Anhörung nutzten die Senatoren nicht nur zum Update des aktuellen Standes im Verhandlungsprozess, sondern auch dafür die Hürde zur Erreichung eines Abkommens weiter zu erhöhen. So drängte Senator Menendez Wendy Sherman die Frage zu beantworten, ob das iranische Ballistische Raketenprogramm in den Forderungskatalog der Amerikaner bei den Verhandlungen aufgenommen werden soll. Obwohl Sherman immer wieder versuchte zu erklären, dass diese Raketen ohne nukleare Sprengköpfe "nahezu irrelevant" wären, aber dass das wohl "tatsächlich Teil von etwas sein wird, dass als Teil eines umfassenden Abkommens angesprochen werden soll."

Obwohl dieses Teil-Einverständnis zur Inkludierung des iranischen Raketenprogramms in ein Gesamtabkommen zweifelsfrei zur Beruhigung der Kriegstreiber in den eigenen Reihen dient, die nicht müde werden zu betonen dass diese Raketen auch ohne Nuklearsprengköpfe eine Gefahr für die gesamte Region und insbesondere für Israel darstellen, könnte das zu einem gefährlichen Boomerang für die Verhandlungen werden. Iran`s Vize-Aussenminister Abbas Araqchi betonte auch umgehend, dass die "Defensiven Angelegenheiten der Islamischen Republik Iran weder verhandelbar sind noch Gegenstand von Kompromissen sind, und dass sie definitiv zu den roten Linien in den Verhandlungen gehören". Sollte die US-Delegation unter Wendy Sherman aber vom US-Kongress dazu gezwungen werden an diesem Punkt festzuhalten weil sie es ja selbst im Ausschuss vage angedeutet hatte, dann könnten die Verhandlungen sehr schnell daran scheitern. Es kann niemand in Washington ernsthaft erwarten, dass der Iran als Teil eines "umfassenden Atomabkommens" auf sein stärkstes Abschreckungspotential verzichtet. Es sind genau diese defensiven Möglichkeiten, die einen israelisch-amerikanischen Angriff bisher abgewendet haben, weil niemand genau sagen wie stark und wie gut diese Systeme tatsächlich sind. Daher wird dieses Potential mit Sicherheit nicht Gegenstand von Verhandlungen sein bzw. sollten die USA daran festhalten, wird das zum Scheitern der Verhandlungen beitragen obwohl dieser Punkt nichts mit dem iranischen Atomprogramm zu tun hat.
Denn auf diesem Gebiet scheint es keine Kritikpunkte zu geben wie die internationale Atomenergiebehörde IAEA erst am Sonntag bestätigt hatIran hat die anfänglichen praktischen Schritte unternommen die vorgesehen waren.


Donnerstag, 6. Februar 2014

Iran Revolution 2.0

Nein, mit Iran Revolution 2.0 meine ich keine Wiederholung der Revolution von 1978/1979 die die heutige Islamische Republik Iran geschaffen hatte. Auch keine Revolution im Sinne eines Volksaufstands gegen die iranische Regierung wie sie von den meisten sogenannten "Iran-Experten" im Westen nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings vorhergesagt wurde. Und noch viel weniger meine ich damit eine gewalttätige Bedrohung in irgendeiner Form für irgendein Land, weder im Westen, noch im Osten oder in der iranischen Nachbarschaft.

Nein, mit Revolution 2.0 meine ich eine wissenschaftliche Revolution die in den vergangenen Jahren nahezu unbemerkt vonstatten gegangen ist. Nach all den israelischen und amerikanischen Kriegsdrohungen, illegalen Sanktionen und Verhandlungen über das iranische Atomprogramm scheint diese Entwicklung auf wissenschaftlichem Gebiet niemanden interessiert zu haben. Dabei ist diese Entwicklung von absolut bedeutender Priorität für den Iran. Es ist eine Entwicklung für die Zukunft, deren Fundament in den letzten 15 Jahren gelegt wurde und heute die ersten Früchte geerntet werden können. Und das TROTZ, oder vielleicht auch gerade WEGEN der illegalen Sanktionen, zwangen doch diese die Iraner zum Aufbau einer kompletten inländischen Selbstversorgung. Und zwar in allen Bereichen. Egal ob das die Technik oder die Wissenschaft war, überall war man bis Mitte der 1990er Jahre auf das Know How und Material aus dem Ausland angewiesen und genau deshalb zielten die Sanktionen auch auf diese Gebiete ab. Die USA im Tandem mit Israel wollten den Iran durch diese Massnahmen in die Knie zwingen, so dass sich das Volk gegen die Regierung aufgrund der Missstände erhebt.
Doch stattdessen traf die Regierung unter Mohammad Khatami die einzig richtige Entscheidung für die Zukunft: Investition in die High Tech Wissenschaft um den Iran zu einer Führungsnation auf diesem Gebiet zu machen.
Man wollte nicht nicht nur hauptsächlich auf Massenproduktion von Gebrauchsgüter setzen wie das der Fall in der Türkei war, dafür sah man in China und Indien einfach einen zu grossen Konkurrenten die bereits den iranischen Markt mit ihren Billigprodukten überfluteten.

Iran`s Aufstieg an die wissenschaftliche Spitze

Die Entscheidung in die High Tech-Wissenschaft zu investieren fiel wie bereits erwähnt in die Regierungszeit von Mohammad Khatami, daher ist die Ausgangslage zum Vergleich der wissenschaftlichen Entwicklung im Iran ideal. Gemäss der Analyse von veröffentlichten wissenschaftlichen Dokumenten im Vergleich zu deren Verweisen in internationalen Fachzeitschriften, rangierte Iran im Jahr 1996 weltweit auf Platz 53. (im Vergleich: 1. USA, 4. Deutschland, 8. Russland, 9. China, 15. Schweiz, 19. Israel)
Zehn Jahre später, also im Jahr 2006, holte Iran bereits kräftig auf und war auf Platz 29. (im Vergleich: 1. USA, 2. China, 5. Deutschland, 14. Russland, 17. Schweiz, 22. Israel)
Und wieder 6 Jahre später, im Jahr 2012, in der Zeit also wo der Westen die schwersten Sanktionen gegen den Iran verhängt hatte, kletterte das Land auf Platz 17. (im Vergleich: 1. USA, 2. China, 4. Deutschland, 16. Russland, 18. Schweiz, 28. Israel)
Sollte Iran in diesem Tempo die Entwicklung weiter vorantreiben, gibt es Voraussagen wonach Iran im Jahr 2018 bereits auf Platz 4 vorangekommen ist.

Nun ist es ja kein Wettrennen um die vorderen Rankings, sondern eine strukturelle Aufgleisung der iranischen Technologieindustrie für die Zukunft. Das wirkliche Ziel dahinter ist es, sich für die Zeit nach dem Zeitalter der sprudelnden Öl- und Gaseinkommen zu wappnen. Ähnlich eigentlich wie es die Scheichtümer auf der anderen Seite des Persischen Golfes tun, die mit Milliardensummen ihre Diversifikation vorantreiben, allerdings mit eingekauftem Know How was sie schliesslich äusserst verwundbar macht.

Aber bleiben wir noch etwas in der Welt der Zahlen und Statistiken und schauen uns kurz mal an, in welchen Gebieten der Iran heute (bzw. im Jahr 2012) besonders hervorsticht.

Genetik- und Molekularbiologie: Platz 9 (1. USA, 2. China, 5. Deutschland, 7. Russland)
Nuklearenergie- und Engineering: Platz 9 (1. China, 2. USA, 7. Deutschland, 8. Russland)
Energieengineering:  Platz 6 (1. China, 2. USA, 3. Russland, 7. Deutschland)
Nanotechnologie: Platz 9 (nach eigenen Angaben; gemessen an den Veröffentlichungen in Fachzeitschriften aber definitiv)

Und das sind nur die Zahlen für den internationalen Vergleich. Für die Iraner selbst, aber auch für die muslimisch geprägte Region in der Nachbarschaft, ist diese iranische Entwicklung viel mehr. Für viele Eltern mit Kinderwunsch sind die rund 70 Spezialkliniken im Iran für künstliche Befruchtung oft die einzige Möglichkeit eine Familie zu gründen. Und dabei schlagen diese Kliniken sogar Brücken zu den sunnitischen Ländern des Persischen Golfes, wo die künstliche Befruchtung aus religiösen Gründen abgelehnt wird und den jungen Paaren daher gar nichts anderes übrig bleibt als ins Ausland zu gehen. Dass aber dafür der Iran gewählt wird, beweist eindeutig dass die ideologischen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten politisch zu lösen sind (wobei das für den Wahhabismus bezweifelt werden darf). Noch bemerkenswerter ist aber die Tatsache, dass ein einflussreiches Magazin wie das Foreign Policy genau über dieses Thema berichtet.
Führend in diesem Bereich ist das Royan Institute in Teheran, welches seit über 20 Jahren erfolgreiche Forschung in der Reproduktiven Biomedizin und Stammzellenforschung betreibt.

(Razavi Krankenhaus in Mashhad)



Aber auch im Bereich der Krebsforschung und Krebsbehandlung gehört der Iran mittlerweile zu den führenden Nationen der Welt. Erst letzte Woche stellte das Unternehmen CinnaGen ein neues Medikament zur Krebsnachbehandlung nach einer Chemotherapie vor. Im Feld der akuten Behandlung von Lungen- und Prostatakrebs entwickelten Wissenschaftler der Islamic Azad University eine neue Methode, in der durch eine Kombination von Nuklear, Radio-Isotope und Nanotechnologie die Tumore direkt bekämpft werden. "Diese Methode, Praseodymium-142 Isotope genannt, bestrahlt Beta-Partikel nur einige Millimeter tief in den Körper und greift den Tumor an, dabei beschädigt es so weniger das gesunde Gewebe aufgrund der deutlich kleineren Radiationsfläche", so die Wissenschaftler. Hergestellt werden diese Radioisotope (und natürlich weitere Produkte) im Karaj Agricultural and Medical Research Center , welches von den USA beschuldigt wird insgeheim an Nuklearwaffen zu forschen. Ausser dieser Anschuldigung konnte bisher aber niemand auch nur den geringsten Beweis dafür erbringen, zumal die Quelle für diese "Geheiminformation" die Terrororganisation Mujaheedin e-Khalq war und somit alles andere als glaubwürdig oder seriös erscheint.

Damit nicht genug, Forscher der Teheran and Shahid Beheshti Universitiy haben einen Chip erfunden, mit dem man sehr schnell eine Krebsdiagnose erhalten kann indem Nanostrukturen mit den betroffenen Zellen interagieren. Diese Informationen werden anschliessend von dem Chip ausgewertet und der behandelnde Arzt erkennt schnell, ob sich Krebszellen im menschlichen Körper befinden. (für Interessierte hier der Link zur Vorstellung der Studie)

Beispiel für andere Länder

Diese imposante Entwicklung auf wissenschaftlichem Gebiet trotz widriger Umstände wird natürlich mit allergrösstem Interesse in der ganzen Region beobachtet. Das es Iran geschafft hat, dem internationalen Druck seit 1979 Stand zu halten und sich nicht unter das westliche Diktat unter US-Führung zu begeben, wird nicht nur von Iran`s Nachbarn positiv bewertet. Insbesondere die Südamerikanischen Länder, welche lange Zeit als Amerika`s Hinterhof behandelt wurden, betrachten den Iran als leuchtendes Beispiel des Widerstandes gegen die US-Hegemonie. Gleichzeitig aber erscheint gerade dieser Erfolg für die sunnitischen Scheichtümer des Persischen Golfs, allen voran aber Saudi Arabien, auch als Gefahr für sich selbst. Sie haben sich alle für den eigenen Schutz an Amerika "verkauft", aufgrund ihrer Grösse auch nicht unbedingt überraschend, und haben Angst das ein wiedererstarktes Persisches Reich vor ihrer Haustür entsteht.
Aber für Länder die sich nicht vollkommen den USA ausgeliefert haben und nicht über riesige Ölvorkommen verfügen, wie beispielsweise Pakistan, ein Land mit 180 Millionen Einwohnern, zeigt der iranische Weg dass es auch ohne die USA oder den Westen geht. Das man es auch aus eigener Kraft schaffen kann wenn die Staatsführung entsprechend einschreitet. Natürlich hatte der Iran Hilfe von Aussen im Aufbau erhalten, aber ohne den Willen und den Ausbau der wissenschaftlichen Inftrastrukturen wäre das alles nicht möglich gewesen.

Wie so oft im Leben kann man diese Entwicklung entweder als halbvolles, oder aber auch als halbleeres Glas betrachten. Für die USA ist es auf jeden Fall ein halbleeres Glas. Denn ein Land das man bisher immer als rückständig, Achse des Bösen oder sonstigen rassistischen Äusserungen verunglimpft hat und Hollywood-Produktionen, die den Iran in einem negativen Licht darstellen sogar mit Oskars oder Grammys belohnt (Argo, Homeland), solch ein Land kann einfach nicht auch noch als Beispiel für andere Länder heranwachsen.

Und dennoch ist genau das geschehen, auf eine eigene Art und Weise die auch der eigenen Tradition und Kultur Rechnung trägt. So wie es zumindest im Moment aussieht, scheint man diese unaufhaltsame Revolution 2.0, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen, auch im Weissen Haus in Washington anerkannt zu haben und passt die US-Politik Stück für Stück der Realität an. Dass die Anpassung nicht über Nacht geschehen kann und wird, steht ausser Frage. Genauso wenig die vielen Steine die die neokonservative, zionistische und saudische Lobby mit aller Macht in den Weg werfen werden.