Mittwoch, 31. Oktober 2012

Israel und USA: Band of Brothers?

Band of Brothers, oder das Band der Brüder, war nicht nur eine äusserst erfolgreiche Serie im Fernsehen, sondern spiegelt ein Lebensmotto der Eliteeinheiten der US-Armee wider. Niemals würde auch nur ein einziges Mitglied eines solchen höchst professionellen und höchst tödlichen Special Operations Teams einen verletzten Kameraden irgendwo im Einsatz einfach liegen lassen. Lieber würde er zum Schutz für den Verletzten sein Leben geben. Diese Einheiten werden überall da eingesetzt, wo sich keiner hintraut oder wo die grosse Kriegsmaschinerie einfach zu grossen Wirbel verursachen würde. Ob solch ein Einsatz illegal war oder nicht, spielt in der öffentlichen Meinung fast nie eine Rolle da die Einsätze selbst so gut wie nie publik werden. Wenn mal doch, dann hält das Weisse Haus in Washington umgehend die schützende Hand drüber und das wars. Es folgen keine Verurteilungen, weder von irgendeinem Gericht in den USA, noch von der UNO noch von dem betroffenen Land.

Wenn aber aus solch kleinen Eliteeinheiten und ihren geheimen Einsätzen grossangelegte Operationen werden, die zwar auch im Geheimen geplant werden, die aber riesigen Schaden anrichten und eigentlich immer auch zivile Opfer mit sich bringen, aber dennoch keinen Aufschrei des Entsetzens oder Verurteilung der Weltgemeinschaft nach sich ziehen, dann läuft irgendetwas schief.

Von der gesamten Weltgemeinschaft mit ihren über 200 Nationen, nehmen sich 2 Staaten immer mehr das Recht heraus, irgendwo auf der Welt verdeckte und offene Operationen durchzuführen ohne dafür in irgendeiner Weise bestraft zu werden. Dabei handelt es sich nicht um den Iran, es war auch nicht der Irak unter Saddam Hussein, es war weder die Sowjetunion noch ist es heute Russland oder China. Nein, es sind die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel.

Erst am 24. Oktober bombardierte Israel in einem nicht ganz einfachen Luftangriff eine Waffenfabrik in Khartoum/Sudan, welche angeblich als Waffenschmiede für den Iran und die Hamas im Gaza-Streifen tätig war. Das schwierige war nicht die Zerstörung dieser Fabrik, sondern der Weg bis dahin der einiges an logistischer Unterstützung erforderte. Auch die Tatsache, dass Israel auf dem Flug bis zum Sudan mindestens die Lufthoheit von Saudi Arabien und wahrscheinlich auch von Ägypten über dem Roten Meer für diesen kriegerischen Akt verletzte, zeugte von der Komplexität dieses Angriffs. Berichten zufolge waren 8 F15-I Kampfbomber direkt an dem Angriff beteiligt, sowie 3-4 Abfangjäger die immer bei Luftangriffen mitfliegen um eventuelle Flugzeuge des Gegners abzufangen, sowie ein Tankflugzeug und eines mit elektronischen Störsendern ausgerüstetes kleineres Flugzeug um die Radarinstallationen am Boden auszutricksen.


Die USA streiten jegliche Verbindung zu diesem Angriff ab, obwohl es keinerlei offizielle Erklärung aus dem Weissen Haus dazu gab. Der einzige Offizielle der sich in einem Telefonanruf bei der sudanesischen Regierung meldete, war CIA-Direktor David Petraeus der mitteilte, dass "sein Land nicht involviert war". Eine klare Stellungnahme sieht definitiv anders aus. Das die USA aber nichts davon wussten bestritt zwar auch niemand, wäre aber auch äusserst unglaubwürdig erschienen aufgrund der gemeinsamen Militärübungen (Austere Challenge 12) die seit dem 21. Oktober zwischen Israel und den USA stattfinden.

Zwar hat die sudanesische Regierung angedroht diesen Vorfall dem UN-Sicherheitsrat zur Verurteilung Israels vorzulegen, was aber aufgrund des höchst wahrscheinlichen Vetos der USA sowieso nichts bringen würde. Ausserdem scheint sich Israel ohnehin nicht grossartig für irgendwelche UN-Resolutionen zu interessieren, im Gegenteil, das Land führt die Liste der "ignorierten Resolutionen" an, wie eine Studie der israelischen Tageszeitung Haaretz 2002 ergab. Interessanterweise konnte ich in keiner einzigen deutschsprachigen Medienmitteilung auch nur den kleinsten Hinweis lesen, der darauf hindeuten könnte dass Israel mit diesem Luftangriff einen kriegerischen Akt durchführte und dafür von den eigens für solche Fälle geschaffenen Vereinten Nationen sanktioniert werden müsste. Zur Erinnerung: der Sudan befindet sich NICHT (weder offiziell noch inoffiziell) im Krieg mit, oder bedrohte in irgendeiner Form, Israel, der solch eine Bombardierung rechtfertigen würde. Man stelle sich nur mal vor was passieren würde, wenn der Iran dieselbe Operation durchgeführt hätte...



 

Sonntag, 28. Oktober 2012

Nicht nur Iran ein Gottesstaat Teil 2

Was unterscheidet demnach Iran und andere Staaten, wie beispielweise Saudi Arabien, Qatar oder Bahrain? Obwohl der Vergleich sehr gewagt erscheint, aber bei näherem Betrachten längst nicht so absurd wie im ersten Moment, entwickeln sich die Vereinigten Staaten von Amerika und ihr wichtigster Verbündeter im Nahen Osten, Israel, ebenfalls in die Richtung einer Theokratie. Zwar äusserst sich diese Tatsache nicht in einer anstehenden Revolution wie im Iran vor über 30 Jahren, obschon es selbst dort ein Prozess von über 50 Jahren war. Es ist ein äusserst schleichender Prozess der mit dem sogenannten "Krieg gegen den Terror" von US-Präsident George W. Bush an Fahrt gewonnen hat.
Man nehme mal nur eine kleine Statistik zur Hand: laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2007 zur Frage der Hochreligiösität unter jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren, bezeichnen sich 54%! der AmerikanerInnen dieser Altersgruppe als Hochreligiös. Damit liegen die USA noch VOR der Türkei (41%), Israel (39%), Italien (33%) und nur knapp hinter Marokko mit 58%. Zum Vergleich, in Deutschland und der Schweiz zählen sich nur 14% der jungen Menschen zwischen 18-29 Jahren zu den Hochreligiösen. Einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2010 zufolge, wünschen sich 65% der Deutschen das christliche Werte in Zukunft eine grössere Rolle spielen, und nur 27% das Gegenteil.
Das soll keine Wertigkeit darstellen sondern einfach nur einen Trend festhalten.

Die religiösen Staaten von Amerika

Die Gründerväter der USA hatte mit Sicherheit eine andere Vision davon, wie das Land eines Tages aussehen sollte, verglichen mit der heutigen Glaubensfrage. Nicht umsonst hält der erste Zusatz (vom Kongress ratifiziert am 15.12.1791) der amerikanischen Verfassung fest:

"Kongress darf kein Gesetz erlassen, welches eine Religion einführt oder deren freie Ausübung verbietet..."

Der Grund dafür lag in dem Wunsch nach freier Religionsausübung egal welcher Art, ohne Angst haben zu müssen deswegen vom Staat oder sonstwem verfolgt werden zu müssen. Hätten sich die Gründerväter auf eine Staatsreligion einigen müssen, wäre das gesamte Projekt der Vereinigten Staaten vermutlich gescheitert. Weiterhin wollten die Verfasser sicherstellen, dass nicht eines Tages eine Sekte oder Religionsgemeinschaft Einzug in die Regierung erhält und so eine Theokratie begründen könnte.
Es wurde grossen Wert darauf gelegt ja keine Referenz zu irgendeiner Religion auf Regierungsebene zu erweisen, so darf beispielsweise der Glaube keine Rolle bei der Verteilung von irgendwelchen Kabinettsposten spielen.
Interessant ist es auch zu beobachten wie ein neuer Präsident vereidigt wird. In der Verfassung ist der Eid den der frischgewählte Präsident abgeben muss bereits vorgegeben: "Ich schwöre (oder gelobe) feierlich dass ich treu das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten verwalten werde, und werde nach bestem Wissen und Gewissen, die Verfassung der Vereinigten Staaten bewahren, beschützen und verteidigen."
Die Möglichkeit den Satz mit "Ich schwöre" oder "Ich gelobe" zu beginnen, wurde ebenfalls in der Absicht eingebaut dass ein Präsident sich nicht gezwungen sieht zu schwören, was eine gewisse Religiösität voraussetzen würde.
Dann gibt es aber noch den Zusatz "So help me God", also "so helfe mir Gott". Dieser Zusatz in der Vereidigung basiert nicht auf einem vorgegebenen Zusatz in der Verfassung, sondern ist ein Element das freiwillig zugeführt wurde und sich insbesondere in den letzten Jahrzehnten grösster Beliebtheit erfreut.

Was auf Regierungsebene verboten wurde, wurde aber dafür auf Bundesebene bei den verschiedenen Staaten eingeführt:

In Massachutets, einem Staat mit 6.5 Millionen Einwohnern, steht in der Verfassung unter Artikel 2 geschrieben: "Es ist das Recht als auch die Pflicht aller Menschen in der Gesellschaft, öffentlich und bei gegebenen Anlässen, das Höchste Wesen, den grossen Schöpfer und Erhalter des Universums zu verehren."

In Maryland, einem kleinen aber sehr Bevölkerungsreichen Staat mit fast 5.9 Millionen Einwohnern, steht in der Verfassung unter Artikel 37: "Es sollte kein religiöser Test jemals als Qualifikation für irgendein Ministerium dieses Staates erforderlich sein, abgesehen von einer Erklärung des Glaubens an die Existens Gottes, noch sollte der Gesetzgeber irgendeinen anderen Vereidigungsschwur vorschreiben als diesen Schwur (der) in der Verfassung vorgeschrieben ist."

In Arkansas, wo der ehemalige US-Präsident Bill Clinton herstammt, mit 3 Millionen Einwohnern, steht in der Verfassung unter Artikel 19: "Keine Person, die das Wesen eines Gottes leugnet, soll ein Amt in den zivilen Abteilungen dieses Staates halten, noch Befugt sein als Zeuge vor einem Gericht auszusagen."

(auch Bill Clinton leistete demzufolge denselben Eid ab)

 



Nachdem die einzelnen Staaten die wahre Macht innerhalb der USA darstellen, ist es dann tatsächlich so weit hergeholt wenn man sagt, dass die USA in gewisser Form nicht auch eine Art Staat Gottes darstellen? Insbesondere dann wenn man bedenkt, dass in aller Regel die US-Präsidenten sich aus Gouverneuren und Senatoren rekrutieren und dass am Anfang aller deren Karrieren dieser Schwur auf Gott erfolgte? Ist dieser Glaube, oder besser gesagt, ist dieser Schwur dem "Schöpfer des Universums" zu dienen und dem man über Jahre und Jahrzehnte befolgte, nur deshalb hinfällig weil man Präsident wurde und der Glaube zumindest auf dem Papier keine Rolle spielen darf?

Wie wichtig der Faktor "Religion" bei Präsidentschaftswahlen ist, zeigt sich auch daran wie sehr die jeweiligen Kandidaten bemüht sind die entsprechenden Religionszugehörigkeiten für sich zu gewinnen. Manchmal könnte genau die religiöse Minderheit den Ausschlag geben, um das Präsidialamt doch noch gewinnen zu können.



Nicht umsonst liess sich der republikanische Senator Christopher Shays 2005 verleiten, seine Partei als "eine Partei der Theokratie" zu beschimpfen.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Nicht nur Iran ein Gottesstaat Teil 1

Was hört man nicht alles in den Medien über den Iran. Insbesondere US-amerikanischen Medien lassen sich sehr gerne (FOX-News als regelrechter Hetzsender mit Traum-Einschaltquoten) über die Religion des Irans aus. Mullahkratie, Theokratie, Gottesstaat - um nur einige der gängigen Bezeichnungen zu benennen. Und ja, das Land enspricht auch der Definition einer Theokratie. Bezweckt wird damit aber eine negative Implikation um in den Menschen das Gefühl zu erwecken, dass der Iran von religiösen Fanatikern geführt wird, die alles nur erdenkliche tun um irgendeine Phrophezeiung zu erfüllen. Allgemein wird damit die Rückkehr des Mahdi gemeint, des letzten Imams aus der Linie der rechtsgeleiteten Imame (oder anerkannten Nachfolger des Propheten Muhammad) der von der Erde entschwand um als Erlöser zurückzukehren. Der Mahdi wird auch sehr gerne als rein schiitisches Phänomen bezeichnet, der im Iran vorherrschenden Glaubensrichtung des Islams. Das stimmt aber so überhaupt nicht. Auch im Sunnitischen Glauben erwartet man die dieselbe Rückkehr, nur nimmt dieser Akt keine so grosse Rolle in der Glaubenslehre ein wie bei den Schiiten.

Was genau ist aber daran so schlimm wenn Menschen an einen Erlöser oder Messias glauben, der ihnen im Glauben daran die Kraft gibt, das Leid und harte Leben besser ertragen zu können? Viele von diesen Leuten die mit dem Finger auf die Rückkehr des Mahdi zeigen und es als Beweis für finstere Absichten werten, vergessen dabei gänzlich dass in ihren eigenen Glaubenslehren, ganz egal ob es sich dabei um das Christentum oder Judentum handelt, genau die selbe Erwartungshaltung an die Rückkehr eines Erlösers vorherrscht. Nur heisst er nicht Mahdi, sondern eben Jesus Christus oder Goel (im Judentum). Der Sinn und Zweck dieses Erlösers ist aber allen Weltreligionen gleich: er kündigt ein neues Zeitalter frei von jeglicher Sünde auf der uns bekannten Welt an.

Warum wird dann aber nur der Iran als Gottesstaat bezeichnet und andere Länder nicht? Nur weil es in der iranischen Verfassung einen Artikel gibt, der explizit auf den Mahdi hinweist? Artikel 5 der Verfassung besagt:
"In der Islamischen Republik Iran steht während der Abwesenheit des verborgenen 12. Imams - möge Gott sein Erscheinen beschleunigen - das Imamat und die Führungsbefugnis [wilayat-e-amr] in den Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft dem gerechten, gottesehrfürchtigen, über die Erfordernisse der Zeit informierten, tapferen, zur Führung befähigten Rechtsgelehrten zu, der die Verantwortungen dieses Amtes gemäß Artikel 107 übernimmt."

Es steht aber nirgendwo geschrieben dass es eine Person gibt, die auf göttlicher Anweisung daran hinarbeitet, jene Situation und Umgebung zu schaffen, die die Rückkehr des Erlösers beschleunigen soll. Denn das ist genau der Punkt den die USA und Israel als Vorwand benutzen, um das angebliche Streben nach einer iranischen Atombombe zu erklären. Um es noch deutlicher zu erklären: Washington und Tel Aviv beschuldigen Teheran an einer Atombombe zu basteln, mit welcher das Land dann Israel angreifen würde, wohlwissend dass es damit die eigene Vernichtung durch das hundertmal grössere Nuklearwaffenarsenal der Amerikaner und Israelis nach sich ziehen würde, NUR um die Wiederkehr des Mahdi feiern zu können?

Das klingt nun alles andere als eine realistisch begründete Annahme.
Dennoch ist es wichtig zu erklären wie so eine Formulierung, wie sie nun mal in Artikel 5 der iranischen Verfassung zu finden ist, überhaupt den Weg dorthin gefunden hat. Nur so kann man ein Verständnis für die Probleme im Umgang des Westens mit dem Iran erhalten, aber auch die heuchlerische Art und Weise insbesondere der USA und Israels in diesem Punkt erkennen. Denn obwohl diese beiden Staaten, aber auch die Königreiche und Scheichtümer des Persischen Golfes, offiziell keine Theokratien darstellen, sind sie es im Grunde im Laufe der Zeit geworden bzw. waren es von Anfang an.

Der Weg zu Artikel 5 der Verfassung der Islamischen Republik Iran

Die heutige Staatsreligion im Iran, Schiismus oder Shia, wurde bereits 1501 durch den noch heute sehr populären Shah Ismail I. zur Staatsreligion erklärt. Diesen Schritt brauchte er um seiner neuen Dynastie, den Safaviden, eine göttliche Legitimation zu verleihen.
Seit jener Zeit gab es stets ein einigermassen erfolgreiches Zusammenspiel zwischen Thron und dem Klerus, wobei die obersten Gelehrten Zugang zum Staatsapparat erhielten. Dieses Zwischenspiel funktionierte bis zur Konstitutionellen Revolution von 1906, als die bankrotte Monarchie der Qajaren dem Druck der Strasse nachgab und einem Parlament sowie einer Verfassung zustimmte. Die absolute Monarchie wich einer konstitutionellen.

Der Klerus sah sich in dieser Zeit des Umbruchs gezwungen, die Position eines Zuschauers einzunehmen. Auf solche Ereignisse waren die Würdenträger nicht vorbereitet und es mangelte ihnen an einer Führungsfigur die etwas hätte bewirken können.
Mit der Oktoberrevolution in Russland 1917 änderten sich die Verhältnisse auch im Iran in schneller Abfolge. Die auf Anfrage von Nasir ad-Din Shah, dem iranischen König, von Russland zur Verfügung gestellte Eliteeinheit erhielt den Namen "Kosakenbrigade" und sollte dem Königshaus treu ergeben sein.
Die Kosakenbrigade wurde inzwischen von einem kaltblütigen, aber sehr effizienten iranischen Offizier geleitet: Reza Khan. Die Engländer sahen in der Oktoberrevolution ihre Chance gekommen, endlich grösseren Einfluss auf den Iran zu nehmen und übernahmen in der Folge die Finanzierung der Kosakenbrigade, sowie natürlich deren Kommando.
Reza Khan, aus ärmsten Verhältnissen stammend, entwickelte grössere Ambitionen für sein Land. Angespornt durch den englischen General Ironside, marschierte Reza Khan mit seiner Kosakenbrigade am 21. Februar 1921 nach Teheran und besetzte die Stadt, was einer de-facto Übernahme des Landes gleich kam. Er liess sich von der Regierung zum Verteidigungsminister ernennen. Doch aufgrund der Tatsache das die einzig verbliebene Streitmacht im Land, die Kosakenbrigade, nur ihm gegenüber zur Loyalität verpflichtet blieb, machte aus Reza Khan den wahren Herrscher. Was fehlte war eine offizielle Legitimierung dieser Herrschaft. Reza`s Idol in dieser Hinsicht war sein türkischer Nachbar, Mustafa Kemal Atatürk, der eine laizistische Republik gründete und den Islam aus dem türkischen Alltag verbann. Aber ihm war klar dass das im Iran so nicht umzusetzen wäre. Dadurch dass im Iran die schiitische Glaubenslehre vorherrschte, wurde der iranisch-schiitische Klerus nicht im selben Masse von der Absetzung des Kalifats durch Atatürk getroffen wie in den sunnitischen Gebieten. Stattdessen suchte Reza im Geheimen Vertreter der Ulema auf, um ihnen seine Pläne zu offenbaren. Reza verlangte von den Geistlichen, ihn zum Shah zu krönen. Aber die schiitische Ulema liess sich nicht auf seinen Plan ein, da sie befürchteten das gleiche Schicksal zu erleiden wie die Glaubensbrüder in der Türkei.
Das alles hinderte Reza Khan aber nicht, seine Pläne auch tatsächlich in die Realität umzusetzen. Am 25.04.1926 krönte er sich schliesslich selbst zum König.

 
 

Für die schiitische Ulema kam es wie sie es befürchtet haben. Der neue Shah, nun offizieller Herrscher des Irans, sah keinen Grund die Geistlichen um sich zu scharen nachdem sie ihm zuvor die Gefolgschaft verweigert haben. Mit ähnlich rigorosen Methoden wie Atatürk in der Türkei versuchte Reza Shah, die ländliche Bevölkerung mit Macht in das 20. Jahrhundert zu befördern. Er verbot unter anderem das Tragen von traditioneller Kleidung und Kopfbedeckung in den Städten und verbann den Klerus ins politische Abseits. Finanziell blieb er auch weiter von den Briten abhängig, nun aber in Form des Erdöls. Die gesamte Ölwirtschaft lag in den Händen des britischen Unternehmens Anglo-Persian Oil Company, ab 1935 dann Anglo-Iranian Oil Company (AIOC). Seine Affinität zu Deutschland brachte 1941 den Shah aber zu Fall, als Russland von Norden und Grossbritannien von Süden über die Meerseite in den Iran einmarschierten. Die beiden Rivalen des "Great Game" teilten sich das Land wieder in "Einflusssphären" auf, diesesmal aber mit handfesten wirtschaftlichen und kriegspolitischen Hintergedanken. Über den Iran erhielt die Sovietunion militärische Lieferungen aller Art, hauptsächlich aus den USA, um den Krieg gegen Nazi-Deutschland nicht zu verlieren. Aber auch die Spekulation um das Öl spielte dabei eine wesentliche Rolle um die Kriegsmaschinerie der englischen Krone und auch Moskaus überhaupt finanzieren zu können.



Nachdem Reza Shah von den Soviets und Briten gestürzt wurde, setzten sie seinen erst 22-jährigen Sohn Mohammad Reza auf den Thron, nachdem ihm klargemacht wem er diesen plötzlichen Aufstieg zu verdanken hatte.
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte der neue Shah die von seinem Vater unterdrückte Ulama ein bisschen zu umwerben, indem er beispielsweise den im Volk verhassten Verbot des Tragens des Tschadors (iranische Form der Frauenverhüllung) aufhob. Doch bereits nach kurzer Zeit liess er diese Lockerung von islamischen Traditionen wieder aufheben und aktivierte wieder das Gesetz seines Vaters. Damit zog er sich den Zorn der Bevölkerung und des Klerus auf sich, die sich eine bessere Herrschaft erhofft hatten. Mohammad Reza Shah dachte aber gar nicht daran, ein ausgewogeneres Verhältnis zur Ulema zu suchen wie einst seine Vorgänger. Im Gegenteil, er unternahm alles um diese Beziehung zwischen Thron und Moschee zu untergraben. Er schuf 1957 einen Inlandgeheimdienst, den SAVAK, um jegliche Opposition zu seinem immer brutaleren Regime zu unterdrücken. Die tödliche Effizienz erreichte der SAVAK unter Anleitung des amerikanischen Geheimdienstes CIA sowie des israelischen Mossad. Im Volk waren diese Tatsachen wohl bekannt und schürten somit den Hass auf den Despoten, den sie als Marionette der USA (die USA übernahmen nach dem 2. Weltkrieg, und insbesondere nach dem berüchtigten CIA-Coup von 1953 die zur Absetzung des demokratisch gewählten Ministerpäsidenten Mossadegh führten, die Rolle der Briten) beschimpften. Auch die relativ enge Beziehung des Shah`s zu Israel war den meisten Iranern ein grosser Dorn im Auge aufgrund der Unterdrückung der Palästinenser.

Insbesondere ein Mann aus den Reihen der Ulama entpuppte sich als schärfster und lautester Gegner von Mohammad Reza Shah. Es handelte sich dabei um Ruhollah Chomeini, der die Abhängigkeit des Irans von den USA anprangerte sowie die unislamischen Tate des Monarchen hervorhob. Seiner Stimme lauschten tausende von begeisterten Anhängern am einzigen Ort des Landes wo der SAVAK nicht vordringen konnte: in der Moschee.
Aufgrund dessen dass den Menschen gar keine andere Wahl blieb als sich nur in der Moschee untereinander auszutauschen und offen über die Schreckensherrschaft sprechen konnten, war der sich bildende Islamismus im Iran eine nur allzu logische Konsequenz. Die Generation die in der Atmosphäre von freier (westlicher) Kleidungswahl aufwuchs, kehrte wieder zurück zu den elterlichen Wurzeln und besinnte sich den islamischen Traditionen. Auch der unaufhaltsame Aufstieg des Ruhollah Chomeini zur Stimme des Volkes war deshalb ebenfalls alles andere als zufällig. Der Shah seinerseits unternahm alles um die Massen hinter den finster dreinblickenden Kleriker zu scharen. Immer mehr Menschen wurden vom SAVAK entführt, gefoltert und ermordet. Selbst vor dem Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung schreckte der Shah nicht zurück, als er 1978 ein Massaker in Teheran anordnet das als "Schwarzer Freitag" in die Geschichte einging.



Damit verspielte Mohammad Reza Shah jegliche Legitimität und Respekt vor dem Volk. Am 01. Februar 1979 kehrte Chomeini aus dem Exil in Frankreich nach Teheran zurück, nachdem ihn der Shah zuvor nicht mundtot bekam und stattdessen ins Exil schickte. Doch Chomeini hatte noch etwas anderes im Handgepäck mit. Etwas, was die schiitische Betrachtungsweise der politischen Herrschaft im wahrsten Sinne des Wortes revolutionieren würde. Seit der Einführung des Schiismus als Staatsreligion 1501 durch Shah Ismail I. war der Klerus immer in der Nähe der Macht vertreten, nie aber direkt an der Macht. Chomeini entwickelte diesbezüglich ein eigenes Konzept, das "Vilayat i- Faqih - Statthalterschaft der Rechtsgelehrten".

Dieses neue System besagte, dass der politische Anspruch auf einen Staat bei Mahdi lag, aber solange dieser im Verborgenen blieb, müsse die politische Autorität bei einem vertrauenswürdigen Wächter der Mahdi Tradition liegen. Das bedeutete aber nicht dass das gesamte schiitische Establishment Anspruch auf diese Position gehabt hätte, nein, es konnte nur Einer der Auserwählte sein. Nachdem Chomeini derjenige war der dieses Konzept ins Leben gerufen hatte, konnte es in dieser Logik auch niemand anderes als er sein der diese Position, diese Statthalterschaft der Rechtsgelehrten, einnehmen könnte.

An dieser Stelle muss aber unbedingt der Unterschied zwischen dem schiitischen und sunnitischen Klerus kurz erklärt werden. In der sunnitischen Lehre gibt es keine Hyrarchie wie beispielsweise im Katholiszismus mit dem Papst an der Spitze. Es gab seit dem Tod des Propheten die Kalifen, die die Statthalterschaft auf Erden, also sozusagen als Vertreter Gottes auf Erden, die sunnitischen Gläubigen vertraten und repräsentierten.
Bei der schiitischen Lehre gab es in diesem Sinne auch nie einen Papst, aber es gab Gross-Ayatollahs die diesem Zwecke ziemlich nahe kamen. Sie waren diejenigen, die sich durch Studien und Publikationen die grösste Anhängerschaft und somit grössten Respekt auf Gebieten der islamischen Rechtssprechung und Interpretation des Korans erarbeitet haben. Auch das ist ein rein schiitischen Phänomen. Während die Heilige Schrift im Koran für die Sunniten als unantastbar gilt, also auch keine der Zeit angepasste Interpretation zulässt, ist das bei den Schiiten eben anders und wird sogar durch das klerikale System gefördert. Das ist unter anderem ein Grund weshalb die Schiiten von den Sunniten als Häretiker bezeichnet werden.

Um die Antwort auf die Frage nach dem Artikel 5 der Islamischen Republik Iran in kurzen und einfachen Worten nochmal wiederzugeben: die vom Westen und insbesondere von den USA unterstützte Monarchie, oder Diktatur der Pahlavis, unterdrückte von Anfang an die schiitische Ulama welche aber tief in der iranischen Bevölkerung und Tradition verankert war. Was von den Pahlavis nicht bedacht wurde, war dass diese Mullahs aber das Bindeglied der Bevölkerung darstellten die im Grunde genommen die Nation zusammen hielt. Und in dem sie versuchten die islamischen Traditionen zu unterdrücken, zogen sie die Missgunst nicht nur des Klerus auf sich, sondern eben auch der Bevölkerung. Ein weiterer wesentlichen Punkt war die immer brutalere Schreckensherrschaft des Mohammad Reza Shah Pahlavi, der nicht einmal vor zahlreichen Massaker am eigenen Volk zurückschreckte. Und das alles mit offizieller Duldung und Unterstützung der Amerikaner. Nichts unterstrich diese Anname mehr als der Besuch des US-Präsidenten Jimmy Carter über Silvester 1977/1978, nachdem es im Iran zu tödlichen Ausschreitungen gegen den Shah gab und Jimmy Carter aber nichts besseres dazu sagen konnte, als bei einem Neujahrstoast: "Iran, unter der grossartigen Führung des Shahs, ist eine Insel der Stabilität in einer von den unruhigeren Regionen der Welt."



Das bestätigte den Iranern das allgemein vorherrschende Bild, dass die USA die Diktatur des Shahs bedingungslos unterstützten.
Auch Israel spielte in dem Aufstand gegen den Shah eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Iraner fühlten mit den Palästinensern ernsthaft mit und konnten es ihrer Regierung nicht verzeihen so enge Kontakte zu den "Zionisten" zu pflegen. Das alles führte dazu das es eine islamische Revolution wurde, und nicht eine kommunistische, sozialistische oder gar demokratische Revolution. Und unter diesen Aspekten ist es nicht mehr so schwer nachvollziehbar, wie dieser Artikel 5 in die Verfassung kam.




Donnerstag, 18. Oktober 2012

*ERGÄNZUNG*

Um die These des Kampfes um die Gasdistribution zwischen der Türkei und Syrien zu untermauern, ist es sinnvoll die Beziehung zwischen den beiden Ländern kurz vor dem Aufstand und während der ersten paar Monate zu analysieren.

Wie schon im letzten Bericht beschrieben, genossen die beiden Nachbarn  im vergangenen Jahrzehnt eine historisch gute Beziehung zueinander. Ankara investierte viel in diese "Partnerschaft" und das vorherrschende System unter Präsident Bashir al-Assad, und profitierte natürlich auch sehr davon.

 








(eine angespannte Nachbarschaft sieht anders aus)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Insbesondere die als lästig empfundene Visa-Bestimmungen wurde aufgehoben, um so dem grenzüberschreitenden Konsum und Besuch von den zahlreichen religiösen Pilgerstätten in Syrien zu vereinfachen. Minen wurden von den Grenzgebieten entfernt und die streng bewachten Demarkationslandstriche wichen gemeinsamen Landwirtschaftsprojekten. Die beiden Staaten gingen sogar so weit und unterzeichneten ein wichtiges Abkommen, das "High-Level Strategic Cooperation Council". Aufgrund der stetig wachsenden Kooperationen betonte der syrische Gouverneur der grenznahen Haseki Provinz, Muazza Necip Sellum: "Syrien versucht die Türkei als Model zu betrachten."
 
 
 
Dieser ganze Aufschwung in der Region war demzufolge abhängig von einer stabilen politischen Lage in der Türkei und in Syrien. Ein Konflikt wie er heute vorherrscht, konnte sich noch vor 2 Jahren kein Mensch vorstellen noch hätte es irgendeinem Zweck gedient. Im Gegenteil, hätte Ankara auch nur die geringsten Zweifel über die politische Wetterlage in Syrien gehabt, wäre auch nur im Entferntesten abzusehen gewesen dass es sowas wie einen Aufstand geben könnte, dann hätte Erdogan mit Sicherheit nicht diese Investitionen getätigt.
 
Selbst als die Menschen in Syrien für einem demokratischen Wandel auf die Strasse gingen, gab es in Ankara noch keine Anzeichen für einen kompletten Sinneswandel. Zwar sahen einige Neo-Osmanen, welche sich nach dem alten Glanz und Gloria des Osmanischen Reiches zurück sehnten, eine Möglichkeit gekommen diesem Traum zumindest einen kleinen Schritt näher zu kommen wenn man aktiv in Syrien mitmischen würde. Der Grossteil der türkischen Bevölkerung allerdings hielt und hält nichts von solchen Ambitionen.
 
Woher also dieser plötzliche Ausstieg aus der gemeinsamen Partnerschaft? In den türkischen Medien konnte man bis Ende Juli nichts über einen Strategiewechsel der Regierung nachlesen. Auch die türkische Unterstützung für die syrische Opposition war bis zu diesem Zeitpunkt nicht über einige informelle Treffen hinaus gegangen, ganz zu Schweigen von einem Ruf nach einem Regimewechsel in Damaskus. 
Das änderte sich alles erst mit der Bekanntgabe des Pipelinedeals zwischen Iran-Irak-Syrien am 25. Juli 2011.
Prompt reagierte nur ein paar Tage später bereits der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle, als er sagte dass "er nicht glaube, dass es eine vom syrischen Volk unterstützte politische Zukunft für Assad geben kann".
Auch Erdogan eskalierte seine Unterstützung für die Syrian National Council (NSC) erst DANACH, als er seinerseits mitteilte: "Die syrische Opposition wird ein Büro in der Türkei innerhalb einer Woche eröffnen. Ich habe Präsident Assad gesagt, dass wir die syrische Opposition in der Türkei organisieren lassen wollen. Ich sagte ihm das wir ein demokratischen Land sind und sie (die NSC) deshalb nicht daran hindern können."
 
Es könnte sich natürlich auch nur um eine Verkettung von zufälligen Ereignissen handeln. Betrachtet man aber was für die Türkei wirklich auf dem Spiel stand, erscheint der Zufall als eher unwahrscheinlich.
 
 
 
 



Montag, 15. Oktober 2012

Warum Syrien?

Viele Menschen fragen sich die Tage weshalb Syrien nun im Zentrum des Weltgeschehens steht und wieso die Türkei, ein NATO-Land, offenbar immer mehr im Sumpf dieser Tragödie versinkt. Das ist eine sehr gute Frage auf welche es keine einfache Antwort gibt. Fest steht auf jeden Fall, dass sich in Syrien die Geschichte der Kolonialzeit genau so rächt, wie in nahezu allen Ländern des Mittleren Ostens.

Syrien war schon seit der Antike ein Schmelztigel woraus "Supermächte" wie das Assyrische- oder Neubabylonische Reich entstanden. Damaskus spielte dann auch in der alt-islamischen Zeit als Sitz der Ummayaden und Abbassidenkalifen eine immens wichtige Rolle.


Erst mit den Eroberungsfeldzügen der türkischen Osmanen im 16. Jahrhundert und der konsequenter Unterdrückung Syriens, verfiel das ehemals so stolze Land in eine Art lethargischen Schlaf. Sämtlicher Reichtum wurde fortan an den Hof des neuen Sultans nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, entrichtet. Das neue Osmanische Reich erstreckte sich vom Balkan bis zur Arabischen Halbinsel und im Osten grenzte es an das Persische Reich.
Nach dem Vorbild von Europa bildete sich auch in Syrien am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Nationalismus, der den Kampf gegen die türkische Oberhoheit initiierte. Dieser Kampf intensivierte sich als klar wurde, dass das Osmanische Reich den Ersten Weltkrieg nicht überleben und zusammenbrechen würde. Unterstützung erhielten die syrischen Nationalisten von den europäischen Grossmächten Grossbritannien und Frankreich, als diese eine Deklaration zur Souveränität von "den Türken unterdrückten Völker" erliessen. Diese Deklaration war aber nichts weiter als ein Lippenbekenntnis an die Araber die sich offen gegen die Türken zur Wehr setzten. Wie sich mit dem Sykes-Picot Abkommen von 1916 herausstellte, hatten die Briten und Franzosen die Öl-reichen Gebiete bereits untereinander aufgeteilt. Von einer Souveränität für die unterdrückten Völker war in diesem Abkommen keine Rede mehr!


Syrien fiel diesem Abkommen zufolge in die französische "Einflusszone", welches von dem erst kürzlich gegründeten Völkerbund (Vorgänger der UNO) auch tatsächlich 1921 so zugesprochen bekommen! Dabei gilt es folgendes zu beachten was in dem heutigen Konflikt eine äusserst wichtige Rolle spielt: Die Hafenstadt Alexandretta, das heutige türkische Iskenderun, mitsamt der Provinz Hatay fielen ebenfalls dem Syrisch/Französischen Territorium zu. Das war kein Problem für die Bevölkerung der Provinz, diente Alexandretta doch seit Jahrhunderten der Wirtschaftsmetropole Aleppo als Hafen und Zugang zum Meer.
1938 trennen die Franzosen aber wieder die Provinz Hatay vom syrischen Gebiet und "schenken" es der Türkei, in der Hoffnung dass sich die Türken auf die Seite der Entente Mächte schlagen.

Gründung des unabhängigen Staates Syrien- und Eintritt in das Ölgeschäft

Nachdem sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende näherte und in Frankreich das Vichy-Regime gegen die "Freie Französische Armee" verliert, bleibt den neuen Machthabern aufgrund der sich geänderten Umstände nichts anderes übrig, als den syrischen Nationalisten den Weg in die Unabhängigkeit zu lassen. Die Türkei, als Nachfolgerin des untergegangenen Osmanischen Reiches, entwickelte sich unter ihrem Anführer und erstem Präsidenten Mustafa Kemal, als eine streng laizistische Republik - also strikte Trennung von Kirche und Staat - und hatte in allererster Linie mit sich selbst jede Menge zu tun. Für expansionistische Abenteuer fehlte jegliches Interesse und Mittel. So konnte auch Syrien seine Zukunft aus den Ruinen des Osmanischen Reiches planen. Zwar versuchten die im Land stationierten französischen Truppen noch irgendwie ihre Kolonialherrschaft über Syrien zu erhalten, doch nachdem im Februar 1946 die erst kürzlich gegründete UNO eine Resolution zum Abzug der Franzosen verhängte, beugte sich Paris dem Schicksal und zog zweite Monate später die Soldaten ab.

Mit dem Ölfund in Saudi Arabien sollte sich auch die wirtschaftliche Landschaft Syriens verändern. Zwar nicht wie von vielen Menschen erhofft als grosser Ölproduzent, da die bisher gefundenen Ölfelder im kurdischen Norden des Landes "nur" ungefähr über 2.5 Milliarden Barrel verfügen. Viel wichtiger wurde für Syrien die Entwicklung zu einem Transitland für Erdöl (und später Gas) aus anderen Ländern. Angefangen hat diese Entwicklung mit den riesigen Ölfelder an der Ostküste von Saudi Arabien, die zu dieser Zeit unter kompletter Kontrolle des amerikanischen Unternehmens Standard Oil standen, und dessen Manager nach kostengünstigeren Transportwegen des "schwarzen Goldes" suchten. Die Amerikaner entschieden sich für eine Pipeline, die den Persischen Golf mit dem Mittelmeer verbinden sollte: die TAPLINE (Trans Arabian Pipeline Company) wurde geboren.

 
 
Diese neue Pipeline sollte das Erdöl von Saudi Arabien, über Jordanien und Syrien, nach Sidon im Libanon bringen. Das ist eine Streckenlänge von 3500km. Die Amerikaner benötigten jedoch die Lizenz von den jeweiligen Regierungen für den Bau der Pipeline. Saudi Arabien stellte kein Problem dar, aber Syrien und Libanon sollten zu einem Problem werden. Libanon selbst hatte zwar keinerlei Einwände gegen das Projekt, erhielt es doch einen eigens dafür gebauten Hafen und Raffinerie. Allerdings war (und ist!) Libanon wirtschaftlich abhängig von Syrien, was nur die jahrhundertalte Zugehörigkeit zu Syrien wiederspiegelte, und konnte sich deshalb nicht erlauben gegen Damaskus aufzubegehren. Die syrische Regierung stand seit der Gründung Israels 1947 in Palästina äusserst kritisch den Motiven der USA gegenüber. Auch Unzufriedenheit über das amerikanische Angebot für die Lizenzgebühren spielte eine wichtige Rolle. Das alles führte dazu, dass Syriens Regierung den Vertrag mit TAPLINE bis 1949 nicht ratifizierte und die Amerikaner ihre Arbeiten aussetzen mussten.

Für die Vereinigten Staaten von Amerika bedeutete ein Zusammenbruch von TAPLINE eine Gefahr für die nationale Sicherheit, was den Geheimdienst CIA auf den Plan brachte. Von der amerikanischen Botschaft in Damaskus aus, organisierten CIA-Agenten unter der Leitung von Miles Copeland einen Militärputsch der den Colonel Husni Za`im an die Macht brachte. Za`im liess als Gegenleistung für die amerikanische Hilfe den TAPLINE-Vertrag umgehend ratifizieren, so dass auch die Arbeiten in der Wüste wieder aufgenommen werden konnten.


Mit diesem Militärputsch unterschrieb Hosni Za`im allerdings sein eigenes Todesurteil. Nach nur 5 Monaten wurde er von einem erneuten Putsch überrascht und von dem neuen Machthaber exekutiert. In den nachfolgenden Jahren kam es zu einigen weiteren Militärputschen, bis 1970 als Hafiz al-Assad (der Vater des heutigen Präsidenten) als letzter Militär an die Macht kommt.

1952 wurde die IPC-Pipeline eröffnet, welches das Rohöl aus dem irakischen Kirkuk nach Baniyas/Syrien, via Zwischenstation in Homs wo auch eine Raffinerie gebaut wurde, und nach Tripoli in Libanon, transportierte. Diese Pipeline war bis zur US-Invasion des Irak 2003 in Betrieb und gehörte zu den wichtigsten Einnahmequellen Syriens.
Sehr interessant dabei ist, dass IPC (Iraq Petroleum Company) bis 1972 ein in London registriertes Unternehmen war und die Aktionäre hauptsächlich britische, französische und amerikanische Ölfirmen waren. Die IPC ging aus der TPC (Turkish Petroleum Company) hervor, welches von der Deutschen Bank und weiteren britischen Unternehmen 1912 mit der Absicht gegründet wurde, von dem Osmanischen Sultan eine Öl-Konzession für das Gebiet in Mesopotamien (heute Irak) zu erhalten. Als das Osmanische Reich dann unterging, wurde 1929 aus TPC die IPC. Mit dem Aufstieg der Baath Partei im Irak und der daraus resultierenden Verstaatlichung der IPC endete die letzte, britisch kontrollierte Erdölbastion der ehemaligen Kollonien.

Syrien und Türkei

Die wirtschaftlichen und aussenpolitischen Beziehungen zur Türkei waren seit der Gründung des "modernen" Staates Syrien äusserst angespannt. Insbesondere der Umstand dass Syrien der kurdischen Arbeiterpartei PKK Zuflucht gewährte und den international gesuchten PKK-Führer Abdullah Öcalan versteckt hielt, der für viele Terroranschläge in der Türkei verantwortlich war, belastete die Beziehung zum weitaus grösseren und mächtigeren Nachbar. Aber auch der nie gänzlich aus der Welt geschaffene Disput um die nun türkische Provinz Hatay trug nicht gerade zur Aufhellung der Stimmung zwischen den beiden Nachbarn.

Während des Iran-Irak Krieges gehörte Syrien zu den wenigen internationalen Ländern die auf der Seite des Irans standen, und dafür eine Verschlechterung der Beziehung zum Irak in Kauf nahm. Diese Entscheidung führte auch dazu, dass Saddam Hussein die IPC-Pipeline still legte um so Syrien wirtschaftlich zu bestrafen. Im Gegenzug aber erhielt Hafiz al-Assad Öllieferungen aus dem Iran um sein Volk mit Benzin und Heizöl versorgen zu können.

Mitte der 1990er Jahre verübte die PKK zahlreiche tödliche Bombenanschläge in der Türkei aus und traf auch den sehr wichtigen Tourismussektor. Ankara geriet innenpolitisch unter äusserst starken Druck etwas gegen die kurdischen Rebellen zu unternehmen, um dieser Atmosphäre von Angst und Schrecken endlich ein Ende zu bereiten. Aus diesem Grund drohte die Türkei 1998 dem syrischen Präsidenten offen mit Krieg, wenn dieser den PKK-Führer Öcalan weiter versteckt hielte. Diese Kriegsandrohung markierte den absoluten Tiefpunkt in der modernen Geschichte zwischen den beiden Ländern. Aber der Druck zeigte Wirkung, Syrien verwies den gefürchteten Rebellenchef am 9. Oktober 1998 des Landes. Präsident Assad erklärte zudem öffentlich, dass sich Syrien nicht mehr in die internen Angelenheiten der Türkei einmischen würde, indem die Unterstützung für die PKK aufgegeben werde.
Somit war der Weg zu einer Verbesserung der bilateralen Beziehung zur Türkei frei. Insbesondere seit der Machtübernahme der AKP unter Recep Erdogan in der Türkei, und dem Sohn des im Jahr 2000 verstorbenen Hafiz al-Assad, Bashir al-Assad, in Syrien, erlebte die Region einen wahren Aufschwung. In dieser Zeit formte Erdogan die aussenpolitische Richtung der Türkei, die als "zero problems" bekannt wurde. Wie es der Name schon andeutet, keine Probleme mit den Nachbarn war das vorrangige Ziel von Ankara. Auch wenn es bedeutete die traditionellen Sicherheitspartner der Türkei, die USA und EU in Form der NATO, teilweise damit zu düpieren. Diese Orientierung und die "zero problems"-Politik nach Osten war auch teilweise eine Reaktion auf den im Grunde nicht vorhandenen EU-Beitritts Prozess. Erdogan und das türkische Volk kamen zum Schluss, dass die Europäische Union ausser einer "privilegierten Partnerschaft" zu keinen weiteren Schritten bereit ist. Aus dieser Sicht blieb Ankara nichts weiter übrig als sich mit den Nachbarn gut zu stellen. Dass diese Nachbarn, Syrien und Iran, ausgerechnet von den USA als "Achse des Bösen" und "Achse des Widerstandes" gebrandmarkt wurden, störte die Regierung in Ankara nicht sonderlich. Seit 2001 bezieht die Türkei 24% des Eigenbedarfs an Gas aus dem Iran und macht die Iraner so zum zweitgrössten Lieferanten nach Russland.

Syrien wird plötzlich wichtig

Obwohl Syrien von den USA und der EU wegen seiner Weigerung die guten Beziehungen zum Iran zu beenden mit Sanktionen belegt wurde, entwickelte sich das Land trotz allem relativ gut. Insbesondere der Tourismusbereich boomte und sollte zum wichtigsten Standbein des Landes werden. Aber wie in den meisten Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, geht es doch nicht so ganz ohne das Geschäft mit dem Erdöl und Gas.

Nebst den bestehenden Öl-Pipelines aus Irak und Saudi Arabien (und natürlich den eigenen Ölfeldern) kam 2003 noch eine weitere aus Ägypten dazu. Diese neue Pipeline, die Arab Gas Pipeline (AGP), transportiert wie es der Name schon sagt DEN Rohstoff des neuen Jahrhunderts: Gas!
Diese Dimension stand 2003 noch nicht im Vordergrund, sondern es wurde viel mehr auf die Tatsache gesetzt, dass dieses Projekt ein rein Arabisches Projekt war und Länderübergreifend den arabischen Staaten Wohlstand bringen soll. Ohne dass man etwas den Amerikanern oder Europäer dafür schuldig war.


Die AGP belieferte durch eine Unterwasser Pipeline ebenfalls Israel mit Gas, was als eine äusserst delikate Tatsache in den Hauptstädten der arabischen Länder empfunden wurde. Weiterhin wurden der Libanon und Syrien an dieses Netz angeschlossen.


Für die Türkei bedeutete der Anschluss der Arab Gas Pipeline nach Syrien eine relativ kostengünstige Alternative um sich aus der Abhängigkeit von Russland und Iran ein bisschen zu lösen. Es müsste nur eine Verbindung von Aleppo bis nach Kilis gebaut werden, eine Strecke von knapp 70km. 2009 wurde dann schliesslich genau dieser Vertrag zwischen den beiden Staaten unterzeichnet und Ende 2011 fertig gebaut. Damit baut sich die Türkei Stück für Stück als ein Mega-Engergie-HUB auf, mit dem Ziel, in erster Linie selbst Energieunabhängig, und in zweiter Linie Europa`s TOP Lieferant zu werden.
Zu diesem Zweck versucht Ankara alles nur erdenklich mögliche um die geplante Nabucco Pipeline tatsächlich zum Leben zu erwecken. Obwohl es für die EU ein Coup sondersgleichen wäre und selbst die USA voll und ganz dahinterstehen, stand bzw. steht das Projekt auf der Kippe aufgrund von Produktionskosten von ca. 20 Milliarden USD (10 Mia. mehr als zuerst veranschlagt) und als wichtigstes Hindernis: zu wenig Gas. Daran sind aber die EU und hauptsächlich die USA selbst schuld daran, weil sie das Gas von Iran, einem der grössten Gasproduzenten der Welt, nicht haben möchten um den irrwitzigen Kurs der Sanktionen weiter zu verfolgen.


Nicht umsonst versuchte der türkische Aussenminister Ahmet Davutoglu am 2. Oktober 2009 diesen Punkt in einem Interview zu betonen, als er sagte: "Wir brauchen den Iran zurück auf dem Energie Markt. Das ist einer der besten Wege um Russlands Monopol zu durchbrechen."
Im selben Interview sagte der Aussenminister etwas, was heute im Hinblick auf die türkischen Aktionen gegen Syrien wie eine Prophezeiung klang: "Als ich noch an der Universität lehrte, empfahl ich meinen Studenten um langfristige Transformationen, langfristige Projektionen zu verstehen, es besser ist die Grenzen nicht zu betrachten, die bestehenden Grenzen. Versuche nur den natürlichen Fluss zu verstehen, (die) natürliche Geopolitik, (die) natürliche Geoökonomie, (die) natürliche Geokultur. Welches Land welche Politik entwickeln wird, wird von den natürlichen Strömungen abhängig sein."

In dem Rennen um den europäischen Absatzmarkt scheint momentan Russland die Nase vorn zu haben, da der Bau der South Stream Pipeline bereits im Dezember 2012 beginnen soll. Ausserdem verfügt es auch über genügend Gas um es mit Hochdruck durch die 3500km langen Röhren bis ins österreichische Baumgarten zu jagen.

Das Problem mit dem mangelnden Gas für das Nabucco Projekt hätte mit einem Erzrivalen der Russen und Iraner in diesem Geschäft (und im Falle Irans auch ideologisch/religiöser) gelöst werden können. Das kleine Emirat Qatar, mit einer 1,7 Million grossen Bevölkerung verteilt auf 11600km2, ist aber der viert grösste Gasproduzent der Welt!
Bis heute muss Qatar aber das Gas in flüssiger Form auf speziell ausgerüstete Tanker auf dem Seeweg zum Endkunden bringen, was natürlich einen enormen Mehraufwand und Mehrkosten bedeutet. Eine Pipeline, noch dazu eine die das Gas direkt mitten nach Europa bringen könnte, würde dem Emir von Qatar eine fantastische Perspektive eröffnen. Deshalb unterzeichneten die Türkei und Qatar 2009 eine Absichtserklärung, die Turkey-Qatar Pipeline zu bauen. Die Route sollte via Saudi Arabien, Jordanien und Syrien in die Türkei verlaufen.
Theoretisch stünden Qatar bereits bestehende Pipeline Routen zur Verfügung die es nutzen könnte, um das Gas nicht nur nach Europa, sondern auch nach Asien. Dafür müsste Qatar aber das Netzwerk des Irans nutzen, immerhin nutzen die beiden Länder das gleiche Riesengasfeld.



Das darf und will der Emir aber nicht. Als Gastgeber für den US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Al Udeid Air Base, muss sich das kleine Emirat dem politischen Druck aus Washington beugen. Aber auch die Religion spielt eine immens wichtige Rolle in dieser Entscheidung. Qatar ist ein sunnitisches Land, das dem streng konservativen Wahhabismus aus Saudi Arabien folgt. Iran dagegen ist ein schiitisches Land, was im Wahhabismus als ketzerische Religion definiert ist und somit zum grössten Feind zählt.

Um das Nabucco Projekt voranzutreiben, braucht Ankara unbedingt das Gas aus Qatar. Und als Transportroute bleibt eigentlich nur der genannte Weg über Saudi Arabien, Jordanien und Syrien wo man die bereits bestehende Infrastruktur der Arab Gas Pipeline nutzen könnte.
Diesem Plan aber schob der syrische Präsident Bashir al-Assad letztes Jahr einen Riegel davor, als er einen ganz anderen Deal ankündigte: eine Pipeline die iranisches Gas, über Irak nach Syrien bringen würde. Zielhafen sollte Tartus sein, zufälligerweise der Ort wo auch Russland eine (die einzige im Nahen Osten) Militärbasis unterhält und somit grosses Interesse an diesem Projekt hat. Mit diesem Deal hätten die drei Länder genau das erreicht was der Westen und die Türkei, inklusive Qatar, mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Obwohl der Zielmarkt von dieser Pipeline Europa wäre, mit einem Investionsvolumen von 10 Milliarden US-Dollar deutlich unter den Kosten für Nabucco liegt, und erst noch 35% mehr Gas transportieren könnte, torpedieren Brüssel und Co. das Projekt mit blindem Eifer!

Das ist der wahre Grund um den Kampf um Syrien und zeigt, wie es Damaskus ins Zentrum der aktuellen geopolitischen Auseinandersetzung geschafft hat.















Freitag, 12. Oktober 2012

Lage in Syrien droht zu eskalieren

Die Ereignisse im Kampf um Syrien scheinen seit letzter Woche zu eskalieren, als nach einem Mörserangriff auf das türkische Grenzdorf Akcakale unschuldige Menschen ums Leben kamen. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es sich um Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) handelte die mit diesem Angriff eine Reaktion der Türkei provozieren wollten. Einige Berichte sprechen sogar davon, dass der Angriff mit Rücksprache der türkischen Militärs stattfand, wobei es für solche Angaben natürlich keine Beweise gibt. Beweise gibt es aber dafür, wie Medien mit gefährlichen Beschuldigungen über die Urheber dieses Angriffes umgehen.
Am Donnerstag, einen Tag nach dem Vorfall in Akcakale, berichtete das ZDF-Mittagsmagazin darüber und bestätigte ganz klar, dass sich die "syrischen Rebellen" bereits für diesen Angriff bekannten. Am Abend zur allerbesten Sendezeit, wo der Grossteil der deutschen Bürger sich im TV die Nachrichten anschaut, hiess es dann im ZDF dass "die Syrer einen Ort in Grenznähe" beschossen haben. Es war plötzlich keine Rede mehr von den "Rebellen", sondern von "Syrer", was den Verdacht auf die syrische Staatsarmee lenken soll!

Auch in der untenstehenden Grafik über die betroffene Grenzregion bei Akcakale wird berichtet, dass die Ortschaft von syrischen Truppen bombardiert wurde. Dennoch benutze ich sie hier weil sie ein sehr gutes Bild über die Gegebenheiten vor Ort zeigt.



Seitdem bombardiert die Türkei Ziele in Syrien und bereitet nun offenbar eine Bodenoffensive vor, nachdem sich Ministerpräsident Recip Erdogan eine Vollmacht für einen Krieg von seinem Parlament geben lassen hat. 250 türkische Panzer wurden an der Grenze zusammengezogen um gegebenfalls die syrische Seite dieser Grenzregion zu besetzen: aus Gründen der nationalen Sicherheit natürlich.

Das sich die Türkei bereits richtig im Krieg mit Syrien befindet, zeigt auch der Zwischenfall von Gestern, als ein Flugzeug von Moskau/Russland kommend über türkischem Staatsgebiet von zwei F16 abgefangen und zur Landung gezwungen wurde. Ankara beschuldigte Russland, auf diesem Zivilflug Munition für das syrische Militär versteckt zu haben, was der Kreml vehement verneinte. Vladimir Putin sagte daraufhin kurzerhand den geplanten Besuch in der Türkei ab und warf der türkischen Regierung vor, Luftpiraterie zu betreiben.
Viel zu befürchten hat Ankara offenbar nicht, denn eine Sprecherin für das Aussenministerium der USA liess verlauten, dass die "USA die Entscheidung der türkischen Regierung unterstützen, das Flugzeug zu untersuchen". Allerdings konnte auch sie nicht bestätigen, dass in dem Flugzeug tatsächlich Waffen oder Munition versteckt waren.

Unterdessen fand ein Team der britischen BBC in einem Rebellenlager der FSA bei Aleppo Waffenkisten, die eigentlich für die Streitkräfte von Saudi Arabien vorgesehen waren und so den klaren Beweis erbrachten, wie die verschiedenen syrischen Rebellen von Saudi Arabien und anderen Länder mit Waffen unterstützt werden.

Montag, 8. Oktober 2012

500`000 tote Kinder : Das ist es wert

Wenn man die Aussenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika so ein bisschen verfolgt, dann hört man sehr oft das Säbelrasseln gegenüber dem Iran. Präsident Obama wird nicht müde zu betonen dass "alle Optionen auf dem Tisch liegen, auch militärische". Auch während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung vor knapp zwei Wochen nahm der Iran einen grossen Teil der Ansprache ein. Obama wollte sich von den Kriegstreibern aus den eigenen Reihen (und allen voran natürlich von dem israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu) aber noch nicht in den letzten Zipfel seiner unausweichlich erscheinenden Ecke drängen lassen, sondern der Diplomatie noch etwas Zeit lassen. Selbstverständlich wäre diese Zeit nur begrenzt verfügbar, fügte der Präsident noch hastig hinzu. Was genau unter dem Begriff "Diplomatie" zu verstehen ist wurde nirgendwo weiter erläutert. Wenn man aber die Fakten betrachtet, dann kann die amerikanische und die europäische Diplomatie nicht gleichbedeutend mit jener Diplomatie sein, wie sie im Duden oder Wikipedia definiert ist. So soll die Diplomatie:

- den Agierenden Kompromissbereitschaft und den Willen bescheinigen, die Absichten und Wünsche jedes Beteiligten zu erkennen
- eine Win-Win Situation suchen
- es möglichst vermeiden die Verhandlungspartner blosszustellen oder in die Enge zu treiben

Noble Worte, aber im Falle des Irans scheinen Washington und Brüssel eine andere Definition anzuwenden. Hier steht Diplomatie für Sanktionen. Denn um jene Diplomatie anzuwenden wie sie nunmal im Duden oder Wikipedia beschrieben wird, braucht es auch Diplomaten in Form von Botschaften als Vertreter des Landes A im Land B. Aber die USA verfügen seit der gewaltsamen Besetzung der US-Botschaft in Teheran von 1979 über keine eigene Vertretung mehr, sondern sind sozusagen bei der schweizerischen Botschaft in Untermiete.
Wenn also US-Präsident Obama sagt dass er gerne der Diplomatie noch etwas Zeit lassen möchte, dann meint er, dass er den Sanktionen noch etwas Zeit lassen möchte um ihre vernichtende Wirkung weiter auszubreiten. Das diese zahlreichen Sanktionen, die schwersten und zahlreichsten mit denen jemals ein Land bestraft wurde, ihren Tribut fordern steht ausser Frage. Wie könnte es denn auch anders sein, der Iran steht seit 1996 unter ununterbrochener internationaler Sanktionierung welche das Ölgeschäft im Visier hatten.

Ein abschreckendes Beispiel von der tödlichen und als solches beabsichtigten Wirkung zeigen die Sanktionen die nach 1991 gegen den Irak eingesetzt wurden. Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Denis Halliday für das Programm "Öl für Nahrung" im Irak trat zurück, weil er die Auswirkungen der Sanktionen auf die irakische Bevölkerung nicht mehr länger ertragen konnte. Halliday begründete seinen Rücktritt damit: "Was für mich tragisch ist, nebst dem Irak selbst, ist die Tatsache dass die Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrates absichtlich ein Programm von Wirtschaftssanktionen pflegen, welches wissentlich tausende Iraker monatlich tötet. Und diese Definition beschreibt (einen) Genozid."
Als die damalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen (und spätere Aussenministerin)  Madeleine Albright bei einer Fernsehsendung 1996 genau danach gefragt wurde, nämlich das im Irak mehr als 500`000 Kinder gestorben sind aufgrund der Sanktionen und ob es das alles wert ist, antwortete sie: "Ich denke das ist eine harte Wahl, aber ich denke, wir denken, es ist es wert."


Nach diesem Vorbild scheint sich nun der Westen zum Thema Iran zu richten. Nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, auch in Europa sind Sanktionen gross in Mode gekommen. Insbesondere Grossbritanninen, Frankreich und Deutschland sind die grössten Befürworter der EU um den Iran mit Sanktionen zu belegen. So hat beispielsweise der aussenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag in Berlin, Philipp Missfelder, erst im November 2011gefordert dass die "internationale Gemeinschaft die Sanktionen umgehend verschärfen soll". Als Grund nannte Missfelder die "momentane Situation als äusserst besorgniserregend, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit unseres (von Deutschland) Partners Israel."
Damit gibt ein Vertreter der deutschen Regierung also zu, dass Deutschland und die anderen EU-Grossmächte den Iran nicht wegen einer angeblichen Bedrohung für sich selbst bestrafen, sondern weil der Iran eine angebliche Bedrohung für einen anderen Drittstaat darstellt, nämlich Israel.

Die amerikanischen Politkollegen von Herrn Missfelder äussern sich etwas detaillierter zu den Sanktionen, wie beispielsweise der Republikanische Senator von Illinois, Mark Kirk. Bei der Frage eines Radiomoderators ob Senator Kirk mit den Sanktionen tatsächlich die iranische Regierung bestraft, oder ob damit nicht viel mehr das Essen aus dem Munde der Bevölkerung genommen wird, antwortete Kirk: "Es ist ok das Essen aus dem Munde einer Bevölkerung zu nehmen, dessen Regierung einen Anschlag auf amerikanischem Boden plant". Sowas nennt man kollektive Bestrafung einer gesamten Nation für haltlose Anschuldigungen.

Für solche Äusserungen ist Senator Kirk nicht unumstritten, obwohl sie bei seinen grössten Gönnern der isrealischen Lobbyisten AIPAC sicherlich gut ankommen. Während des von Israel brutal geführten Gaza-Krieges von 2008/2009, wo über 1400 Palästinenser ums Leben kamen, sagte Mark Kirk während einer pro-Israel Veranstaltung zum Krieg in Gaza: "Um Shakespeare zu nutzen; etwas ist faul in Gaza, jetzt ist es an der Zeit den Müll zu entsorgen."

Es sind genau solche Männer, ohne jeglichen Sinn für Humanität, die tote Palästinenser als "Müll" bezeichnen und keine Probleme damit haben einer ganzen Nation das Essen zu verweigern, die am lautesten nach Sanktionen und Krieg rufen.


Donnerstag, 4. Oktober 2012

Syrien: Türkei billigt Angriffe auf Nachbarland

Und plötzlich ist der Fall eingetreten auf den die "Freie Syrische Armee" (FSA) so lange darauf gewartet hatte. Bei dem gestrigen Einschlag von drei Mörsergranaten in dem türkischen Grenzdorf Akcakale kamen leider unschuldige Dorfbewohner ums Leben. Als Reaktion darauf startete die türkische Regierung nur wenige Stunden nach diesem Vorfall, eine Vergeltungsaktion gegen Syrien die bis heute weiter anhält.
Die türkische Regierung rief auch sodann eine Dringlichkeitssitzung bei der NATO in Brüssel zusammen und überraschte die Diplomaten vor Ort bei ihren Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit. Dabei gab es keinerlei Überraschungen zu erwarten, der Standpunkt der NATO zu Syrien ist seit Monaten klar: keine militärische Intervention und Schuld an allem ist Präsident Assad. Natogeneralsekretär Fogh Rasmussen bezeichnete den Beschuss von Akcakale als "eklatanten Bruch von internationalem Recht und aggressiven Akt auf NATO`s südöstlicher Grenze".

Die türkische Regierung in Ankara ging heute sogar noch einen Schritt weiter. In einer ebenfalls dringend einberufenen Parlamentsitzung stimmten die Parlamentarier mit einer deutlichen Mehrheit  einem Beschluss zu, welcher es dem türkischen Militär erlaubt, künftig mit Bodentruppen und Luftangriffe gegen syrische Ziele vorzugehen.

Damit greift die Türkei nun also offen in den Konflikt mit Syrien ein und schliesst somit den Kreis welches es letztes Jahr gebildet hatte, als Ankara den verschiedenen syrischen Rebellengruppen es erlaubte in Istanbul ihr Hauptquartier zu beziehen. In dieser Zeit fungierte der türkische Geheimdienst als Dreh- und Angelscheibe für die Lieferungen von Waffen an die Rebellen in Syrien und koordinierte Material und Soldaten mit der FSA in Istanbul.

Das jetzt ausgerechnet der Beschuss mit Mörsergranaten als Grund für die türkische Intervention (laut türkischem NATO-Botschafter Haydar Berk) genommen wird, ist insofern interessant als nun behauptet wird dass die Freie Syrische Armee nicht über solche Waffen verfügt. Eigentlich müsste es ja gerade die Türkei besser wissen.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Netanyahu`s UN-Show in New York

Letzte Woche fand die alljährliche UN-Vollversammlung in New York statt, wo sich die Staatsmänner dieser Welt die Klinke in die Hand geben und ihre Reden halten können. Doch dieses Podium wird auch sehr gerne als Warnschild, oder noch eher als Warnung verkleidete Kriegsandrohung benutzt um so der allgemein vorherrschenden Rhetorik noch etwas Gewicht beizulegen.
Unvergessen bleibt der Auftritt des damaligen US-Aussenministers Collin Powell, als er 2003 eine Ampulle mit irgendwelcher pulvrigen Substanz in die Höhe hielt und so die Gefahr von Anschlägen mit Anthrax aus dem Irak hervorhob.


Und das obwohl der hochdekorierte General Powell noch 4 Tage vor diesem Auftritt bei der Vorbesprechung zu dieser Rede sagte, dass er das so nicht vorlesen würde weil es "bullshit" ist. Powell liess sich diese Informationen die er auf seiner Rede vorfand sogar nochmal von CIA-Chef George Tenet bestätigen, um so aus der Verantwortung genommen zu werden sollte es sich doch um "bullshit" handelt wie er es selbst formulierte. Tenet liess Powell die gewünschte Bestätigung zukommen von der er selbst gegenüber dem Präsidenten George W. Bush als "Slam Dunk" sprach, also 100%ig sichere geheimdienstliche Information (der Ausdruck ist aus dem Basketball Sport entnommen)!

Doch der Schaden war für Collin Powell angerichtet und sein guter Ruf damit unwiederruflich beschädigt. Denn es gab keinen "Slam Dunk" wie es der CIA-Chef versichert hatte, aber die Welt brachte nun mal nicht George Tenet mit der Katastrophe im Irak in Verbindung, sondern eben Powell aufgrund seiner Präsentation vor der UN-Vollversammlung.

Der israelische Ministerpräsident Binyamin Netanyahu machte es bei seiner Rede letzte Woche dem ehemaligen amerikanischen Aussenminister nach und zückte mitten in der Ausführung (es war viel mehr eine Hetzkampagne!) eine Zeichnung hervor. Wer nun von einem Staatsmann eines Landes welches jährlich mit Milliarden von US-Dollar subventioniert wird eine technisch hochmoderne Präsentation erwartet hat, staunte nicht schlecht als "Bibi" Netanyahu eine Art Kinderzeichnung auf Pappkarton hervorzauberte. Darauf abgebildet war eine von Hand gemalte Bombe mit Lunte, unterteilt in 3 Abschnitte die das angebliche Atomwaffenprogramm stark vereinfacht darstellen sollte. Damit nicht genug. Bibi ging sogar soweit und zeichnete mit einem roten Stift eine rote Linie, um der Welt die israelische "Red Line" aufzuzeigen die der Iran nicht überschreiten dürfe.


(gemäss israelischer Darstellung befindet sich der Iran aktuell auf der Linie von 70% und spätestens dann im Sommer 2013 bei 90%)









Bibi selbst sagte bei seinem UN-Auftritt letzte Woche, dass er schon seit über 15 Jahren die Welt vor einer Atommacht Iran warnt und er es auch weiterhin tun wird. Von der gesamten Rede ist dieser Satz der einzige Teil, der auch annähernd der Wahrheit entspricht. Was er aber nicht erwähnt hat waren die von ihm verschieden gesetzte Zeitpunkte wo der Iran angeblich die Atombombe in der Hand halten würde. Hier einige Beispiele:

Bereits 1992, also nur ein Jahr! nachdem die USA den damaligen Existenzgefährdeten Feind Nr. 1 für Israel, nämlich Irak, nahezu in Schutt und Asche gebombt haben fand der noch junge Parlamentarier Binyamin Netanyahu einen Ersatz für Irak: ja genau den Iran. Damals warnte er schon seine Parteifreunde von der Knesset dass der Iran nur noch 3 bis 5 Jahre von der Bombe enfernt ist. Und was die heutige Krise mit dem Iran in einem gänzlich anderen Licht erstrahlen lässt, ist dass Bibi schon zu diesem Zeitpunkt eine "internationale Front, angeführt von den USA, zur Ausschaltung dieser Bedrohung" forderte.

Noch im selben Jahr sagte der damalige israelische Aussenminister (und heutige Präsident) Shimon Peres, dass der Iran spätestens bis 1999 eine Bombe haben würde.
Publikationen ebenfalls aus dem Jahr 1992 wie der  "The Arms Control Reporter" gingen sogar soweit und behaupteten dass der Iran bereits über mindestens 4 Atombomben verfügte die es entweder aus Russland oder Kazachstan erworben habe.

Dann wieder im Jahr 1995 als Bibi sein Buch "Terrorismusbekämpfung: Wie Demokratien das Internationale Terrornetzwerk besiegen können" herausgab in welcher er davor warnte, dass der Iran spätestens in 5 Jahren über eine eigene Nuklearwaffenproduktion verfügen würde.

Ein Jahr später warnte der damalige Aussenminister (und heutige Verteidigungsminister) Ehud Barak vor der UN-Vollversammlung in New York, dass es spätestens 2004 so weit sein würde dass der Iran über eine eigene Nuklearwaffenproduktion verfügen würde.

Als Bibi dann 1996 zum Ministerpräsidenten von Israel gewählt wurde, unternahm er seine erste Auslandsreise in die USA und sprach in Washington vor dem Kongress. Hier Auszüge aus dieser Rede die der von letzter Woche erstaunlich ähnlich klingt:
"Ich habe die Probleme des Mittleren (Nahen) Ostens angesprochen, welches grösstenteils undemokratisch ist, und Teile davon sind streng anti-demokratisch. Insbesondere wird sie (die Region) durch eine Reihe von unveränderlicher Diktaturen radikalisiert, deren Regierungsstil auf Tyrannei und Einschüchterung basiert.
Das gefährlichste dieser Regime ist der Iran, welches einen grausamen Despotismus zu einer fanatischen Militanz entwickelt hat. Sollte dieses Regime, oder sein despotischer Nachbar Irak, eine Nuklearwaffe erhalten würde, könnte dies katastrophale Konsequenzen, nicht nur für mein Land, nicht nur für den Mittleren Osten, sondern für die gesamte Menschheit ankünden."

Der israelische Ministerpräsident Binyamin Netanyahu warnt also schon seit 20 Jahren vor einem Nuklearbewaffneten Iran, obwohl seine wie auch die amerikanischen Geheimdienste und Militärs genau vom Gegenteil überzeugt sind. Was noch viel schlimmer ist, Bibi forderte ebenfalls vor 20 Jahren einen Angriff auf den Iran unter Führung der USA. Das aber vergass er dieses Jahr vor der UN-Vollversammlung zu erwähnen.