Donnerstag, 28. August 2014

Iran profitiert

Vor ein paar Tagen kam im Radio eine Nachrichtenmeldung, dass sich die deutschen Obstbauern aufgrund des russischen Importstopps von europäischen und amerikanischen Agrarprodukten um ihre Erträge dieses Jahr fürchten. Trotz sorgfältiger Pflege ihrer Obstbäume und dem unermüdlichen Einsatz den die Bauern für unser aller gesundheitliches Wohl erbringen, trotz Rekordverdächtiger Ernte fürchten sie sich aber davor dass sie am Ende auf ihren Äpfeln und Birnen sitzen bleiben. Nicht etwa weil Deutschland so viel Obst an Russland liefert, dieser Anteil liegt nur bei etwa 2.4%, sondern weil die Ost- und Südeuropäischen Länder wie Polen, Rumänien, Spanien oder Griechenland ihren Hauptmarkt Russland verloren haben. Man muss daher kein Wirtschaftsprofessor sein um die Vermutung anzustellen, dass dieses nicht verkaufte Obst aus Ost- und Südeuropa den deutschen Markt überschwemmen wird und das zu Preisen, wo unser Bauer Gerhard eben nicht mithalten kann und auf seinen Äpfeln und Birnen sitzen bleibt.
Alles kein Problem heisst es aus Brüssel, man werde mit 125 Millionen Euro die europäischen Bauern unterstützen. Den grössten Teil dieser 125 Millionen Euro werden aber jene Länder erhalten, die am meisten von dem russischen Importstopp betroffen sind, und das ist nicht Deutschland.
Zwar soll mit diesem Geld eigentlich die Überflutung von billigem Obst aus Ost- und Südeuropa zumindest verlangsamt werden, doch es gibt begründete Zweifel dass diese Mittel bei Weitem nicht ausreichen werden.

Es ist jedoch nicht nur die Agrarwirtschaft die von diesem Importstopp betroffen ist. Es ist die ganze Wirtschaft die darunter leidet, und zwar der ganzen Europäischen Union! Und wozu das alles?

Selten konnte man Zeuge dessen werden wie die Politik auf der ganzen Linie versagt hat. Unsere Märkte sind so gut wie ausgereizt, mit der Niedriglohnpolitik Deutschlands wurde zwar der deutsche "Wachstumsmotor", der Export, auf Kosten der deutschen Nachbarländer angefeuert und gleichzeitig aber entzog man dadurch dem Mittelstand genau die Mittel die den Mittelstand erst ermöglicht haben. Wachstumsraten von über 1% wurden in den Medien als "Boom" bejubelt, während etwas überheblich auf die europäischen Nachbarn geschaut wurde deren Wirtschaftsleistung sich teilweise auf das Niveau des Jahres 2000 zurückentwickelt hat.
Und mitten in diesem wirtschaftlichen Fiasko haben es unsere Politiker geschafft, sich in der Ukraine Frage so sehr zu verzetteln, dass man keinen anderen Ausweg gefunden hat als sich dem sinnlosen Ruf der USA nach Sanktionen gegen Russland anzuschliessen. Es scheint fast so als ob sich niemand daran erinnern möchte, dass die Gründe für die europäische Empörung in der Ukraine Frage sich nicht so zugetragen haben wie man das behauptet hat (siehe hier, hier und hier). Unsere politische Führung nimmt es sogar billigend in Kauf, wenn Initiativen zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts wie jene des deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier vom 20. Februar 2014, als er zusammen mit dem deutschen Darling und ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko und dem französischen und polnischen Aussenminister einen Vertrag mit Präsident Janukovitsch ausgehandelt hat der dessen geordneten Rücktritt beinhaltete, durch eine eiskalte Bluttat sabotiert wurde die augenblicklich Janukovitsch in die Schuhe geschoben wurde. Wie sich jedoch herausgestellt hat, waren dafür andere Kräfte als der gestürzte Präsident verantwortlich.

Und trotzdem folgt Brüssel dem amerikanischen Sanktionsregime, nicht etwa gegen die Ukraine, sondern ausgerechnet gegen Russland. Genau so wie man es bereits zuvor mit dem Iran gemacht hat, doch tat dieser Schritt damals nicht so sehr weh wie nun jetzt gegen Russland. Während die Europäische Union insgesamt "nur" etwa 7% des gesamten Exportvolumens durch diese Sanktionen gegen Russland riskiert, immerhin 120 Milliarden Euro von Total 1,7 Billionen Euro Exporte, trifft es aber doch einige EU-Länder deutlich härter als andere. Gerade Spanien oder Griechenland die mit Arbeitslosenquoten jenseits der 20% Marke zu kämpfen haben, verlieren durch dieses Sanktionsregime 22% ihrer Agrarexporte an Nicht-EU-Länder (Spanien), respektive 41% (Griechenland). Der Verlust nur von diesen beiden Ländern beträgt nach Angaben von Professor James Petras voraussichtlich 265 Millionen Euro. Das sind dann schon 140 Millionen Euro über der Summe die Brüssel für die europäischen Bauern bereitstellen möchte. Dazu kommen Verluste in Höhe von 317 Millionen Euro von polnischen Bauern, 308 Millionen Euro von litauischen Bauern und den deutschen Nachbarn Dänemark oder Holland wird es nicht besser ergehen.

Die Polen sind sogar so verzweifelt, dass sie bei Facebook eine "Eat Polish Apples"-Aktion gestartet haben und die USA oder Irland darum bitten, polnische Äpfel zu kaufen. Dabei waren es die Polen, die nebst den Baltischen Staaten am lautesten um amerikanischen Beistand bettelten weil Russland angeblich kurz vor der Invasion dieser Länder stand.
Natürlich ist die Europäische Union besorgt über diese offensichtlich nicht einkalkulierte Reaktion aus Moskau. Doch statt eine eigene verantwortungsvolle und den Interessen der europäischen Länder dienende Politik zu betreiben, entsandte Brüssel ihre Emissäre nach Lateinamerika um die dortigen Geschäftsleute und Politiker davon abzuhalten Geschäfte mit Russland zu machen und sich ebenfalls dem US/EU-Sanktionsregime unterzuordnen. Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa liess die Europäer aber wissen, dass Ecuador "niemanden um Erlaubnis fragen muss um Nahrungsmittel an befreundete Länder zu verkaufen." Und dann kam ein gezielter Seitenhieb in Richtung Brüssel: "Soweit es uns bekannt ist gehört Lateinamerika nicht zur Europäischen Union."
Tja, der russische Präsident Vladimir Putin scheint in Lateinamerika ziemlich schnell auf fruchtbaren Boden gestossen zu sein und wird das in Europa so dringend gebrauchte Geld eben dort ausgeben. 

Es ist aber nicht nur Lateinamerika das von dieser desaströsen europäischen Politik profitiert und sich als neue Lieferanten für den russischen Markt anbieten. Insbesondere die Türkei und der Iran werden sehr gerne in diese Bresche springen und Russland mit Früchten, Gemüse und Geflügelprodukten beliefern. Iran meldete zum Beispiel, dass man bereit ist monatlich 5000 Tonnen Eier nach Russland zu liefern. Diese europäischen Sanktionen gegen Russland werden dazu führen, dass der Iran seine Kapazitäten auf dem Gebiet der Geflügelproduktion noch weiter ausbauen wird und somit zu einem der grössten Produzenten in der Region aufsteigen wird. Auch das ist nicht unbedingt beabsichtigt gewesen, immerhin sind die europäischen Sanktionen gegen den Iran noch in Kraft und waren eigentlich dazu gedacht, das Land wirtschaftlich in die Knie zu zwingen.

Der Iran profitiert aber nicht nur aufgrund der Ukraine Krise (siehe auch "Ukraine: Chancen und Gefahren für Iran"), sondern auch von den wahhabitischen Extremisten der ISIS die im benachbarten Irak und Syrien ihr Kalifat, den Islamischen Staat (IS) ausgerufen haben. Die ISIS stellen für Iran keine direkte Gefahr dar, aber sehr wohl für die schiitischen Heiligtümer im Irak und Syrien und natürlich für die Schiiten in diesen Gebieten. Man erinnert sich in Teheran noch mit Schaudern an die mörderische Zerstörungs- und Raubexpeditionen die die Wahhabiten im 19. Jahrhundert gegen die den Schiiten heilige Städte von Najaf und Kerbela (im heutigen Irak) geführt haben, die damals aber unter der Herrschaft des Sultans des Osmanischen Reiches standen (siehe "Aufstieg des Wahhabismus"). Man wird es in Teheran ganz sicher kein zweites Mal zulassen dass Wahhabiten zu einem erneuten Ansturm auf diese heiligen Städte ansetzen.

Wie ich bereits geschrieben habe, stellt die ISIS aber ein Dilemma für den Westen dar. Wie die Jihadisten die insbesondere von den USA während der sowjetischen Besatzung Afghanistans benutzt wurden um die Sowjets aus Afghanistan zu vertreiben, wurden ISIS und deren Vorläufer in Syrien dazu benutzt und ausgerüstet um den syrischen Präsidenten Bashir al-Assad zu stürzen. Und wie in Afghanistan stellten sich die Günstlinge der westlichen und saudischen Geheimdienste gegen ihre Förderer und sollten zur Bedrohung werden. Weder die "afghanischen Mujahedin", die wie die heutigen Jihadisten internationalen Zulauf hatten, noch Al Qaeda noch sonst irgendeine jihadistische Gruppierung wurde aber so mächtig wie ISIS heute. Die Afghanen wollten nur die fremden Besatzer aus dem Land verjagen; die Taliban blieben in den 1990er Jahren ebenfalls nur in Afghanistan, die Taliban in den 2000er wollten wieder nur die amerikanischen und anderen Besatzer aus dem Land verjagen und richteten sich aber bereits in den paschtunischen Stammesgebieten in Pakistan ein; Al Qaeda hatte überhaupt keine territorialen Interessen und die Vielzahl von anderen jihadistischen Gruppierungen in Pakistan oder Zentralasien blieben auch "nur" regional tätig.
Es waren bisher nur die Wahhabiten die auf territoriale Ausdehnung aus waren: erst unter der Führung des Al-Saud Stammes während des 19. und 20. Jahrhunderts auf der Arabischen Halbinsel und jetzt ISIS im Kernland des ehemaligen blühenden Abbasidenkalifats.

Sobald es um Land geht, und erst Recht um Land welches strategische Priorität für das weltweite Wirtschaftssystem besitzt, wird es für den Westen und natürlich für die jeweiligen politischen Entitäten vor Ort zu einer Bedrohung. Hätte sich die ISIS auch weiterhin nur auf den Kampf gegen Assad beschränkt, wären die brutalen Exzessen der Wahhabiten nie zu einem Problem für die Gönner aus Washington, London, Paris, Ankara, Riad oder Doha geworden. Aber indem sie eine eigene Agenda von Anfang an verfolgten, aber dankbar die Hand aufhielten solange es eben ging und Waffen, Ausbildung und Geld annahmen, um dann einen eigenen Führungsanspruch in den eroberten Gebieten geltend zu machen, wurden sie erst zu einem Problem. Und trotzdem erhielten sie bis vor kurzem noch eine bevorzugte Behandlung durch die Türkei, die ISIS-Kämpfer in ihren Krankenhäusern wieder aufpäppelte um sie zurück aufs Schlachtfeld zu schicken und es zuliess, dass die Wahhabiten aus Europa und den USA sich ungestört auf türkischem Boden mit ISIS-Vertretern treffen konnten, die sie dann auch weiter zu den jeweiligen Ausbildungslager und Schlachtfelder brachten.

Politisch gibt es keine Lösung mit dem selbsternannten Kalifen des Islamischen Staates, sofern man diesen "Staat" nicht anerkennen möchte. Bliebe also nur der Kampf gegen ISIS übrig. Und wie ich ebenfalls bereits vor einiger Zeit geschrieben habe, kann dieser Kampf nicht nur im Irak und dort auch nur in der Nähe der kurdischen Gebiete geführt werden, sondern muss auch in Syrien geführt werden. Aufgrunddessen dass die USA, oder sonst irgendein westliches Land (von arabischen Ländern gar nicht erst zu reden), keine Bodentruppen gegen ISIS einsetzen wollen und sie aber aus der Luft nicht zu schlagen sind, zumal sie wohl nach der Einnahme von Militärdepots im Irak und Syrien auch über amerikanische Luftabwehrraketen des Typs "Stinger" besitzen. Damit nicht genug, ISIS verfügt über so viele amerikanische Waffen und Zubehör, dass die US-Luftschläge gezielt auch diesen eigenen Waffen dienten um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Selbst einige syrischen Scud-D Raketen haben sie in ihre Gewalt gebracht, die zwar angeblich laut Expertenmeinung nicht einsatzbereit sind, aber da sich insbesondere die Experten in den letzten Jahren so viel geirrt haben diese Möglichkeit einer operationellen Scud-D Rakete nicht mit letzter Gewissheit auszuschliessen ist.



Und wieso profitiert der Iran von alledem? Da der Westen sein eigenes "Frankensteinmonster" nicht selbst besiegen kann, braucht es jemanden vor Ort der diese Aufgabe übernehmen kann. Und da die "strategischen Partner" wie Saudi Arabien, Qatar oder auch die Vereinigten Arabischen Emirate dafür nicht in Frage kommen, bleibt dafür nur noch die stärkste Macht des Persischen Golfes übrig: der Iran.

Als die ISIS-Kämpfer die kurdischen Stellungen ohne Probleme überrannt haben, waren die Iraner die ersten die ihnen Waffen und sicher auch einige Einheiten der Elitekräfte der Revolutionswächter, der Al Quds Force, zur Verfügung stellten. Amerikanische Quellen sagen dass es eine Übereinkunft zwischen Washington und Teheran gibt, nämlich dass die Vereinigten Staaten iranische Einheiten im Irak im Kampf gegen ISIS akzeptieren, während die USA mit ihrer Air Force aus der Luft zuschlagen wird. Bis jetzt gibt es aber keine richtige Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zwischen den beiden Ländern, dafür ist das Misstrauen einfach zu gross.
Schon einmal wurden die Iraner für ihre Hilfe von den Amerikanern blossgestellt, als sie bei der US-geführten Koalition gegen die Taliban im Jahr 2001 behilflich waren und als Dankeschön in der berühmte Rede des damaligen Präsidenten George W. Bush in die "Achse des Bösen" aufgenommen wurden.

Doch diesesmal könnte es anders ausgehen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind längst nicht mehr die absolute Supermacht. Der feige israelische Krieg gegen eine wehrlose Bevölkerung im Gaza Streifen hat gezeigt, dass die USA nicht einmal mehr durchsetzen können wer denn eigentlich der Sponsor der Waffenstillstandsverhandlungen sein soll. Nachdem US-Aussenminister John Kerry in Kairo vor aller Welt gedemütigt wurde als er und seine Entourage von ägyptischen Grenzbeamten mit Metalldetektoren untersucht wurden, setzte das Weisse Haus auf die Türkei und Qatar als Sponsoren für die Verhandlungen da die Hamas dem ägyptischen Diktator al-Sisi nicht mehr über den Weg traute. Doch Israel und Ägypten machten einfach weiter als ob es die amerikanische Position gar nicht geben würde, was deutlich zeigt wie wenig Einfluss die Amerikaner in dieser Region noch besitzen.
Ausserdem stellt ISIS eine direkte Bedrohung für die Petromonarchien am Persischen Golf und auch Saudi Arabien dar, die allesamt von der ISIS (zurecht) als korrupte und in ihren Augen vom richtigen Glauben abgefallene Herrscher darstellen. Obwohl es genau diese Länder sind die die ISIS unterstützt haben und nach wie vor auch über Umwege unterstützen, werden sie aber auch froh sein wenn diese Bedrohung für ihre Herrschaft nicht mehr besteht. Das bedeutet sie werden sich offiziell nicht darüber beschweren, wenn iranische Bodentruppen es im Irak mit den ISIS-Kämpfern aufnehmen, zumal die oberste geistliche Autorität der Schiiten im Irak, Gross-Ayatollah Ali al-Sistani, ausdrücklich die iranische Intervention gegen die ISIS begrüsst hat.

Was auf den ersten Blick zunächst nach einer idealen Ausgangslage für den Kampf gegen die ISIS aussieht, wirft auf den zweiten Blick aber jede Menge Fragen auf. So hat die syrische Regierung bekannt gegeben dass sie gerne mit den USA gegen die ISIS kooperieren möchte, aber dass sie jegliche Luftschläge oder Aufklärungsflüge die nicht mit Damaskus abgesprochen wurden als "Verletzung der syrischen Souveränität und als Akt der Aggression" betrachten wird. Natürlich hat Damaskus in diesem Punkt Recht, jegliche Verletzung der syrischen Lufthoheit ist nach geltendem internationalen Recht ein Akt der Aggression gegen den syrischen Staat, genauso wie die israelische Drohne die im Iran abgeschossen wurde ein Akt der Aggression war.
Da die USA aber seit drei Jahren es sich auf die Fahne geschrieben haben Bashir al-Assad zu stürzen, und ihn sogar als Hitler bezeichnet haben, können sie jetzt nicht plötzlich der Welt erzählen dass man auf der gleichen Seite kämpft. Das wäre selbst für die ansonsten äusserst ideenreichen US-Medien zuviel des Guten. Deshalb gab man sich im Weissen Haus kämpferisch und sagte, dass man nicht vor hat "Damaskus um Erlaubnis zu fragen" wenn man in Syrien Aufklärungsflüge durchführt.
Beide Aussagen sind deshalb nichts weiter als Parolen um die eigenen Seiten zu besänftigen: Damaskus möchte klarstellen dass man keine Verletzung der syrischen Souveränität durch die USA dulden werde, und Washington machten klar dass sie nach wie vor den starken Mann markieren wollen.
Aber die Realität sieht anders aus: wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet hat, übermitteln die Amerikaner die Daten aus ihren Aufklärungsflügen via russischen und irakischen Kanälen direkt an Damaskus, so dass diese gezielte Luftschläge und taktische Änderungen auf dem Boden vornehmen können um die Angriffe auf Ziele der ISIS effektiver zu gestalten. Auch die iranischen Einheiten erhalten auf diesem Wege die Koordinaten für ihre Planung.

Dabei ist Teheran aber bedacht sich als wirklicher Partner zu präsentieren, solange das natürlich nicht die Nationale Sicherheit des Irans beeinträchtigt. Man wird die Strategie im Irak und Syrien immer den amerikanischen Aktionen anpassen, sollte sich herausstellen dass die USA mehr als nur den Kampf gegen die ISIS im Sinne haben - wie zum Beispiel die Situation auszunutzen um auch "shock and awe" Bombardements gegen Damaskus durchzuführen - dann könnte die ganze Situation ausser Kontrolle geraten. Aber das ist meiner Meinung nach eher unwahrscheinlich.

Unwahrscheinlich deshalb, weil es nach wie vor Verhandlungen zu Iran`s Atomprogramm gibt. Und das obwohl die im November 2013 gesetzte Frist bis Juli 2014 bereits abgelaufen ist und die Parteien einer Verlängerung von 4 Monaten zugestimmt haben. Und was auch aufgefallen ist: die Rhetorik aus dem Weissen Haus gegenüber dem Iran hat spürbar an Drohgebärden abgenommen.
Noch im vergangenen Jahr hörten wir immer dass "alle Optionen auf dem Tisch sind - inklusive militärische Optionen". Diese Drohung haben wir dieses Jahr kein einziges Mal gehört, sehr zum Missfallen von Israel und der zionistischen Lobby in den USA.

Aber auch auf dem Gebiet der Ölproduktion und vor allen Dingen im Export des Schwarzen Goldes konnte Iran dieses Jahr massiv zulegen. Wo noch die Ölexporte vor dem Genfer-Abkommen vom November 2013 bei etwa einer Millionen Barrel pro Tag lagen, und laut dem Genfer-Abkommen nicht die Marke von einer Million Barrel pro Tag übersteigen durfte, exportiert der Iran heute an die 2 Millionen Barrel Öl mit steigender Tendenz. Durch diesen gesteigerten Export hat sich der Iran innerhalb kürzester Zeit vom gemiedenen Ölproduzenten zum drittgrössten Ölexporteur der OPEC aufgeschwungen.


 Auch die Produktion von petrochemischen Produkten, sogenannten Petchems, wurde während den massiven Sanktionen als Möglichkeit entdeckt, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Im Jahr 2013 betrug die Gesamtkapazität dieses Wirtschaftszweigs 40 Millionen Tonnen, wovon Petchems im Wert von 9 Milliarden US-Dollar exportiert wurden. Für das Jahr 2014 soll der Export um 3 Milliarden US-Dollar zulegen, eine Steigerung von 33%! Gerade auf diesem Gebiet der erweiterten Ölprodukte bietet der Iran das wohl weltweit grösste Ausbaupotential, was natürlich bei den Ölkonzernen kein Geheimnis ist.

Und dann ist da noch das iranische Gas. Geschäftsleute und Diplomaten aus verschiedensten Teilen der Welt stehen beim iranischen Gasministerium Schlange, um sich entweder nach Investitionsmöglichkeiten oder Liefermöglichkeiten zu erkundigen und sich die besten Konditionen zu sichern. Im letzten iranischen Jahr, das vom 21. März 2013 bis zum 20. März 2014 dauerte, exportierte der Iran mehr als 10 Milliarden Kubikmeter Gas. Die iranische Öl- und Gasmesse vom 23. bis 25. Juni in Teheran, lockte 600 Unternehmen aus 32 verschiedenen Ländern an, darunter Branchenriesen wie Chevron, Shell oder auch SaudiAramco.
Doch das Gas ist nicht nur ein Multi-Milliarden Geschäftsfeld, sondern es ist auch ein geopolitisches Ass das der Iran geschickt ausspielen kann.
Aufgrund der Ukraine Krise und der europäischen Abhängigkeit von russischem Gas ist man in Europa, und insbesondere dabei in Deutschland, darauf bedacht eine Alternative zu Russland zu finden. Kurzfristig wird das nicht möglich sein, aber langfristig kann sehr wohl zumindest eine sehr gute Diversifikation erzielt werden (siehe auch "Ukraine: Chancen und Gefahren für Iran").

Bisher pumpt Russland das Gas durch Pipelines über ukrainisches Staatsgebiet und durch die North Stream Pipeline nach Europa. Der Teil der Erdgaslieferungen der durch die Ukraine verläuft, hätte (und wird auch noch) über die South Stream Pipeline nach Europa geliefert werden sollen. Doch aufgrund der Ukraine Krise hat die Europäische Union die Freigabe an Moskau zur Gaslieferung via South Stream (noch) nicht erteilt, um so Moskau zu zwingen das Gas auch weiterhin über die Ukraine zu liefern.
Wie ich im Bericht "Warum Syrien?" geschrieben habe, bevorzugt die Europäische Union auf Drängen der USA hin eine andere Pipeline als die russische South Stream: die Nabucco.
Doch Nabucco existiert bisher nur auf dem Papier und in den Köpfen der Geostrategen in Washington und Brüssel, die um jeden Preis versuchen Russland auszubooten. Ähnlich wie South Stream, sollte Nabucco Erdgas aus Zentralasien unter dem Kaspischen Meer nach Europa transportieren. Das Problem war und ist nach wie vor, dass das Projekt zu teuer ist und das nicht genügend Gas vorhanden war, um Nabucco überhaupt rentabel zu machen. Denn als diese Pipeline konzipiert wurde, wollte man auf gar keinen Fall das iranisches Gas durch Nabucco gejagt wird, und die angedachten Länder wie Turkmenistan und Azerbaijan verfügen schlicht nicht über genügend Gas um diese Pipeline rentabel zu füllen.
Aber auch für diesen Fall hatte Teheran eine passende Antwort: eine Pipeline in den Irak und dann weiter nach Syrien zum Hafen von Tartus, von wo aus das Gas auf den europäischen Markt transportiert werden sollte. Diese Iran-Irak-Syrien Pipeline stellte einen Albtraum für die Geostragen in Washington dar, die damit ihre Pläne für Nabucco endgültig an den Nagel hängen konnten. Für Brüssel wäre diese iranisch-irakisch-syrische Pipeline sehr gelegen gekommen, zumal man kein Geld in dieses Projekt investieren müsste wie bei Nabucco.
Doch ausgerechnet der Stellvertretende iranische Ölminister Ali Mejidi liess erst vor zwei Wochen eine Bombe platzen, als er mitteilte dass Iran zwei "separate Delegationen nach Europa" entsandt hatte um das Thema Nabucco wieder aufzunehmen. Mejidi sagte: "Mit Nabucco kann Iran Europa mit Gas beliefern. Wir sind die beste Alternative zu Russland.


Mit diesem Geniestreich der Iraner hauchten sie möglicherweise einem todgeweihten Projekt neues Leben ein, einem Projekt das hauptsächlich für Washington und Ankara wichtig ist. Die ursprüngliche Idee der Iran-Irak-Syrien Pipeline (manche nannten sie auch "Islamische Pipeline") war es, die Türkei zu umgehen und von Syrien aus direkt den europäischen Markt zu beliefern. Doch mit Nabucco wieder zurück im Spiel, dürfte diese Idee als Joker bei den Verhandlungen benutzt werden um alle Partein davon zu überzeugen, dass dieser Vorschlag eine win-win Situation für alle Beteiligten ist. Die Pipeline bis Syrien kann ja auch gebaut werden sobald sich die Lage irgendwann einmal beruhigt hat. Der erste Teil aus dem Iran in den Irak (97 Kilometer) wurde zumindest gerade erst getestet.
Für die Türkei würde es bedeuten, dass das Land dem Traum von einem Energie Mega-HUB einen grossen Schritt näher gekommen wäre und es keinen Grund mehr geben würde, den syrischen Präsidenten mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Der Iran würde sich tatsächlich als eine wichtige Alternative zu russischem Gas entwickeln und hätte sich eine gute Position in den leidigen Atomverhandlungen erarbeitet. Für die Weltwirtschaft, aber auch für die Stabilität in einer der volatilsten Regionen der Welt, ist es von elementarer Bedeutung dass man dem Iran die Rolle wieder zuspricht die dem Land allein schon aufgrund dessen Grösse und regionaler Macht zusteht. Die Containment-Politik der Amerikaner und Europäer, angefeuert durch israelische Manipulationen, hatte immer nur das Gegenteil dessen bewirkt was man eigentlich geplant hat.

Die Administration von Barack Obama hat das natürlich auch alles erkannt und hat mit den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm den richtigen Weg eingeschlagen. Allerdings muss gesagt werden das die Hände des amerikanischen Präsidenten in dieser Frage sehr eng angebunden sind. Die grosse Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses steht unter enormen Einfluss der zionistischen Lobby (wer sich dafür interessiert wie diese Lobby arbeitet, hier gibt es mehr Informationen dazu) und wird den Präsidenten und jeden anderen massiv attackieren, der es wagen würde normale Beziehungen zum Iran wieder zuzulassen ohne dass Israel damit einverstanden wäre. So irrwitzig das vielleicht auch klingen mag, aber sobald das Weisse Haus die notwendigen Schritte in Richtung Normalisierung mit dem Iran unternimmt, muss es auch zugleich öffentliche Warnungen und Drohungen an dieselbe Adresse aussenden mit der man doch eigentlich genau das Gegenteil vor hat. Ein Drahtseilakt sondersgleichen! Da braucht es nicht viel Vorstellungskraft um zu erahnen wie das auf der iranischen Seite ankommt, wo Präsident Hassan Rohani den selben Drahtseilakt vollführen muss um seinen Kritikern klarzumachen, dass diese Warnungen aus Washington nichts weiter als notwendige Rhetorik ist um einen Schritt vorwärts zu kommen. Auch das alles andere als ein leichtes Unterfangen, zumal dieser Drahtseilakt Ländern wie Israel oder Saudi Arabien einigen Raum bietet um die Annäherung zu sabotieren.

Ob Drahtseilakt oder nicht, durch die Ukraine Krise hat sich die Lage für die Europäische Union deutlich verschlechtert, auch wenn man das mit Statistiken versucht zu vertuschen, während der Iran auf wesentlich stabilerem Fundament steht als noch vor einem Jahr (siehe auch "2014: das Jahr des iranischen Rakhsh" und "Iran im Zentrum der US-Ausrichtung nach Asien"). Das soll nicht heissen dass alles ohne Probleme ablaufen wird, ganz bestimmt nicht. Alle involvierten Parteien werden versuchen das Maximum aus der jeweiligen Situation herauszuschlagen. Es wird auch weitere Sabotageakte geben die zur Anpassung der Strategien an die jeweiligen Gegebenheiten führen werden.
Doch was als ziemlich sicher betrachtet werden darf, ist die Tatsache, dass man den iranischen Zug nicht mehr stoppen kann. Dafür hat er in den letzten Monaten zu viel Fahrt aufgenommen und der Westen hat durch geplanter und ungeplanter Weichenlegung genau dafür gesorgt.





Montag, 25. August 2014

Warum so viel über Israel?

Warum ich so viel über Israel in letzter Zeit schreibe haben mich einige gefragt. Es würde den Anschein machen, als ob ich ziemlich anti-Israel eingestellt wäre und relativ wenig über den Iran oder Syrien schreibe.

Ich finde diese Beobachtungen wirklich interessant. Als es einige Berichte über den Iran innerhalb eines kurzen Zeitraums gab, wurde mir die gleiche Frage in Bezug auf den Iran gestellt.
Was noch interessanter ist, es sind nicht Leser dieses Blogs die mir diese Frage gestellt haben, sondern Freunde und Bekannte die meinen Blog lesen. Deshalb habe ich ihnen auch keine direkte Antwort gegeben, sondern ihnen versprochen dass ich die Antwort hier für alle sichtbar schreiben werde, so dass auch die Kritiker in Israel und in den USA etwas zu lesen haben.

Ich bin NICHT anti-Israel und deshalb per Definition pro-Palästinenser oder pro-Iran eingestellt. Ich bin NICHT antisemitisch veranlagt, obwohl mir das einige Zionisten nachsagen weil sie eine begründete Kritik an Israels Politik mit Antisemitismus gleichsetzen wollen und das auch gerne in den USA und der EU so durchsetzen möchten.

Der Grund weshalb Israel, der Zionismus und damit natürlich auch die Palästinenser eine prominente Stelle in diesem Blog einnehmen, ist meine Überzeugung, dass es in unserer Öffentlichkeit keine Debatte, keine kritische Hinterfragung der Geschehnisse im historischen Palästina gibt. Sehr wohl wird dieses Thema ausgiebig in Blogs und sozialen Netzwerken diskutiert und leidenschaftlich die jeweilige Position vertreten. Nehmen wir nur mal den aktuellen Gaza Krieg als Beispiel: während bei Twitter der Hashtag #GazaUnderAttack seit dem Ausbruch des Krieges über 4 Millionen Mal benutzt wurde, wurde der von Israels Unterstützer benutzte Hashtag #IsraelUnderAttack nur 47`000 Mal angewendet. Das ergab eine Analyse des Twitter-eigenen Statistiktools TOPSY.


Doch was bei Twitter & Co. leidenschaftlich debattiert wird und sich scheinbar Millionen von Menschen für dieses Thema interessieren, findet keinen Einzug in unsere Berichterstattung oder Politik. Der Krieg gegen die schutzlose Bevölkerung im Gaza Streifen tobt noch immer unvermindert weiter ohne dass es irgendwelche Massnahmen der internationalen Staatengemeinschaft gegeben hätte. Von Seiten der Vereinten Nationen kann man nicht viel erwarten wie dieser Bericht hier gezeigt hat. Samantha Power, die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York, machte ebenfalls mehrmals klar dass sie gegen jegliche "Upgrades des palästinensischen Status`" ist und sich monatlich mit ihren israelischen Kollegen trifft um sich gemeinsam gegen die "Gefahren" die von "internationalen Organisationen und UN-Einrichtungen" ausgehen abzusprechen.

Genau aus diesem Grund kann der israelische Genozid an den Palästinenser bisher ungestraft weiter vollzogen werden, während sich unsere Politik indirekt daran beteiligt indem das "Recht auf Selbstverteidigung" Israels bestätigt und mit Waffenlieferungen zementiert wird. Das gleiche Recht auf Selbstverteidigung wird den Palästinensern aber abgesprochen, obwohl das internationale Recht in dieser Frage eindeutig ist.

Wir hören beispielsweise auch nichts davon wie sehr der offene Rassismus in Israel zelebriert wird. Es ist längst nichts aussergewöhnliches mehr wenn nationalistische Jugendliche durch die Strassen der Mittelmeermetropole Tel Aviv ziehen und rassistische Parolen wie "Tod den Arabern" skandieren, während sie gleichzeitig Jagd auf "Araber" und "Afrikaner" machen um sie zu erniedrigen, verprügeln und manchmal sogar zu töten. Wir hören auch nichts davon dass jüdische Überlebende des Holocausts das israelische Massaker an den Palästinensern im Gaza Streifen verurteilen und es ebenfalls als Genozid bezeichnen.

Wir sind der israelischen Hasbara, der israelischen Darstellung und Interpretation der Geschehnisse und Standpunktes fast vollkommen verpflichtet. Es scheint als ob niemand Interesse an der totalen Disproportionalität hat: auf der einen Seite ein Staat mit seinen ganzen Ressourcen, einer bis an die Zähne bewaffneten Armee mit allen möglichen High Tech Waffen, einem ganzen Arsenal an Nuklear-, Biologischen- und Chemischen Waffen; und auf der anderen Seite ein Volk das unter einer Besatzung lebt und ausser ungenauen Raketen nichts weiter entgegenzuwerfen hat als den unbedingten Willen zum Überleben. Und zwar an dem Ort wo sie schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden gelebt haben.

327 jüdische Holocaust-Überlebende haben einen Brief in der New York Times veröffentlicht, wo sie wie schon weiter oben erwähnt den israelischen Genozid an den Palästinensern verurteilen.  Sie teilen uns mit, dass das was Israel immer wieder als Rechtfertigung für die Kriege in der Region benutzt, nämlich die Nazi-Verbrechen an den Juden und das daraus resultierende Versprechen von "Niemals wieder", nicht nur für Juden gedacht war sondern für die ganze Menschheit. "Niemals wieder MUSS FÜR ALLE Niemals wieder bedeuten", heisst es in ihrem Brief.
Wenn dann aber israelische Juden aus lauter Ärger wegen diesem Brief auf Facebook Antworten wie "Es ist eine Schande dass Hitler den Job nicht zu Ende gebracht hat" oder "Holocaust Überlebende die so denken sind eingeladen in den Gaskammern zu sterben" schreiben, zeigt wie sehr die israelische Gesellschaft vom Zionismus indoktriniert ist, der keinerlei Abweichungen von dessen Narrativ zulässt.  

Doch wenn niemand über die ganzen Verbrechen Israels spricht und es nie irgendwelche Konsequenzen gibt, wenn unsere Regierungen alles tun um Israel vor der Eigenverantwortung ihrer Handlungen zu beschützen, dann haben wir nicht viel aus den Lehren des Zweiten Weltkriegs gelernt. Wenn ich also über Israel und die zionistischen Verbrechen schreibe, dann ist das ein kleiner Beitrag dazu wenigstens die Leserinnen und Leser dieses Blogs dahingehend zu informieren, was sich tatsächlich vor unseren Augen abspielt. Denn die 327 Überlebende der Nazi Verbrechen die diesen Brief unterzeichnet haben (und die vielen anderen die diesen Brief nicht unterzeichnet haben aber trotzdem der gleichen Meinung sind), haben ganz sicher Recht damit wenn sie sagen:

"NIEMALS WIEDER" BEDEUTET FÜR ALLE "NIEMALS WIEDER"!!!

Das Beispiel an Rania Khalek, einer US-Palästinensischen Journalistin, zeigt, wie gefährlich es werden kann wenn man versucht die Realität zu zeigen. Sie wurde offen von einem israelischen Captain der Armee auf Twitter bedroht, weil sie ihre Meinung zu einem für ihn offensichtlich nicht genehmen Thema geäussert hat. Capt. Roni Kaplan drohte ihr unverhohlen:
"Vielleicht sollte etwas gegen Journalisten unternommen werden, die den Holocaust benutzen um Israel`s Existenz zu delegitimieren, wie Du.. @Rania Khalek"


Freitag, 22. August 2014

"Israel inszenierte den Kollaps des Waffenstillstands"

Wie ich es in dem Beitrag "Kairo Gespräche gescheitert?" angedeutet habe, kam der angebliche Abschuss von drei Raketen aus dem Gaza Streifen am Dienstag der zum Zusammenbruch der Waffenstillstandsverhandlungen führte, für Israel gerade zur richtigen Zeit. Das legte den Schluss nahe, dass diese Aktion von Israel inszeniert wurde um mit Waffengewalt eine vermeintlich bessere Ausgangslage bei der nächsten Verhandlungsrunde zu erreichen.

Diesen Verdacht bestätigte nun heute eine prominente Figur aus dem israelischen Rechtswesen: der ehemalige Staatsanwalt unter der Regierung von Yitzak Rabin und Binyamin Netanyahu zwischen 1993-1997 und Richter am Obersten Gericht, Michael Ben-Yair.

Ben-Yair sagte über Facebook, dass "Israel den Kollaps des Waffenstillstands inszeniert hat um Muhammad Deif töten zu können". Der versuchte Anschlag auf das Leben von Muhammad Deif, einem der TOP-Kommandeure der Hamas, tötete seine Frau und sein Kind sowie eine bisher nicht identifizierte dritte Person. Ob auch Deif getötet wurde ist ebenfalls nach wie vor unklar.

Aber das ein renommierter Richter und ehemaliger israelischer Staatsanwalt öffentlicht erklärt, dass Israel den Zusammenbruch des Waffenstillstands inszeniert hat, zeigt überdeutlich wie wenig Ministerpräsident Netanyahu an einer Beilegung der Kampfhandlungen interessiert ist. Grund dafür ist auch, dass bisher der politische Willen im Westen nicht vorhanden ist um Netanyahu Einhalt zu gebieten. So lange das aber nicht geschieht, wird Israel immer wieder mit solchen grausamen Kriegen davon kommen und die Welt zum Narren halten können.

Israel feuert so viel auf Gaza ab wie eine Atombombe von Hiroshima

Betrachtet man sich die Bilder der Zerstörung im Gaza Streifen drängt sich einem unweigerlich die Frage auf, was die Menschen dort für Ängste ausstehen müssen. Von dieser Angst sind nicht nur die Menschen betroffen die im Zielgebiet der israelischen Angriffe leben, sondern auch jene die das "Glück" haben etwas abseits von diesem Schlachtfeld zu leben. Die Detonationen sind weit hörbar, und je näher man am Einschlag lebt desto spürbarer werden diese enormen Kräfte die von den Einschlägen der Bomben ausgehen. Auf der Jagd nach Hamas Kommandeuren schreckt Israel auch nicht davor zurück, Bunkerbrechende Bomben wie die GBU-28 einzusetzen die man von den USA erhalten hat. Doch die  Ziele sind nun mal nicht Bunker, sondern gewöhnliche Wohnhäuser die wie Zahnstocher zusammenbrechen nachdem solche 2268kg schwere Lasergeführten Bomben einschlagen. Allein schon der Einsatz einer einzigen solchen GBU-28 auf zivile Ziele stellt ein Kriegsverbrechen dar, und erst Recht im Zusammenhang mit der Praxis der "gezielten Tötungen".

  







Bild das Netanyahu mit Stolz seinem Kabinett gezeigt hat; Zerstörung des Hauses wo zwei Hamas Kommandeure dabei ums Leben kamen. 21.08.14













In unseren Medien hört man aber davon so gut wie gar nichts. Wenn überhaupt, dann hören wir etwas von Raketen die von der Hamas abgefeuert wurden. Doch es gibt nicht ein einziges Haus in Israel, das auch nur annähernd den Grad der Zerstörung durch die über 3000 abgefeuerten Raketen (israelische Angaben) aufweist. Nicht dass das ein wünschenswerter Vergleich wäre, im Gegenteil. Jede Zerstörung von zivilen Zielen ist zu verurteilen, egal auf welcher Seite!
Nur handelt niemand nach diesem Motto und leider hält sich selbst die offizielle Berichterstattung mit Angaben zu dieser Unverhältnismässigkeit mehr als bedeckt. Ausnahme bilden einige Radiosendungen die ihre Reporter in den Gaza Streifen entsandt haben und diese wahnsinnige Zerstörungswut schockiert beobachtet haben, doch bleibt deren Beobachtung ohne jegliche Auswirkung auf der Ebene der öffentlichen Meinung und somit der Politik.

Um diese Zerstörung im Gaza Streifen aber in Worte und Zahlen fassen zu können, haben sich Ali Abinumah, der Gründer des Electronic Intifada Blogs, und Dena Shunra zusammengetan und sich auf Suche begeben. Das Ergebnis ist äusserst erschreckend und muss hier in deutscher Übersetzung wiedergegeben (meine Übersetzung) werden. Vorab sei schon mal ein Fakt gesagt: auf den winzigen Gaza Streifen wurde in den letzten 5 Wochen so viel Munition abgeschossen, das dem Äquivalent der Atombombe von Hiroshima entspricht!

"Wieviele Bomben hat Israel auf Gaza abgeschossen?

Ein paar Tage bevor er während dem Versuch eine Bombe zu entschärfen getötet wurde, schätzte der Leiter der Bombenentschärfungseinheit in Gaza, Hazem Abu Murad, dass Israel zwischen achtzehn und zwanzigtausend Tonnen Sprengstoff über Gaza seit dem 7. Juli abgeworfen hat.

Während ich hier schreibe, hat Israel die schwere Bombardierung nach dem Ende einer neuntätigen Waffenruhe wieder aufgenommen, der nicht zu einem langfristigen Waffenstillstand geführt hat.

Wenn die Einschätzung von Abu Murad richtig ist, dann entspricht die Menge an explosivem Material das Israel auf Wasser, aus der Luft und vom Boden auf Gaza geschossen hat, ungefähr dem Äquivalent einer der Atombomben die die Vereinigten Staaten auf Japan im August 1945 abgeworfen haben. 

Die Bombe die auf Hiroshima abgeworfen wurde, wurde mit 13 Kilotonnen eingestuft - dem Äquivalent von 13 tausend Tonnen hochexplosivem TNT - während die Bombe die auf Nagasaki abgeworfen wurde mit 21 Kilotonnen berechnet wurde.

Abu Murad, der zusammen mit fünf anderen Leuten am 13. August starb, schätzte dass noch etwa eintausend Tonnen von nicht explodierter Munition übrig geblieben sind. Es starben über 1900 Menschen (aktuell über 2000) während des anhaltenden israelischen Beschusses, das ist mehr als einer von Tausend aus Gaza`s 1.8 Millionen Einwohnerschaft.

Israel veröffentlicht konstant Angaben darüber, wieviele Mörsergranaten oder Raketen aus dem Gaza Streifen abgefeuert wurden, so wird zum Beispiel behauptet dass 3360 Raketen aus dem Gaza Streifen zwischen dem 8. Juli und 6. August abgefeuert wurden.

Es ist allgemein bekannt dass diese Raketen minimalen Schaden angerichtet habe und die meisten sind in sogenannte "offene Flächen" eingeschlagen.

Aber sogar diese Anzahl von Raketen, die dafür gedacht sind um Eindruck zu schinden und den Angriff auf Gaza rechtzufertigen, sind in Wirklichkeit winzig klein verglichen mit der Anzahl von Geschossen die Israel auf Gaza abfeuert.

Schätzungen die teilweise auf israelische Quellen beruhen, weisen darauf hin dass Israel zehntausende von Artilleriegranaten auf Gaza abgeschossen und mindestens sechstausend Tonnen Bomben aus der Luft abgeworfen hat. Abu Murad`s Einschätzung ist also sicherlich plausibel.

Und die Beweise deuten darauf hin, dass im Gegensatz zur offiziellen israelischen Propaganda über die Rücksichtnahme zum Schutz der Zivilisten, die grosse Mehrheit der israelischen Munition ungenau und wahllos im Rahmen der dichtbesiedelten Gebiete sind wo sie weit verbreitet in Gaza eingesetzt wurden. 

Das erklärt vermutlich warum Israel so zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Zahlen zu den abgefeuerten Raketen, Bomben und Granaten auf Gaza ist.

Massiver Schaden

Was nicht bezweifelt wird - angesichts der enormen Ausmasse von Todesopfern und Zerstörungen, wie es durch UN Satellitenbilder dokumentiert wird - dass es tatsächlich eine grosse Zahl ist.

                            (UN-Satellitenbild zeigt totale Zerstörung von Khuzaa im Gaza Streifen)

In einem der am schwersten betroffenen Gebiete, Khuzaa und al-Qarara im südöstlichen Gaza Streifen, zählte die UN 2493 zerstörte Strukturen, 1243 stark beschädigte Strukturen und 2014 Einschlagkrater.
Das israelische Militär gab selbst an, dass zwischen dem 8. Juli und 5. August "Luft, See und Bodentruppen 4762 Terrorstätten im Gaza Streifen getroffen haben".

Natürlich wissen wir dass Israel alles was es bombardiert als "Terrorstätte" definiert, so dass diese Zahl tausende von zivilen Wohnungen, Moscheen, Geschäfte und andere Zivilobjekte und Infrastruktur beinhaltet.
Wir wissen auch das israelische Munitionsfabriken "Schicht arbeiten und das 24 Stunden am Tag" um genügend Munition und Granaten für die angreifenden Kräfte in Gaza zu liefern.

Während der Angriffe füllte die Obama Administration die israelischen (Waffen-)Lager wieder aus dem Einmilliarden-Waffenlager auf das die USA in Israel unterhalten. Das beinhaltete 120mm Mörsergranaten und 40mm Granaten.

Israelische Quellen liefern uns einige Informationen die es erlauben, ein akkurateres Bild über die Anzahl von Sprengstoff die Israel auf Gaza abgefeuert hat, zu zeichnen und warum deren Auswirkungen so tödlich und willkürlich waren (und sind).

Willkürlicher Artillerie Beschuss

Die einfachste Munitionsart zu schätzen sind die Artilleriegranaten. Am 14. August veröffentlichte Haaretz folgende Information , basierend auf der Aussage eines "ranghohen Offiziellen aus dem Generalstab" der israelischen Armee:
Die geschätzten Kosten der ganzen Munition die während der Gaza Kämpfe verwendet wurde liegt bei etwa 1.3 Milliarden Shekel (370 Millionen USD). Laut den Armeeangaben wurden 39`000 Panzergranaten, 34`000 Artilleriegranaten und 4.8 Millionen Kugeln während der Kämpfe geliefert.  Ranghohe Militärs schätzen dass die Landstreitkräfte allein etwa 60% der gelieferten 5`000 Tonnen Munition verbraucht haben, doch die IDF kann es noch nicht genau evaluieren. 
Gemäss dem selben Ranghohen Offiziellen kam die meiste Munition aus israelischer Produktionslinie. Einiges der Munition wurde während der Feindseligkeiten von der USA innerhalb des "Voraus Platzierung" Programms gekauft. Zusätzliche Munition und Kampfausrüstung, nebst medizinischer Ausstattung, wurden auch während der Feindseligkeiten über ein beschleunigtes Verfahren durch das Verteidigungsministerium bestellt.

Die Israel Expertin Dena Shunra sagt dass die Sorge hier den Kosten gilt - das ist ein Zug in den Budgetverhandlungen der Armee in denen sie mehr Geld verlangt - und das ist der Kontext in welchem diese Zahlen veröffentlicht wurden.

Wenn wie berichtet 60% der Lager benutzt wurden, entspräche das 23`400 Panzergranaten, 20`400 Artilleriegranaten und 2.9 Millionen Kugeln. Das sind fast 2 Kugeln für jeden Mann, Frau und Kind in Gaza.

Doch nach mindestens einer Darstellung ist das eine traurige Unterschätzung. Gemäss der Website Israel Defense die Militärquellen zitiert, hat die israelische Armee nicht weniger als 40`000 155mm Artilleriegranaten auf Gaza abgefeuert.

Die am häufigsten benutzte Artilleriemunition die Israel benutzt ist die 155mm M107 hochexplosive Granate, gemäss einem Bericht aus dem Jahr 2007 von Human Right Watch mit dem Titel "Wahlloses Feuer":
M107 sind extrem tödliche Waffen. Der erwartete tödliche Radius für ein 155mm hochexplosives Projektil liegt zwischen 50 und 150 Metern und der erwartete Verletzungsradius liegt zwischen 100 und 300 Metern. IDF Offizielle haben gesagt dass der Fehlerradius für eine 155mm Granate gewöhnlich bei 25 Metern liegt. Wenn deshalb Granaten auf 100 Meter Entfernung von bewohntem Gebiet abgeschossen werden, wie es gemäss IDF-Richtlinien erlaubt ist ... oder sogar noch näher was auch vorgekommen ist, erhöht es sehr stark die Wahrscheinlichkeit von zivilen Opfern.

Wenn die Granaten explodieren, können sie bis zu 2000 Splitter in alle Richtungen verstreuen. Manchmal explodieren sie nicht und "werden potentielle explosive Blindgänger" gemäss Human Rights Watch.

"Israel Military Industries, ein staatlicher Waffenproduzent und Exporteur, produziert die M107 Granate, obwohl Israel die 155mm Granate auch aus den Vereinigten Staaten importiert hat", so Human Rights Watch.

Was das in der Praxis bedeutet ist das der israelische Beschuss willkürlich ist, weil ein "Fehlerradius" von 25 Metern in einem dichtbesiedelten Vorort von Gaza wie Shujaiya so gut ist wie ein zufälliger Beschuss von einem bewohnten Haus.

Viermal soviele Granaten wie bei "Cast Lead"

Und das ist aus israelischen Quellen bestätigt, insbesondere ein Artikel vom 15. August von Gili Cohen in der Haaretz, welcher erklärt dass "Artilleriegranaten als statistischer Beschuss betrachtet werden und deshalb es nicht möglich ist das Ziel genau zu treffen".
Cohen fügt hinzu: "155mm Granaten werden grundsätzlich auf ein Gebiet von 50x50m abgefeuert; ein Treffer innerhalb dieses Gebiets wird von Profis als Ziel getroffen eingestuft. In einem dichtbebauten Gebiet wie dem Gaza Streifen, kann so ein Gebiet mehr als fünf Gebäude beinhalten."

Cohen bestätigt auch die noch nie dagewesenen Feuerkraft die Israel auf Gaza gerichtet hat:
Die IDF hat eine aussergewöhnliche Menge an Feuerkraft währen dem Kampf im Gaza Streifen eingesetzt, inklusive auf dicht besiedeltes Gebiet. Gemäss Teilangaben der Armee vom 29. Juli, wurden nach 3 Wochen Kampfhandlungen (12 Tage davon in einer Bodenoffensive) ungefähr 30`000 Granaten in dieser Zeit verschossen. Die Bodenoffensive dauerte noch eine zusätzliche Woche, so dass wir davon ausgehen können dass die endgültige Zahl von abgefeuerten Granaten signifikant höher ausfallen wird. 
Zum Vergleich, während der Operation Cast Lead (Gegossenes Blei) im Jahr 2009 wurden 8000 Artilleriegranaten abgefeuert. Davon waren etwa die Hälfte Rauchgranaten. Etwa 1000 Granaten waren Leuchtgranaten und der Rest, etwa 3000, waren Granaten mit Sprengköpfen. Während dieser Operation wurden die Kräfte instruiert vom Beschuss von bebauten Gebieten abzusehen, mit Ausname von Spezialfällen wo Feuerkraft zur Rettung von Kräften gebraucht wurde. Der grösste Teil des Beschusses damals fand auf offener Fläche statt, oder an den Rändern von bebauten Gebieten. Eine Schätzung kann abgegeben werden, dass die Totalanzahl von abgefeuerten Artilleriegranaten während Protective Edge viermal so hoch ist als bei Cast Lead.

Cohen erklärt dass allein am 20. Juli "etwa 600 explosive Granaten innerhalb einer Stunde abgeschossen wurden", auf den östlichen Vorort von Gaza City Shujaiya.

Solch eine Barrage von willkürlichem Feuer kann nur den einen Effekt haben den es hat: massive Zerstörung und dutzende von toten Zivilisten.

Wenn solch immense und ungenaue Feuerkraft als Teil der "Hannibal Anordnung" benutzt wird - ein Verfahren das die angebliche Gefangennahme von Soldaten verhindern soll - kann es nur einem Zweck dienen: den Soldaten und jeden in seiner Umgebung zu töten.

In diesem Video kann man israelische Soldaten und Mystiker sehen, die tanzen und singen um M107 Granaten zu segnen bevor sie nach Gaza abgefeuert werden:




Panzergranaten designed um über grosses Gebiet zu töten

Panzergranaten sind nur eine weitere Form von "statistischem Schiessen", das heisst es kann angenommen werden dass viele von den geschätzten 23`400 Panzergranaten die auf Gaza abgefeuert wurden auch für eine grosse Zahl von zivilen Todesopfern, Verletzten und Zerstörung verantwortlich ist, auch wenn Israel behauptet dass nicht spezifisch auf Häuser, Schulen, Krankenhäuser und Moscheen gezielt wurde.

Aber Israel hat keine Mühen gescheut um die Panzergranaten noch willkürlicher und tödlicher zu machen.

Wir wissen von Haaretz, dass die israelische Armee Panzergranaten des Typs Kalanit und Hatzav für den Angriff auf Gaza benutzt hat. Beide wurden "zum ersten Mal in enormen Ausmass in der Operation Protective Edge benutzt", der Name den Israel für den Angriff auf Gaza benutzt.

Der Kalanit, gebaut von Israel Military Industries, "kann in der Luft über Terroristen explodieren die sich hinter einem Gegenstand verstecken oder alternativ Betonwände durchbrechen und innerhalb der Gebäude explodieren", berichtete die Jerusalem Post im Jahr 2011.

Das Wort "Terrorist" kann man natürlich mit "Mensch" ersetzen, und "Gegenstand" mit Worten wie "Haus", "Schule" oder "Moschee".

Israel ist so stolz auf diese Granate, dass sie "Israels Prestige Verteidigungspreis für 2011" gewonnen hat, so die Jerusalem Post.

Eines der Merkmale der Kalanit Panzergranate ist es, dass sie eben viele Menschen über ein weites Gebiet tötet wie es "Lt. Col. M." der Jerusalem Post gesagt hat: "Bis jetzt hat ein Panzer traditionelle Granaten auf Ziele abgefeuert, die extrem genau sein mussten, aber aufgrund der Streuung kann sie jetzt Ziele treffen auch wenn die Granate nicht exakt über dem Ziel explodiert."

Danny Peretz, der Leiter des Teams das die Granate entwickelt hat, "erklärte dass der Bedarf für die Kalanit aufgrund des Wandels in der Kriegsführung das Israel auf dem modernen Schlachtfeld erfahren hat, insbesondere von asymmetrischen Konflikten".

"Wir sprechen nicht mehr länger von Panzer gegen Panzer, sondern Du musst in der Lage sein die Leute innerhalb der Gebäude zu treffen und die Leute ausserhalb wo sie sich ungefähr verstecken", erzählte er der Jerusalem Post. "Die Kalanit kann beides mit der gleichen Granate".

Die Hatzav ist ein anderer Typ von Panzergranate die "das Ziel durchschlägt, wie etwa ein Gebäude, und dann innerhalb explodiert."

Mörsergranaten

Es ist nicht klar ob die Zahl von Mörsergranaten die Israel abgefeuert hat in der ganzen Artillerie Einschätzung inkludiert ist oder nicht - es war mir nicht möglich eine separate Einschätzung für Mörser zu finden. Ein Mörser ist eine Art der Artillerie.

Die Mörsergranate hat eine viel geringere Reichweite als zum Beispiel eine Panzerkanone oder ein 155mm Artilleriestück, und der Sprengkopf wird in einer hohen Flugbahn abgeschossen. Es ist definitiv eine andere Form von "statistischem Schiessen", aber grundsätzlich viel ungenauer als andere Waffen.

Und doch wurde diese tödliche und willkürliche Waffe in grossem Massstab eingesetzt. Dieses Video, das im Original im israelischen Fernsehen gezeigt wurde, berichtet über weibliche Schützen die in einer Artillerie-Einheit bestehend aus 4 Fahrzeugbestückten grosskalibrige Mörsergranaten in einem regulären Rhythmus von 4 Granaten alle zwei Minuten auf Gaza abschiessen.
Zuerst feuern die Soldaten Rauchgranaten, aber dann werden sie damit beauftragt mit Sprengköpfen versehene Granaten zu benutzen um "Rettungsfeuer" auf "zwei Ziele in der Nähe von bebautem Gebiet" zu lenken.

 
Man kann erkennen wie die weiblichen Schützen Geburtstagsgrüsse für Freunde und Nachrichten wie "Für Adi, Viel Glück im neuen Job!" auf die Mörsergranaten kritzeln bevor sie sie auf Gaza abfeuern.
Zwischen den Abschüssen sieht man die Schützen wie sie die Pause mit Sushi verbringen.

Bomben aus der Luft abgeworfen

Israels Militärquellen waren weniger zuvorkommend was die Anzahl von Bomben angeht die aus der Luft abgeworfen wurden, aber es gab ein paar wichtige Hinweise.

Am 10. Juli, dem vierten Tag des israelischen Angriffs auf Gaza, berichtete die Jerusalem Post unter Angabe einer "hochrangigen Militärquelle":

Ungefähr 800 Tonnen Sprengstoff wurden durch Flugzeuge der Air Force auf Ziele in dieser Woche abgeschossen, sagte die Quelle. Die gegenwärtige Feuerrate der IAF (Israel Air Force) ist doppelt so hoch als bei Operation Pillar of Defense, die 2012 gestartet wurde um Hamas Raketen aus Gaza zu stoppen. "Wir werden einen steigenden Trend sehen, als Teil unserer Feuerkraftpolitik", sagte er.
Nach diesem Massstab, nicht einberechnet die versprochene Erhöhung, könnte die Bombentonnage leicht sechstausend Tonnen in einem Monat übersteigen.
Und es gab fast sicher eine Erhöhung. Am 20. Juli in Shujaiya zum Beispiel, führten gemäss Haaretz israelische Kampfjets "einen breitflächigen Angriff mit 100 Ein-Tonnen-Bomben aus". Das war nur an einem Ort; israelische Kampfjets bombardierten den ganzen Gaza Streifen.

Die Einwohner von Gaza und Journalisten berichteten dass die Bombardierung immer stärker wurde im Laufe von Israels Kampagne.

Israel benutzte eine breite Palette an Luft-Boden Munition, vieles, wenn nicht sogar das meiste, Made in USA.

Es würde eine grossangelegte Untersuchung benötigen um sie alle zu identifizieren, obwohl Hazem Abu Murad und sein Team einige Typen identifiziert haben: die Eintonnen MK84 Bomben mit einem Zerstörungsradius von 300 Metern und GBU Lasergeführte Bomben, welche fotografiert wurden kurz bevor sie in Gebäude in Gaza einschlugen.  

Der Journalist Max Blumenthal, gegenwärtig in Gaza, fotografierte diesen Flügel einer US-gebauten MK82 Bombe.



Rechenschaft

Diese Details von Israels fortwährender Bombardierung sind wichtig: wenn Menschenrechtsexperten die Beweise der benutzten Waffen und Ausrüstung sammeln können die Israel für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit benutzt hat, dann könnte das helfen nicht nur diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen die den Befehl gegeben haben diese Waffen einzusetzen, sondern auch jene die diese Waffen geliefert haben.
Die unglaubliche Menge an Waffen die Israel benutzt hat um so viel willkürlichen Schaden anzurichten, unterstreicht die Dringlichkeit nach einem Ruf eines Waffenembargos gegen Israel. Es zeigt auch, dass Israel als nicht deklarierter Besitzer von Nuklearwaffen dringend unter internationale Kontrolle und Aufsicht gebracht werden muss.  

Aber es ist wichtig nicht den Blick für das grosse Bild zu verlieren: kein Anspruch auf "Selbstverteidigung" kann jemals diese Menge an abgeworfenem Sprengstoff, welches so willkürlich und absichtlich auf eine gefangene Zivilbevölkerung abgefeuert wurde, rechtfertigen.

Diejenigen die das mit "Selbstverteidigung" rechtfertigen machen sich der Komplizenschaft zum Massenmord mitschuldig. 

Es ist auch ein Fehler nach einer "militärischen" Erklärung für Israels Handlungen zu suchen.

Dieses Massaker, dieser Abwurf was plausiblerweise einer "kleinen" Atombombe auf Gaza entspricht, kann nur in politischer Hinsicht erklärt werden. Wie ich bereits früher argumentiert habe, das ist der Preis für die Unterhaltung eines "Jüdischen Staates" in Palästina."







Dienstag, 19. August 2014

Kairo Gespräche gescheitert?

Sind die Kairo Gespräche gescheitert die zu einem Ende der kriminellen Blockade und Ghettoisierung des Gaza Streifens durch Israel führen sollten? Erst heute wurde bekannt, dass der israelische Ministerpräsident Binyamin Netanyahu selbst vor seinem eigenen Kabinett die Ergebnisse der Kairoer Verhandlungen verheimlicht hat und ihm deshalb von Seiten des rechtsgerichteten Aussenministers Avigdor Lieberman scharfe Vorfürfe gemacht wurden.

Nachdem die israelische Armee aber heute den Abschuss von 3 Raketen aus dem Gaza meldete, für die es bis jetzt weder Beweise noch irgendwelche Augenzeugen gibt, beschuldigten Netanyahu und sein Verteidigungsminister Moshe "Bogie" Ya`alon umgehend die Hamas. Und das obwohl weder die Hamas noch sonst irgendeine Organisation im Gaza Streifen die Verantwortung für diesen angeblichen Beschuss übernommen hat, was sie ansonsten aber immer tun.

Und schon gab Netanyahu den Befehl an die Israel Air Force (IAF), den Beschuss des Gaza Streifens wieder aufzunehmen weil ja die Hamas für diesen angeblichen Beschuss verantwortlich ist. Ausserdem erzählen mir die israelischen Quellen, dass die Verhandlungen von Kairo von der Reaktion der Hamas abhängen. Das bedeutet also, sollte die Hamas auf den erwarteten israelischen Luftangriff ebenfalls mit Raketenbeschuss antworten, erklärt Israel die Verhandlungen für gescheitert und nimmt den brutalen Krieg wieder auf.

Diese Taktik von Israel ist nicht neu. Offenbar ist man in Kairo nicht wirklich weit gekommen, beziehungsweise ist der politische Druck auf Israel erhöht worden die Blockade zu lockern. Nachdem Netanyahu aber dafür nicht bereit ist, was man auch daran erkennen konnte dass er sein Kabinett über den Status der Verhandlungen im Dunkeln liess, kommt doch so ein "Beschuss" gerade rechtzeitig um wieder zu den Waffen greifen zu können. Und selbstverständlich wird dafür wieder die Hamas verantwortlich gemacht, von der man erwartet die angekündigten Luftschläge einfach so hinzunehmen.

*UPDATE* Verhandlungen sind definitiv gescheitert. Netanyahu ruft seine Diplomaten aus Kairo zurück!!

Montag, 18. August 2014

Die Basis von Islamischer Staat (IS)

Nach etwas mehr als 2.5 Jahren seit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak fallen wieder amerikanische Bomben im Irak. Der Grund für den erneuten Bombenhagel sind diesesmal die "Terroristen" der ISIS oder auch IS. Es sind wieder einmal Bomben aus humanitären Gründen, da sich die USA und einige europäische Länder plötzlich für das Schicksal der durch die ISIS-Kämpfer in die Zange genommene Sekte der Yeziden interessiert.

Selbstverständlich muss den armen Menschen geholfen werden die vor dem sicheren Tod in die Berge geflohen sind. Aber genau so muss auch den chaldäischen Christen im Irak und Syrien geholfen werden, die systematisch durch die ISIS vertrieben werden. Über 300`000 Chaldäer befinden sich auf der Flucht und mussten ihre Städte, die sie seit den Anfängen des Christentums bewohnt haben, den wahhabitischen Extremisten überlassen. Wieso haben es diese Menschen nicht verdient wenigsten in den Medien erwähnt zu werden, wenn ihnen schon nicht geholfen wird?

Und was ist mit den Syrern die unter der Schreckensherrschaft des IS leben, wie beispielsweise in Raqqa wo Kreuzigungen, Steinigungen und Enthauptungen, manche sogar mit einfachen Küchenmessern, an der Tagesordnung stehen?

Die Frage nach dem "Warum" und "Wieso gerade jetzt" sich Washington, London, Paris und Berlin für das Schicksal von Menschen interessieren, von denen sie bis vor einigen Tagen nicht einmal wussten dass es sie überhaupt gibt, ist denke durchaus berechtigt. Insbesondere der dringende Wunsch einiger deutscher Politiker wie Aussenminister Frank-Walter Steinmeier oder Verteidigungministerin Ursula von der Leyen mit Frankreich gleich zu ziehen und deutsche Waffen an die Kurden im Norden des Iraks zu liefern, müsste für riesige Fragezeichen sorgen.
Selbst wenn die Kurden diese Waffen erhalten, werden sie den Islamischen Staat weder besiegen noch gefährden können. Das einzige was sie dann besser können, ist sich selbst zu verteidigen.
Dadurch wird aber nicht etwa dem Staat Irak geholfen, sondern es wird aktiv eine kurdische Armee aufgebaut die den berechtigten Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden nur weiter Vorschub leisten wird. Mit anderen Worten gesagt, helfen diese Waffen nicht dem Staat Irak sich gegen die existentielle Bedrohung durch den Islamischen Staat zu wehren, sondern sie werden weiter dazu beitragen dass der Staat Irak zerfällt.

Wann hat also das plötzliche Interesse für die ohne Zweifel stark in Not geratene Minderheit der Yeziden angefangen? Erst dann, als ISIS Kämpfer die Offensive gegen die Stadt Erbil gestartet haben. Als zum Beispiel Mosul, die zweitgrösste Stadt im Irak, vor einiger Zeit ohne nennenswerten Widerstand an die ISIS gefallen ist, hat man das einfach zur Kenntnis genommen. Als Falluja Anfang des Jahres das gleiche Schicksal erlitt, kam auch niemand auf die Idee plötzlich Waffen liefern zu lassen oder Bombenangriffe zu fliegen. Es muss also an der Stadt Erbil liegen.
Erbil ist die boomende Stadt schlechthin im Norden des Irak. Es ist aber auch zugleich die "Hauptstadt" der Kurden. Seit dem Golfkrieg von 1991 konnte sich Erbil in nahezu vollkommener Autonomie und mit direktem Schutz der Amerikaner entwickeln. Während Bagdad und andere Städte auch nach Beendigung des Golfkriegs immer wieder durch amerikanische und britische Kampfflugzeuge bombardiert wurden, wurde den Kurden durch die Operation Provide Comfort humanitär, aber auch militärisch zur Seite gestanden. US Kräfte blieben bis 1996 auf kurdischem Gebiet stationiert, unter anderem auch in Erbil. Ab 1997 wurde dann erneut ein "Schutzschild" über Kurdistan durch die Operation Northern Watch gebildet, welche bis zur US-Invasion im Jahr 2003 ausgeübt wurde. Da in Erbil jede Menge amerikanische Staatsbürger leben und arbeiten, hauptsächlich Angestellte von Ölgiganten wie Chevron und ExxonMobile aber auch "Militärbeobachter", gilt es für Barack Obama seine Landsmänner und Landsfrauen zu beschützen. Eine Evakuation kommt aber nicht in Frage, da Erbil als Verwaltungssitz der riesigen Ölfelder von Kirkuk dient. Ausserdem haben verschiedene Unternehmen eine Menge Geld nach der US-Invasion in die Produktion der Ölfelder von Taq Taq und Tawke etwas östlich von Kirkuk gesteckt, die gerade erst angefangen haben Rendite abzuwerfen. Würde also Erbil fallen, wäre das Gebiet bis zu den Ölfeldern von Kirkuk für die Eroberer offen und die riesigen Investitionssummen der Ölgiganten dahin.
Nebst den wirtschaftlichen Interessen in diesem kurdischen Gebiet des Nordiraks, haben die USA in Erbil eine grosse CIA-Station aufgebaut, wo man unter allen Umständen (sowieso jetzt kurz vor den Senatswahlen) das gleiche Debakel wie in Benghazi erleben möchte als die dortige als US-Botschaft getarnte CIA-Station zerstört wurde. Darüber hinaus ist bekannt, dass Israel dieses kurdische Gebiet ebenfalls für ihre Aktionen gegen den Iran benutzt und es gerne sehen würde, dass das Erdöl aus Kirkuk durch eine von den Briten gebaute Pipeline wieder direkt nach Haifa/Israel fliessen würde. Kein Wunder sprach sich der israelische Ministerpräsident als erster und bisher einziger Staatsmann für die Unabhängigkeit Kurdistans aus.


Für den Islamischen Staat sind diese Ölfelder von Kirkuk natürlich ein wesentliches Ziel. Immerhin stehen allein im Irak bereits 7 Ölfelder und 2 Raffinerien unter der Kontrolle von ISIS, mit welchen sie pro Tag ungefähr 10`000 Barrel Öl verkaufen, was ca. 40 Tanklastzügen entspricht. Bei einer Eroberung der Superölfelder von Kirkuk würde sich ISIS auf einen Schlag zu einem Global Player der Ölproduzenten aufschwingen, mit einer Kapazität von etwa 0.5% der globalen Ölproduktion.
Angesichts dieser Aussichten lässt sich der plötzliche Aktionismus in Washington, London, Paris und Berlin etwas besser nachvollziehen.

Aber das Beispiel Afghanistan hat gezeigt, dass sich eine in der Bevölkerung akzeptierte Bewegung nicht durch Luftschläge besiegen oder zurückdrängen lässt. Auch die Kämpfer der ISIS haben von den Taktiken der Taliban gelernt, obwohl die geografischen Bedingungen der beiden Länder nicht zu vergleichen sind. Sie wissen dass sie keine statischen Stellungen einnehmen dürfen, da diese natürlich ohne Probleme aus der Luft ausgeschaltet werden können. Eine mobile Kampftaktik hingegen bietet der US Air Force keine guten Ziele, weshalb der erneute Einsatz der Kampfflugzeuge und Drohnen mehr als fragwürdig erscheint. Aber zumindest offenbarten sich so für alle Beteiligten die "Rote Linie" der Vereinigten Staaten von Amerika: Hände weg von Erbil und Kirkuk!

Was aber von sämtlichen westlichen Medienanstalten und jenen Politikern die den Kampf gegen ISIS führen möchten übersehen wird, ist die Tatsache dass es für ISIS nichts besseres gibt, als ein erneutes Bombardement der USA.
Natürlich sehen nicht sie sich als Terroristen, sondern die Amerikaner und Europäer die im letzten Jahrzehnt in Afghanistan, Pakistan, Irak, Yemen, Somalia, Libyen und Syrien nichts als Tod und Verwüstung gebracht haben. Und was ihnen dabei noch auffällt: es sind alles sunnitische Staaten.
Wie ich im Bericht "ISIS: Dilemma für USA und Westen" geschrieben habe, gibt es für den selbsternannten Kalifen des Islamischen Staats, Kaliph Ibrahim (oder Abu Bakr al-Baghdadi), nichts besseres als genau diese amerikanischen Luftschläge gegen seine Kämpfer. Diese Angriffe werden die innere Überzeugung der wahhabitischen Extremisten nur weiter zementieren und den religiösen Indoktrinationen recht geben die jeder ISIS-Rekrut durchlaufen muss bevor er auf das Schlachtfeld "darf".

Möchten Obama & Co. tatsächlich militärisch erfolgreich gegen den Islamischen Staat vorgehen, müssten sie diesen "Staat" nicht nur an der kurdischen Front bekämpfen, sondern eben auch auf allen anderen Seiten. Und das würde bedeuten, man müsste sich eingestehen dass die sinnlose Bewaffnung von syrischen "Rebellen" nichts weiter gebracht hat als dass diese Waffen und Ausbildung zu einem grossen Teil in die Hände der ISIS-Kommandeure gelangt ist, und dass auch ultimativ der Krieg gegen Bashir al-Assad gescheitert ist. Denkt man diesen Ansatz dann weiter zu Ende, würde das bedeuten man müsste den einzigen wirklichen Gegner im Kampf gegen die ISIS-Extremisten, nämlich die syrische Armee (und zu einem gewissen Grad auch Hezballah und die syrischen Kurden der YPG-Miliz die allesamt gegen die diversen Jihadisten Fraktionen kämpfen), unterstützen. So lange das nicht geschieht, gibt man sich in den westlichen Hauptstädten einer gefährlichen Illusion hin dass die Ausrüstung der irakischen Kurden ausreichend wäre.

Ein weiterer Punkt um den sich scheinbar niemand so wirklich zu interessieren scheint, ist die Frage nach der Basis des Islamischen Staats. Wer sind diese Jihadisten? Wieso kämpfen sie für diesen Islamischen Staat? Indem wir sie einfach nur als "Terroristen", "Terrormiliz" oder sonstwie bezeichnen, versperren wir uns den Weg zur Erkenntnis und damit auch den Weg zu einer geeigneten Strategie.

Was die ISIS-Kämpfer vereint ist ihr Glaube, der die Brücke über die diversen Herkunftsländer der Kämpfer spannt. Egal ob aus Deutschland, Grossbritannien, Frankreich oder den Philippinen, sie alle folgen der wahhabitischen Lehre Saudi Arabiens. Deshalb ist die Aussage nicht korrekt wenn man sie nur als Salafisten (Salafisten sind jene Muslime, die streng nach den Worten des Korans leben und diesen so versuchen zu interpretieren, wie er zur Zeit des Propheten Muhammad ihrer Meinung nach überliefert wurde) bezeichnet, denn nicht alle Salafisten sind Wahhabiten, aber alle Wahhabiten sind Salafisten. Während Salafisten ihre Überzeugung durch da`wa (Missionierung und Lehren) übermitteln wollen, verfolgt der Wahhabismus zusätzlich den Weg des Jihad zur Missionierung. Alle die sich nicht dem Willen des Wahhabismus beugen wollen, egal ob Muslime oder Nicht-Muslime, werden als takfiri oder mushrikun bezeichnet, die ihr Recht auf Leben damit verwirkt haben. Das gibt es in keiner anderen der muslimischen Rechtsschulen (siehe auch "Warum Saudi Arabien gefährlich ist").
Genau diese Doktrin führte zur Gründung des modernen Königreichs Saudi Arabien, doch während Ibn Saud als Anführer der Wahhabiten seine Grenzen in der Ausdehnung seines Reichs erkannte, sahen seine Ikhwan Gefährten darin einen Bruch mit der wahren Mission des Wahhabismus.

Was also heute mit dem Islamischen Staat (IS) entstanden ist, ist im Grunde nichts weiter als die Fortsetzung eines Projekts das mit der Gründung des modernen Saudi Arabiens begonnen wurde und aus der Sicht der Anhänger von IS zu einem abrupten Ende kam. In den hunderten von Madrassen und Islamischen Zentren die von Saudi Arabien weltweit finanziert wurden, wurde indessen aber die Ideologie des Muhammad ibn Abdul Wahhab aus dem 18. Jahrhundert weiter gelehrt.
Wie kann also die Gründung des Islamischen Staats, wo genau das ausgelebt werden soll was in den wahhabitischen Moscheen und Madrassen gelehrt wurde und mittels dem ebenfalls auf den Weg gegebenen Jihad erreicht werden soll, wie kann das also falsch sein?

Aufgrunddessen dass Saudi Arabien seit 1979 massiv in den Export des Wahhabismus investiert hat, konnte sich diese Ideologie auf verschiedensten Erdteilen etablieren und sogar den "traditionellen" Islam der sich je nach Land und Kultur entwickelt hat, teilweise verdrängen.
Seitdem wurde eine gesamte Generation von Muslimen auf allen fünf Kontinenten die diese von Saudi Arabien finanzierten Madrassen und Islamischen Zentren besucht haben, in der wahhabitischen Ideologie geschult. Nicht wenige davon sahen ihren Lebenszweck darin, ihre Überzeugung auch in die Tat umzusetzen und folgten dem Ruf des Kaliphen Ibrahim.

Dazu kommt, dass Saudi Arabien nicht nur ideologisch dem Islamischen Staat Pate stand, sondern auch zumindest indirekt an dessen Gestaltung mitwirkte. Insbesondere der als Bandar Bush bekannte Prinz Bandar bin Sultan, der über Jahrzehnte hinweg die politische Elite in Washington mit vielen Dingen für sich (und somit für Saudi Arabien) gewinnen konnte, überspannte in seiner Kapazität als Chef des saudischen Geheimdienstes in seinem persönlichen Hass gegen die Iraner (und somit auch gegen Schiiten) den Bogen des Tolerierbaren für die USA. Einen Hinweis auf seine Gedankenwelt lieferte der ehemalige Chef des britischen Geheimdienstes MI6 zwischen 1999 bis 2004, Sir Richard Dearlove, der in einer Rede am Royal United Service Institute letzten Monat etwas sagte, was einem zu denken geben müsste: "Die Zeit im Mittleren Osten ist nicht mehr weit davon entfernt lieber Richard, wenn es sprichwörtlich heisst Gott steh den Schiiten bei. Mehr als eine Milliarde Sunniten haben einfach genug von ihnen."
Das sollen nach Sir Richard Dearlove die Worte von Prinz Bandar bin Sultan an ihn gewesen sein, kurz vor seinem Rücktritt aus dem britischen Geheimdienst.

Für die Schiiten unter der Herrschaft von ISIS ist es in der Tat unmöglich geworden ihr Leben weiterzuführen, damit sollte Prinz Bandar Recht behalten haben. Aber was er vermutlich zum Zeitpunkt dieser Aussage nicht für möglich gehalten hätte, ist die Tatsache dass es überhaupt mal zu einem Gebilde wie dem Islamischen Staat kommt und nicht nur die Schiiten zum Ziel der Kämpfer des Islamischen Staats wurden. Auch das Königreich dessen Angehöriger er ist, gehört zum Ziel der IS. Das Haus Al Saud wird längst nicht mehr als Hüter der islamischen Heiligtümer von Mekka und Medina betrachtet, sondern als ein korruptes Herrscherhaus das nichts mehr mit der wahren Ideologie des Wahhabismus zu tun hat und somit gestürzt werden muss. Das gilt im Übrigen für alle Scheichtümer am Persischen Golf.

Mittwoch, 13. August 2014

Deshalb kann Israel (fast) alles tun

Wie kann es sein, dass ein Land wie der Iran in den letzten 60 Jahren zweimal mit massivsten Sanktionen belegt wurde und so der Versuch unternommen wurde, das Land wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, obwohl der Iran in den letzten 150 Jahren keine Kriege vom Zaun gebrochen hat?

Und wie kann es sein, dass ein Land wie Israel, das durch Terror und Gewalt geboren wurde und seitdem mehrere Kriege geführt hat und sich in einem ständigen Prozess der ethnischen Säuberung und Landnahme befindet, keinerlei Konsequenzen befürchten muss?
Wieso wird aktuell der begangene Genozid an den Palästinensern (siehe "Israelis verlangen Genozid") nicht als solcher bezeichnet, während unsere Politiker diesen Ausdruck für die Verfolgung der Yeziden im Irak durch ISIS benutzen um so die schreckliche Situation der Yeziden besonders hervorzuheben? Wieso erhalten alle andere Minderheiten die vor den wahhabitischen Extremisten der ISIS fliehen nicht die gleiche Aufmerksamkeit?

Natürlich ist Heuchelei ein Schlagwort. Und natürlich spielen gewisse Interessen eine enorme Rolle. Aber das ausgerechnet jene Organisation bei diesem unwürdigen Debakel mitmacht die eigentlich eigens dafür gegründet wurde, um solche Verbrechen zu verhindern und deren Urheber zu bestrafen, ist eine Schande! Die Rede ist von den Vereinten Nationen.

Wir alle haben schon gehört wie insbesondere die USA massiven Einfluss auf die UNO bei verschiedenen Dingen ausüben, aber nun hat WikiLeaks ein brisantes Dokument veröffentlicht, und... Und nichts ist passiert. Nicht eine amerikanische Grosszeitung hat sich auf diesen Skandal gestürzt und eine Story darüber geschrieben. Auch bei deutschen Medien sucht man vergeblich nach mehr Informationen. Dabei könnte der Inhalt dieses Dokuments und dessen Tragweite explosiver nicht sein.

Es geht um die UN-Untersuchungskommission die Generalsekretär Ban Ki Moon nach Israel`s brutalem Gazakrieg von 2008/2009 (Operation Gegossenes Blei) am 10.02.2009 in Auftrag gegeben hat, um den Beschuss von UN-Einrichtungen im Gaza Streifen zu untersuchen.

Und hier das Resultat dieser Untersuchungskommission, welche nun dank WikiLeaks an die Öffentlichkeit gelangt ist:

"Die Zusammenfassung des Rapports kommt zum Schluss, dass 7 von den 9 untersuchten Zwischenfällen im Rapport durch Militäraktionen der Israeli Defence Forces (IDF) verursacht wurden, und dass die IDF die Unantastbarkeit und Immunität von UN-Gelände verletzt hat, dass solche Unantastbarkeit und Immunität nicht durch Forderungen der militärischen Zweckmässigkeit ausser Kraft gesetzt werden kann, und dass die IDF nicht genügend Vorkehrung getroffen hat um ihre Verantwortung zum Schutz von UN Eigentum und Personal zu erfüllen sowie der Zivilisten die dort Schutz gesucht haben. Die Kommission befindet die israelische Regierung für den Tod, Verletzung und physischen Schaden in den sieben Fällen für Schuldig, und schätzt die Reparaturkosten auf etwas über 11 Millionen US Dollar."

Darüberhinaus empfahl die Kommission eine "weitere und rechtzeitige Untersuchung zu den nicht-UN bezogenen Zwischenfällen wo Zivilisten involviert waren", d.h. eine Untersuchung zu den hundertfachen Morden an palästinensischen Zivilisten.

Das die Untersuchungskommission zu solch einem Ergebnis gekommen ist, ist natürlich keine Überraschung. Die UNO ist nicht zum ersten Mal Opfer von absichtlicher Bombardierung durch die IDF. Als 1996 das UN-Quartier in Qana/Libanon bombardiert wurde, kamen über 150 Menschen ums Leben. Allesamt Zivilisten die dort Zuflucht gesucht hatten. Auch der damalige Untersuchungsbericht wurde von den USA scharf attackiert und man tat alles, um Israel vor dem UN-Sicherheitsrat zu decken. Erst durch die Frustration einiger Offizieller des US-Aussenministeriums sowie der UN, wurde der Bericht dann später einer Zeitung überspielt damit zumindest ein Teil der Wahrheit ans Licht kommt.
Aber was sich innerhalb der UN abgespielt hat blieb für uns ein Geheimnis.
Durch WikiLeaks wissen wir jetzt aber, wie die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice einen Tag vor der vorgesehenen Übermittlung des Untersuchungsberichts zum Gazakrieg von 2008/2009 an den UN-Sicherheitsrat am 05. Mai 2009 versucht hat, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon unter Druck zu setzen.

Sie forderte Ban Ki Moon auf, die Empfehlungen der Untersuchungskommission bezüglich der Untersuchung von "nicht UN-bezogenen Zwischenfällen" nicht in die Fassung für den Sicherheitsrat einzubeziehen, da diese ihrer Meinung nach nicht in der an die Kommission gerichteten Aufgabenstellung entsprachen. Mit anderen Worten, Washington wollte nicht dass der Sicherheitsrat sich mit einer Fragestellung befassen muss, die für Israel und auch die USA als politischen Garanten vor der UN für Schwierigkeiten sorgen würde. Ban Ki Moon antworte Rice, dass er "eingeschränkt in den Möglichkeiten ist, da die Untersuchungskommission unabhängig ist und er den Bericht und die Empfehlungen nicht ändern könne weil sie von ihnen sind."

Als Susan Rice zum zweiten Mal am gleichen Tag beim Generalsekretär nach Möglichkeiten suchte um die unerwünschten Teile des Berichts auszulassen, arbeitete Ban Ki Moon bereits an einer Lösung. Er teilte der amerikanischen Botschafterin mit, dass "seine Leute bereits mit einer israelischen Delegation am Text des Anschreibens (für den Sicherheitsrat) arbeiten". Rice verlangte dann noch, dass sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen bei ihr meldet wenn dieser Text fertig ist, bevor er dann an den Sicherheitsrat weitergeleitet wird.
Als Ban Ki Moon dann pflichtbewusst diesen geforderten Anruf tätigte, in dem er dann bestätigte dass eine "zufriedenstellende Anschrift" mit den Israelis gefunden wurde und dass er keine weiteren Untersuchungen mehr beantragen werde, insbesondere nicht zu den Empfehlungen 10 + 11 (der Teil mit den Zivilisten).  

Anstatt dass sich Ban Ki Moon seiner Aufgabe als Generalsekretär der Vereinten Nationen verpflichtet fühlte, unternahm er alles in seiner Macht stehende um die Kriegsverbrechen Israels während der Operation "Gegossenes Blei" nicht zu untersuchen. Ganz im Gegenteil, er arbeitete sogar mit Israel an der erfolgreichen Diskreditierung der von ihm selbst ins Leben gerufenen Untersuchungskommission.
Angesichts solcher kriminellen Praktiken, die sich ironischerweise aber im Bereich der Legalität bewegen, darf es niemanden wundern wenn Israel immer wieder mit solchen Kriegsverbrechen wie aktuell in Gaza davon kommt.