Freitag, 31. Januar 2014

Zionismus in Kanada

Wenn die Rede von einer pro-Israel oder zionistischer Lobby ist, dann fällt einem in erster Linie die Lobby in Amerika ein, und dann vielleicht auch noch die in Grossbritannien. Aber die Wenigsten denken an Kanada (und Australien wenn wir schon dabei sind), einem Riesenreich welches mehr für ihre Natur und der liberalen Grundeinstellung der Kanadier bekannt ist als für einen Hort des Zionismus.

Erst letzte Woche war der kanadische Premierminister Stephen Harper zu Besuch in Israel und hielt als erster Kanadier eine Rede vor der Knesset, die es echt in sich hatte. Aber haben unsere deutschsprachigen Medien darüber berichtet? Geben Sie doch bei Google mal "Stephen Harper Besuch Israel" ein...  Abgesehen von ein paar deutschsprachigen israelischen Newsportalen findet sich nicht ein einziger Eintrag! Es ist ja nicht so als ob dieser Besuch nicht berichtenswert war, immerhin war der oberste Politiker eines der grössten und reichsten Länder der Welt zu einem Staatsbesuch in Israel und hielt als erster Repräsentant für Kanada eine historische Rede vor der versammelten Regierung. Und wie gesagt, diese Rede hatte es in sich. Daher ein paar Auszüge davon:

"Ladies and gentlemen, Kanada und Israel sind die grössten Freunde und die natürlichsten Verbündete.

Und mit ihrer Nachsicht würde ich gerne darüber reflektieren, was diese Beziehung zwischen Kanada und Israel so speziell und wichtig macht.

Weil diese Beziehung zwischen uns so stark ist.

Die Freundschaft zwischen uns ist in unserer Geschichte begründet, genährt durch geteilte Werte, und sie ist absichtlich auf den höchsten Ebenen des Handels und der Regierung verstärkt worden, als ein öffentlicher Ausdruck von starker innerer Überzeugung.

Wie auch immer, um die spezielle Beziehung zwischen Israel und Kanada wirklich verstehen zu können, muss man hinter den Handel und Institutionen blicken, zu den persönlichen Bindungen von Freundschaft und Verwandschaft.

Juden leben seit mehr als 250 Jahren in Kanada. Generation für Generation, durch harte Arbeit und Beharrlichkeit, haben jüdische Immigranten - oft ohne Nichts am Anfang - sehr prosperiert. Heute gibt es etwa 350.000 Kanadier die ihr Erbe und Glauben teilen. Sie sind stolze Kanadier.

Aber nachdem ich sprichwörtlich tausende Mitglieder dieser Gemeinschaft getroffen habe, kann ich ihnen folgendes sagen: Sie sind immens stolz darauf was das Volk von Israel hier geschafft hat; von ihrer Courage im Krieg, von ihrer Grosszügigkeit im Frieden, und von der Blüte die die Wüste unter ihrer Betreuung erlebt hat.

Laureen (die Ehefrau des Premiers) und ich teilen diesen Stolz. Den Stolz und das Verständnis was hier alles im Schatten des Horrors des Holocaust erreicht wurde. 
Das Verständnis dass es richtig ist Israel zu unterstützen, weil nach Generationen der Verfolgung das jüdische Volk ihr eigenes Heimatland verdienen und es auch verdienen sicher und friedlich in diesem Heimatland zu leben.

Lassen Sie mich das wiederholen: Kanada unterstützt Israel weil es das Richtige ist.

Ladies and gentlemen, ich sagte bereits kurz zuvor dass die spezielle Freundschaft zwischen Kanada und Israel aus den geteilten Werten herkommt. 

Tatsächlich ist Israel das einzige Land im Mittleren Osten welches sich vor langer Zeit in den Idealen von Freiheit, Demokratie und dem Gesetz verankert hat

Und unsere Verpflichtung als Kanadier zu dem was Richtig, fair und gerecht ist, ist universell. Das trifft nicht weniger auf das palästinensische Volk zu als auf das israelische Volk.
Genau so wie wir eindeutig das Recht auf Selbstverteidigung Israel`s unterstützen, so hat Kanada auch schon lange eine gerechte und sichere Zukunft für das palästinensische Volk unterstützt. 

Und ich glaube wir teilen mit Israel die ehrliche Hoffnung, dass das palästinensische Volk und deren Führer einen lebensfähigen, demokratischen palästinensischen Staat wählen werden, der sich dafür verpflichtet friedlich neben einem Jüdischen Staat Israel zu leben. 

Wie Sie, (Herr) Ministerpräsident, gesagt haben, wenn die Palästinenser Frieden mit Israel schliessen, wird Israel nicht das letzte Land sein das einen palästinensischen Staat als ein neues Mitglied in den Vereinten Nationen willkommen wird. 
Es wird das Erste sein.

Traurigerweise haben wir diesen Punkt noch nicht erreicht. Aber wenn dieser Tag kommt, und er muss kommen, kann ich ihnen sagen dass Israel wahrscheinlich das erste Land sein wird das einen souveränen palästinensischen Staat willkommen heissen wird, aber Kanada wird direkt hinter ihnen da sein. 

Und das erbärmlichste von allem: einige nennen Israel öffentlich einen Apartheid-Staat. Stellen sie das einmal vor. 
Denken sie über diese verdrehte Logik und geradezu Boshaftigkeit dahinter nach: ein Staat, basierend auf Freiheit, Demokratie und Gesetz, welcher gegründet wurde damit Juden als Juden florieren können, und Zuflucht suchen können vor dem schlimmsten rassistischen Experiment der Geschichte. 

Das wird verurteilt, und diese Verurteilung ist maskiert unter der Sprache von anti-Rassismus. 

Es ist nicht weniger als widerlich!

 Aber, das ist das neue Gesicht des Antisemitismus. Es zielt auf das jüdische Volk ab indem Israel zum Ziel (gemacht wird) und versucht wird, den alten Fanatismus für eine neue Generation akzeptabel zu machen.
Natürlich ist die Kritik an Israels Politik nicht an und für sich notwendigerweise antisemitisch. 

Aber wie sonst sollen wir es nennen, wenn die Kritik selektiv nur den Jüdischen Staat verurteilt und effektiv das Recht auf Selbstverteidigung ablehnt, während systematisch die Gewalt und Unterdrückung überall ringsherum ignoriert - oder entschuldigt - wird?

Wie sonst sollen wir es nennen, wenn Israel routinemässig bei den Vereinten Nationen angeprangert wird? Und wenn Israel ständig als einziges Land auf der Agenda der regulären Sitzungen des Menschenrechtsrats bleibt?

Die Wahrheit ist, (und) welche Kanada (auch) versteht, dass viele feindliche Kräfte die Israel gegenüberstehen auch gegenüber allen westlichen Nationen stehen. Nur das ihr denen viel näher seid als wir. 

Natürlich ist keine Nation perfekt. Aber weder ist es Israel`s Existenz noch dessen Politik welche für die heutige Instabilität im Mittleren Osten verantwortlich ist. 

Man muss hinter die Grenzen von Israel schauen um die Ursachen von ununterbrochener Unterdrückung, Armut und Gewalt in grossen Teilen der Region zu finden, von dem herzzerbrechenden Leid der syrischen Flüchtlinge, von sektiererischer Gewalt und der Angst von religiösen Minderheiten, insbesondere der Christen, und von gegenwärtigen Aufständen in so vielen Staaten. 

Ich glaube dass der palästinensische Staat kommen wird, und eine Sache die es so weit kommen lassen wird, ist, wenn jene Staaten die den Terrorismus bezahlen realisieren dass der Weg zum Frieden über die Übereinkunft geht, nicht über Gewalt. 

Was mich zur Regierung des Irans bringt.

Spät im letzten Jahr kündigte die Welt einen neuen diplomatischen Ansatz mit der Regierung in Teheran an.
Kanada hat schon lange die Sicht vertreten, dass jede diplomatische Massnahme unternommen werden sollte um zu verhindern dass Regime an Nuklearwaffen kommen. Deshalb schätzen wir die ernsthafte Anstrengung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschlands. 

Kanada wird den Erfolg dieser Anstrengung nicht anhand des Verdienstes der Worte messen, sondern an der Implementierung und Verifikation von deren versprochenen Handlungen.
Wir hoffen wirklich das es möglich ist, dass die iranische Regierung von dem irreversiblen Schritt der Produktion von Nuklearwaffen zurücktritt.

Aber bis jetzt bleiben Kanadas eigene Sanktionen vollkommen auf ihrem Platz. 
Und sollten unsere Hoffnungen unrealisiert bleiben, sollte sich das gegenwärtige Abkommen als kurzlebig erweisen, wird Kanada eine starke Stimme für erneute Sanktionen sein."

Das war eine Rede, die die Herzen der rechten Siedlerregierung Binyamin Netanyahu`s erreicht hat. Kein Wort zu den illegalen Siedlungen. Kein Wort zu der vom Internationalen Gerichtshof als illegal deklarierten Separationsmauer, oder auch Apartheidsmauer genannt. Kein Wort zu der israelischen Unterdrückung eines ganzen Volkes. Nein, stattdessen werden Lippenbekenntnisse zu einem palästinensischen Staat gemacht, dessen Verwicklichung der Rede von Stephen Harper zufolge von den Palästinensern und ihren Führern abhängt, dass sie "einen lebensfähigen, demokratischen Staat wählen, welcher sich verpflichtet friedvoll neben einem Jüdischen Staat Israel" zu existieren. Und dieser Entschluss der Palästinenser kann erst fallen, wenn sie den "Frieden mit Israel geschlossen" haben. Und was schon bald dilettantisch klingt, ist die wahrscheinlich ehrliche Empörung Harper`s darüber, dass es Stimmen in der Welt gibt, die es wagen Israel einen Apartheid-Staat zu nennen. Der kanadische Premier nennt es "widerlich", und vergleicht sogar die internationale Kritik an der Politik des Judenstaates (damit ist keine Entwertung von Israel gemeint, sondern es ist der Name den sich Theodor Herzl, der ideologische Begründer des modernen Zionismus, ausgedacht hat) mit einer modernen Form des Antisemitismus.

Mit solchen Äusserungen spielt Kanada der zionistischen Lobby völlig in die Hände, gehört es doch zu den wichtigsten Aufgaben der Lobby genau diese Form der Einschüchterung zu verbreiten. Kritik an Israel`s Unterdrückung der Palästinenser ist also Antisemitismus. Ebenso ist es also Antisemitismus, wenn man die eklatante Verletzung der Souveränität der Nachbarländer durch Israel oder die inhumane Einkerkerung von über einer Million Menschen im Gaza-Streifen moniert. Damit soll jeglicher demokratische Diskurs über die systematische Verletzung Israels von unzähligen UN-Resolutionen, internationalen Gesetzen oder Menschenrechten bereits im Keim erstickt werden. Stattdessen soll mit dem Finger auf die Nachbarn gezeigt werden, wo es ebenfalls gravierende Menschenrechtsverletzungen gibt. Und dann diese Aufregung um die Bezeichnung Israels als einen Apartheid-Staat. Vielleicht sollte der aktuellen kanadischen Regierung unter Stephen Harper erklärt werden, dass selbst der erst kürzlich verstorbene Nelson Mandela genau das gesagt hatte. In einem Brief an Thomas Friedman, dem jüdisch-amerikanischen Kolumnist der New York Times, schrieb Mandela 2001:

Israel dachte nicht an einen "Staat" (bei der Gründung 1948), sondern an "Separation". Der Wert der Separation (Trennung) wird anhand der Möglichkeit gemessen, wie sehr Israel den Staat jüdisch halten kann, und nicht eine palästinensische Minderheit zu haben welche die Möglichkeit hat eines Tages die Mehrheit zu werden. Sollte das stattfinden (das die Palästinenser in der Mehrheit sind), würde es Israel dazu zwingen entweder ein säkularer demokratischer, oder ein bi-nationaler Staat zu werden, oder sich in einen Apartheid-Staat zu verwandeln und zwar nicht nur de facto, sondern auch de joure.
Thomas, wenn Du die Umfragen der letzten 30-40 Jahre verfolgst, wirst Du ganz klar einen vulgären Rassismus finden der ein Drittel der Bevölkerung umfasst welche selbst öffentlich erklären Rassisten zu sein. Dieser Rassismus ist der Natur von "Ich hasse Araber" oder "Ich wünschte die Araber wären tot".

Angesichts dieser und ähnlicher Worte eines der grössten Freiheitskämpfer des letzten Jahrhunderts verwundert es nicht, dass sich die israelische Regierung weigerte einen Vertreter an das Begräbnis von Nelson Mandela zu senden.

Zurück aber zu Kanada. Dieser Besuch des kanadischen Premiers und insbesondere dessen Rede vor der Knesset steht im krassen Gegensatz zu der offiziellen Haltung der kanadischen Aussenpolitik. Dort heisst es nämlich:

- Kanada ist dem Ziel eines umfassenden, gerechten und andauernden Frieden im Mittleren Osten verpflichtet, genauso wie der Gründung eines palästinensischen Staates der Seite an Seite in Friede und Sicherheit mit Israel lebt. Weiter bestätigt Kanada, dass die PLO als politische Vertreterin des palästinensischen Volkes bereits 1993 Israel anerkannt hat (und Israel die PLO).
Weshalb also spricht Harper vor der Knesset davon, dass ein Friede erst geschlossen werden muss und wieso erwähnt er explizit die aktuelle Forderung von Netanyahu, dass die Palästinenser Israel als einen Jüdischen Staat erst anerkennen müssen wo doch die gegenseitige Anerkennung bereits vor 21 Jahren erfolgte?
- Kanada erkennt die unilaterale Annektierung von Ost-Jerusalem nicht an
- Kanada glaubt, dass eine gerechte Lösung des Flüchtlingsproblems von 1948 von zentraler Bedeutung für die Stillegung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ist
- Kanada erkennt die permanente Kontrolle der eroberten Gebiete von 1967 nicht an (Golan Höhen, West Bank, Gaza, Ost-Jerusalem). Die Vierte Genfer Konvention kommt in den besetzten Gebieten zum tragen und verpflichtet Israel als Besatzungsmacht zur Einhaltung der Menschenrechte bei den Bewohnern in den besetzten Gebieten. Wie es in den Resolutionen 446 und 465 des UN-Sicherheitsrates heisst, stellen die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten eine Verletzung der Vierten Genfer Konvention dar. Die Siedlungen stellen ein erhebliches Hindernis zur Erreichung eines umfassenden, gerechten und andauernden Friedens dar.
- Kanada lehnt den Bau der Mauer innerhalb der West Bank und Ost-Jerusalem ab, welche besetzte Gebiete sind. Dieser Bau ist gegen internationales Recht unter der Vierten Genfer Konvention. Kanada lehnt nicht nur den Bau dieser Mauer in den besetzten Gebieten ab, sondern auch die Enteignungen und Zerstörung von Häusern und wirtschaftlicher Infrastruktur welche zu diesem Zweck durchgeführt wurden.

Vergleicht man Kanada`s offizielle Linie gegenüber Israel`s Besatzungsregime, erscheint die Rede von Stephen Harper wie von einem anderen Stern. Zwangsläufig drängt sich einem die Frage auf: wozu also das ganze?
Es ist ja nicht so als ob die Kanadier hinter dieser Haltung ihres Premiers stehen, ganz im Gegenteil. Auch sie wissen was die offizielle Linie ihres Landes in diesem Konflik ist, und dennoch handelt die Regierung Harper vollkommen konträr zu der eigenen gesetzten Politik. Obwohl Kanada sich der Gründung eines palästinensischen Staates "verpflichtet" hat, wie es auf der Homepage des Aussenministeriums heisst, hat die Regierung Harper 2012 bei der UN-Abstimmung zur Aufwertung des Status`von Palästina dagegen gestimmt.
Gegen diesen "Verrat" an der eigenen Politik, dieser völligen Aufgabe der traditionellen kanadischen Objektivität wofür die Nation stolz war, weil man der einseitigen Politik des mächtigen amerikanischen Nachbarn im Süden äusserst kritisch gegenüberstand, dagegen protestierten im Dezember 2012 und Januar 2013 Hunderte Kanadier in ihren Schreiben an die Regierung Harper. Von "Schande" ist in diesen Briefen die Rede, Schande darüber dass die Regierung genau diese kanadische Tradition der Objektivität öffentlich verraten hat und sich in dieser Frage an die peinlichen "Liebesbekundungen" der USA orientiert. 
Man kann sicherlich davon ausgehen, dass nach der Reise von Stephen Harper nach Israel wieder ähnliche Protestbriefe eingehen werden.


Bei einer Gesamteinwohnerzahl von über 36 Millionen Kanadiern, macht die jüdische Gemeinde von 350`000 nicht einmal 1% der Bevölkerung aus. Es sind ebenfalls nicht so viele jüdisch-Kanadier in TOP-Positionen der Regierung in Ottawa vertreten wie das der Fall in Washington D.C ist, wo diese zusammen mit den konservativen Evangelikalen der Republikaner mit Argusaugen über die Nahöstliche Politik wachen. Natürlich gibt es jüdische Lobbyorganisationen wie B`nai Brith oder Center for Israel and Jewish Affairs , aber wie gesagt, bei einem Gesamtanteil von nicht einmal 1% der Gesamtbevölkerung kann es nicht nur an einer jüdischen Lobby liegen dass die kanadische Regierung so einem enormen "Israel-Ruck" erlegen ist.

Wie es Rabbi Mormur des Holly Blossom Tempels aus Toronto formulierte, "man muss nicht Jude sein um ein Zionist zu sein". Genau darin liegt das Geheimnis des kanadischen Zionismus: im Christlichen Zionismus!
Premierminister Stephen Harper gehört der Christian and Missionary Alliance an, einer Evangelikalen Kirche der gemäss eigenen Angaben etwa 130`000 Mitglieder angehören. Wie viele der christlichen Zionisten in den USA auch, glauben auch sie an das Zweite Kommen von Jesus. Unter Punkt 11 des "Statement of Faith"  heisst es:
"Das Zweite Kommen des Herrn Jesus Christus ist imminent und wird persönlich wie auch sichtbar sein. Als der Gläubigen gesegneter Glaube, ist diese vitale Wahrheit ein Ansporn für eine heilige Lebensweise und aufopferungsvoller Dienst in Richtung Vollendung des Auftrags von Jesus Christus."

Der persönliche Glaube des kanadischen Premiers Stephen Harper spielt eine wesentliche Rolle in seiner Weltsicht, nach welcher er und einige Mitglieder seiner Regierung die politische Ausrichtung Kanada`s justieren. Ein wichtiger Baustein in seinem Glaubenssystem ist natürlich die Überzeugung, dass das Zweite Kommen Jesu tatsächlich imminent ist und dass der Grund dafür in der Erfüllung einiger biblischer Prophezeiungen liegt (mehr dazu siehe hier). Und alle diese Prophezeiungen haben etwas mit Israel und dem "versprochenen Land" zu tun.
Obwohl es weit mehr als diese 130`000 Mitglieder der Christian and Missionary Alliance gibt die sich selbst als Evangelikale bezeichnen und somit ideologisch Israel näher stehen als irgendeinem anderen Drittland, scheint diese letzte Huldigung Harper`s in Israel doch etwas zu weit gegangen zu sein. Jonathan Kay von der National Post spricht sogar von einer "emotionalen Manie" des Premiers.

Diese "emotionale Manie" ist es auch schliesslich, welche Kanada immer mehr an den Rand des weltpolitischen Geschehens drückt, insbesondere in der aktuellen Annäherung primär zwischen den USA und Iran. Vor zwei Jahren hat Ottawa sämtliche diplomatische Brücken nach Teheran abgerissen und betont jetzt zwar dass man die Diplomatie durchaus testen soll, aber dass die kanadischen Sanktionen bis auf Weiteres bestehen bleiben.

Um noch besser das Weltbild des Stephen Harper verstehen zu können, lohnt es sich diesen Satz auch zweimal über die Zunge zergehen zu lassen: "Israel ist ein Licht der Freiheit und Demokratie in einer Region der Dunkelheit." Das ist der klassische Kampf zwischen den finsteren und hellen Mächten einer manichäischen Weltsicht, Gut gegen Böse.
Deshalb hat Harper wahrscheinlich nicht nur mit seiner Rede keine Mühe, sondern auch nicht mit dem Ort der Veranstaltung: am Negev Dinner des Jewish National Fund.
Ausgerechnet beim Jewish National Fund, jener israelischen Organisation welche für die systematische Enteignung und Verwaltung der palästinensischen Immobilien und Grundstücken verantwortlich ist und war.  Auch damit verstiess Premierminister Harper gegen die eigene politische Ordnung, in der es doch heisst dass "Kanada die Enteignungen und Zerstörung von Häusern und wirtschaftlicher Infrastruktur durch Israel ablehnt".
Aber in Harper`s Kampf von Gut gegen Böse scheint absolut klar zu sein wer der good guy and wer der bad guy ist.



Freitag, 24. Januar 2014

Weisses Haus vs. Iran Kriegstreiber-AIPAC

Das Gerangel in den USA um die von AIPAC geforderten und von gewissenlosen Kongressabgeordneten unterstützten neuen Sanktionen gegen den Iran, weitet sich immer mehr in einen landesweiten Skandal aus. In der heutigen Ausgabe der Online Zeitung Huffington Post ist es sogar auf der ersten Seite mit grosser Aufmachung.































Dass die Mainstream-Medien so offen mit diesem Thema umgehen und ihren Lesern zeigen, wie sehr AIPAC und ihre "gekauften", Verzeihung, gesponserten Kongressabgeordnete darauf aus sind einen neuen Krieg im Mittleren Osten zu entfachen, den aber das amerikanische Volk absolut nicht haben will. Obwohl Präsident Obama mehrfach klar gemacht hat, dass er diesen Gesetzesentwurf (siehe Bericht hier und hier) ablehnt und selbst die Abstimmung im Kongress dafür vorerst vom Tisch ist, lässt AIPAC nicht locker und revoltiert offen gegen das Weisse Haus.

Der Grund für diese Headline in der Huffington Post ist die Attacke von AIPAC gegen Debbie Wasserman Shultz. Shultz ist jüdische Kongressabgeordnete aus Süd-Florida und gleichzeitig Vorsitzende des Demokratischen Nationalkomitee`s. Nachdem AIPAC aber herausgefunden hat dass die ansonsten permanent pro-Israel votierende Wasserman-Shultz es gewagt hatte, einen demokratischen Wackelkandidaten davon abzuhalten seine Stimme für diesen anti-iranischen Gesetzesentwurf zu geben, setzten sie umgehend ihre Maschinerie in Bewegung um im Heimdistrikt, dessen Vertreterin im Washington ja Wassermann-Shultz ist, gegen sie mobil zu machen. Das Ziel ist es, einen so grossen Druck im Heimdistrikt zu erzeugen, dass sich die Kongressabgeordnete faktisch vor den Menschen für ihre Haltung, welche im Übrigen im Nationalen Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika steht, rechtfertigen muss und gegebenfalls bei den nächsten Wahlen aussortiert wird.
Dass sich zur Zeit nicht nur die AIPAC oder die bekannten Kriegstreiber in einem Schlagabtausch mit dem Weissen Haus befinden, bestätigt auch Bruce Levy aus dem AIPAC-Nationalrat: "Sie (Debbie Wasserman Shultz) repräsentiert eine grosse Wählerschaft (jüdische + zionistische) in Süd-Florida und gleichzeitig auch den DNC (Democratic National Committee). Das kann zu einem Konflikt führen."

Um genau DAS geht es in der nationalen Debatte in den USA: um den Konflikt dass ein Staat (Israel) durch seine Anhängerschaft in den USA (Zionisten) mit aller Macht versucht, einen Krieg dem amerikanischen Volk aufzuzwingen den es aber nicht braucht und nicht haben möchte. Was bisher eher in den Korridoren der Macht in Washington D.C ausgekämpft wurde, ist nun durch diese offene Revolte an die Oberfläche ausgebrochen. Damit schlägt AIPAC aber einen gefährlichen Weg ein, denn sollte diese Revolte noch eine Weile andauern und weitere Skandale zu Tage befördern, könnte es passieren dass damit eine unheilvolle Entwicklung in Gang gebracht wird. Die Rede ist vom Antisemitismus, doch dieses Mal nicht gegen die Araber, sondern gegen die jüdischen Amerikaner aufgrund derer Unterstützung für eine israelische Politik, die nicht dem Interesse der amerikanischen Mehrheit entspricht.  
Und genau davor warnte bereits vor 26 Jahren der damalige israelische Direktor des Militärgemeindienstes, Yehoshafat Harkabi. In seinem Buch Israel`s Fateful Hour schrieb er:
"Israel ist das Kriterium anhand welchem alle Juden beurteilt werden. Israel ist als ein jüdischer Staat ein Beispiel des jüdischen Charakters. Jedes falsche Verhalten von Israel, welches anfänglich als anti-Israelism bezeichnet wird, wird sehr wahrscheinlich in einen empirischen Beweis von Antisemitismus verwandelt. Es wäre eine tragische Ironie wenn der Judenstaat, welcher beabsichtigt war um das Problem des Antisemitismus zu lösen, ausgerechnet zu einem Faktor im Anstieg von Antisemitismus wird. Die Israelis müssen sich im Klaren sein, dass der Preis ihres Fehlverhaltens nicht nur von ihnen bezahlt wird, sondern auch von Juden auf der ganzen Welt."

Diese Gefahr wird sicherlich auch ex-Ministerpräsident Ehud Olmert in Gedanken gehabt haben, als er die israelische Regierung für ihren Umgang in dieser AIPAC-Angelegenheit scharf kritisierte und erklärte, dass "wir der Administration der Vereinigten Staaten den Krieg erklärt haben". 
Doch das scheint die Regierung von Binyamin Netanyahu nicht sonderlich gross zu stören. Wie die israelische Tageszeitung Ma`ariv erst vor drei Tagen berichtete, ist der geplante israelische Angriff auf iranische Atomanlagen nicht etwa gestrichen, sondern lediglich aufgeschoben. Man sei sich in der Regierung einig, dass die "gegenwärtigen politischen Umstände" keinen Angriff möglich machen und auch die USA nicht bereit sind, in diesem Jahr zuzuschlagen. Das könnte sich aber bereits in ein paar Monaten ändern, so die Zeitung weiter, wenn es "israelischen Geheimdiensten gelingt zu beweisen, dass der Iran weiterhin an einer Bombe arbeitet". Dann könnte die Regierung bereits im Sommer für einen Angriff stimmen.
Übersetzt heisst das, man rechnet in der israelischen Regierung nach wie vor dass es AIPAC bis zum Sommer schafft, dieses anti-Iran Gesetz durch den Kongress zu peitschen.








Mittwoch, 22. Januar 2014

Hat Saudi Arabien in Syrien verloren?

Hat Saudi Arabien in Syrien verloren? Angesichts der wirklich dramatischen humanitären Lage in diesem vom Krieg und Terror geplagten Land erscheint mir diese Frage schon fast peinlich. Peinlich deshalb, weil es das Leid der Menschen in Syrien überhaupt nicht addressiert sondern sich nur um eiskalte geopolitische Schachzüge dreht. Nimmt man die heute beginnende "Vor"-Konferenz zu den Genf II Gesprächen im schweizerischen Montreux zum Anlass, und der unbeschreiblichen Blamage des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon noch dazu, dann geht es trotz der leidenschaftlichen Eingangsreden der Aussenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, Russlands und Syriens auch nur darum: um eiskalte Geopolitik.

Der UN-Generalsekretär, immerhin eine Position die ziemlichen Respekt ausstrahlen sollte, musste zum Wochenstart äusserst schmerzhaft und peinlich feststellen, dass seine persönliche Position nicht im Geringsten mit der angedachten Position des UN-Generalsekretärs zu vereinbaren ist. Da stand er mit Sicherheit nicht erst am Samstag vor der Frage ob er eine Einladung nach Teheran zu der Syrien-Konferenz versenden soll, und als er es dann doch tat, kassierte er einen Schuss vor den Bug welchen er nie wieder in seinem Leben vergessen wird. Die USA, in Form von Aussenminister John Kerry und UN-Botschafterin Samantha Power, haben in aller Öffentlichkeit Ban Ki Moon wie ein kleines Kind getadelt das unerlaubt einen Freund eingeladen hat.
Aber worum ging es da überhaupt? Der UN-Generalsekretär hatte am Montag Morgen eine Einladung an Teheran zugeschickt, doch noch an dieser Konferenz teilzunehmen. Und bereits am Abend sah sich Ban Ki Moon gezwungen wieder zurückzurudern, nachdem die USA klar gemacht haben wie sie sich die Spielregeln vorstellen, und nachdem auch die Syrian National Coalition (SNC) gedroht hatte die Teilnahme abzusagen sollte der Iran am Verhandlungstisch sitzen. Auch Saudi Arabien wehrte sich vehement dagegen. Der UN-Generalsekretär begründete die peinliche Ausladung dann damit, dass er sich "enttäuscht zeige" eingesichts der öffentlichen Aussagen aus Teheran, die Vorbedingungen der USA nicht anerkennen zu wollen. Dabei hatte Teheran nie zugestimmt dass es unter irgendwelcher Vorbedingungen anreist, sondern immer klar und deutlich ausgesprochen, dass eine Lösung nur durch das syrische Volk zu erreichen sei.
Diese Vorbedingung die Ban Ki Moon anspricht, ist die amerikanische Interpretation des "Genfer Communiquee" vom 30.06.2012, wonach Washington darauf besteht, dass es in der darin erfassten "Übergangsregierung" keinen Platz für den aktuellen Präsidenten Bashir al-Assad gibt. Dabei ist dieses Dokument in diesem Punkt ziemlich eindeutig. In dem Punkt welcher die "Übergangsregierung" beschreibt heisst es: "Es kann Mitglieder der gegenwärtigen Regierung und der Opposition sowie anderen Gruppierungen beinhalten, und soll nach gegenseitigem Einvernehmen geformt werden".
Sonst steht in diesem ganzen Dokument nichts weiter, erst Recht nicht dass Assad in der Übergangsregierung keinen Platz hat wie es John Kerry noch heute Morgen zur Eröffnung der Konferenz in Montreux gesagt hat. Kein Wunder also, dass Teheran diese amerikanische Interpretation nicht anerkennt.

Was nun aber wie eine öffentliche Zurückweisung Iran`s aussieht, ist in Wirklichkeit weit weniger schlimm als es aussieht.
Wenn es den USA mit dieser Genf II-Konferenz tatsächlich ernst wäre einen Frieden in Syrien auszuhandeln, dann müsste nicht nur die SNC mit am Tisch sitzen, sondern viel mehr die wahhabitischen Extremisten die über grosse Teile Syriens herrschen. Jene SNC-Führer wie Mohammad Bassam Imadi oder Generalsekretär Mustafa al-Sabbagh die aus Protest der SNC-Politik zurückgetreten sind, veranschaulichen ziemlich deutlich wie schwach diese lose Gemeinschaft der Syrian National Coalition in Wirklichkeit ist.
Imadi sagte in einem Interview, dass der SNC "nur aus einigen Expats die ausserhalb von Syrien leben" besteht, und dass "sie den Bezug zur Realität in Syrien verloren haben".
Ausserdem müsste mindestens auch der Iran anwesend sein, da ohne die Hilfe aus Teheran der Widerstand gegen die "Rebellen" deutlich schwerer gewesen wäre.

Da aber nun in der Schweiz weder die wahhabitischen Kommandeure noch ein offizieller Vertreter aus dem Iran anwesend ist, sondern nur jene Parteien (ausser die syrische Regierungsdelegation und Russland) die den Sturz von Präsident Bashir al-Assad zum Ziel haben, dann kann und wird diese Konferenz keine brauchbaren Lösungen produzieren können weil die Realität vor Ort einfach anders aussieht. Nun gibt es solche Stimmen die sagen, dass Washington jetzt politisch das erreichen will was militärisch nicht gelungen ist. Und dass damit auch Saudi Arabien über Umwege zum Ziel gekommen ist. (Für alle die sagen dass es ja eine ganze Anzahl von Drittländern an der Konferenz gibt die nicht nur an einem "Regimewechsel" interessiert sind; ja das stimmt. Aber diese Länder verfügen nicht über den geringsten Einfluss, noch haben sie etwas mit dem Krieg in Syrien zu tun und gehören deshalb nicht zu den "Verhandlungsparteien".)

Für mich sieht das Bild aber anders aus. Im Iran selbst hielt sich die Kritik über die Ausladung Ban Ki Moon`s in Grenzen, Russland hielt sich ebenfalls mit scharfer Rhetorik zurück und sogar in Israel ist man der Meinung, dass diese "Machtvorstellung" der USA ein reiner politischer Winkelzug war um die Kriegstreiber in den USA zu plakattieren. Präsident Obama soll noch im Dezember gesagt haben, dass die "Politik hart gegenüber dem Iran zu sein gut ist für jemanden der sich für ein Amt bewirbt oder bereits im Amt ist".
Ausserdem dürfen die Entwicklungen in den benachbarten Ländern nicht vernachlässigt werden, will man ein Gefühl für die Lage bekommen. Wie ich im Bericht "2014: das Jahr des iranischen Rakhsh" geschrieben habe, hat Saudi Arabien versucht die Regierung im Libanon mit einem Kredit von 3 Milliarden US-Dollar zu "kaufen", um so die Hezballah aus der Regierung auszuschliessen. Und für eine kurze Weile sah es auch tatsächlich so aus wenn man den Aussagen des libanesischen Präsidenten Michel Sulejman zuhörte, der sich sehr über diesen finanziellen Zustupf gefreut hatte. Doch schon noch ein paar Tagen änderte sich plötzlich der Wind auf eine gänzlich unerwartete Seite, wie das so oft der Fall ist im Mittleren Osten. Ausgerechnet der politische Intimfeind der Hezballah im Libanon, Saad Hariri, dessen Vater vollkommen in Dienst Saudi Arabien`s stand und auch sein Milliardenvermögen dem Land verdankt, kündigte vergangenen Donnerstag an, dass er es sich vorstellen kann in "einer Regierung neben Hezballah" zu sitzen. Das sind nicht gerade Nachrichten die man in Riad hören wollte. Und kann man einem Bericht Glauben schenken, dann geschah dieser Sinneswandel auf Druck der USA die insgeheim mit der Hezballah verhandeln. Gemäss diesem Bericht heisst es, dass der US-Botschafter in Syrien Robert Ford die wichtigsten Vertreter der Syrian National Coalition in Istanbul zusammen getrommelt hatte und ihnen damit gedroht hat das Geld zu streichen, sollten sie trotz des kritischen internen Widerstandes nicht zur Konferenz erscheinen. Und weiter heisst es da, dass sich der saudische Geheimdienstchef und Drahtzieher der Terrorkampagne in Syrien, Prinz Bandar bin Sultan, zur Zeit in den USA aufhält aufgrund einer "Krankheit und psychischer Übermüdung". Ausserdem sollte sich die NSC darauf gefasst machen, dass sich ab März ein Kurswechsel in der saudischen Politik ankündigt, nachdem "Bandar`s Plan für Syrien katastrophale Auswirkungen in Syrien und der Region" hatte.

Sollte dieser Bericht also den Tatsachen entsprechen, dann bereiten sich die Vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich für einen Übergang in der Region vor, aber nicht solch einen der in Riad und Tel Aviv vorgesehen war. Deshalb ist es für den Iran auch nicht so wichtig um an dieser Konferenz teilzunehmen, weil sich die geopolitische Situation in der Region nicht nur im Interesse Teheran`s entwickelt, sondern auch Russland`s und China`s. Und diese Parteien sind in der Schweiz vertreten.

Dienstag, 21. Januar 2014

"Friedensverhandlungen" à la Netanyahu

Die neueste Nachricht aus dem israelischen Verhandlungslager schockierte sicherlich viele Menschen, aber am allerwenigsten die Israelis selbst. Denn das was heute in unseren westlichen Medien als Sensationsmeldung präsentiert wird, gehört in den israelischen Medien zum alten Eisen bzw. wurde von Ministerpräsident Binyamin Netanyahu bereits vor Wochen immer und immer wieder dem Volk eingehämmert: Israel möchte bei einem "Friedensabschluss" mit den Palästinensern noch viel mehr Territorium einheimsen als es das bisher ohnehin schon hat. Die Rede ist von der zusätzlichen Annektion des sogenannten "Beit El - Siedlungsblocks", was dann die Anzahl der riesigen Siedlungsblocks auf (vorerst) insgesamt 4 erhöht und dem Gegenwert von ca. 13% des vorgesehenen palästinensischen Staates auf Basis der 1967-er Grenzen entspricht.

Die Grundidee in den Verhandlungen ist ein Austausch von Land zwischen Israel und Palästina, dem sogenannten "Land Swap". Demzufolge würde Israel gewisse im Krieg von 1967 eroberten Gebiete dem israelischen Staat einverleiben, und im Gegenzug würde Palästina gleichwertiges Land erhalten, welches heute auf israelischem Grund und Boden ist. Über diesen Grundgedanken ist man sich in beiden Lagern prinzipiell einig, aber alles andere als Einigkeit herrscht in der Frage wieviel Land von der einen Seite weggenommen wird, und wieviel Land die andere Seite im Gegenzug erhält.

Bisher bestand Israel darauf, dass die Mega-Siedlungen um den Etzion-Block im Süden Palästina`s annektiert werden, sowie Maale Adumim im Osten von Jerusalem und der Ariel-Block im Nordwesten. Bisher galt der Ariel-Block als der schlimmste Einschnitt auf palästinensischem Boden, weil sich Ariel tief im Landesinnern befindet und durch das Besatzungsregime (Zufahrtsstrassen nur für Israelis, Absicherung der Siedlungsumgebung etc.) den Alltag der palästinensischen Bevölkerung damit erheblich erschwert. Diese drei Siedlungsblöcke stellten bisher eine Landnahme von ca. 8% dar. Mit der neuen Forderung Netanyahu`s erhöht sich diese um weitere 5%.


Auf dieser Karte oben sieht man die drei grossen Siedlungsblocks (in blau) die bisher auf der Wunschliste der Israelis standen. Mit der neuen Forderung des "Beit El"-Blocks würde wieder eine Schneise Mitten durch das palästinensische Gebiet entstehen, welche die Verbindung von Ramallah und Salfit unterbrechen würde. Ganz zu Schweigen von den unzähligen landwirtschaftlich genutzten Feldern und Plantagen die plötzlich nicht mehr, oder nur mit enormem Aufwand verbunden, erreichbar wären. Dass diese Felder und Plantagen grösstenteils die einzige Einnahmequelle und somit die Existenzgrundlage für hunderte Familien darstellen, scheint indessen niemanden zu interessieren.
Die braunen Gebiete welche am Rand der sogenannten "Grünen Linie" (die Waffenstillstandlinie von 1949 und die international anerkannte Grenze des Staates Israel) markiert sind, stehen als Kompensation für die von Israel beanspruchten Territorien zur Debatte. Nun mag sich manch einer fragen was denn überhaupt daran so schlimm sein soll wenn die beiden Parteien ein paar Grundstücke hin- und herwechseln. Das Problem liegt darin, dass - wie auf der Karte oben wunderbar zu sehen ist - die israelisch beanspruchten Gebiete eine Zerstückelung des Staates Palästina darstellen würden. Und aufgrund der existierenden Hindernisse wie ausschliesslich für Israelis nutzbare Strassen, Checkpoints um beispielsweise von Norden nach Süden zu fahren oder auch nur nach Ost-Jerusalem zu gelangen, geschweige denn zu den Heiligtümern in der Altstadt Jerusalem`s, die nach Israel`s Gutdünken erteilten Öffnungszeiten von Checkpoints wie bei Qalqiliya, damit die Bauern ihre Felder überhaupt bestellen oder ernten können, an all diesen Repressalien würde sich auch nach einer Unterzeichnung eines "Friedensvertrages" nichts ändern. Ein wirklicher Frieden sieht anders aus.

Gross-Jerusalem
Dann gibt es das riesige Problem um Jerusalem. Israel nennt Jerusalem, also West- und Ost-Jerusalem, die "vereinte und ewige Hauptstadt", während die Vereinten Nationen diese Aussage und die entsprechenden Handlungen Israels als "null und nichtig" und illegal bezeichnen. Es gab seit der Eroberung von Ost-Jerusalem im Juni 1967 insgesamt 4 UN-Resolutionen (UN-Resolutionen 252, 476, 478, 672) die allesamt die Entwicklung auf dem Boden, sprich die Annektierung und die "Veränderung des physischen, demographischen und institutionellen Status von Jerusalem" verurteilten. 
Aber darüber hinaus wurde nichts weiter unternommen. Im Gegenteil, ausgerechnet Yitzak Rabin, jener bei uns im Westen als Friedensbringender Messias bezeichnete Ministerpräsident war es, der nach der Unterzeichnung der Oslo-Verträge 1993 noch schnell ein paar neue Fakten auf dem Boden schaffen wollte. Zusammen mit dem heutigen Präsidenten Israels, Shimon Peres, erklärte seine Regierung 1994 die Absicht, 31`000 neue Wohneinheiten in Ost-Jerusalem bauen zu wollen. Auch die Einwohnerstatistik spricht Bände: in den ersten beiden Regierungsjahren von Yitzak Rabin, stieg die Zahl der jüdischen Siedler in Ost-Jerusalem von 148`000 auf 200`000!
Auch das heutige Problem um die E-1 Zone in Ost-Jerusalem ist auf Rabin`s Anordnung entstanden. Er war es, der diese Zone als "strategisch wichtig" bezeichnete, um die Siedlung Maale Adummim mit Ost-Jerusalem zu verbinden.

Obwohl es bisher immer wieder Anläufe von verschiedenen Ministern (-präsidenten) gab, diese E-1 Zone endlich zu bebauen, wurden diese Pläne stets auf massiven Druck der USA und EU fallen gelassen. Sollte der Ausbau der Zone tatsächlich eines Tages beginnen, wovon ich aufgrund des israelischen Taktierens in der Vergangenheit absolut überzeugt bin, wäre somit Ost-Jerusalem als Hauptstadt für die Palästinenser endgültig gestorben.

























Wie man auf dieser Karte sehr schön sehen kann, ist die Siedlung Maale Adummim nur ein kleiner Teil von Gross-Jerusalem, dessen Munizipalgrenzen bereits mit der durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag als illegal bezeichneten Mauer klar definiert wurden. Obwohl auch hier das Urteil eindeutig ausgefallen ist, nämlich dass die Arbeiten an der Mauer umgehend gestoppt werden müssen und jene Palästinenser, deren Grundstücke in irgendeiner Weise von der Mauer betroffen sind, zu entschädigen sind. Sollte aber auch noch die E-1 Zone bebaut werden, würde nahezu das gesamte Gebiet von Ost-Jerusalem unter die Oberhoheit des Staates Israel durch die physische Präsenz von jüdischen Siedlungen fallen. Damit wäre beispielsweise keine "direkte" Zufahrt von Bethlehem nach Ramallah mehr möglich, auch wenn diese bereits heute durch Checkpoints und sonstigen Umfahrungen sehr erschwert ist. Es müssten dann neue Strassen gebaut werden die dieses ganze Gebiet umrunden, was einem massiven Einschnitt in die natürliche Umgebung Palästina`s gleichkäme. Zusammen mit der nun angekündigten Absicht zur "Integration" des Beit El-Siedlungsblocks würde das auch jegliche Aussicht auf eine palästinensische Wirtschaft zerstören, da aus diesem Gebiet der Ost-Jerusalemer Munizipalgemeinde 40% der heutigen Wirtschaftsleistung Palästina`s produziert wird.

Damit nicht genug. Der Vorstand der Jerusalemer Umweltbehörde, Aryeh King, sorgte erst kürzlich für Furore in Jerusalem als er tausende Flyer an die palästinensische Bevölkerung Jerusalem`s verteilte, mit welcher die Palästinenser "gebeten werden" den Staat Israel zu verlassen. Weiter stand in diesen Flyern auf Arabisch geschrieben
"Ein Aufruf an alle Muslime die im Lande Israel leben. Wir möchten euch mit diesem Brief die Worte der Torah (die hebräische Bibel oder auch als Altes Testament bekannt) in Bezug auf Nicht-Juden im Lande Israel erklären. 
Zu allererst sagen wir, dass jede Person vom selben Gott geboren wurde und jede gläubige Person sollte mit Respekt behandelt werden; aus diesem Grund ist die jüdische Religion nicht rassistisch sondern human. 
Als gläubige Juden sind wir nach Israel zurückgekommen und die (Prophezeiungen der) Torah zu erfüllen; in der Torah steht geschrieben dass das Land von Israel für (die Patriarchen) Abraham, Yitzak, Jakob und deren Enkeln gemeint ist, für niemanden sonst. Es stimmen alle überein dass wir die Urenkel von dem Ur-Volk Israel sind. 
In der Torah steht auch geschrieben dass das Land von Israel, dieses kleine Land, dem jüdischen Volk alleine gehört und es ist für andere verboten permanent hier zu leben.
Gemäss der Torah wurde das jüdische Volk aus ihrem Land exiliert und blieben für 2000 Jahre im Exil. Nachdem jetzt das jüdische Volk in das Land Israel zurückgekehrt ist, ist die Zeit nun gekommen um diese göttliche Gebot zu erfüllen.
Aus diesem Grund verlangen wir das ihr das Land von Israel verlässt. Wir sagen das aus der religiösen Perspektive, damit so der Friede im Land von Israel gesichert bleibt. 
Wir erklären Dinge die in der Torah sowie im Koran geschrieben stehen, und wir sind der Meinung dass wenn ihr versteht dass wir euch nicht hassen oder dem Islam den Krieg erklären möchten, werdet ihr unser Verlangen Gottes Gebot zu erfüllen verstehen, so wie es im Koran geschrieben steht: es gibt keinen Gott ausser Allah.
Ihr habt viele grosse Länder wo ihr leben könnt. Versteht dass wir nach Israel zurückgekehrt sind um das zu erfüllen was in der Torah steht. Es ist nicht einfach für Millionen von Menschen ihre Heime ohne monetäre Hilfe zu verlassen. Daher empfehlen wir euch, dass ihr mit dem Staat Israel über eine Wirtschaftshilfe verhandelt, um umzuziehen und irgendwo anders zu leben."

Zwar hat die Jerusalemer Gemeinde jegliche Verbindung zu diesen Flyern und deren rassistischen Inhalt bestritten, dennoch bleibt ein äusserst zynischer Nachgeschmack hängen. Denn nirgendwo anders in Israel sind diese Flyer bisher aufgetaucht, nur in Jerusalem. Und genau in Jerusalem tobt ein Kampf um Haus für Haus, Grundstück für Grundstück, (was im Übrigen für ganz Palästina zutreffend ist) wie es auch im "Mission Statement" des Israel Land Fund heisst, dessen Gründer ebenjener Aryeh King ist, der auch für diese Flyer verantwortlich ist. Weiter heisst es dort:
"Der Israel Land Fund wurde gegründet nachdem realisiert wurde, dass ein Bedarf vorhanden ist um den Verkauf von jüdischem Eigentum in Israel an feindliche, Nicht-jüdische und feindliche Quellen zu unterbrechen.  Der Staat von Israel ist eine Demokratie. Er geniesst eine Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und Religionsfreiheit. Zusammen mit diesen (Freiheiten), kann jeder Einzelne der gerne Eigentum in Israel erwerben möchte, es auch tun. Daraus resultierend, leben immer mehr und mehr Araber und Nicht-Juden in Israel und besitzen Land in ganz Israel, von West-Jerusalem bis Tel Aviv und dahinter.
Der Israel Land Fund hat sich dazu verpflichtet, allen Juden (Israelis und Nicht-Israelis) es zu ermöglichen einen Teil von Israel zu besitzen. Er bemüht sich zu gewährleisten, dass jüdisches Land wieder zurückgefordert wird und in jüdischen Händen ist. Mit Hunderten von Grundstücken welche überall in Israel (und gemäss der Karte auf der Website ist damit auch "Judäa und Samaria", sprich West Bank gemeint) zum Verkauf stehen, bietet der Israel Land Fund jedem Juden, unabhängig des (aktuellen) Standortes, die Möglichkeit eine Portion des Landes zu erwerben.
Haus für Haus, Grundstück für Grundstück, stellt der Israel Land Fund sicher dass das Land von Israel für immer in den Händen des jüdischen Volkes bleibt."

Obwohl Aryeh King und sein Israel Land Fund eine private Institution darstellen und auch die Jerusalemer Gemeinde sich von diesen rassistischen Flyern distanziert hat, passt aber die mögliche Konsequenz beider Aktionen in die Planung des Staates Israel. Die "Judaisierung" von Ost-Jerusalem (und sämtlichen anderen Städten in Israel mit einer grossen palästinensischen Minderheit) gehört zur TOP-Priorität der israelischen Regierung. 
Nach der Eroberung und Besetzung von Ost-Jerusalem ging Israel sofort über, die neuen Grenzen der nun als "vereinten Hauptstadt" bezeichneten Gemeinde Jerusalem zu vergrössern. Doch diese neuen Grenzen beinhalteten nicht nur die "alten" Stadtteile von Ost-Jerusalem die unter jordanischer Verwaltung standen, sondern sie wurden auch auf 28 Dörfer ausgeweitet die in der West Bank lagen. Es wurde sorgfältig darauf geachtet, dass in die neue Munizipalgemeinde nur jene palästinensische Dörfer aufgenommen wurden, welche nur über geringe Einwohnerzahlen verfügten um nicht zu viele Palästinenser in den Staat Israel aufzunehmen. Diese "neuen" Einwohner Jerusalems erhielten nach einer Volkszählung den Status als "Permanent Residents", sofern sie sich am Tag der Volkszählung überhaupt in der "Stadt" befanden. Jene Palästinenser die vor den Kriegshandlungen geflüchtet sind oder vertrieben wurden, haben seitdem kein Recht auf Rückkehr mehr. Diese "Permanent Residents" aber werden genau gleich behandelt wie alle anderen Ausländer die nach Israel kommen, obwohl sie in diesen Dörfern oder Ost-Jerusalem geboren und aufgewachsen sind. Gleichzeitig hat man ihnen von Anfang an den notwendigen Raum für "organisches Wachstum" verwehrt, d.h. es wurden selten bis gar nie Baugenehmigungen erteilt und stattdessen immer wieder Grundstücke enteignet, um darauf israelische Siedlungen zu bauen. Der Staat Israel ist mit der "Judaisierung" darauf bedacht, eine ständige demographische Mehrheit in Ost-Jerusalem zu halten, was einer jüdisch-israelischen Mehrheit von 70% entsprechen soll. Um dieses Ziel zu erreichen ist Israel jedes Mittel Recht. So werden vielen palästinensischen Stadtgebieten normale Gemeindepflichten wie Abwasser oder Müllabfuhren verwehrt, der Lebensraum massiv eingeschränkt, Infrastrukturinvestitionen zurückgehalten obwohl die Palästinenser die gleichen Steuern zahlen wie ihre jüdisch-israelischen Nachbarn auch. Diejenigen die aufgrund dieser Missstände ihren Wohnsitz irgendwo in die West Bank verlegen oder ins Ausland ziehen, verlieren umgehend ihren "Permanent Residents"-Status und erhalten diesen auch nie wieder zurück. Die einzige Möglichkeit um an diesen Status wieder zu gelangen ist ein Antrag an das Innenministerium zu stellen, und dabei einen Loyalitätsschwur auf den Staat Israel zu leisten und beweisen, dass man der hebräischen Spräche mächtig ist. 
Durch diese Taktik der Erniedrigung wurden seit 1967 bis 2012 über 14`000 Einwohnern Ost-Jerusalems der Aufenthaltsstatus entzogen. 

Das war ein kleiner, aber notwendiger Exkurs in die Entwicklung nur eines Bruchteils der Problematik welche sich den Verhandlungsführern des "Friedensprozesses" eröffnet. Vielleicht versteht man dann auch besser weshalb ich die Worte wie "Friedensverhandlung" oder "Friedensprozess" in Klammern schreibe, weil sie schlichtweg nicht korrekt sind. Eine echte Friedensverhandlung setzt voraus, dass die involvierten Parteien tatsächlich an einer Lösung des Konflikts interessiert sind. Dass kleine Gesten zur Vertrauensbildung gemacht werden, auch wenn diese Gesten nur symbolischen Charakter haben. Die schwächere Partei muss aber das Gefühl erhalten, dass die stärkere Partei es Ernst meint. Aber das was Netanyahu (und vor ihm sämtlich andere Ministerpräsidenten auch) da macht, zeigt nur dass Israel nicht das geringste Interesse an der Beilegung des Konflikts hat. 

Dazu passt auch der kürzliche Wutausbruch von Verteidigungsminister Moshe Ya`alon, als er den US-Aussenminister John Kerry für seine Arbeit in diesen "Friedensverhandlungen" aufs Übelste beschimpft hatte. 
"Aussenminister John Kerry - der hier entschlossen angekommen ist und der aus einer unverständlichen Besessenheit und einem Gefühl des Messianismus arbeitet - kann mir nichts über den Konflikt mit den Palästinensern beibringen. Das Einzige was uns retten kann ist, wenn John Kerry den Nobelpreis gewinnt und uns in Ruhe lässt.", so Ya`alon.  

In Israel scheint sich eine gewisse Panik innerhalb der Bevölkerung und auch deren politischen Vertretern in der Regierung breit zu machen. Seit Henry Kissinger`s "Shuttle Diplomatie" (auch nicht vor Kissinger) kam kein anderer US-Aussenminister so oft nach Israel geflogen um etwas zu erreichen. Und im Vergleich zur "Shuttle Diplomatie" von Kissinger geht es dieses mal um Israel und Palästina, sprich um jene israelische Eroberungen welche damals unter Kissinger unangetastet blieben. Es scheint so, als ob viele Israelis den Eindruck erhalten haben dass es dieser Aussenminister Ernst meint, von deren schlechten Meinung des US-Präsidenten ganz zu Schweigen. Eine potentiell gefährliche Situation für die Siedlerbewegung, welche bereits zu Protestaktionen gegen John Kerry aufgerufen hat. 
Das eine gewisse Nervosität ob der regen Aktivität ihres Aussenministers auch bei den pro-Zionismus Kongressabgeordneten herrscht, zeigt die Tatsache dass in den vergangenen Tagen und Wochen nicht nur John Kerry ins "Heilige Land" gereist ist, sondern auch diverse Kongressmitglieder. So weilten Anfang Januar die Kriegstreiber John McCain und Lindsay Gramah zusammen in Jerusalem und liessen sich von Binyamin Netanyahu auf den neuesten Stand bringen. Anschliessend kritisierten sie öffentlich in Jerusalem die Arbeit ihres Aussenministers. Obwohl John McCain der Meinung war, dass "der Friedensprozess früher oder später sehr wichtig ist", deutete er darauf hin dass er und die anderen pro-Zionismus im Kongress "Kerry`s Plan skeptisch betrachten" werden. Auch Lindsay Graham äusserste sich ähnlich als er die israelische Räumung der West Bank wie folgt bezeichnete: "eine militärische Räumung bedeutet die Möglichkeit aufzugeben, das eigene Schicksal zu zeichnen".

Damit nicht genug, auch der jüdische Kongressabgeordnete Eliot Engel reiste diese Woche nach Jerusalem und traf sich dort mit Netanyahu. Und genau wie seine republikanischen Kollegen vor ihm, kritisierte er seinen Parteigenossen John Kerry über dessen Arbeit. Wie die israelische Tageszeitung Ma`ariv berichtete, sind Eliot Engel und Brad Sherman die einzigen aus der Demokratischen Partei, die sich weigern die israelischen Siedlungsaktivitäten in der West Bank zu verurteilen. Engel meinte: "Ich habe diese Kombination "Hinderung zum Frieden" (gemeint sind die illegalen Siedlungen) nie gebraucht. Mein Herz sagt mir, dass jeder Jude das Recht hat überall in dem Land zu leben, und das gilt auch für die West Bank."

Diese offene Kritik an John Kerry aus den eigenen Reihen quittierte aber Jane Harman aus dem Geheimdienstausschuss des Kongresses mit folgenden Worten: "... ich denke dass es nicht so klug ist das Sprachrohr des Ministerpräsidenten von Israel zu sein während unser Aussenminister dort ist."

So wie sich die Situation der "Friedensverhandlungen" in den letzten Tagen entwickelt hat, damit meine ich nicht nur die immer neuen Forderungen des israelischen Ministerpräsidenten, sondern auch die öffentliche Demütigung John Kerry`s durch ein mächtiges israelisches Regierungsmitglied und die anschliessende halbherzige Entschuldigung, sowie die Bloßstellung durch eigene Kongressabgeordnete, hat der Person John Kerry massiv geschadet. Wenn er also als der Mann in die Geschichte eingehen will der es geschafft hat einen wahren Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern einzuleiten, dann wird er wenigstens dafür sorgen müssen dass seine Reputation zumindest hinter den Kulissen durch entsprechende Konsequenzen wieder hergestellt wird. Das werden wir daran merken, ob die "Friedensverhandlungen" à la Netanyahu in aller Öffentlichkeit so weitergehen wie bisher, oder ob eine gewisse Rückkehr zur Diskretion stattfinden wird wie es Kerry selbst im vergangenen Sommer angekündigt hatte.






Mittwoch, 15. Januar 2014

Russland-Iran Öl Deal: was ist dran?

Die Reuters-Exklusivmeldung vom 10. Januar, dass Russland kurz vor einer möglichen Vertragsunterzeichnung mit dem Iran für substantielle Öllieferungen steht, sorgte schnell für lange Gesichter in Washington. Die Amerikaner reagierten prompt nach üblichem Muster, und drohten sogleich mit neuen "potentiellen US-Sanktionen", weil dieses Geschäft "inkonsistent mit den Abmachungen der P5+1 Vereinbarung mit dem Iran" wäre.

Der Knackpunkt liegt in der (bis jetzt) angeblichen Absicht Russland`s, täglich 500`000 Barrel iranisches Rohöl zu importieren, was einem Gegenwert von etwa 1.5 Milliarden US-Dollar pro Monat entspricht. Einnahmen die ohne Frage dringend im Iran gebraucht werden. Diese Öllieferungen würden einer Exportsteigerung von 50% gleichkommen, ebenfalls eine mehr als beachtliche Zahl.

Dass Iran momentan "nur" 1 Million Barrel Rohöl exportieren konnte, lag ausschliesslich an dem Wirtschaftskrieg den die USA und auch die EU mit den illegalen Sanktionen ausgelöst haben. Das alles hat mit dem Atomabkommen von Genf überhaupt gar nichts zu tun gehabt, auch wenn jetzt einige Kritiker behaupten dass es gerade die Sanktionen waren die die Iraner erst zu diesem Abkommen gebracht haben. Und was in diesem möglichen Geschäft zwischen Russland und Iran noch wichtiger ist, ist die Tatsache dass Russland diesem Wirtschaftskrieg gegen Iran nicht beigetreten ist und somit es beiden Ländern absolut zusteht, solche Geschäfte abzuschliessen.
Natürlich mag  man sich fragen wieso erst jetzt solche Gespräche stattfinden. Das zeigt lediglich wie clever Russland seine eigenen strategischen Interessen verfolgt und sich nicht blindlings in irgendwelche für sich selbst potentiell gefährliche Situationen begibt, indem am selben Stuhl gesägt wird auf welchen man sich eigentlich hinsetzen möchte, wie das die EU getan hat.

Aber kommen wir nochmal zu dem Punkt "inkonsistent mit den Abmachungen der P5+1 Vereinbarung mit dem Iran" zurück. Dieser Satz impliziert, dass sich Iran in dem Genfer-Abkommen in irgendeiner Form zu reduzierten Ölexporten verpflichtet hat. Das ist schlichtweg falsch!
Der einzige Abschnitt des Abkommens der sich überhaupt mit dem Thema "Rohöl-Verkauf" befasst, ist folgender:
Im Gegenzug unternehmen die E3/EU+3 (die gleichen Länder wie bei der Abkürzung P5+1) folgende freiwillige Massnahmen: Anstrengungen anhalten um Iran`s Rohöl Verkauf weiter zu reduzieren; iranischen Bestandskunden es zu ermöglichen die gegenwärtig durchschnittliche Menge an Rohöl zu kaufen. Die Zurückführung von einer vereinbarten Summe von blockierten Einnahmen im Ausland ermöglichen. Für solche Ölverkäufe die EU und US-Sanktionen auf assoziierte Versicherungs- und Transportservice suspendieren. 

Und mehr steht in dem Abkommen nicht drin. Wenn also überhaupt eine Partei "inkonsistent" mit dem Genfer-Abkommen handelt, dann kann es nicht der Iran sein wie es die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates formuliert hatte, sondern Russland als mitunterzeichnete Partei der "E3/Eu+3"-Länder. Aber gemäss der Formulierung im Abkommen handelt es sich um eine freiwillige Massnahme , und eine freiwillige Massnahme ist und war noch nie ein bindender Vertragsgegenstand. Konsequenterweise würde es Russland also freistehen dieses Öl aus dem Iran zu importieren, auch wenn Moskau sich in Genf als Vertragspartei der P5+1 Länder auf eine "freiwillige Massnahme" verpflichtet hat.

Meiner Meinung nach handelt Teheran, sofern dieser Deal tatsächlich real sein sollte, im Nationalen Interesse des Landes und hält lediglich nach Optionen Ausschau, um im Falle eines Scheitern des Projektes mit dem Westen trotzdem etwas in den Händen zu haben. Ausserdem signalisiert die Bekanntmachung dieses möglichen Deals mit Russland dem Weissen Haus auch, dass Präsident Obama jene Kongressabgeordnete mit seinem angekündigten Veto in Schach halten soll, die von der zionistischen Lobby AIPAC "inspiriert", ein anti-Iran Gesetz (siehe letzten Bericht) bringen wollen, welches definitiv als "inkonsistent" mit dem Genfer-Abkommen bezeichnet werden kann. Die Folgen wären somit für Washington bereits klar ersichtlich: das Sanktionsregime der USA und EU würde von Russland zum Scheitern gebracht. Und das ist, denke ich, der Punkt vor welchem sich die Amerikaner und Israelis am meisten fürchten.

Das Spiegel Online zwar über dieses mögliche Ölgeschäft berichtet und dabei nur folgenden Absatz für das anti-Iran Gesetz übrig hatte, verwundert mich kein bisschen:

Im US-Kongress wird zugleich über einen von demokratischen und republikanischen Senatoren eingebrachten Entwurf für neue Strafmaßnahmen gegen Iran diskutiert. Sie sollen in Kraft treten, wenn das Land sich nicht an die Vereinbarungen des Atomabkommens hält.

Dieser Gesetzesentwurf hat aber sehr wenig damit zu tun, "Strafmassnahmen gegen Iran" einzuführen sollte "das Land sich nicht an die Vereinbarungen des Atomabkommens" halten, sondern es ist viel mehr eine klare Absicht dahinter zu erkennen, dass die USA das Genfer-Abkommen selbst zum Scheitern bringen, sollte der Entwurf tatsächlich zum Gesetz werden. Edward Levine vom "Center for Arms Control and Non-Proliferation" hat diesen Gesetzesentwurf gründlich analysiert und die entsprechenden Passagen hervorgehoben die genau diese Absicht bestätigen.
Eigentlich hätte Gestern die Abstimmung im Kongress zu diesem Gesetzesentwurf stattfinden sollen, doch nach massivem Druck aus dem Weissen Haus und womöglich auch angesichts der Ankündigung des folgeschweren (für das US-geführte Sanktionsregime) Ölgeschäfts zwischen Russland und Iran, wurde diese Abstimmung vorerst verschoben.  


Montag, 13. Januar 2014

2014: das Jahr des iranischen Rakhsh

Das neue Jahr 2014 könnte eines der wichtigsten Jahre für die Islamische Republik Iran in deren noch jungen Geschichte werden. Die Zeichen stehen auf Wiedererstehung, wie einst der Phönix aus der Asche. Wer hätte das schon gedacht, als das Jahr 2013 seinen Anfang nahm und das vorherrschende Thema ein möglicher israelischer Militärschlag gegen den Iran war?
Die Welt, oder besser gesagt die betreffende Region hat sich in diesem Jahr 2013 massiv verändert, und zwar eigentlich nicht so wie es in vielen westlichen Hauptstädten geplant war. Das wir nun Anfang 2014 da stehen wo wir stehen, verdanken wir also nicht dem Umstand einer weitsichtigen Planung unserer Regierungen, sondern im Gegenteil, es ist das direkte Resultat von fehlgeleiteten Entscheidungen und Wunschvorstellungen. Um es noch deutlicher auszusprechen:

2013 war das Ende der post 9/11 Ära wo man der Meinung war durch Kriege ganze Regierungen nach Belieben abzusetzen und eine ganze Region nach einem gewissen Muster zu transformieren.

Da das Hauptziel dieses "Masterplans" dem "Regimewechsel" in Teheran galt (zuvor bereits im Irak, danach Syrien, Libyen), und dieser Plan nun grandios und unter unsäglichem Leid und Kosten gescheitert ist, hat zumindest meiner Meinung nach das Jahr 2014 auch ein iranisches mystisches Wesen als Namensgeber verdient: dem Rakhsh.
Der Rakhsh (Blitz) stammt aus dem iranischen Nationalepos "Shahname" (Buch der Könige) aus dem 10. Jahrhundert und war das Wunderpferd des Hauptakteurs Rostam aus Shahname.
 
 Seit dem 11. September 2001 befanden sich die Vereinigten Staaten von Amerika in einem extrem gefährlichen Zustand der Rache, danach des Übermuts und anschliessend purer Dummheit (man kann es effektiv nicht anders beschreiben). Zuerst der brutale Luftkrieg gegen die Taliban in Afghanistan, dann die unter allen Gesichtspunkten illegale Invasion des Iraks, die Drohnenangriffe in Pakistan, wieder Luft- und Bodeneinsätze in Afghanistan und Drohnenangriffe im Jemen, dann wieder ein brutaler Luftkrieg in Libyen, dann die geheimdienstliche Unterstützung Saudi Arabien`s für deren Glaubenskrieg in Syrien um so an das Ziel des Regimewechsels von Bashir al-Assad zu kommen. Und was hat das alles gebracht, ausser dass zwei Diktatoren (im Irak und Libyen) von der Bildfläche verschwunden sind?  Im Irak hat man sich eine blutige Nase geholt und das ganze Volk gegen sich gehetzt bis dann die Truppenverbände endlich Ende 2012 abgezogen wurden. Ziel erreicht? Weit gefehlt, die ganzen irakischen Strukturen wurden zerstört und das Land wurde zu einer neuen Brutstätte des Terrorismus.
In Afghanistan hat man zwar die verhassten Taliban und Al Qaeda anfänglich weggebombt, doch mit der Zeit haben sie sich an die neuen Verhältnisse angepasst und haben insbesondere aus der Besatzung des Landes neue Kraft und Macht wiedergewonnen. Auch hier steht der Abzug der US-Truppen für dieses Jahr an, ohne dass das Land in irgendeiner Weise von der ausländischen Besatzung profitiert hätte.
In Libyen ist ähnliches wie im Irak geschehen, auch dort wurde der Diktator wie bei einer Fuchsjagd gejagt und ermordet, während gleichzeitig die NATO-Bombenkampange die langjährigen Strukturen vernichtet haben und das Land erheblich destabilisiert wurde.
In Syrien war das Ziel der Neokonservativen Clique von Washington und Tel Aviv bereits in den 1990er Jahren ein Regimewechsel, doch erst mit dem Ruf nach mehr Demokratie von den Syrern schien hier etwas möglich zu werden. Sofort sprang zuerst Qatar und dann auch Saudi Arabien und die Türkei in die Bresche, um die so genannten "Rebellen" mit Waffen und viel Geld auszustatten um so einen "Bürgerkrieg" zu entfachen. Während die USA primär für die Propagandaarbeit und geheimdienstliche Informationen zuständig waren, verwandelte sich der "Bürgerkrieg" in einen vom Wahhabismus zweckentfremdeten Religionskrieg zwischen Wahhabiten/Sunniten und Schiiten und nun auch einen intra-konfessionellen sunnitischen Krieg. Denn wie schon einige Male in diesem Blog erwähnt (siehe hier, hier und hier) geht es den nach Syrien strömenden wahhabitischen Extremisten nicht nur um die Bekämpfung von "Ungläubigen", sondern auch um handfeste territoriale Ansprüche zur Gründung eines islamischen Kalifats. Für den amerikanischen Senator John McCain, der sich im Übrigen als Kriegstreiber einen Namen gemacht hat, war das aber noch lange kein Grund sich Sorgen zu machen. Nein, er reiste sogar nach Syrien unter dem Schutz der "Rebellen" und meinte nach seiner Rückkehr in die USA bei einer beliebten TV-Show, dass ihm sogar "Extremisten lieber wären als die Assad Regierung". Als dann noch der von westlichen Medien unglaublich aufgeblähte Giftgasangriff in Syrien im August 2013 stattfand, schien ein US-Angriff unmittelbar davor zu stehen nachdem US-Präsident Barack Obama genau solch einen Zwischenfall als "Rote Linie" bezeichnet hatte.
Doch nichts dergleichen geschah: das amerikanische Volk übte massiven Druck auf ihre Kongressabgeordnete aus weil man keine tote Soldaten sehen wollte und Russland half Obama sein Gesicht zu wahren, indem die syrischen Chemiewaffenbestände vernichtet werden sollten.

Fast gleichzeitig fand in Ägypten ein Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi statt, der Washington ebenfalls in eine peinliche Situation brachte nachdem Obama nur ein Jahr zuvor die Wahl des Muslimbruders Mursi begrüsst hatte. Nach einigem hin und her entschied man sich in Washington den Putsch nicht als Putsch zu bezeichnen, aber dennoch so zu handeln indem die US-Hilfe für Ägypten gestrichen wurde.

Dann ist da noch der Libanon, ein Staat an der nördlichen Grenze zu Israel wo aber Saudi Arabien politisch ebenfalls über den Hariri-Clan sehr gut vertreten ist und über die wahhabitische Ideologie immer grösseren Zulauf unter den libanesischen Salafisten verzeichnet. Der syrische Religionskrieg musste zwangsläufig auch im viel schwächeren Libanon Auswirkungen haben, zum einen weil Tausende von syrischen Flüchtlingen im Libanon Zuflucht gesucht haben und zum anderen, weil es Hezballah direkt im Libanon mit den wahhabitischen Kräften (u.a. Abdullah Azzam Brigaden) UND in Syrien zu tun hat. Am 19. November 2013 explodierte eine Bombe vor der iranischen Botschaft in Beirut, während in der letzten Dezemberwoche 2 Sprengsätze in von Hezballah dominierten Stadtteilen von Beirut Dutzende von Menschenleben forderten. Es braucht nun keinen Hellseher um die wahren Hintermänner dieser Anschläge zu ermitteln. Erst letzte Woche wurde der saudische Drahtzieher Majid Majid in Beirut verhaftet, was die Frage nach den Hintermännern beantwortet bzw. klar und überdeutlich darstellt. Damit nicht genug der saudischen Interventionen im Libanon. Wie bereits bei Ägyptens Militärputsch sichert sich Saudi Arabien auch im Libanon den politischen Einfluss mit Milliarden von US-Dollar. Interessant aber wenig überraschend ist die Art und Weise wie dieser Einfluss von statten geht; nämlich über Frankreich. Wie ich schon berichtet habe, hat sich Frankreich spätestens seit den erfolgreichen Atomverhandlungen im November 2013 zwischen den P5+1 Ländern und Iran eindeutig und für alle ersichtlich auf die Linie von Saudi Arabien und Israel geschlagen. Im Raum stehen wiederum Milliardeninvestitionen die sich Frankreich von Saudi Arabien und den anderen arabischen Scheichtümern erhofft, so auch hier im Libanon. Riad gewährt dem Libanon einen Kredit über 3 Milliarden US-Dollar, um neue Waffen ausschliesslich von den Franzosen zu kaufen, obwohl das libanesische Militär bisher mehrheitlich mit US-Waffen ausgerüstet ist. Dieser Kredit wurde natürlich nicht nur aus arabischer Bruderliebe gewährt. Riad knüpfte diesen finanziellen Zustupf an politische Bedingungen, nämlich dass in Beirut ein neues Kabinett zusammengestellt wird welche die Hezballah aussen vor lässt. Das würde bedeuten dass Saudi Arabien die Spaltung des politischen Libanons fordert, weil Hezballah in den letzten Parlamentswahlen im November zwar "nur" 12 Sitze von insgesamt 128 Sitze erreicht hat, aber aufgrund des "Doha Abkommens" von 2008 ein Veto-Recht für alle wichtigen Regierungsentscheidungen erhalten hat. Sollte der libanische Präsident Michel Sulejman tatsächlich seinen angekündigten Kurs beibehalten und die Hezballah von der künftigen Regierungsbildung ausschliessen, würde er damit direkt die schiitische Bevölkerung (40% der libanesischen Bevölkerung) des Libanons angreifen die Grösstenteils hinter Hezballah steht. Mit seinem Ausruf "Viva Saudi Arabia" hat er bereits den ersten Funken geschlagen.
Das saudische Kalkül ist ganz einfach: entweder zieht sich Hezballah aus Syrien zurück und schwächt somit das syrische Militär gegenüber den extremistischen "Rebellen", oder es wird dafür gesorgt dass die "Partei Gottes" aus der Regierung ausgeschlossen wird.

Während sich in Syrien eine klare Dominanz von wahhabitisch-salafistischen Gruppierungen innerhalb der "Rebellen" gebildet hat, welche hauptsächlich aus ausländischen Jihadisten besteht, streiten sich die Experten darüber welche Gruppierung denn nun tatsächlich die stärkste Kraft unter dem Banner der Al Qaeda ist. Dabei werden die Stimmen von den Medien unterdrückt, die behaupten dass auch Al Qaeda in den vergangenen 13 Jahren sehr viel dazugelernt hat was die Manipulation der Medien betrifft und dass das was sich in Syrien gerade innerhalb dieser wahhabitischen Fraktionen abspielt, nichts weiter als ein ausgeklügeltes Medienspektakel ist. Gemeint ist der "Kampf" zwischen ISIS (Islamic State of Iraq and Syria = Al Qaeda Irak und Jabhat al-Nusra) und anderen "Rebellengruppen". ISIS wurde im Verlauf des Jahres 2013 zur gefährlichsten und dominierenden Kraft in Syrien, sie überrannten ganze Landflächen und hielten diese unter ihrer Kontrolle, während sie gleichzeitig ein Sozialsystem installierten um die Menschen mit Lebensmitteln oder medizinischem Angebot zu versorgen.
In den letzten Wochen wird allerdings berichtet, dass die ansonsten bis aufs Blut verfeindeten Rebellengruppierungen gemeinsam gegen ISIS gekämpft haben und das erreichten, was der syrischen Armee bisher nicht gelungen ist: nämlich die Vertreibung der ISIS aus vielen Provinzen. Die wichtigsten Militärbasen der ISIS aber wurden von niemanden anderem als Jabhat al-Nusra eingenommen. Zur Erinnerung: die ISIS besteht aus Al Qaeda Irak und Jabhat al-Nusra!
Diese Darstellung passt nicht wirklich ins Bild. Es ist meiner Meinung nach ein Versuch der ISIS, das "schwarze Schaf" der Al Qaeda Irak zuzuschieben und natürlich auch die Kräfte für den Kampf im Irak zu sammeln, während Jabhat al-Nusra plötzlich als syrische nationale Rebellenfraktion zu porträtieren die sich im Kampf gegen Ausländer und Präsident Bashir al-Assad befindet.

Und immer im Hintergrund Saudi Arabien. Die Lieblingsrolle der Saudis war es in der Vergangenheit immer aus dem Hintergrund zu agieren, mit ihren Petromilliarden sich nach Belieben die Verbündeten zu kaufen oder auch den USA ihre schmutzigen Geheimoperationen zu finanzieren. Doch nachdem der sorgfältig aufgebaute Plan zum direkten US-Einsatz in Syrien gescheitert ist, sind die Saudis aus dem Hintergrund hervorgekommen und zeigen ihren Unmut in aller Öffentlichkeit. Sie brüskierten die Amerikaner aufs derbste als sie den UN-Sitz am Tag der feierlichen Übergabe ablehnten, obwohl sich Washington genau dafür massiv bei der UNO eingesetzt hatte. Hochrangige Prinzen des Al-Saud Clans machten in verschienen Zeitungsinterviews ihrem Ärger Luft und bestätigten zugleich, dass Riad nicht mehr weiter aus dem Hintergrund agieren wird. Prinz Mohammad bin Nawaf bin Abdulaziz al-Saud, der 60-jährige saudische Botschafter in London und Enkel von Ibn Saud, schrieb in der New York Times "Saudi Arabien wird es alleine machen":  "Die aussenpolitischen Entscheidungen einiger westlicher Hauptstädte riskieren die Stabilität der Region, und potentiell auch die Sicherheit der ganzen arabischen Welt. Das bedeutet dass das Königreich Saudi Arabien keine andere Wahl hat als Selbstbewusster auf der internationalen Bühne aufzutreten: entschiedener denn je für die wirkliche Stabilität unserer Region einzustehen welche es so dringend braucht."
Was der Prinz unter "Stabilität" versteht sieht man am Besten im kleinen Bahrain, wo saudische Truppen friedliche Demonstrationen brutal zerschlugen und auch innerhalb des Königreiches mit eiserner Faust gegen jegliche Stimmen vorgehen, die es wagen die saudische Innenpolitik oder das Königshaus selbst in Frage zu stellen.

Iran wird wichtig

Und was hat jetzt alles mit dem Iran zu tun mögen sich vielleicht einige Leser fragen? Diese Frage beantwortet ebenfalls ein Bericht aus der New York Times am allerbesten. Ein Bericht, der noch vor einem Jahr völlig undenkbar gewesen wäre und wahrscheinlich den Job des Journalisten Thomas Erdbrink gekostet hätte. Erdbrink schrieb in seinem Bericht "USA und Iran stehen vor einem gemeinsamen Feind bei den Unruhen im Mittleren Osten" folgenden, wirklich schon bald geschichtsträchtigen Satz der exemplarisch für die neue US-Ausrichtung in dieser Region steht:
"Mit Iran als Insel der Stabilität in einer Region geplagt von gewalttätigen Protesten, sektiererischen Zusammenstössen und Selbstmördern, sind nicht mehr viele Optionen für Washington übrig geblieben."

Iran als Insel der Stabilität, und das aus der Feder (oder besser gesagt Tastatur) eines amerikanischen Journalisten der für die New York Times arbeitet? Wie weit sind wir doch von der Aussage der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgerückt, die noch vor etwas mehr als einem Jahr sagte: "Wir brauchen Stabilität und Ordnung, gerade der Iran ist eine grosse Bedrohung". Mit "Stabilität und Ordnung" meinte Frau Merkel den Verkauf von deutschen Leopard II Panzern nach Saudi Arabien, der ihr aber doch noch durch den Widerstand der Opposition vermiest wurde. Aber würde die Bundeskanzlerin den Iran auch heute noch als "grosse Bedrohung" bezeichnen? Ich glaube nicht.

Die strategische Neu-Ausrichtung der Vereinigten Staaten von Amerika im Mittleren Osten findet nicht aus Sympathie gegenüber den Iranern statt. Nein, diese findet statt weil Washington im letzten Jahr endgültig festgestellt hat dass man den Kurs seit 9/11 nicht mehr länger beibehalten kann da dieser das Land finanziell völlig ausgeblutet hat. Aber auch geopolitisch ist dieser Kurs nicht mehr länger zu halten. Innerhalb der USA werden jene Stimmen immer lauter, allen voran Senator Bob Graham, die eine genauere Untersuchung von Saudi Arabiens Rolle zu den Anschlägen vom 11. September 2001 fordern. Sollte diese Untersuchung tatsächlich eines Tages erlaubt werden und würden dann die vermuteten Beweise von Saudi Arabien`s Verwicklung in die Anschläge ans Tageslicht kommen, dann wäre die Beziehung zwischen den USA und Saudi Arabien so nicht mehr länger tragbar. Das heisst aber, dass Washington einen neuen Partner in der Region braucht der über entsprechende soft power verfügt, und der Iran verfügt zweifelsohne jede Menge davon. Es ist aber mit Sicherheit falsch zu behaupten das Iran die selbe Stellung wie sie Saudi Arabien hatte, einnehmen würde oder könnte, dass weiss auch Washington.
Aber in einer Region wo kein Regime mehr sicher ist, aber die Region äusserst wichtig ist für die internationale Wirtschaft, sind die Optionen für Washington tatsächlich mehr als nur limitiert. Obwohl der Persische Golf ziemlich voll ist mit US-Militärs (5. Flotte in Bahrain, Al-Udaid Air Base in Qatar, Riyadh Air Base in Saudi Arabien, eine CIA-Drohnenbase in Saudi Arabien, Camp Arifjan in Kuwait), genügt militärische Macht alleine nicht um eine gesamte Region sicher zu stellen, erst Recht nicht, wenn die Militärs über enorme finanzielle Probleme verfügen.


Es braucht also einen Partner, einen Staat der gross genug ist und an einer strategisch wichtigen Position liegt, der mächtig genug ist diese Aufgabe übernehmen zu können und eine Art Balance in der Region wieder her- und darzustellen. Kein anderes Land als der Iran kommt dafür in Frage. Das hat übrigens bereits 2009 der ehemalige CIA-Agent Robert Baer auch in seinem Buch "The Devil we know - Dealing with the New Iranian Superpower" beschrieben und in einem Interview mit dem Handelsblatt erklärt. Auch Baer beschrieb bereits vor 5 Jahren den Iran als "Insel der Stabilität".
Diese Rolle hatte der Iran bereits schon mal inne, als der damalige US-Präsident Richard Nixon dem Iran in seiner "Twin Pillar"-Strategie die Aufgabe übergab, im Persischen Golf für Ruhe und Ordnung zu sorgen indem er den iranischen Monarchen Shah Muhammad Reza Pahlavi militärisch aufrüstete.

Egal welchen für die Nationale Sicherheit der USA wichtigen Brennherd im Nahen und Mittleren Osten man auch betrachtet, es ist immer der Iran der entweder eine positive Rolle einnehmen kann, oder aber aufgrund des Einflusses für Ärger sorgen kann. Egal ob es der Libanon ist, Syrien, Irak, Kuwait, Saudi Arabien, Qatar, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Afghanistan, Pakistan, Turkmenistan oder Tajikistan, immer und überall macht sich der Einfluss der Iraner für die Amerikaner bemerkbar. Dieser Einfluss kann über Gruppierungen sein, über Glaubensbrüder, über Gemeinsamkeiten wie den Widerstand gegen den Zionismus oder US-Imperialismus in der Region, Nachschublinien für die NATO-Kräfte in Afghanistan, Pipelines und natürlich die geografische Nähe als Nachbar für die meisten dieser Länder.

In diesem Jahr wollen die USA die meisten Kampftruppen aus Afghanistan abziehen, doch von einer Lage der Stabilität in diesem Land kann keine Rede sein. Wie bereits 2001 wird Iran nach dem Abzug der US-Truppen eine wesentliche Rolle in Afghanistan spielen, ob mit oder ohne Washington`s Segen. Und so wie sich die politische Situation darstellt angesichts der Erfolgs und dem bisherigen Willen der US-Regierung die Atomverhandlungen mit Iran zu einem positiven Abschluss zu bringen, wird Iran`s Engagement in Afghanistan mit Wohlwollen in Washington registriert. Beide Regierungen möchten auf keinen Fall dass sich die Taliban wieder an die Macht bringen wie in den 1990er Jahren, beide möchten auch verhindern dass Pakistan eine zu dominante Rolle durch die kulturelle Nähe zu den Paschtunen einnimmt und beide wollen verhindern, dass noch mehr Drogen aus Afghanistan auf die Zielmärkte gelangen. Ohne starken Partner kann Washington weder das eine noch das andere verhindern oder erreichen.

Die Zentralasiatischen Staaten, Turkmenistan, Tajikistan, Kazachstan und mit Vorbehalt auch Uzbekistan, pflegten trotz internationaler Sanktionen enge wirtschaftliche wie auch kulturelle Beziehungen zum Iran. Die Rohrstoffreichen Länder Turkmenistan und Kazachstan haben alle das selbe Problem, nämlich den Export ihres Reichtums. Sie allen waren aufgrund ihrer sowjetischen Vergangenheit an Russland gebunden um das Öl oder das Gas zu exportieren, aber natürlich zu russischen Konditionen. Das diese natürlich weit unter den internationalen Marktpreisen liegt auf der Hand. Aufgrund ihrer geografischen Lage befinden sich diese Länder trotz ihrer enormen Erdöl- und Gasvorkommen im Nachteil, weil sie diese aufgrund fehlender internationaler Investitionen in diese Branche nicht entsprechend fördern können (weil der Transport nicht sichergestellt werden kann), obwohl es an Abnehmern in Asien nicht mangelt.


Doch nicht Erdöl oder Gas aus Zentralasien ist gefragt, die Länder können mit jede Menge anderer Rohstoffe aufwarten die man bisher nur mit erheblichem logistischen Aufwand auf die globalen Märkte bringen konnte. Aber der Verkehr ist nicht nur eine Einbahnstasse, der Iran ist zum Viertgrössten Exporteur für die Zentralasiatischen Länder geworden, und da will auch Indien natürlich mitmischen. Sehr gelegen kommt den Indern daher das neueste Projekt das aus der Not geboren entstanden ist: eine Eisenbahnlinie von Kasachstan (ab Uzen) via Turkmenistan nach Gorgan im Iran, und von da aus geht es dann ebenfalls per Bahn weiter zum Persischen Golf. Die Kosten für diese Strecke Uzen - Gorgan wurde von den Ländern selbt geschultert, aufgrund der internationalen Sanktionen.


Damit ist die Geschichte aber noch längst nicht zu Ende. Iran hat mit Indien einen Vertrag ausgehandelt um in Chabahar einen Tiefseehafen zu bauen, der die Inder gegenüber den Chinesen wettbewerbsfähiger machen soll und wird. Die Bautätigkeiten in Chabahar laufen bereits auf Hochtouren und seit der Unterzeichnung des Genfer Abkommens zwischen Iran und den Ländern des P5+1 im November, hat Indien noch mehr Personal entsandt um das Projekt voranzutreiben. Der Tiefseehafen wird der erste iranische Tiefseehafen, was natürlich auch dem Land zugute kommt. Bisher konnten nur Schiffe bis 100`000 Tonnen im Iran andocken, obwohl die modernen Containerschiffe mit 200`000 Tonnen-Ladungen die Meere durchkreuzen. Das bedeutete bisher, dass die Schiffe immer zuerst Dubai ansteuern mussten um dort die Ladung auf kleinere Frachtschiffe zu verteilen, um dann wieder den Persischen Golf in Richtung Iran zu überqueren. Dieser Umstand kostete nicht nur immens viel Geld, sondern machte den Iran auch anfällig für kleinere Repressalien der Scheichs.
Ausserdem verhandeln aktuell die Iraner mit den Indern über eine Tiefseepipeline, die Gas vom iranischen South Pars-Feld direkt nach Indien führen würde.

Es gibt noch viele ähnliche Beispiele die alle auf das gleiche hinauslaufen: Iran nimmt eine zentrale Stellung an der geostrategischen Grenze zwischen Asien, Mittleren Osten, Europa und schliesslich auch den USA ein. Davon zeugt auch die noch inoffizielle Absicht einiger EU-Länder, eine EU-Botschaft im Iran zu eröffnen, was als riesiger Fortschritt in der Beziehung zwischen der Europäischen Union und dem Iran gewertet werden darf. Aber auch das ist nur Beleg dafür, dass der politische Wind sich seit letztem Jahr gedreht hat.

Die Rolle von AIPAC
Jetzt kommt aber das grosse ABER. Zwar kann die Entwicklung in der Region, inbesondere die bilateralen Beziehungen zwischen Iran und den anderen interessierten Ländern nicht gestoppt werden, aber es wäre noch viel besser mit einer aktiven Teilnahme der USA an dieser Entwicklung. Aber genau diese könnte durch die zionistische Lobby AIPAC gestoppt werden. AIPAC hat nach der Unterzeichnun des Abkommens von Genf umgehend seine Lobbyaktivität gegen den Iran ausgeweitet und in den Senatoren Robert Menendez und Mark Kirk willfährige Instrumente gefunden, die sofort einen Gesetzesentwurf auf den Weg brachten der weitere Sanktionen und sogar US-Militärhilfe für Israel beinhaltet, sollte sich "Israel gezwungen sehen militärische Aktionen in legitimer Selbstverteidigung gegen Iran`s Nuklearwaffenprogramm vorzunehmen".
Wenn man die Zahlungen von AIPAC und anderen zionistischen Organisationen an Robert Menendez und Mark Kirk betrachtet (Mark Kirk hat in den letzten 5 Jahren fast 1 Million US-Dollar erhalten, Robert Menendez 345.000 US-Dollar), versteht man vielleicht etwas besser weshalb AIPAC über solch enormen Einfluss im Kongress verfügt.
Anhand der Reaktionen von anderen einflussreichen Senatoren die den Mehrheitsführer des Kongresses darauf hinweisen, dass dieses Gesetz die diplomatischen Bemühungen der Regierung zunichte machen würde, wie auch der Aussage einer Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, kann man aber schon erkennen dass es dem Weissen Haus durchaus Ernst ist mit der Absicht, eine gemeinsame Basis mit dem Iran für die künftige US-Politik in der Region zu finden. Aber schauen wir nochmal was die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates zu sagen hatte:
"Dieser Gesetzesentwurf ist im direkten Widerspruch zur Arbeit der Administration, die Bedenken der internationalen Gemeinschaft über Iran`s Atomprogramm friedlich zu lösen. Wir wissen dass dieser Gesetzesentwurf die internationale Gemeinschaft spalten würde, die Iraner dazu bringen würde eine härtere Haltung einzunehmen und möglicherweise die Verhandlungen zu beenden. Dieser Gesetzesentwurf hätte auch negative Auswirkungen auf das Sanktionsregime. Lasst uns nicht vergessen: Sanktionen funktionieren weil wir unsere Partner überzeugt haben die Schritte einzuleiten die wir gesucht haben. Wenn unsere Partner aber glauben dass wir nicht mehr länger ernsthaft eine ausgehandelte Lösung suchen, dann würde unser Sanktionsregime (darunter) leiden. 
Sollte der Kongress diesen Gesetzesentwurf durchlassen, unternimmt er proaktiv einen Schritt der der Diplomatie weniger Chancen auf ein Gelingen gibt. Das amerikanische Volk hat klar ausgedrückt dass sie eine friedliche Lösung in dieser Angelenheit vorziehen. Wenn gewisse Mitglieder des Kongresses möchten dass die Vereinigten Staaten militärische Aktionen einleiten, dann sollten sie vor die amerikanische Öffentlichkeit treten und dass so sagen.  Andernfalls ist es nicht klar weshalb irgendein Kongressmitglied einen Gesetzesentwurf unterstützen würde, welcher möglicherweise die Türe der Diplomatie zuschlägt und die Vereinigten Staaten dazu bringt, zwischen militärischen Optionen wählen zu müssen oder es dem Iran erlauben mit seinem Atomprogramm fortzufahren."