Mittwoch, 26. Juni 2013

Amerika blind vor Macht

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht mehr jenes Land welches sich dem Besucher Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts präsentierte. Perfekt war das Land nie, es gab immer grosse Probleme. Kriege, Sklaven, Rassenunruhen und die Banken waren seit dem ersten Tag an der ständige Begleiter der USA.

Das Amerika welches wir heute erleben, ähnelt erschreckend stark der Beschreibung - man könnte sogar fast schon Prophezeiung sagen - einer demokratischen Entwicklung wie sie Alexis de Toqueville beschrieb. Geboren als Spross einer französischen Adelsfamilie, reiste Toqueville 1831 im Auftrag des französischen Innenministeriums in die USA um das dortige Gefängniswesen zu studieren. Nach seiner Rückkehr schrieb er eines der berühmtesten Bücher über die Vereinigten Staaten: Von der Demokratie in Amerika.
Darin beschreibt er Vorteile und Nachteile der Demokratie in den USA und unter anderem auch ein Kapitel, welches von der Gefahr des Despotismus für demokratische Nationen handelt. So schrieb Toqueville:

"Ich habe während meines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten bemerkt das ein demokratischer Staat der Gesellschaft, ähnlich dem der Amerikaner, möglicherweise einzelne Einrichtungen zur Errichtung von Despotismus bietet."  "Es scheint wenn Despotismus in demokratischen Nationen unserer Zeit errichtet würde, dieser einen anderen Charakter annehmen würde (als in der Antike); er wäre umfangreicher und milder, er würde Männer (das Volk) entwürdigen ohne sie zu quälen. Ich bezweifle nicht, dass in einer Zeit der Bildung und Gleichheit wie der unserer eigenen, es den Souveränen (die Staatsführer) leichter gelingen könnte sämtliche politische Macht in die eigenen Hände zu sammeln, und somit gewohnheitsmässig und entschieden in den Kreis der privaten Interessen eingreifen, wie es ein Souverän aus der Antike niemals hätte tun können.

Vergleicht man die Überwachungsprogramme der Amerikaner und Briten die Edward Snowden nun enthüllt hat, mit den Worten von Alexis de Toqueville welche er vor über 170 Jahren geschrieben hat, kommt man nicht umhin als diese Parallele von seiner damaligen Feststellung zur heutigen Gegenwart anzuerkennen. 
Die politische Macht wurde tatsächlich vom Weissen Haus aus den Händen der Bürgerinnen und Bürger entrissen, ohne dass sie es überhaupt also solches bemerkt haben. Natürlich gibt es Menschen, Gruppen und Organisationen die sich dessen bewusst sind und dagegen ankämpfen. Aber sie sind in der Minderheit. Die überwiegende Mehrheit hat den Sinn und Zweck der Demokratie - und die eigene Macht des Volkes vergessen. Nach den wirklich strategischen Debakeln der USA im letzten Jahrzehnt haben viele Menschen auf der ganzen Welt gehofft, dass das amerikanische Volk aufwacht und die eigene Regierung an ihre Pflicht erinnert. Doch davon war bisher wenig bis nichts zu spüren. Zwangsläufig stellt man sich die Frage wie so etwas sein kann, wie es die Amerikaner zulassen können das ihr Land so schnell an Einfluss und Glanz auf der Welt verloren hat, wie die eigenen Politiker sich öffentlich demütigen lassen müssen wie das Beispiel von Verteidigungsminister Chuck Hagel deutlich zeigte, oder wie die eigene Regierung einen totalen Überwachungsstaat aufbauen konnte wo scheinbar alles und jeder ausspioniert werden kann.
Auf diese Frage hatte Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, eine Antwort die zum Nachdenken anregen sollte. Er führte ein Interview mit dem Magazin The National Interest und es ging dabei um die Absicht der USA, Waffenlieferungen an die syrischen "Rebellen" zu liefern. Auf die Frage des Moderators wie es sein kann, dass nach dem Debakel des Irak-Krieges die aussenpolitische Debatte so verzerrt sein kann, antwortete Brzezinski:

"Sie (die Amerikaner) nehmen an das ein paar wenige Waffen von dieser oder jener Sorte (an die syrischen "Rebellen") das erreichen werden was sie (die Amerikaner) wirklich wollen, nämlich einen Sieg für eine Gute Sache, ohne aber zu verstehen dass die versteckte Komplexität uns nur noch mehr und noch mehr hineinsaugen wird, das wir womöglich in einen grossen regionalen Krieg involviert werden, in einer Region welche uns noch feindlicher gesinnt sein wird als es viele Araber derzeit ohnehin schon sind, dass es ein Desaster für uns sein könnte. Das ist aber nicht ein Blickwinkel den ein durchschnittlicher Amerikaner, der nicht wirklich viel über das Weltgeschehen liest, ganz begreifen kann. Dies ist ein Land mit ehrlichen Gefühlen, aber schlechten Kenntnissen und wenig Kultiviertheit über die Welt."

Es hört aber nicht nur beim "durchschnittlichen Amerikaner" auf, ganz im Gegenteil. Geblendet von der eigenen Macht und dadurch einer vollkommen unrealistischen Selbsteinschätzung unterlegen, zieht sich dieses verzerrte Weltbild wie ein roter Faden bis in die höchsten Kreise hinauf. Wie sonst lässt es sich erklären, dass Reporter von einem Erfolg in Libyen sprechen weil dort der Präsident mit Entschlossenheit gehandelt hat, obwohl im selben Bericht die Begründung des Krieges, nämlich der Abschlachtung von Zivilisten in Benghazi und Massenvergewaltigungen durch Qaddhafi`s Truppen,  in Zweifel gezogen wird? Wie genau definiert sich der Erfolg in Libyen? In der Ermordung von Qaddhafi: Ziel erreicht , in der Demokratisierung oder Verbesserung oder Stabilität des Landes: Ziel weit verfehlt!

Ganz aktuell zeit sich diese Verblendetheit mit dem Fall von Edward Snowden der sich offensichtlich noch immer in Moskau aufhält. US-Aussenminister John Kerry fand keinen anderen Weg oder keine anderen Worte, als China und Russland zu warnen damit sie den Whistleblower aushändigen. Was andernfalls passieren sollte liess Kerry aus, aber was für eine Konsequenz könnte die USA denn auch durchsetzen? Ein Land mit Schulden von 16.9 Billionen US-Dollar, von denen 8% den Chinesen gehören und das Riesenreich somit zum Drittgrössten Gläubiger der USA (und grösster ausländischer Gläubiger) aufgestiegen ist. Washington ist schlichtweg nicht in der Position diesen Ländern irgendwelche Konsequenzen anzudrohen. Die Drohung ist nur für die amerikanische Bevölkerung gedacht damit der Schein der Supermacht gewahrt bleibt.

Dienstag, 25. Juni 2013

Edward Snowden: Thank You!

Man kann sich darüber streiten ob man einem Mann wie Edward Snowden oder Bradley Manning (der die Daten des Afghanistan und Irak Krieges sowie die US-Diplomatendepeschen an WikiLeaks überspielt hat) für das was er getan hat danken soll, oder ob man ihn deswegen verurteilen soll.

Meiner Meinung nach gebührt diesen Männern nicht nur der Dank von uns allen, sondern wir sollten ihnen auch unseren allergrössten Respekt zollen. Dank deshalb, weil durch ihren Diebstahl von Daten sie zu einer modernen Form von Robin Hood geworden sind. Sie haben etwas von einer sehr mächtigen Instanz gestohlen und es uns armen Bürgern gegeben. Sie haben diese Daten nicht verkauft und sich damit bereichert, sie haben diese Daten nicht einem fremden Staat übergeben oder haben in dessen Auftrag gehandelt. Das wäre dann tatsächlich ein Fall von Spionage, aber das was Snowden und Manning getan haben ist nicht Spionage. Und genau aus diesem Grund sollten wir ihnen unseren Respekt erweisen.

Sie haben lediglich das bewiesen, was sowieso unter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde. Jeder der sich ein bisschen mit dem Weltgeschehen auseinandersetzt wird feststellen, dass die USA als Supermacht und Überbringer der Demokratie eine hässliche Doppelmoral pflegt. Man kann nicht auf ein Land einprügeln und etwas verlangen, während man gleichzeitig einem anderen Land sämtliche Freiheiten zur Missachtung dieser eigenen Normen lässt (wie beispielsweise Iran vs. Saudi Arabien/Israel usw.).
Wir als Beobachter dieser Entwicklung sehen diese Diskrepanzen zwar, jedoch fehlte bisher immer der letzte Beweis. Noch vor kurzem holte Washington weit aus als China der massiven Spionage beschuldigt wurde,  nun aber steht Präsident Obama ziemlich düpiert dar mit den Beweisen die Snowden vorgelegt hatte. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Zeitungen diese Beobachtungen entsprechend zu dokumentieren und den Storys nachzugehen, doch dass scheint nur noch den so genannten Investigativen Journalisten vorbehalten zu sein. Die grossen Medienhäuser in den USA sind viel zu sehr damit beschäftigt die Propaganda des Weissen Hauses auszuschlachten, wie zum Beispiel die Hysterie vor dem Irak Krieg als steif und fest behauptet wurde dass der Irak Massenvernichtungswaffen hätte und diese gegen die USA einsetzen wird, als sich um die Authentizität solcher Propaganda zu kümmern.

Es gibt Gott sei Dank solche Journalisten wie Glenn Greenwald, einem Rechtsanwalt der sich stark für die bürgerlichen Rechte einsetzt, die sich nicht davor scheuen ihrer Profession und eigentlichen Aufgabe nachzugehen, nämlich der korrekten Berichterstattung um staatlichen Machtmissbrauch aufzudecken. In den USA selbst gärt schon seit einigen Jahren der Vorwurf des Machtmissbrauches, nun haben die Menschen aber den Beweis wie die US-Regierung systematisch die eigene Verfassung aushebelt.

Edward Snowden hat selbst gesagt dass es ihm darum geht eine Diskussion über diese Entwicklung zu entfachen, und das ist ihm definitiv gelungen. Schon wird aber versucht die Richtung des Skandals zu ändern. Heute Morgen ging die Meldung um die Welt dass Edward Snowden mit der Absicht beim letzten Arbeitgeber angefangen hat, um diese Informationen zu stehlen. Das an sich ist aber nichts Neues, das hatte Snowden im Interview mit Glenn Greenwald bereits von Anfang gesagt weil er bereits ZUVOR zur Erkenntnis gelangt sei, dass das was die USA und Grossbritannien da tun, illegal sei. In einem weiteren Artikel heisst es wörtlich, "Edward Snowdens falsche Freunde", weil er sich nach Hong Kong begeben hat und anschliessend nach Russland geflüchtet ist. Mit solchen Artikeln aber wird der Anschein erweckt, als ob Snowden tatsächlich ein Spionageagent ist und sich nun in Ländern verstecken muss wo der Zugriff vor den US-Behörden sicher ist. In dieser Meldung verbergen sich aber zwei Wahrheiten: Ja, er muss sich in solchen Ländern verstecken um nicht das gleiche Schicksal wie Bradley Manning zu erleiden. Vermutlich wäre er auch nach Berlin oder Paris geflogen wenn er dort die Gewissheit gehabt hätte, nicht sofort ausgeliefert zu werden.
Wenn man sich nun aber diese Berichte durchliest, erfährt man rein gar nichts über den eigentlichen Skandal, sondern nur darüber, wie Snowden vorsätzlich Daten geklaut hat und sich nun bei "falschen Freunden" vor der gerechten Strafe versteckt.

Glenn Greenwald erfassten diesen Zustand hervorragend: "Die Ironie ist offensichtlich: die gleichen Leute welche ein allgegenwärtiges Überwachungssystem bauen um jeden auf der Welt auszuspionieren, deren eigene Bevölkerung eingeschlossen, beschuldigen jetzt die Person welche sie der "Spionage" überführt hat. ... Die Obama Administration lässt kontinuierlich klassifizierte Informationen durchsickern. Sie tun es um den Präsidenten zu verherrlichen, oder die öffentliche Meinung zu manipulieren, oder um sogar einen Propagandafilm vor den Wahlen über die Osama bin Laden Razzia zu produzieren. Die Obama Administration hasst nicht das unautorisierte Durchsickern von klassifizierten Informationen. Sie trägt die grössere Verantwortung für solche Dinge als irgendwer sonst. Was sie (aber) hassen sind solche Veröffentlichungen welche sie in Verlegenheit bringen oder sie des Fehlverhaltens überführen.


Freitag, 21. Juni 2013

Wo bleibt die Syrien Konferenz?

Vor gar nicht all zu langer Zeit, genauer am 07. Mai 2013, vereinbarten die USA und Russland ihr gemeinsames Ziel einer baldigen Syrien Konferenz, der so genannten "Genf II" Gespräche. Der amerikanische Aussenminister John Kerry fand auch gut klingende Worte:

"Trotz unterschiedlicher Betrachtungsweisen, können entschlossene Partner zusammen grosse Dinge erreichen wenn es die Welt braucht. Und das ist ein solcher Moment." Aus diesem Grund sollte diese Syrien Konferenz in Genf auch so schnell wie möglich stattfinden, "hoffentlich bereits am Ende des Monats", so Kerry. Die Alternative zu einer politischen Lösung wäre mehr Gewalt und die Gefahr, dass Syrien auseinanderbricht. Weiter meinte Kerry, dass die syrische Opposition den Friedensplan unterstützen würde.

Angesichts der heutigen Situation könnte man fast meinen, dass diese Aussagen des amerikanischen Aussenministers aus einer anderen Zeit stammten. Dabei sind gerade mal 44 Tage seit dieser Pressekonferenz in Moskau vergangen! Was ist aber in dieser kurzen Zeit passiert, dass ausser der schönen Worte Kerrys nichts weiter in Richtung Friedenskonferenz passiert ist?

Kurz gesagt, das Kartenhaus welches in London, Paris, Washington, Riad und Doha seit Jahren geplant wurde, ist in sich zusammen gebrochen. Die Massenpropaganda der Medienanstalten aus diesen genannten Ländern, und das ist nicht meine Definition derer Tätigkeit, sondern von Zbigniew Brzezinski, dem ehemaligen Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, erfüllte ebenfalls nicht ihren Zweck.

Der lange Weg zum Zusammenbruch

Syrien war dem Westen seit der gescheiterten Kolonisation des Landes durch Frankreich ein Dorn im Auge. Relativ schnell kreuzten sich auch die Wege von Damaskus und Washington, als sich Syrien weigerte den USA ihr Gebiet zur Verfügung zu stellen um das saudische Erdöl ans Mittelmeer nach Libanon zu bringen. Der Grund für diese Weigerung war die Rolle der USA die zur Gründung des Staates Israel führte, sowie Streitigkeiten über die Transitgebühr. Die USA machten kurzen Prozess als sie zum ersten Mal ihr noch heute angewendetes Konzept des "regime change" umsetzten und die gewählte Regierung durch einen CIA-Coup absetzten. Dieser von den USA initiierte Umsturz war es, der Syrien seit 1949 ein permanentes, aber wechselhaftes Militärregime bzw. vom Militär unterstützte Regierung bescherte.

Dieser Argwohn der syrischen Elite gegenüber amerikanischen Ambitionen in der Region blieb die ganzen Jahrzehnte über bestehen, und angesichts der eigenen frühen Erfahrungen war das auch nicht weiter verwunderlich. Bis 1970 waren aber nicht die Alawiten an der Macht in Syrien, sondern Sunniten. Und dieser Punkt ist noch heute von enormer Bedeutung, da die westliche Propaganda darauf abzielte ein Bild zu präsentieren, wo die sunnitische Mehrheit des Landes einen ganzheitlichen Block der Opposition gegen Präsident Assad darstellen sollte.

Als die Proteste im Frühling 2011 begannen, waren es tatsächlich Sunniten die gegen die von Alawiten dominierte Regierung protestierten und gerechtfertigte Rufe nach Reformen verlauten liessen. Interessanterweise sagte die damalige US-Aussenministerin Hillary Clinton, dass "viele Mitglieder des Kongresses in den vergangenen Monaten in Syrien waren und daran glauben, dass er (Präsident Assad) ein Reformer ist".
Nur einen Monat nach dieser Aussage Clintons, am 28.04.2011, drängten die als Three Amigos bekannten Kriegshetzer John McCain, Joe Lieberman und Lindsey Graham Präsident Obama, öffentlich zu erklären dass Assad jegliche Legitimation verloren habe und deshalb gehen muss.
Und tatsächlich, nach weiteren 4 Monaten des Zauderns und Absprachen mit seinen Amtskollegen in Paris, London und Berlin, erklärte Obama am 18.08.2011 das Assad gehen muss, und dass er "der Realität ins Auge sehen (und erkennen) muss, dass das syrische Volk sein Regime komplett ablehnt".

Während der Westen noch wie gelähmt war angesichts der raschen Veränderungen in Tunesien und Ägypten, gleichzeitig aber Libyen in Schutt und Asche bombte, strömten im Herbst/Winter 2011 die ersten wahhabitischen Jihadisten nach Syrien, unter ihnen viele Libyer, Iraker und Saudis. Diese Tatsache war der grosse Moment für das kleine Emirat Qatar, auch in Syrien die "Revolution" voranzutreiben genau so wie das schon in Libyen der Fall war. Dabei pflegte die Herrscherfamilie von Sheikh Hamad bin Khalifa al-Thani eine äusserst gute und freundschaftliche Beziehung zum syrischen Präsidenten und war auch in der syrischen Wirtschaft gut investiert. Dunkle Wolken zwischen Damaskus und Doha zogen aber im Juli 2011 auf, als Präsident Assad die Pipeline vom iranischen South Pars Feld via Irak nach Syrien ankündigte und damit Qatars eigene Pläne zunichte machte.


(Sheikh Hamad bin Khalifa al-Thani und seine Frau zu Besuch in Damaskus im Jahr 2008)












Da kamen die Proteste in Syrien und die Unterwanderung dieser Proteste durch die ausländischen Jihadisten der Herrscherfamilie in Doha gerade Recht. Qatar hatte mit dieser Entscheidung eine klare Linie bezogen von der es nicht mehr zurückweichen konnte. Zu diesem Zeitpunkt konnte Qatar auch noch mit einer aus ihrer Sicht guten Bilanz aufwarten: die vom Emir geförderte Muslimbruderschaft kam in Tunesien und Ägypten an die Macht, in Libyen profilierte er sich an der Spitze der Kriegskoalition gegen Qaddhafi. Warum sollte dieses Szenario nicht auch in Syrien funktionieren? Drei Milliarden US-Dollar sollen seit dem Winter 2011 in die Kriegskasse der verschiedenen Rebellenfraktionen geflossen sein.
In den USA sorgte diese Entwicklung des kleinen Emirats zu einem Entscheidungsfaktor in einem der wichtigsten Regionen der Welt nicht nur für Freudestrahlen. "Qatar boxt über deren Gewicht (-klasse) im Moment", so der Kommentar von Simon Henderson, einem Fellow des Regierungsnahen Washington Institute for Near East Policy.

Während Qatar bereits früh Stellung bezog, reagierte Saudi Arabien etwas verspätet auf die Geschehnisse. Dass Saudi Arabien überhaupt öffentlich in diesen Krieg gegen Assad eingegriffen hat, ist hauptsächlich dem Umstand geschuldet dass Riad sich nicht von dem kleinen Qatar aus dem "Geschäft" schieben lassen wollte. Deshalb unterstützte Saudi Arabien auch nur jene Gruppierungen, die sich offiziell von Qatar distanzierten. Diese Streitereien um die Gunst der Petrodollars und Waffen, sowie ideologische Differenzen zwischen den verschiedenen Gruppierungen, führten zur kompletten Zersplitterung der vom Westen zusammengewürfelten Syrischen Nationalen Koalition. Dieser Streit, oder auch Druck auf Seiten der Geldgeber, veranlasste schliesslich den vom Westen präferierten Präsidenten dieser Nationalen Koalition, Moaz al-Khatib, nach nur 4 Monaten wieder  zurückzutreten. In einem Interview mit dem qatarischen Fernsehsender Al-Jazeera, fand Khatib ziemlich eindeutige Worte in Richtung Riad und Doha. Er meinte dass er sich wie ein Verkäufer für ausländische Regierungen fühlte die eine eigene Agenda für Syrien hätten, anstatt sich um das Wohl des syrischen Volkes zu kümmern. Er wäre nur da gewesen um Papiere für Saudi Arabien und Qatar zu unterzeichnen und die ausländische Manipulation der Opposition hätte ihn schliesslich zum Rücktritt bewogen.

Was aber endgültig zur "Verschiebung" der Friedenskonferenz führte, waren insbesondere drei Entwicklungen in Syrien:
1) nach neuesten Erkenntnissen und Umfragen gewinnt Präsident Assad den Kampf um die Herzen der Syrer. Wie schon berichtet, stehen 70% der Syrer hinter Assad, während nur 10% die Rebellen unterstützen und die restlichen 20% eine neutrale Stellung eingenommen haben. Diese Tendenz kommt nicht von ungefähr. Seit das "Herz" von Syrien, die als Weltkulturerbe der UNESCO eingestufte Stadt Aleppo, zur Hälfte von Jihadisten erobert wurde und die Ziele dieser Extremisten immer offenkundiger wurden sowie deren menschenverachtende Massaker zunahmen, entwickelte sich bei vielen Syrern der Hass auf diese Extremisten und damit auch der Wunsch nach Schutz. Was in unserer Berichterstattung oft untergeht ist die Tatsache, dass Syrien vor diesem Krieg eine säkulare Gesellschaft war. Menschen die religiös waren, konnten ihren Glauben offen zeigen. Aber genau so konnten auch Menschen die nicht streng religiös waren oder zu einer anderen religiösen Minderheit gehörten, ihren Alltag offen gestalten und sich auch in der Öffentlichkeit so zeigen. Unter einer allfälligen islamistischen Regierung wäre das aber nicht möglich gewesen. Das bedeutet dass nur Präsident Assad dafür sorgen könnte, dass dieser Zustand irgendwann wieder erreicht werden kann. Vom Westen, das mussten die Syrer leider wieder qualvoll feststellen, konnte man nichts weiter erwarten da sie offen die "Rebellen" unterstützen.

2) die syrische Armee ist von einer reinen Verteidigungstaktik in die Offensive gegangen nachdem der Rückhalt der Bevölkerung massiv zugenommen hat. Die Worte von Barack Obama, dass "das syrische Volk das Regime komplett ablehnt", klingen nunmehr hohl und ohne jegliche Bedeutung oder Gültigkeit. Durch die Offensive der syrischen Armee konnten viele Gebiete wieder zurückerobert werden, zuletzt die strategisch wichtige Grenzstadt Qusair. Natürlich spielte die Unterstützung der Hezballah dabei eine wesentliche Rolle, das ändert aber nichts an der Tatsache dass die Bevölkerung diesen Vormarsch unterstützt.

3) die "Rebellen" selbst konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie zu einer Friedenskonferenz einigen. Obwohl auch Assad eher skeptisch solch einer Konferenz entgegen sah, gab er dennoch eine Zusage.

Für die USA stellen diese Entwicklungen aber ein strategisches Desaster dar. Nachdem Obama bereits vor zwei Jahren laut verkündete dass Assad gehen muss, der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak meinte dass Assad innerhalb von ein paar Wochen verschwunden ist und ein Beamter des US-Aussenministeriums sogar von Assad sagte, dass er ein "Dead Man Walking" ist, sieht das Bild heute gänzlich anders aus.


(Bewohner von Qusair kehren nach der Rückeroberung durch syrische Truppen und Hezballah zurück und feiern den Sieg)











Das Problem dabei ist, dass Obama nicht mehr zurückrudern kann ohne dass die USA als kränkelnde Supermacht noch mehr an Prestige verliert. Es sind zu viele Länder die mit aller Macht versucht haben Assad zu stürzen. Der ehemalige französische Aussenminister Roland Dumas sagte sogar in einem Interview mit dem Frensehsender LCP, dass ihn britische Regierungsbeamte bereits zwei Jahre vor der "Revolution" in Syrien angesprochen haben und ihn um Unterstützung für ihre Pläne angefragt haben, in der Organisation einer "Invasion von Rebellen" nach Syrien zu helfen.
Weitere Länder folgten unter totaler Missachtung jeglicher internationaler Konventionen in ihren Rufen zum Sturz eines ausländischen Staatspräsidenten bereits im Jahr 2011: USA, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Türkei, Qatar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate. Das sind nur jene Länder die über strategische Interessen in Syrien verfügen und auch über die Mittel (finanziell und militärisch) verfügen, für Chaos und Leid zu sorgen. Es sein nur am Rande bemerkt dass es hauptsächlich die gleichen Ländern sind, die in Libyen das gleiche Szenario bereits durchgeführt haben. Diese Länder haben ihr politisches Kalkül in der Erwartung und sicherlich Absprache mit Washington getroffen, dass die Supermacht USA Rückendeckung liefert und sich bei Bedarf auch militärisch einsetzen wird. Der Appetit nach offenen Kriegen ist aber Obama und dem amerikanischen Volk vergangen. Das bedeutet nicht dass der US-Präsident plötzlich zum Pazifisten geworden ist, seine bevorzugte Kriegsführung mit Drohnen funktioniert in Syrien einfach nicht. Syrien ist nicht Afghanistan, oder die Stammesgebiete in Pakistan oder im Jemen wo es keine Gegenwehr gegen den unsichtbaren Tod aus der Luft gibt.
Wenn Obama also diesen Ländern nun in dieser Situation, nach zwei Jahren subversiver Aktivitäten gegen Assad, nach zwei Jahren brutalem Blutvergiessen welches über 90`000 Todesopfer zur Folge hatte, sagen würde dass es tatsächlich keine andere Möglichkeit gibt als Präsident Assad vorerst im Amt zu lassen und die Wahlen nächstes Jahr abwarten, dann hätten nicht nur die USA ihr Gesicht verloren sondern auch alle diese anderen Länder. Die Implikation für die Zukunft wäre somit auch klar: Washington ist keine Supermacht mehr und keines dieser Länder würde mehr Stellvertreterkriege für die USA führen.
In dieser Logik und aufgrund von massivem Druck von seinen republikanischen Rivalen sowie dem dem Militärisch-Industriellen-Komplex, gab Obama nach und kündigte offiziell die Ausrüstung der Rebellen in ihrem Kampf gegen Präsident Assad an. Fast gleichzeitig vereinbarte Frankreich mit Saudi Arabien, ebenfalls Flugabwehrraketen liefern zu wollen. Dass das syrische Volk in dieser Gleichung überhaupt keine Rolle spielt und diese Länder auch weiterhin das Blutvergiessen in Kauf nehmen, ist ihnen absolut Bewusst und wird sie noch enger an Assad binden solange er die Oberhand behält.

Dass die UNO diesem schändlichen Treiben bisher so lange still zugesehen hat ist eine Katastrophe für sich, doch fand Generalsekretär Ban Ki Moon endlich ein paar Worte um sich gegen die amerikanische Ankündigung von Waffenlieferungen auszusprechen. Noch deutlicher gegen solche Absichten der USA sprachen sich zwei Männer aus einer unerwarteten Ecke aus. Javier Solana und Jaap de Hoop Scheffer, beide ehemalige NATO-Generalsekretäre, schrieben gemeinsam in einem offenen Brief in der New York Times:

"Mit dem andauernden Zyklus der Eskalation, angefeuert durch Ankündigungen von neuen Waffenlieferungen, Restriktionen über welche Länder an Gesprächen teilnehmen können und den gewünschten Vorbedingungen, (steht) Genf II bereits vor dem Abgrund. Die Vereinigten Staaten und Europa müssen dringend handeln um den Trend umzukehren. Die grimme Alternative ist eine international unterstützte Eskalation welche Syrien und die Region in permanenten Ruinen hinterlassen könnte, mit dem wahrscheinlichen Überschwappen (des Krieges) viel näher an unser Zuhause. ... Die Idee, dass der Westen von aussen moderate Kräfte stärken und kontrollieren kann, ist bestenfalls Optimismus. Eskalation erzeugt (weitere) Eskalation, eine schleichende Ausweitung der Mission ist ein vorhersehbarer Ausgang wenn der Westen weiter den militärischen Weg einschlägt. ... Um Erfolg zu haben, muss der Westen dringend die diplomatischen Manöver verstärken und die Beendigung des Konfliktes zur Priorität über die weiteren politischen Ambitionen machen. ... Ohne Frage werden Kompromisse notwendig sein, insbesondere muss das Schicksal von Bashir al-Assad als Frage eines Übergangsprozesses akzeptiert werden und nicht als Vorbedingung dessen und das Iran eine Rolle in jedwedem diplomatischen Prozess spielen muss."

Francois Hollande, David Cameron, Angela Merkel und Barack Obama sollten den Worten ihrer ehemaligen NATO-Chefs lieber Gehör schenken, selten wurde die Situation dieses Konfliktes von westlichen Führungskräften besser formuliert und analysiert.

Was sich aber in den glühend heissen Sanddüden vor Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, zusammenbraut, deutet allerdings nicht darauf hin als ob man zu diesem Zeitpunkt tatsächlich an einer politischen Lösung interessiert ist.
Erik Prince, der Gründer der berühmt-berüchtigten Sicherheitsfirma Blackwater, welche vom Pentagon angeheuert wurde um im Irak Personenschutz und andere bewaffnete Aktivitäten durchzuführen, erlangte traurige Berühmtheit durch etliche Morde und brutale Vorgehensweise gegen die irakische Bevölkerung welche allesamt unbestraft blieben. Auf dem Höhepunkt der Kritik gegen Blackwater verkaufte Prince das Unternehmen im Jahr 2010 und siedelte nach Abu Dhabi um. Dort gründete er das Unternehmen Reflex Responses um es in den Dienst für den Emir von Abu Dhabi, Sheikh Mohammed bin Zayed al-Nahyan, zu stellen. Primäre Aufgabe des Unternehmens ist es, interne Unruhen zu unterdrücken und den Schutz der Herrscherfamilie zu garantieren. Aber auch bezahlte Spezialeinsatze im Ausland gehören ausdrücklich zu den Aufgaben von Reflex Responses, wie beispielsweise Syrien zum Operationsgebiet werden könnte. Die Söldner die Erik Prince für sein neues Unternehmen rekrutiert, gehören in der Mehrzahl zu kolumbianischen Offizieren aus Elitetruppen des Südamerikanischen Landes.




 (Trainingscamp und Behausung für die Söldner von Reflex Responses in der Wüste vor Abu Dhabi)

















Es bleibt abzuwarten ob sich unsere Politiker auch weiterhin als Sprachrohr für weiteres Blutvergiessen in Syrien einsetzen wollen, oder ob es doch noch zu einer baldigen Friedenskonferenz in Genf kommt, so wie es John Kerry vor 45 Tagen angekündigt hatte. Nach dem G8-Gipfel in Irland jedenfalls konnte man sich nicht auf ein Datum einigen.

Montag, 17. Juni 2013

Iran hat gewählt!

Das iranische Volk hat einen neuen Präsidenten gewählt. Mit einer Wahlbeteiligung von über 70%! und einer absoluten Mehrheit von 50.7% landete der Überraschungssieger Hassan Rohani deutlich vor seinen Mitbewerbern auf Platz 1.

Hätte man den westlichen Medien oder offiziellen Verlautbarungen aus dem Weissen Haus in Washington Glauben geschenkt, dann hätte Hassan Rohani niemals gewinnen können oder dürfen. "Khamenei will als nächsten Präsidenten jemanden den er kontrollieren kann" oder "dieses mal wenig Enthusiasmus für Wahlen im Iran" bis hin zu "Khamenei wird wahrscheinlich nicht seine gewünschte hohe Wahlbeteiligung erhalten, sondern Iran wird eher den nächsten Schritt in Richtung Prätorianischen Despotismus nehmen" war so in etwa die Meinung der vielen westlichen Analysten und Exil-Iranern.
Aber auch der Sohn des gestürzten Shah von 1979, "Kronprinz" Reza Pahlavi, rief zusammen mit dem politischen Arm der Terrororgansiation MEK in Paris zum massiven Wahlboykott auf.

Das iranische Volk bewies mit diesen Wahlen einmal mehr, dass bei diesen ganzen Berichten aus dem Westen zum Grossteil die Wunschvorstellung derjeniger als Fakten präsentiert werden, welche eigene Ziele verfolgen die aber nicht mit der Stimmung des iranischen Volkes korrespondieren. Die Iraner bewiesen aber auch, dass es keinen Rückhalt in der Bevölkerung für ein Comeback des "Kronprinzen" oder für die Anführerin der Mujahedeen e-Khalq, beziehungsweise des politischen Arms National Council of Iran, Marjam Rajavi, gibt. Sie alle hofften auf einen Wahlboykott oder mindestens eine niedrige Wahlbeteiligung als klare Protestnote, doch genau das Gegenteil ist passiert.

Es gewann auch nicht ein Kandidat den der Revolutionsführer Khamenei als einen "seiner" Männer bezeichnen könnte und den er "kontrollieren" könnte, wie das in manchen Artikeln so gerne bezeichnet wurde. Seit Ali Khamenei Revolutionsführer wurde nach dem Tod von Khomeini, ist überhaupt noch KEIN EINZIGER Präsident geworden der zu den Loyalisten des Revolutionsführers gehörte!
Dieses Faktum scheinen die Medien entweder zu übersehen, oder es wird absichtlich ignoriert weil es einfach nicht in das Bild passen möchte welches vom Iran gezeichnet wird. Nochmal zur Wiederholung: seit Khamenei Revolutionsführer wurde, gab es nicht einen einzigen Präsidenten der als Favorit Khamenei`s galt. Es war sicher nicht Rafsandjani (von 1989 bis 1997), noch war es Mohammad Khatami (von 1997 bis 2005) und ganz sicher nicht der letzte Präsident Mahmoud Ahmadinejad (von 2005 bis 2013). Und der neue Präsident Hassan Rohani bildet in dieser Reihenfolge keine Ausnahme.

Wie kann man also von einer Diktatur oder manipulierten Wahlen sprechen, wenn es seit 24 Jahren nicht ein einziger Wunschkandidat von Khamenei geschafft hat Präsident zu werden? 

Das iranische System ist sicherlich nicht vergleichbar mit jener in der Schweiz oder Deutschland, das muss es auch nicht sein, es herrscht aber eine gänzlich andere und vor allem offenere politische Kultur als in irgendeinem anderen Land des Persischen Golfes mit absoluten Monarchien. Selbst das amerikanische System ist mit vielen Mängeln behaftet welche von den USA umgehend kritisiert und als nicht legitim bezeichnet werden würde, wenn es in einem Land ausserhalb der US-dominierten Sphäre geschieht.

Gratulation an den neuen Präsidenten Hassan Rohani und Gratulation an das iranische Volk!



Freitag, 14. Juni 2013

Israelische Minister gegen die "Friedensinitative" der USA

Wie schon im letzten Thread erwähnt, stellt die neuerliche "Friedensinitiative" der Amerikaner verpackt als Investitionsprogramm eine Falle für die Palästinenser dar. Aber auch in Israel schlagen einige Minister der rechtsgerichteten Regierung von Binyamin Netanyahu immer heftigere Töne an, die es US-Aussenminister John Kerry nicht einmal mehr erlauben, zumindest den Schein zu wahren dass sein Vorstoss von Erfolg gekrönt werden könnte. Zwar gab er an dass die Absage seines Besuches von Israel und Palästina welcher für Anfang dieser Woche vorgesehen war, aus terminlichen Gründen nicht möglich ist weil er an den Syriengesprächen in Washington teilnehmen möchte, doch man könnte vielleicht auch noch den Punkt "Verärgerung" ob dieser negativen Entwicklung in die Liste aufnehmen.

Bereits während der Knessetsitzung (Parlament) vom 21.05.2013 zeigte sich ziemlich deutlich, wie die gegenwärtige Regierungskoalition über diese "Friedensinitiative" von John Kerry denkt. Offiziell ist die ehemalige israelische Aussenministerin und heutige Justizministerin Tzipi Livni mit den Palästinensergesprächen beauftragt und musste an diesem Tag vor dem Aussenministerium- und Verteidigungsausschuss Rede und Antwort stehen.
Als sie von einem Abgeordneten gefragt wurde ob die Regierung überhaupt eine gemeinsame Position zum neuesten Vorstoss des amerikanischen Aussenministers verfolge, weil es den Anschein hat dass es "substantielle Spaltungen innerhalb der Regierung" zu dieser Frage gebe, antworte Livni:
"Das gemeinsame Ziel der Regierung ist es die Verhandlungen mit den Palästinensern wieder zu beginnen. Es ist kein Geheimnis dass es (Meinungs-)Unterschiede zwischen den Regierungsmitgliedern über die Palästinenserangelegenheit gibt und wie ein Abkommen mit ihnen aussehen soll, aber die Politik ist es die Verhandlungen auf Basis von zwei Nationalstaaten (zu führen) welche ein Ende des Konfliktes bringen."   

Darauf entgegnete ihr die Abgeordnete Orit Strock von der Partei des religiös-zionistischen Naftali Bennett, dass "Zwei Staaten für zwei Völker nicht die offizielle Regierungsposition" wäre und dass "es nicht Teil der Leitprinzipien der Regierung ist und das aus gutem Grund."
Ein weiterer Abgeordnete der selben Partei äusserste sich dazu etwas direkter: "Zwei Nationen für zwei Völker ist abgetrennt von der Realität."

Ein anderer Abgeordneter von der eher gemässigteren Labour Partei fragte Livni, ob die Entscheidung der Regierung die illegalen Aussenposten zu legalisieren nicht ihre Bemühungen verletze. Livni`s Antwort: "Der Bau von isolierten Siedlungen in der West Bank ist beabsichtigt um ein Abkommen mit den Palästinensern zu verhindern. Ein Baustop in diesen Plätzen haben keine strategische Bedeutung und ich denke diesen Preis können wir bezahlen."

Hier zeigt ganz deutlich das Problem der so genannten Linken Partei in Israel. Zwar möchten sie schon gerne eine Zwei-Staaten Lösung mit den Palästinensern finden und halten im Grunde nicht viel von den vielen illegalen "Aussenposten" der jüdischen Siedler in der West Bank, aber an den grossen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet gibt es nichts zu rütteln!

Ein weiterer Regierungsvertreter äusserste sich zu der "Friedensinitiative" von John Kerry erst Vorgestern in ganz deutlichen Worten. Der Stellvertretende Verteidigungsminister Danny Danon sagte in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 1, dass Israel niemals der Gründung eines Palästinensischen Staates zustimmen werde und es daher auch keine Rolle spielt, ob die USA einen Sondergesandten schicken und ob dieser irgendwelche Initiativen präsentiert oder nicht. Weiter meinte Danon: "Die Juden in der West Bank sind keine Siedler mehr, sie sind Bürger des Staates Israel. Israel wird die Palästinenser zu Siedlern unter Jordanischer Hoheit machen."

Auch der Minister für Bau- und Wohnungswesen Uri Ariel, Gründer einer der grössten Siedlungen welche nach ihm benannt ist (Ariel Siedlung) und resoluter Verfechter für ungehinderten Siedlungsbau, machte deutlich was er von einer Zwei-Staaten Lösung hält: gar nichts! Er drohte sogar Ministerpräsident Netanyahu die Regierungskoalition platzen zu lassen wenn Netanyahu nicht einem Budget zustimmt, welches sämtliche Siedlungsaktivitäten, aktuellen wie neuen, in der West Bank finanziell abdeckt.

Angesichts solch massiver Gegenwehr und offener Brüskierung der Amerikaner, versteht man die Entscheidung John Kerry`s etwas besser die Reise nach Israel und Palästina zu verschieben. Wenn aber am Ende des Tages auch diese "Friedensinitiative" der Amerikaner scheitert, werden all diese Aussagen von israelischen Regierungsbeamten im Nebel des Vergessens verschwunden sein. Das Nachsehen werden in diesem Fall die Palästinenser haben...

Dienstag, 11. Juni 2013

US-"Friedensinitiative": Eine Falle für Palästina

Obwohl der amerikanische Aussenminister John Kerry offensichtlich sehr bemüht ist etwas Schwung in einen "Friedensprozess" zu bringen, den er selbst als "so gut wie gar keinen Prozess" nannte. Und damit hatte John Kerry den Nagel absolut richtig auf den Kopf getroffen: es gibt keinen Friedensprozess!

Das Drama um den nicht vorhandenen "Friedensprozess" näherte sich dann schliesslich am Weltwirtschaftsforum in Jordanien seinen vorläufigen Höhepunkt, als John Kerry einen nicht näher erläuterten Plan vorstellte, welcher Investitionen über 4 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von drei Jahren in Palästina vorsieht.  Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas war da, auch der israelische Präsident Shimon Peres. Aber kein einziger Offizieller aus der Regierung von Binyamin Netanyahu. Zwar wurde der greise Shimon Peres von den Medien gefeiert wie ein Popstar nachdem er (wieder mal) "deutliche Worte des Friedens" fand, doch scheint niemanden interessiert zu haben dass Peres keinerlei Macht und Einfluss über die Zukunft weder seines Landes hat, noch über die Verhandlungen mit den Palästinensern. Und wie um dieses Bild genau zu bestätigen, folgte der Kommentar aus Jerusalem von Yuval Steinitz postwendend: "Ich wusste nicht dass Peres Sprecher der Regierung geworden ist."
Der Tourismus-Minister Uzi Landau formulierte seine Kritik noch etwas unverhohlener: "Wer auch immer möchte dass daraus etwas wird (aus den Friedensgesprächen), sollte von der Idee eines Palästinensischen Staates fernbleiben." Es hagelte noch weitere Kritik an der Rede von Shimon Peres und insbesondere seiner Bezeichnung von Mahmoud Abbas als "Partner für Frieden". Der einzige der nichts dazu zu sagen hatte, war der Ministerpräsident selbst.

Netanyahu weiss ganz genau dass diese Initiative der USA, die bereits von den arabischen Staaten ein erneutes und für Israel noch besseres Friedensangebot hervorbrachte und sogar vom israelischen Präsidenten Peres begrüsst wurde (Peres nannte das Angebot eine "strategische Möglichkeit"), ein ernsthaftes Problem für seinen zionistischen Traum darstellt. Netanyahu weiss aber auch, dass das israelische Volk diesem Friedensangebot ebenfalls äusserst passiv gegenübersteht, nicht etwa weil sie keinen Frieden wollen oder dem Angebot nicht trauen, sondern schlicht und ergreifend weil sie müde von diesem Drama sind. Den meisten Israelis ist es völlig egal was auf der anderen Seite des Zauns passiert, da wo ein Volk unterdrückt und aufs Übelste von der israelischen Regierung diskriminiert wird. Und angesichts der eigenen rechten Regierungskoalition, welche ohnehin nichts von einer Zwei-Staatenlösung oder Siedlungsstop (von Räumungen gar nicht erst zu sprechen) wissen will, spielt Netanyahu auf Zeit.

Um aber nicht als der bad guy dazustehen, schweigt er sich über das Friedensangebot der arabischen Staaten aus, welche Israel anerkennen würden und sogar die unbeliebten Gebietstausche akzeptiert haben, und schlägt statt dessen ein Modell des "Wirtschaftlichen Friedens" vor. Das allerdings ist nicht Neues. Netanyahu wirft dieses Modell immer wieder seit 2008 auf, nur um einer ernsthaften Verhandlung aus dem Weg zu gehen. Das Modell des "Wirtschaftlichen Friedens" stammt noch aus der Zeit unmittelbar nach dem sogenannten "Sechstagekrieg" vom Juni 1967 und wurde von Moshe Dayan entworfen. Die Meinung hinter dieser "Friedensvorstellung" war es, die Palästinenser mit wirtschaftlichen Verbesserungen schlicht ruhig zu stellen um sie von einem politischen Weg abzubringen. An der Besatzungspolitik Israels aber würde sich nichts ändern. Und tatsächlich ging diese Rechnung für eine Weile auf, als die Palästinenser als Billiglohnkräfte nach Israel strömten und somit indirekt der israelischen Wirtschaft unter die Arme griffen, aber auch in ihrem Leben einen gewissen Lebensstandard erreichen konnten. Doch eine Besatzung bleibt eine Besatzung, trotz einer Verbesserung im eigenen Geldbeutel. Schliesslich kam es wie es bei jeder Unterdrückung kommen musste: das palästinensische Volk erhob sich gegen die Besatzungsmacht.

Dieses System des "Wirtschaftlichen Friedens" trat dann nach der Beendigung des ersten Volksaufstandes gegen den Staat Israel, (nicht zu verwechseln mit den palästinensischen Volksaufständen von 1929 und 1936-1939 gegen die Briten und die jüdischen Einwanderer), der Ersten Intifada, wieder in Kraft. In den ganzen Jahren vom Oslo-Abkommen bis zu den Camp David Verhandlungen im Jahr 2000 konzentrierte sich die Besatzungspolitik darauf, die Palästinenser einigermassen bei Laune zu halten. Erst nachdem sich immer mehr abzeichnete dass die Hoffnung der Oslo-Verträge mit der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzak Rabin durch einen jüdischen Rechtsradikalen ebenfalls beerdigt wurde, heizte sich die Stimmung innerhalb der palästinensischen Bevölkerung immer mehr auf. Mit dem Ausbruch des zweiten Volksaufstandes gegen die Besatzungsmacht Israel, der sogenannten Al-Aqsa Intifada, endete diese wirtschaftliche Ausbeutung der Palästinenser abrupt. Israel holte sich stattdessen aus dem asiatischen Raum die dringend benötigten Billiglohnkräfte, allerdings merkte man schnell dass diese unterm Strich bedeutend teurer waren da man ihnen Wohnraum, Sozialversicherung etc. zur Verfügung stellen musste.

Also kam es Netanyahu gerade Recht, dass er diese Idee des "Wirtschaftlichen Friedens" bereits 2008 wieder zum Thema machen konnte noch bevor er überhaupt wieder zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Der einzige Unterschied von damals zu heute war es, dass die USA nicht auf dieses Pferd in ihrer Strategie aufgesprungen sind. Doch seit dem Weltwirtschaftsforum in Jordanien scheint Washington dieser Prämisse folgen zu wollen, auch wenn John Kerry offiziell beteuert dass dieser Weg nicht den eigentlichen politischen Prozess ersetzen soll.

Für die Palästinenser ist dieser Investitionsplan aber ein einziges politisches Debakel. Denn obwohl selbst die Weltbank in ihrem Jahresbericht von 2012 zum Schluss kommt, dass die "unzähligen Schichten von physischen, administrativen und Sicherheitsrestriktionen den privaten Sektor belasten" und hebt hervor, dass die "geografische Fragmentierung (des palästinensischen Gebietes) einen schädlichen Effekt auf die Wirtschaft" ausübt. Und zum Schluss hiess es: "Selbst mit finanzieller Unterstützung (à la US-Pläne über die 4 Milliarden USD), kann kein anhaltender Wirtschaftswachstum erreicht werden ohne die Barrieren zu entfernen, welche die Entwicklung des Privaten Sektors verhindern."

Angesichts dieser Feststellung einer Organisation wie die Weltbank, dass also selbst mit finanzieller Unterstützung kein Wachstum in Palästina möglich ist solange Israel auch weiterhin den Unterdrückungsapparat bedient, darf man sich nicht wundern wenn die Palästinenser nicht gerade mit viel Enthusiasmus diesem neuesten Vorstoss made in USA entgegen sehen. Selbst wenn viele Menschen diesen Weltbankbericht nicht kennen, ist aber doch jedermann klar dass eine Investition in dieser Grössenordnung nur dann getätigt wird, wenn die Rahmenbedingungen stabil und sicher sind. Ohne eine politische Lösung und ohne einen israelischen Rückzug aus der West Bank sind diese Rahmenbedingungen aber nicht erfüllt und die Investition dadurch von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Das alles hindert John Kerry aber nicht im Geringsten daran, diesen Plan mit grossem Trara anzukündigen. Damit bringt er nicht etwa Israel oder Netanyahu in Zugzwang endlich etwas gegen die Siedlungen oder Repressalien zu unternehmen, ganz im Gegenteil. Damit bringt Kerry einzig und allein die politische Führung der Palästinenser in massive Verlegenheit. Denn das bisschen politische Kapital welches sich Mahmoud Abbas mit der internationalen Aufwertung Palästinas zur "Beobachternation" erspielt hat, darf und wird er nicht für ein bisschen Geld hergeben wenn er noch den letzten Funken Vertrauen, welches die palästinensische Bevölkerung der West Bank noch in die "Autonomiebehörde" hat, nicht verspielen möchte. Das Volk weiss was es möchte: einen eigenen Staat ohne israelische Schikanen und endlich in Ruhe und Frieden das Leben leben. Dieses Ziel wird aber nicht erreichbar sein ohne eine politische Lösung, erst Recht lässt sich dieses Ziel nicht erkaufen.
Abbas kennt also das Volksmandat und er weiss auch, dass die Zeit des Geplänkels mit Israel für ihn zu Ende ist. Zu lange haben die Menschen das alles mitgemacht und mitangesehen. Auf der anderen Seite erwarten die USA und Europa aber, dass er nun diesen erneuten Vorstoss der Amerikaner zumindest nicht von Anfang an ablehnt und der "Initiative" eine Chance gibt. Schon fast um Hilfe schreiend bat er Shimon Peres, nachdem John Kerry seinen Investitionsplan vorgelegt hatte, er möge doch Netanyahu davon überzeugen das Friedensangebot der Arabischen Liga zumindest durchzulesen.
Er weiss dass ihm in Jordanien die Amerikaner eine Falle gestellt haben. Wenn er diesen absurden Plan als solchen bezeichnet, wird er umgehend von den Mitgliedern der israelischen rechtsgerichteten Regierung wie Netanyahu, Naftali Bennett, Uzi Landau oder Moshe Ya`alon beschuldigt, wieder mal eine "Friedenschance" verpasst zu haben. Noch im gleichen Atemzug würden sie anklagend in Richtung Washington melden, dass Israel einfach keinen Partner für Frieden hat. Dort dürfte das alles aber weder unerwartet kommen noch etwas gänzlich Neues sein: immerhin warnte ausgerechnet Shimon Peres den amerikanischen Präsidenten Barack Obama während seiner Israel Reise im März davor, dass Netanyahu es sehr schwer haben würde einen Schritt vorwärts im Friedensprozess zu machen, weil seine Koalitionsmitglieder nichts davon wissen möchten!
Und die Amerikaner, nun ja, angesichts solcher Bekundungen wie "solange es die USA gibt, kann sich Israel der bedingungslosen Unterstützung sicher sein, egal was passiert", wird Washington in dieses Klagelied miteinstimmen. Präsident Obama wird es sicher nicht noch einmal wagen offen auf diese Diskrepanz hinzuweisen. Statt dessen werden die USA lieber so weiter machen wie es stellvertretend für die gesamte Situation der Plan einer neuen Brücke am israelischen Checkpoint Qalandia zeigt:
Auf der Hauptstrasse zwischen Jerusalem und Ramallah gibt es jeden Tag kilometerlange Staus wegen des Checkpoints Qalandia. Doch anstatt dass hier Washington Druck auf Israel ausübt um das Problem der Mauer und der Militärcheckpoints anzugehen, finanzieren die USA über den Aufbauarm USAID eine neue Brücke um die Verkehrssituation zu entspannen.




Freitag, 7. Juni 2013

John McCain zu Syrien: Lieber Extremisten als Assad-Regierung

Was der republikanische Senator von Arizona und Präsidentschaftskandidat von 2008 zuletzt in einem Interview in der beliebten US-Show von Charlie Rose zu sagen hatte, sprengte jegliche moralische Vorstellungskraft und führte die angebliche Sorge der US-Regierung um die syrische Bevölkerung ad absurdum.

Es ging um die Erfahrung die McCain während seines höchst umstrittenen Syrien "Abstechers" gemacht hatte, als er mit Hilfe einer nicht weniger umstrittenen Organisation, der "The Syrian Emergency Task Force" von der Türkei über die Grenze nach Syrien gebracht wurde. Dort traf er sich, ob geplant oder ungeplant, unter anderem mit zwei berüchtigten Kidnappern, welche verantwortlich war für die Entführung von 11 libanesischen Pilgern in Syrien waren.


Der Senator aus Arizona holte in seiner Beschreibung tief aus und schilderte die brutale Vorgehensweise des syrischen Präsidenten Bashir al-Assad. Als der Moderator Charlie Rosen ihn aber darauf hinwies, dass auch die "Rebellen" für viele Massaker und Gräueltaten verantwortlich seien, antwortete McCain: "Wissen Sie, Charlie, Sie betrachten das als isolierte Vorfälle von Menschen, welche erst gerade so kampferprobt und wütend geworden sind und das passiert (nun mal) im Kriegsgefecht."

Und während Rosen weiter im Interview die These vertritt dass die USA keine Interessen, KEINE GESCHÄFTE in Syrien haben wie er es nannte, und die Möglichkeit ansprach dass eine Gruppe von Menschen die Herrschaft an sich ziehen, welche nicht im Geringsten an einer guten Beziehung zu den Vereinigten Staaten interessiert ist, antwortete McCain:
"Aber (zumindest) nicht ein Alliierter des Iran, welche nach Möglichkeiten suchen um ihr Unheil im Mittleren Osten zu erleichtern. ..."

Das ist also der Kern der Aussage von John McCain und seinen Kriegsfalken im Kongress. Es geht ihnen nicht um die Menschen in Syrien, die nach den neuesten Umfragen welche von verschiedenen Organisationen innerhalb von Syrien zusammengetragen wurden, zu 70% hinter al-Assad stehen, 20% eine neutrale Position halten und nur 10% hinter der Sache der Rebellen stehen.
Es geht McCain & Co. auch nicht darum eine Demokratie in Syrien herbeizuzaubern (was in von Stammesstrukturen und Familiensystemen geprägten Ländern ohnehin nicht nach unserer Vorstellung möglich ist!), was McCain ja auch selbst zugeben musste als er sagte, dass er keine "Jeffersonische Demokratie" erwarte.
Es geht diesen Kriegstreibern einzig und allein darum: a)Präsident Assad zu stürzen, b) Syrien so weit zu zerstören dass keine intakte Infrastruktur bestehen bleibt um die Logistik zwischen Iran und Hezballah zu zerstören und c) den Einfluss des Irans in dieser Region zu brechen.

Dienstag, 4. Juni 2013

"Selektiver" Journalismus

Schon seit Tagen brennt die Luft in der Türkei, nachdem ein vermeintlich unbedeutender Zwischenfall als Symbol und Ventil für den angestauten Frust zehntausende Menschen zuerst in Istanbul, dann in vielen weiteren Städten auf die Strassen trieb. Was als Protest gegen einen weiteren Konsumtempel anfing, verwandelte sich rasend schnell in einen offenen Schlagabtausch zwischen dem Volk und Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Es gibt viele Gründe die zur Unzufriedenheit im türkischen Volk geführt haben und nur wenige werden von den Medien wiedergegeben. Das liegt zum Einen daran, dass ein Grossteil der westliche Medien, zumindest die Grossen unter ihnen,  in den vergangenen Jahren nur mit angezogener Handbremse über die Türkei berichteten und mehrheitlich nur das Positive hervorhoben, und zum Anderen in der Wahrnehmung der Türkei als letzte (westliche) Bastion vor dem Konfliktherd des Nahen Ostens.
Dieses verzerrte Bild nutzte Erdogan äusserst clever aus. Er verkaufte sich im Ausland als Verteidiger der Demokratie und stiess dennoch auf eine - vorsichtig ausgedrückt - leichte Zurückhaltung in einigen Hauptstädten Europas. Daran ändern schön verpackte Formulierungen wie "bemerkenswerte Reformprogramm" der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel auch nichts.

Im Inland sieht dieses Bild etwas differenzierter aus. Die Türkei hat definitiv einen enormen Aufschwung unter der regierenden Partei Erdogan`s AKP erlebt, allerdings auf dem Rücken von horrenden Schulden die der Staat in diesen Jahren angesammelt hat. Was von deutschen Medien als "fast chinesische Verhältnisse" beschrieben wurde, ist in Wirklichkeit eine gigantische Blase die im letzten Jahr geplatzt ist. Wachstum nahezu bei Null, Privatkonsum deutlich eingebrochen, aber der Staat gibt so viel aus wie nie zuvor, auf Pump versteht sich.


Warum der Privatkonsum eingebrochen ist, belegt dieser Chart von offenen Privatkrediten der Türkischen Zentralbank. Die türkische Mittelschicht hat ihren Privatkonsum genau so finanziert wie viele andere Menschen in vielen anderen Ländern auch: nämlich durch Schulden. Nachdem sie nun die Zinsen nicht mehr begleichen können aufgrund der eingebrochenen Wirtschaftsblase, heisst es den Gürtel enger zu schnallen und wo das nicht mehr ausreicht, weitere Schulden zu machen um die Zinsen und Hypotheken begleichen zu können, bevor die Banken ihre Finger auf das lang ersehnte Hab und Gut legen.

Das sind nur einige der Probleme die die Menschen in den letzten Tagen auf die Strassen getrieben haben. Aus unseren Medien erfährt man zwar, dass diese Menschen auch den "autoritären Führungsstil" von Erdogan nicht gut finden und sich gegen die "ideologische Dominanz" seiner AKP-Partei wehren, oder dass sie gegen das Gesetz sind welches den Alkoholausschank zwischen 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr verbietet.

Weit weniger erfährt man aber über die Ängste der Türken von einem religiösen Graben der sich in ihrem Land aufgrund der Aussenpolitik Erdogan`s auftut. Mit seiner offenen Unterstützung für die Rebellen in Syrien, ist der Ministerpräsident von der gutgemeinten und oftmals als Vorzeigepolitik verschrienen "zero-problems"-Politik mit den türkischen Nachbarn total abgerückt (siehe hier und hier). Die guten Beziehungen zum syrischen Präsidenten Bashir al-Assad wurden über Bord geworfen und sogar Stellung gegen ihn bezogen. Mit diesem Schritt öffnete Erdogan die Büchse der Pandora in der Türkei, hinblicklich des ethnisch/religiösen Krieges zwischen Sunniten und Schiiten in Syrien und im Irak. Was in der Türkei nie ein grosses Problem war, auch nicht in den Jahrhunderten unter Osmanischer Herrschaft, wurde mit dieser Entscheidung Erdogan`s plötzlich zum Thema. Noch stehen Sunniten und Schiiten, Aleviten (nicht zu verwechseln mit den Alawiten in Syrien) und Kurden, Seite an Seite und protestieren gegen den türkischen Ministerpräsidenten während sie ihn als "Diktator" beschimpfen.
Wie gefährlich aber dieser Graben werden könnte, zeigten die türkischen Politiker selbst. Der Anführer der stärksten Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) Kemal Kilicdaroglu, feuerte in Richtung Erdogan wegen seiner Unterstützung für die syrischen "Rebellen" und beschuldigte den Ministerpräsidenten, "Terroristen nach Syrien zu senden". Damit sagte Kilicdaroglu eigentlich nur das, was offensichtlich ist, aber von den Medien nur sehr selten so berichtet wird weil es nicht der offiziellen Lesart entspricht. Gleichzeitig stellt sich der Oppositionsführer mit dieser Aussage hinter die Erklärung des syrischen Präsidenten, der ja ebenfalls die "Rebellen" als Terroristen bezeichnet. Und prompt feuerte der Stellvertretende Ministerpräsident Bekir Bozdag zurück und goss noch weiter Öl in das ohnehin schon brenzlige religiöse Feuer, als er die schiitische Hezballah beschuldigte ihre Inspiration nicht aus dem Islam zu beziehen, sondern direkt vom Teufel. Hezballah bedeutet "Partei Gottes", und Bozdag meinte sie sollte sich daher in "Hezb al-Shaitan", also Partei des Satans, umbenennen.
Solche Rhetorik wird diesen ethnisch-religiösen Konflikt in Syrien nur weiter anheizen, sollten die türkischen Politiker auch weiterhin zu solchen Ausdrücken greifen. Und damit provozieren sie, dass das religiöse Feuer auch die Türkei entflammt und die verschiedenen Ethnien und Religionen gegeneinander aufhetzt, was einer Katastrophe für einen Vielvölkerstaat wie die Türkei gleich käme.


Saringas bei Al-Nusra Aktivisten in der Türkei

Ganz still wird es in den Medien wenn es um solche Dinge wie Chemische Waffen geht, die die türkische Polizei bei Aktivisten der wahhabitischen Al-Nusra Front in den Städten Adana und Mersin gefunden hat. Dort planten diese Zellen des Al Qaeda Ablegers einen Terroranschlag mit dem sichergestellten Sarin. Diese Nachrichten wollen einfach nicht zu dem Bild passen, dass Erdogan und seine Kollegen in Europa und den USA von den "Rebellen" zeichnen wollen. Erst recht nicht, wenn diese Anschuldigungen immer wieder in die Hände des syrischen Präsidenten gelegt werden. Gibt man im Google "Sarin Gas in der Türkei gefunden" ein, erhält man nur 47`500 Einträge; und keinen einzigen Bericht von irgendeinem Nachrichtenhaus. Nicht anders verhält es sich wenn man diese Suche auf Englisch versucht: kein einziger Eintrag aus irgendeinem der Nachrichtenportale wie CNN & Co., nur russische oder iranische Medien berichteten darüber.

Nicht anders verhält sich der Fall der selektiven Berichterstattung wenn es um Länder wie Iran oder Israel und Palästina geht. Es gibt keine Nachrichten darüber, welche Erfolge der Iran in der Wissenschaft feiert oder wie wichtig das Land für die Stabilität in Zentralasien ist. Auch im Umgang mit dem Leid der Palästinenser gibt es eindeutige Präferenzen in der Berichterstattung, wie schon bereits hier und hier berichtet wurde.
Zuletzt wurde diese Art von Berichterstattung wieder sehr gut anhand des Drohnenabschusses durch Israel im April dokumentiert.

Drohnenabschuss von Israel

Am Donnerstag, den 25.04.2013, berichten israelische Medien über einen Abschuss einer Drohne im Norden Israels, welche angeblich aus dem Libanon in den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Kurze Zeit später meldete bereits Spiegel Online "Israel schiesst Drohne aus dem Libanon ab", oder die Bild mit "Israel schiesst Hisbollah-Drohne ab" und die Süddeutsche "Israelische Luftwaffe schiesst feindliche Drohne ab".
CNN hielt sich wohl aus Erfahrung etwas zurück mit vorschnellen Anschuldigungen, und berichtete bloss das Israel eine Drohne abgeschossen hat (Israel forces shoot down a drone). FOXNEWS, New York Times, Huffington Post, Voice of America und viele weitere Zeitungen meldeten hingegen, dass eine Drohne aus dem Libanon, oder direkt von Hezballah, in den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Sofort wurde also von der Tatsache das einfach EINE Drohne in Israel abgeschossen wurde, eine Story in der diese Drohne aus dem Libanon stammte und damit im Grunde nur die Hezballah gemeint sein konnte. Diese aber lehnten dieses "Angebot" ab und verneinten jegliche Verantwortung für diese Drohne, ganz im Gegensatz zu der abgeschossenen Drohne im Oktober letzten Jahres welche auch von der Hezballah bestätigt wurde.

Was aber in dieser Flut von Nachrichten der Meinungsbildenden Medienhäusern total ignoriert wurde, ist die Stellungnahme der UNIFIL (UN-Blauhelmmission im Libanon) zu diesem Zwischenfall. Andrea Tenenti, der Sprecher der UNIFIL im Libanon sagte, dass "keine Drohne über unser Operationsgebiet geflogen ist". 
Und schon bereits am nächsten Tag änderte sich die Story etwas, als Israel nun den Iran bzw. die iranische Revolutionsgarde beschuldigte die Drohne gestartet zu haben.
Wie gross war doch der mediale Rummel während den ersten 3 Tagen deswegen. Als dann schliesslich herauskam das Israel eine eigene Drohne abgeschossen hatte, welche aber offensichtlich von Hezballah geknackt wurde und Israel das Signal zur Drohne verlor, wurde schlichtweg NICHTS davon in deutschen oder amerikanischen Medien berichtet. Dass diese neueste Generation von israelischen Shoval Drohnen bereits geknackt wurde, zeugt nur davon wie hochentwickelt die Technik auf beiden Seiten ist und veranlasste die Israel Air Force sämtliche Drohnen dieses Typs vorerst auf dem Boden zu lassen.
 


Israelische Shoval Drohne












Was man in den Zeitungen und den entsprechenden Internetportalen auch nicht nachlesen kann, ist die massenweise Verletzung des libanesischen Luftraumes durch israelische Kampfjets, die teilweise mit Überschall über die Dörfer und Städte des Libanons fliegen und die Menschen so in Angst und Schrecken versetzen. Deswegen kündigte der selbe UNIFIL-Sprecher, der bereits der Story mit der Drohne aus dem Libanon ein Ende setzte, an, dass er einen Rapport über die ständige Verletzung der UN-Resolution 1701 durch Israel dem UN-Sicherheitsrat vorlegen wird.

Aber wie kann es sein dass der Journalismus, welcher eigentlich die Öffentlichkeit neutral und objektiv über Geschehnisse informieren sollte, in gewissen Bereichen so einseitig berichtet? Diese Frage zu klären ist nicht Aufgabe dieses Blogs, doch sehr wohl darauf hinzuweisen dass es Themen gibt welche nicht objektiv bearbeitet werden, sondern viel mehr mit der Brille des Heimatstaates und dessen politischer Agenda betrachtet werden.
In den USA kommt dazu noch ein weiteres Problem, nämlich die schrittweise Monopolisierung der Medienlandschaft. Nur noch sechs Konzerne kontrollieren die grössten Medienhäuser des Landes, und daraus resultiert erst recht ein zweckgebundener und Zielorientierter Journalismus, der die Meinung der Obrigkeit in den eigenen Berichten mitberücksichtigen muss. Die Wahrheit spielt da dann nur noch eine untergeordnete Rolle.