Montag, 30. Juni 2014

Die Welt hat die Nase voll von Israel

"Die Welt hat die Nase voll von Israel" ist der Titel eines Artikels von Gideon Levy der in der israelischen Tageszeitung Haaretz erschienen ist. Es geht dabei um die völlig verwirrte und verzerrte Selbstwahrnehmung der israelischen Bevölkerung bezüglich der drei entführten Jugendlichen aus der Nähe einer illegalen israelischen Siedlung in der West Bank, und der schon an Hysterie grenzenden Suchoperation von diversen staatlichen Organen (siehe dazu auch meinen Bericht "Kollektive Bestrafung der Palästinenser"). Es ist ein Artikel der hart mit Israel ins Gericht geht, aber durchaus die Gründe beim Namen nennt und deshalb erscheint es mir als wichtig, diesen auch in die deutsche Sprache zu übersetzen.

"Was für eine brutale Welt: drei Yeshiva Studenten (Yeshiva = jüdisch-religiöse Schule) wurden entführt und die Welt interessiert sich nicht dafür; drei Mütter weinen sich aus und die Welt antwortet ihnen nicht. Es liegt daran weil die ganze Welt gegen uns ist; sie ist antisemitisch und hasst Israel. Die Anti-Defamation League (eine jüdisch-amerikanische Organisation die gnadenlos jeden an den Pranger stellt und als Antisemit öffentlich verurteilt, der den Staat Israel und dessen Politik/Verbrechen kritisiert) bereitet schon einen Bericht vor. Aber die Wahrheit ist, dass die Dinge nun mal so sind: wenn du der Welt in aller Öffentlichkeit jahrelang auf der Nase herumtanzt, kann es vorkommen dass sie es mal so zurückgibt. 

Die drei Mütter (der entführten Jugendlichen) sind den ganzen Weg bis nach Genf gegangen. Eine von ihnen reise überhaupt das erste Mal um zum Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu gehen. Doch die Welt, und der Rat, ging fröhlich ihres Weges. Es ist die Ironie des Schicksals: Vor zwei Jahren suspendierte Israel offiziell die Zusammenarbeit mit diesem Rat; zusammen mit den Marschall-Inseln, Palau und den USA, Israel lehnte selbst die Gründung dieses Rats ab. Aber jetzt, in der eigenen Not und der Verzweiflung der Mütter, wandte sich Israel an diesen Rat, welcher tatsächlich feindselig gegenüber Israel ist und mehr Zeit damit verbringt als mit jedem anderen Land. 
Plötzlich braucht Israel die Welt. Es brauch sogar die UNO, welche urplötzlich kein wertloses Stück mehr ist wie es einst Ministerpräsident David Ben-Gurion bezeichnet hatte. 

Es braucht schon eine ziemliche Portion Frechheit um von der Welt zu verlangen sich für drei entführte Israelis zu interessieren, und eine bemerkenswerte Dreistigkeit um enttäuscht zu sein nachdem man herausgefunden hat dass es nicht so ist. Zugegeben, Israel versuchte Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, und dessen Botschafter/Propagandist bei der UN gab eine bewegende Rede um so noch ein paar öffentliche diplomatische Punkte mehr gegen Hamas zusammen zu kratzen. Aber nachdem sie das Augenmerk darauf richtete (die Welt auf diesen Fall), interessierte sich diese bizarre Welt mehr für die Kampagne der kollektiven Bestrafung welche tausenden Bewohnern der West Bank nach der Entführung auferzwungen wurde.

So ist das mit einer Welt welche komplett gegen uns ist: sie interessiert sich mehr um die fünfzig Jahre alte Besatzung; sie regt sich mehr über das Schicksal von drei Millionen Palästinensern auf als über das Schicksal von drei Israelis. Der Welt mangelt es nicht an entführten Opfern, doch kein einziges von ihnen erhielt jemals so viel Aufmerksamkeit wie der entführte Soldat Gilad Shavit. Mit den gegenwärtig entführten Opfern hatte Israel keine Chance mehr. In den letzten zwei Wochen, welche ich in Schweden verbrachte, bin ich nicht über eine einzige Erwähnung der Entführung gestolpert. Nicht eine.

So sehen verrottete Früchte aus. Die Welt hat keinen Grund sich mehr für das Schicksal von Naftali Fraenkel, Eyal Yifrah und Gilad Shaar zu interessieren als für das Schicksal von deren Altersgenossen Muhammad Dudin, einen Jungen von 15 Jahren der letzten Freitag durch israelisches Feuer in Dura getötet wurde.

Es hat keinen Grund besonders bewegt von den eindringlichen Worten von Rachel Fraenkel zu sein, die meinte dass ihr Naftali ein guter Junge ist der es liebt Gitarre und Fussball zu spielen, wenn Mohammad doch auch ein guter Junge war, der seinem Vater während den Sommerferien geholfen hat das Haus zu bauen und Süssigkeiten verkaufte um seiner Familie zu helfen. Rachel will Naftali umarmen? Jihad, Muhammad`s leidtragender Vater, will auch seinen Sohn umarmen. Ihn brachte nebenbei bemerkt niemand nach Genf. Er blieb allein mit seiner Trauer, in dem kläglichen Haus welches noch nicht fertig gebaut ist, und womöglich nie fertig gestellt wird. 

Die Welt ist ein Chaos, wie sie es bezeichnen. Im Irak, Nigeria, Syrien und sogar der Ukraine ist die Situation viel brutaler. Und doch stammt das ganze Desinteresse der entführten Israelis nicht von daher. Es ist unmöglich von der Welt Sympathie zu verlangen, wenn Israel die Entscheidungen der Welt ignoriert; es ist unmöglich Handlungen zu verlangen wenn Israel die Besatzung verewigt; und es ist unmöglich Solidarität mit israelischen Opfern zu verlangen wenn das selbe ungerecht behandelte Israel weiterhin tötet, verwundet und Unschuldige einsperrt nur aufgrund der Routine

Jetzt entdeckt Israel dass es nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit ist wie es zuvor immer war, und dass das Schicksal von seinen entführten Opfern nicht mehr länger die Welt in Atem hält, nicht einmal in den Vereinigten Staaten. Die Welt hat die Nase voll von Israel und seinem Wahnsinn. Unglücklicherweise hat die Welt auch das Interesse an dem was hier passiert verloren. Als Israel ein gerechteres Land war (die israelische Politik war es nie, aber sehr viele Menschen in Israel), identifizierte sich die Welt mit dessen Opfern. Die Welt tat das auch weiter als Israel nicht mehr so gerecht wurde. Aber jetzt, wo Israel`s Zurückweisung immer neue Höhen erreicht und die Unterdrückung der Palästinenser zu den schlimmsten Perioden zurückkehrt, begann die Welt von all dem müde zu werden. Selbst die entführten nigerianischen Mädchen interessiert sie (die Welt) mehr."

Mittwoch, 25. Juni 2014

ISIS: Dilemma für USA und Westen

ISIS beherrscht die Auslandsnachrichten in den letzten Tagen fast auf der ganzen Welt. Und das völlig zurecht. Nur unterscheidet sich die Story die sich auf dem Boden abspielt mit jener, die uns in den Nachrichten gezeigt werden.

So versuchte beispielsweise die schweizer Neue Zürcher Zeitung das "Erfolgsrezept" von ISIS zu ergründen, wobei in diesem Artikel nicht formuliert wird was genau als "Erfolg" definiert wird. Vermutlich wird es sich um die grosse territoriale Kontrolle der ISIS handeln und die "Eroberungen" der letzten Tage im Irak. Aber bereits der erste Satz in diesem Artikel ist völlig falsch und führt schliesslich auch zu falschen Schlüssen: "Der Krieg in Syrien hat der jihadistischen Internationale einen noch nie da gewesenen Energieschub verpasst."

Es ist nicht erst der Krieg in Syrien der "jihadistische Internationale" angezogen und einen "noch nie dagewesenen Energieschub" verpasst hat. Dieser Prozess begann bereits mit der US-Invasion des Iraks im Jahr 2003, welcher den Irak im Laufe der US-Besatzung zu einem Magneten von internationalen Jihadisten verwandelt hat, die dem Aufruf zur Befreiung von muslimischem Land vom Joch der amerikanischen "Ungläubigen" gefolgt sind. Diese Art von Jihad ist ein fester Bestandteil des muslimischen Glaubens weltweit; jedes muslimische Land das von Nicht-Muslimen angegriffen oder besetzt wird, gilt es zu verteidigen und den Aggressor zu vertreiben.

Der Bürgerkrieg der 2006 zwischen Sunniten und Schiiten im Irak ausbrach, diese sektierische Gewaltorgie die es zuvor unter der gewöhnlichen Bevölkerung nicht gab, wurde erst von den USA ermöglicht und sogar aktiv geschürt wie eine Dokumentation des britischen Guardian gezeigt hat. Selbst ein Kommandeur der ISIS in Bagdad, Abu Baqr al-Janabi, sagte dass es vor der US-Invasion nicht so etwas wie einen Kampf zwischen Sunniten und Schiiten gab. Er sagte aber auch, dass zumindest nach seiner Meinung dieser Graben nie wieder geschlossen werden kann. Dieser extreme Hass auf die Schiiten, wurde durch solche Aktionen wie sie in der Doku des Guardian gezeigt wurden nur weiter geschürt, wobei die Indoktrination der ISIS-Extremisten direkt aus wahhabitischen Madrassen und von Saudi Arabien finanzierten "Islamischen Zentren" stammt (siehe auch meinen Bericht "Warum Saudi Arabien gefährlich ist").

Den zweiten "Energieschub" erhielten die Jihadisten durch die NATO-Bombardierung von Libyen im Jahr 2011, die die jihadistischen Kräfte auf dem afrikanischen Kontinent erst so richtig entfesselt haben. Während der langjährige Diktator von Libyen das Land durch sein System beisammen hielt und die Menschen ihren Alltag in relativem Frieden und, verglichen mit anderen afrikanischen Ländern, in relativem Wohlstand verbracht haben, zerstörte die NATO genau dieses System. Die jihadistischen Strömungen die von Qaddhafi noch in Schach gehalten wurden, konnten sich anschliessend frei entfalten und stürzten benachbarte Länder ins Chaos oder zogen dorthin wo der Westen eine neue Front schuf wo ihre Kräfte gebraucht wurden: Syrien.


Es ist also ein vollkommener und weitverbreiter Irrtum der in unseren Medien herumgeistert und den Aufstieg der ISIS dem vom Westen unterstützten Krieg (und natürlich der Türkei, Israel und der Petromonarchien der Arabischen Halbinsel) gegen den syrischen Präsidenten Assad in die "Schuhe schieben".

Während ISIS in Syrien anfänglich dafür benutzt wurde um Präsident Assad zu stürzen und deshalb aus verschiedenen Staaten Unterstützung erhielt, steht jetzt die gleiche Organisation im Irak am Pranger der Weltöffentlichkeit. Dabei fehlt genau dieses wichtige Element in der Berichterstattung unserer Medien. Ohne diese Unterstützung hätte es ISIS nie soweit geschafft und hätte das gleiche Schicksal erlebt wie Al Qaida. Im Yemen, Afghanistan, Pakistan und Somalia wird von den USA eine regelrechte Jagd nach Al Qaida Mitgliedern betrieben und mit Drohnen zugeschlagen, während in Syrien und im Irak solche Gruppierungen bestenfalls in Ruhe gelassen oder schlimmstenfalls sogar unterstützt werden.

Was George W. Bush nicht gelungen ist, ist in den letzten Tagen ausgerechnet ISIS gelungen: nämlich einen "Dominoeffekt" (die aberwitzige Vorstellung der Bush-Administration durch den Sturz von Saddam Hussein die anderen arabischen Länder zu demokratisieren) zu erzielen. Bisher ist dieser Dominoeffekt auf sunnitische Gebiete im Irak beschränkt geblieben. Wenn es der ISIS aber gelingt ihre brutalen Methoden die in Syrien unter ihrer Herrschaft angewendet wurden abzustreifen, dann könnte sich der Dominoeffekt über eine grössere Fläche hinwegziehen. Erste Hinweise dass genau das passiert gibt es aus der irakischen Stadt Mosul, die von ihren irakischen "Verteidigern" aufgegeben wurde.
Wie John Beck vom Vice-Magazin berichtet, sind die brutalen Übergriffe der neuen Machthaber ausgeblieben und die Menschen zeigen sich durchaus positiv überrascht. Sollte sich dieser Trend weiter entwickeln und ISIS dafür Sorge tragen dass es in der Stadt Ruhe und Ordnung gibt, Läden geöffnet sind und auch die allgemeine Versorgung gewährleistet bleibt, dann gibt es für einen grossen Teil der Bevölkerung keinen Grund weshalb man sich gegen ISIS und für die Zentralgewalt in Bagdad entscheiden müsste. Dieses Model liesse sich dann erfolgreich weiter "verkaufen".

Und hier fängt das Problem für die USA und den Westen an, aber auch für alle Länder des Mittleren Ostens die bisher mit Wohlwollen oder aktiver Unterstützung der Entwicklung von ISIS gegenüberstanden.

Was will ISIS überhaupt? Diese Frage ist relativ schnell beantwortet, findet man doch die Antwort bereits im Namen der Organisation: Islamic State of Iraq and al-Shams.
Was mit Irak gemeint ist, ist klar. Aber was ist mit al-Shams? Mit Al-Shams wird auf arabisch das historische Gebiet von Gross-Syrien bezeichnet, welches sich über eine ganze Reihe von heutigen, modernen Staaten erstreckt.

Davon betroffen wären die modernen Staaten Syrien, Libanon, Israel-Palästina, Jordanien und Teile der Türkei. Und ISIS macht keinen Hehl über ihre Absichten, es liegt nur an unseren Medien dass diese Absichten bisher unerwähnt blieben. Die künstlichen Grenzen die von den Kolonialmächten nach dem Ersten Weltkrieg gezogen wurden, erweisen sich nun als nicht zu verteidigende Linien auf Landkarten. Die Staaten die aus den Ruinen des Osmanischen Reiches errichtet wurden, hätten nie in dieser Form, ohne Rücksicht auf Stammesstrukturen oder kulturellen Gegebenheiten, entstehen dürfen. Der ungelöste Konflikt zwischen Juden und Palästinensern, zwischen Israel und Palästina, treibt seit 100 Jahren Stosswellen in den arabischen Raum, die nur durch die herrschende Elite in diesen Ländern abgefangen wurde aber in der Bevölkerung gewaltige Auswirkungen hatte und nach wie vor hat.

Um den ungelösten Konflikt mit Israel zu klären, gründete ISIS bereits letztes Jahr eine Sondereinheit (Al Quds Unit) die in den palästinensischen Flüchtlingscamps in Syrien, Libanon, Jordanien, der West Bank und Gaza das Elend der Palästinenser ausnutzt, um sich deren Rückhalt für den Tag X zu sichern. Obwohl die Palästinenser alles andere als dem Wahhabismus der ISIS freundlich gesinnt sind, so könnte durchaus eine Allianz mit einem Akteur in der Region entstehen, der sich als potent und engagiert zeigt. Wenn der Pan-Arabismus von Gamal Abdel Nasser das Joch der zionistischen Unterdrückung nicht beenden konnte, ebenso wenig wie der Islamismus, von den palästinensischen Parteien und Aufständen ganz zu Schweigen, dann könnte für diese Menschen die Idee eine islamischen Kalifats durchaus zu einer überlegenswerten Alternative werden. Vorausgesetzt natürlich, dass tatsächlich der Islam im Vordergrund steht und nicht der Wahhabismus, ansonsten hätte man ein oppressives Regime mit einem anderen ausgewechselt.

Aber auch, oder insbesondere für Saudi Arabien stellt ISIS eine enorme Bedrohung dar. Im Gegensatz zu Israel, welches über eine hochgerüstete und kampferprobte Armee verfügt, ruht Saudi Arabiens Sicherheit auf zwei Schultern: der Nationalgarde und der Armee.
Das Problem aus saudischer Sicht ist aber, dass die Nationalgarde prinzipiell dafür da ist den König vor einem Putsch zu beschützen, und die Aufgabe der saudischen Armee ist die Verteidigung des Staates. Während die Nationalgarde von den USA gut ausgerüstet und trainiert wurde, stellt die Armee eher ein Sicherheitsrisiko dar. Die Nationalgarde besteht hauptsächlich aus den Nachfahren der Ikhwan, der wahhabitischen Eiferer die zusammen mit Ibn Saud in den 1930er Jahren die anderen Stämme der Arabischen Halbinsel vernichtend geschlagen und sie zum Wahhabismus gezwungen haben. Sie sind nach wie vor der strengen Ideologie verpflichtet, während die Armee auch aus Soldaten besteht die durchaus kritisch der Staatsreligion gegenüber stehen können.
Was passiert aber, wenn ISIS die ebenso künstlichen Grenzen zwischen Irak und Saudi Arabien überrennt und den Nachfolgern der Ikhwan, die schon einmal von dem Gründer (Ibn Saud) des modernen Saudi Arabien im Stich gelassen und sogar bekämpft wurden, eine bessere wahhabitische Führung in Aussicht stellen? Dass das Herrscherhaus Al-Saud korrupt und alles andere als streng religiös ist, ist für die Saudis schon längst kein Geheimnis mehr und der Unmut darüber aber dafür ziemlich gross. Wie genau sich die Offiziere der Nationalgarde verhalten würden sollte die ISIS in das saudische Staatsgebiet eindringen und ihnen ein "unmoralisches Angebot" unterbreiten, kann niemand voraussagen.


Es kann also nicht im Interesse der USA sein, dass es überhaupt zu so einer Situation kommt wo die ISIS einen Flächenbrand in einer der wichtigsten Regionen der Welt entfachen kann, indem an staatlichen Strukturen gerüttelt wird die sich zu Amerikas "Freunden" zählen. Die amerikanischen Optionen für eine Antwort auf diese Bedrohung sind aber denkbar schlecht. Das Chaos dass die USA im Irak hinterlassen haben und das Chaos dass in Syrien geschürt wurde, haben den Raum für Handlungen massiv eingeschränkt. Zumal der Aufstieg und Vorstoss der ISIS der Regierung von Barack Obama bekannt war und ultimativ zugelassen wurde, auch wenn John Kerry das Gegenteil behauptete (es wäre aber nicht das erste Mal dass der Aussenminister gelogen hat), nur um den iranischen Einfluss auf die Regierung von Nouri al-Maliki durch dessen Sturz einzudämmen. Diese Form von regime change wurde von Washington kurz nach dem Fall von Mosul an die ISIS von Washington gefordert, obwohl er und sein politischer Block die Parlamentswahlen im April klar gewonnen haben. Die offizielle Linie des Weissen Hauses ging dann doch nicht soweit um seinen Rücktritt zu fordern, aber die Obama-Administration drängte ihn zu einer "Nationalen Rettungs Regierung", indem die Resultate der Parlamentswahlen ausser Acht gelassen werden und auf die Forderungen der Sunniten eingegangen wird. Doch auch hier lässt sich Maliki bis jetzt nicht in die Ecke treiben, er kündigte an die Regierungsbildung nach den Ergebnissen der demokratischen Wahlen vom April voranzutreiben. Ausserdem würde ein Rücktritt oder Sturz von Nouri al-Maliki kaum etwas an der Situation mit der ISIS ändern, wie dieser Artikel zeigt.

Maliki`s Politik (nicht nur die Politik, sondern allein die Tatsache dass sie nicht mehr an die absolute Macht im Irak kommen können) trieb zwar viele Sunniten in die Hände der ISIS, doch ein Wechsel an der Macht würde die Ziele der Organisation nicht ändern. Ebensowenig liesse sich das Problem mit der Aufteilung des Iraks in drei Staaten ändern; einen kurdischen Staat im Norden, einen sunnitischen im Westen und einen schiitischen Staat im Süden mit Bagdad als Hauptstadt. Die ISIS wäre nach wie vor präsent und würde die Kontrolle über das sunnitische Gebiet ausüben.

Nachdem ich versucht habe aufzuzeigen dass das nicht im Interesse der USA, des Westens im Allgemeinen und der arabischen Staaten im Besonderen sein kann, bleibt also im Grunde nur noch ein militärisches Eingreifen übrig um die ISIS zu zerstören. Solch ein Eingreifen wird von der ISIS aber geradezu freudig erwartet, weil sie das propagandistisch ausschlachten können um den Sunniten in der Region zu beweisen, dass die USA es auf die Sunniten abgesehen haben während gleichzeitig mit dem schiitischen Iran verhandelt wird. Für die wahhabitischen Extremisten wird das den Hass auf die Schiiten nur weiter anheizen und sie in noch grösseren Zahlen in die Hände der ISIS treiben. Washington wurde vor dieser Tatsache von sämtlichen Ländern der Region gewarnt. Egal ob es sich um Saudi Arabien, Qatar oder auch dem Iran handelte, sie alle warnten die USA vor den Konsequenzen einer US-Intervention.
Zumal es nicht ausreichen würde nur im Irak zuzuschlagen um das Kaliphat der ISIS zu zerstören, sondern eben auch in Syrien. Und das würde bedeuten, dass eine vollkommene politische Neuorientation von Washington in Syrien stattfinden muss, eine in der die USA zumindest im Geheimen mit Assad arbeitet um gemeinsam gegen ISIS vorzugehen. Aber das erscheint mir eher unwahrscheinlich.

Was für andere Möglichkeiten hat Washington also noch? Im Grunde bleibt nur der politische Weg übrig. Die Regierungsstrukturen des Iraks müssen gestärkt werden, Iran`s Einfluss im Irak und Syrien muss anerkannt und genutzt werden, sowie die Unterstützung für sämtliche Jihadistische Strömungen in Syrien unterbunden werden. Oder eine "Globale Grosse Allianz gegen den wahhabitischen Terror" wie es in der Huffington Post in einem Artikel gefordert wurde.
Diese Stärkung der irakischen Regierungsstrukturen beinhaltet selbstverständlich auch die Stärkung der irakischen Armee, für welche die Amerikaner "intensive und nachhaltige" Hilfe zugesprochen haben. Auch Russland sicherte der Regierung Maliki "komplette Unterstützung im Kampf gegen die Jihadisten" zu. Will Washington das bisschen Einfluss das im Irak noch geblieben ist auch behalten, werden die Strategen wohl oder übel einen Weg finden müssen wie sie ISIS zurückdrängen können. Ansonsten dürfte sehr schnell der russische Bär in Bagdad vor der Tür stehen und die versprochene Hilfe auch in die Tat umsetzen. Dass Moskau zu seinem Wort steht, hat man in Syrien bewiesen.


Donnerstag, 19. Juni 2014

Kollektive Bestrafung der Palästinenser

Es ist nichts Neues das die palästinensische Bevölkerung im Kollektiv durch Israel bestraft wird. Als zum Beispiel der jüdisch-amerikanische Arzt Dr. Baruch Goldstein, der in der illegalen Siedlung von Kiryat Arba bei Hebron lebte, am 25.02.1994 in den frühen Morgenstunden ein Massaker innerhalb der Abrahamsmoschee an betenden Palästinensern mit seinem amerikanischen M-16 Sturmgewehr anrichtete, wurde die gesamte West Bank mit einer Ausgangssperre belegt. Der damalige Ministerpräsident von Israel, Yitzak Rabin, begründete diese drakonische Massnahme damit, dass so "die Möglichkeit einer Konfrontation unterdrückt werden kann. Besser unter einer Ausgangssperre zu sein als dass es zu einem Blutbad kommt".
Durch die Tat eines einzigen Extremisten wurde in der Folge also die gesamte Bevölkerung der West Bank, über 1.2 Millionen Menschen, in ihren Häusern für mehrere Wochen eingesperrt, anstatt dass die betreffende Siedlung geschlossen wurde wie es auch von der israelischen Bevölkerung gefordert wurde.

Es gibt hunderte weiterer Fälle wo Israel kollektive Bestrafungen an Familienangehörigen, ganzen Familienclans oder gesamten Dörfern durchführte aus Rache an Verbrechen (tatsächlichen und vermeintlichen) Einzelner.

Nicht anders im aktuellen Fall. Am 12. Juni wurden drei jüdische Jugendliche aus dem illegalen Siedlungsblock von Gush Etzion in der West Bank entführt und seitdem wird wieder die gesamte palästinensische Bevölkerung für dieses Verbrechen bestraft. Obwohl eine bisher unbekannte Gruppe die sich "Befreiungsbattallion von Hebron" nennt die Verantwortung für diese Tat übernommen hat, beschuldigt die israelische Regierung ohne jegliche Beweise zu nennen die Hamas dafür.
Auch wenn es jetzt zynisch klingt, diese Entführung kommt der Regierung von Binyamin Netanyahu mehr als nur gelegen. Indem er einfach ein Wunschdenken als Tatsache verkauft und der amerikanische wie auch britische Aussenminister in diesen Chor miteinsteigen und somit der Anschuldigung eine gewisse mediale Glaubwürdigkeit vermitteln, kann Netanyahu ungehindert gegen die Hamas zuschlagen. Der Grund weshalb Netanyahu das tun möchte liegt daran, dass die Hamas es "gewagt" hat nicht nach der ihr zugesprochenen Rolle zu handeln und sich mit der Fatah versöhnt und endlich eine gemeinsame palästinensische Regierung gebildet hat. Damit ist der seit 2007 israelische Plan von "Teile und Herrsche" zusammengefallen und stellte Netanyahu vor ein ungewolltes Problem. Seinem Ärger liess er dann auch freien Lauf indem er es zuliess, dass seine Minister die israelische Schutzmacht USA übel beschimpften:
"Unglücklicherweise hat die amerikanische Naivität sämtliche Rekorde gebrochen" hiess es zum Beispiel vom Kommunikationsminister, und er legte noch nach als er von einer "amerikanischen Kapitulation" sprach. 

Und Netanyahu schlug zu. In einer umfassenden militärischen Suchoperation gehen die israelischen Streitkräfte brutal gegen die palästinensische Bevölkerung vor. Über 200 Palästinenser wurden verhaftet, darunter auch Regierungsmitglieder der Palästinensischen Autonomiebehörde, und mindestens zwei Jugendliche wurden durch IDF-Soldaten (Israel Defence Force) erschossen. Die israelischen Soldaten drangen in Häuser ein und zerstörten dabei das gesamte Mobiliar von unschuldigen Personen auf ihrer Suche nach den drei Jugendlichen.


Verteidigungsminister Moshe Ya`alon sparte auch nicht mit martialischen Sprüchen und versprach, dass die "Hamas einen schweren Preis" dafür zahlen werden und dass er die "Mitgliedschaft bei der Hamas zu einem Ticket in die Hölle" verwandeln werde.

Man muss aber kein Mitglied der Hamas sein um das "Ticket zur Hölle" gebucht zu haben. Unter der israelischen Besatzung reicht es aus wenn man nicht Israeli ist, oder wie es dem jüdischen Terminus entspricht, wenn man ein goy ist.

Diese "Suchaktion", sofern man diese Militäroperation als solche bezeichnen kann (wie viele Videos auf YouTube oder auch die Bilder hier belegen), könnte wenn sie noch mehr Opfer fordert und sich tatsächlich über den Ramadan hinzieht wie die israelischen Militärs angedeutet haben, zu einem erneuten Massenaufstand der Palästinenser gegen die Besatzung führen. Und genau davor warnte bereits John Kerry vor einigen Monaten, weil diese Unterdrückung das Leben der Menschen in Palästina zur Hölle macht.
Doch nicht nur die Palästinenser spüren die negativen Folgen der Besatzung, es ist auch die israelische Bevölkerung die aufgrund der Besatzungspolitik ihrer Politiker sich in eine "insulare und weniger tolerante Gesellschaft" entwickelt hat, die "anfällig für Selbstgerechtigkeit, blind für die eigenen Verbrechen und allergisch auf abweichende Standpunkte" wurde. Das sind nicht meine Worte, sondern stammen aus der israelischen Tageszeitung Haaretz, wo die Gefahr die von dieser Entwicklung ausgeht schon lange artikuliert wird.

Die Palästinenser die für die Taten Einzelner bestraft werden, von der israelischen Besatzung seit Jahrzehnten ohne Aussicht auf ein friedliches Ende unterjocht werden, müssen dann auch noch hilflos zusehen wie die internationalen Medien unter aktiver Beihilfe der Regierungen diese Entführung zu einem Politikum aufbauschen, während sich absolut niemand aus den selben Medien die sich angeblich für die Rechte dieser Jugendlichen interessieren, für die Rechte ihrer von Israel entführten Söhnen interessiert (allein 17 Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren in den ersten 10 Junitagen).

Nebst dieser Tatsache werden die Palästinenser ebenfalls im Kollektiv die Wut der Siedler ausbaden müssen, die im Schutze der IDF-Soldaten gegen die Bevölkerung losgehen werden (und schon seit Jahren tun) und nach Rache zu sinnen. Der israelische Professor der Hebräischen Universität von Jerusalem, Prof.Dr. David Shulman, beschrieb in seinem Buch Dark Hope: Working for Peace in Israel and Palestine seine Erfahrungen als Friedensaktivist in der israelisch-palästinensischen Organisation Ta`ayush (Koexistenz auf arabisch) mit den Siedlern in Palästina. Diese Worte gilt es zu beachten, denn sie stammen nicht von jemandem der des Antisemitismus beschuldigt werden kann nur weil er es wagt die Wahrheit auszusprechen, sondern von einem jüdisch-israelischen Professor:
"Ich spüre Schmerz, Überraschung, Angst, Wut. Doch was schlimmer ist, ich habe ihre Gesichter von Nahem gesehen und es ist vielleicht der beunruhigste Anblick den ich jemals hatte, einen den ich später versuchen werde auszulöschen, weil dies nicht Gesichter von gewöhnlichem menschlichen Mix von Gut und Böse waren, von Konfusion und Klarheit, von Liebe und Hass; diese Augen sind wahnsinnige Augen eines Killers. Es ist als ob man in etwas absolut dämonisches schaut, etwas aus der Welt der Mythen."


Es sind aber nicht nur die Siedler die als verlängerter Arm der israelischen Regierung die Funktion der Unterdrückung ausüben (nach der Formulierung von Mattiyahu Drobles aus der Regierung des ex-Terroristen und Ministerpräsidenten von Menachem Begin) und somit die kollektive Bestrafung vornehmen. Es ist genau auch die "weniger tolerante Gesellschaft" innerhalb von Israel die in dieser Situation nach grösserer Gewalt seitens der Regierung gegen die Palästinenser rufen könnte, etwas was nach dem Goldstein-Massaker von 1994 kaum denkbar gewesen wäre. Man spürt diese "Intoleranz" (sofern diese Bezeichnung auch nur annähernd die Realität beschreiben kann) anhand der Reaktionen aus der israelischen Bevölkerung. Auf Facebook wurde nach der Entführung der drei Jugendlichen eine Seite online gestellt, die seit Erstellung letzten Freitag bereits über 20`000 Likes erhalten hat und im Grunde zum Massenmord aufruft. "Bis die Jugendlichen zurückkehren, werden wir jede Stunde einen Terroristen erschiessen", wird auf dieser Seite gefordert. Als Terrorist wird in der israelischen Bevölkerung, insbesondere in den rechten Kreisen, jeder palästinensische Gefangene und teilweise sogar der Palästinenser überhaupt bezeichnet.
Obwohl ein Aufruf zur Gewalt nach israelischem Recht verboten ist und auf Facebook die Namen der Personen die einen Kommentar in diese Richtung abgeben öffentlich sind, wird es wie in vielen anderen Fällen auch zu keinerlei Konsequenzen kommen. Diese Handhabung spiegelt lediglich die Natur der "institutionalierten Diskrimierung" wieder, die auch vom Menschenrechtsindex des US-Aussenministeriums festgehalten wurde (siehe Bericht vom 28.02.14).

Die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung geschieht nicht nur mehr vor Ort und mit Gewalt durch die israelische Armee oder der Siedler, sondern natürlich auch im Internet wie es diese Beispiele gut verdeutlichen.

Dienstag, 17. Juni 2014

Islamic State of Iraq and al-Shams (ISIS)

Spätestens mit dem Fall von Mosul, der zweitgrössten Stadt im Irak, an die Kämpfer von ISIS scheint der "Islamische Staat von Irak und der Levante" endgültig in unserem Mainstream angekommen zu sein. Man berichtet über Massaker die die ISIS-Extremisten angerichtet haben, über die Erbeutung von Kriegsmaterial und man stellt sich bereits die Frage, was für Schritte die USA nun einleiten werden.

Was sich aber so gut wie niemand stellt ist die Frage, wie eine Millionenstadt wie Mosul, die von zwei Divisionen der irakischen Armee mit 30`000 Soldaten "verteidigt" wurde, von etwa 800-1000 ISIS-Kämpfern eingenommen werden konnte. Das lässt nur den Schluss nahe, dass Mosul nicht eingenommen, sondern aufgegeben wurde. Diese Antwort führt dann aber gleich nach dem unvermeidlichen Warum, was dann schon etwas schwieriger zu beantworten ist.

Die amerikanisch-britische Invasion in den Irak im Jahr 2003 zerstörte die gesamte Staatsstruktur des irakischen Staates. Natürlich wurde der irakische Diktator Saddam Hussein durch diese Invasion gestürzt und das Volk von diesem brutalen Machtmenschen erlöst, doch die anschliessenden Entscheidungen der von den USA installierten "Coalition Provisional Authority" mit Paul Bremer an der Spitze, führten die anfängliche Freude im Irak die durch den Sturz von Saddam Hussein ausgelöst wurde, in einen unerbittlichen Kampf gegen die amerikanisch-britische Besatzungsmacht. Ein Volk das von einem Diktator befreit wurde, will nicht von einem anderen Diktator beherrscht werden. Selbst Paul Bremer, der als Statthalter im Irak die ganze politische Macht in den Händen hielt und als eine erste Amtshandlung die komplette irakische Armee und Polizei auflöste und Hunderttausende von Männer (ein Grossteil von ihnen war bewaffnet) über Nacht arbeitslos machte, musste zehn Jahre nach der illegalen Invasion zugeben dass "bedeutende strategische Fehler" gemacht wurden. Im gleichen Atemzug verteidigte er aber die Invasion, da seiner Meinung nach die Iraker heute "insgesamt besser dran" wären als unter Saddam Hussein.
Die von den USA betriebene "Demokratisierung" des Iraks brachte zwangsläufig die Schiiten an die Macht, die die Mehrheit von etwa 60% der irakischen Bevölkerung bildeten. Zum ersten Mal seit dem Bruch der islamischen umma in Sunniten und Schiiten und der daraus resultierenden Jahrhunderte währenden Unterdrückung der Schiiten zuerst durch sunnitische Kaliphen, später dann durch Briten, einer sunnitischen Monarchie und dann durch sunnitische Nationalisten, wurden die Schiiten von dieser Unterdrückung erlöst. Das einzige was sie tun mussten war wählen zu gehen. Sie brauchten für die Ergreifung der Macht keine Waffen, ein Kreuz an der richtigen Stelle bei den Wahlen Ende 2004 reichten dafür aus. Doch die Sunniten die um ihre Machtstellung bangten, boykottierten diese Wahlen und zementierten dadurch unweigerlich die Stellung der Schiiten am Hebel der Macht.

Seit 2006 regiert der anfängliche Wunschkandidat der USA, Nouri al-Maliki, den Irak und entwickelte sich mit der Zeit immer mehr einer Person, die für die USA zur Belastung werden sollte. Es würde jetzt zu weit gehen die ganzen internen Probleme der irakischen Regierung zu beschreiben, aber grob umschrieben hat Maliki die total zerstrittene sunnitische Opposition ausgenutzt um sich, seine Partei und dann erst die schiitische Bevölkerung gegenüber den Sunniten zu bevorteilen. Dazu kommt, dass im Norden des Iraks die kurdische Bevölkerung eigentlich seit 1991 (seit dem ersten Golfkrieg) weitestgehendst losgelöst von der Zentralregierung in Bagdad lebt, und seit 2003 de facto vollkommene Souveränität ausübt. Diese Konstellation musste früher oder später zu einem Bürgerkrieg führen, welcher von 2006 bis 2007 tausende Todesopfer auf beiden Seiten forderte. In diesem Chaos fand Al Qaida natürlich ausgesprochen nahrhaften Boden für sich und lockte Jihadisten aus der ganzen Welt an. Die Beruhigung der Lage war hauptsächlich dem Zusammenschluss von sunnitischen Räten zu verdanken, welche sich gemeinsam gegen den Terror von Al Qaida stammten und mit Hilfe von US-Truppen die Terrorzellen auslöschten. Das heisst Sunniten wie auch Schiiten standen vor 7 Jahren schon einmal an diesem gleichen Abgrund wie sie heute stehen, und entschieden sich damals dem Abgrund den Rücken zu kehren und das Beste aus der Situation zu machen.
Leider entwickelte sich die Situation aber nicht wie erhofft, die Sunniten blieben zerstritten und ermöglichten es Nouri al-Maliki, seine Macht über die Jahre weiter zu konsolidieren.
Mit der Ankunft von ISIS aber sahen sie ihre Chance gekommen wieder Boden gut zu machen. Die mörderische Ideologie wurde als zweitrangig eingestuft, was zählte waren die finanziellen Mittel, Waffen und Entschlossenheit der Extremisten.

Als sich die Anzeichen verdichteten dass ISIS tatsächlich die Eroberung von grossen Teilen des Iraks vorbereitet um die Vision eines islamischen Kalifats, dem Islamischen Staat von Irak und der Levante, in die Realität umzusetzen, haben sich viele ehemalige Kommandeure der Baath-Partei die von Paul Bremer auf die Strasse gesetzt wurden, sowie Stammesführer die einen regelrechten Hass auf die Zentralregierung von Bagdad hegen, zusammengetan und der ISIS unter der Führung von Abu Bakr al-Baghdadi Tür und Tor zu weiten Teilen des Iraks geöffnet. Dieses Detail, welches in der deutschsprachigen Berichterstattung über den "Erfolg" der ISIS-Extremisten völlig ausgeklammert wird, bestätigte auch die jordanische Zeitung Assabeel unter Berufung der Vereinigung von Muslimischen Gelehrten im Irak (AMSI).

Was von unseren Medien auch ausgeklammert wird ist die Frage wer denn überhaupt die ISIS finanziert und ausrüstet. Wenn es eine Organisation schafft ein Gebiet in der Grösse Österreichs (84`000 km2) zu erobern und in diesem Gebiet eine Herrschaft zu erstellen, dann hat das nichts mehr mit einer gewöhnlichen Terrororganisation zu tun. Ausserdem wird vollkommen die Tatsache ignoriert, dass die ideologische Basis der ISIS der Wahhabismus aus Saudi Arabien bildet und dass während dem Bürgerkrieg im Irak von 2006-2007, saudische Kleriker die Sunniten weltweit dazu aufriefen sich dem Jihad gegen die Schiiten im Irak anzuschliessen (siehe meinen Bericht "Saudi Arabien`s blutige Spur"). Und diesem Aufruf folgten auch hunderte von Jihadisten aus der ganzen Welt, die in den wahhabitischen Madrassen und von Saudi Arabien gesponserten "Islamischen Zentren" entsprechend indoktriniert wurden. Auch die Ziele von ISIS waren von Anfang an klar formuliert, nämlich ein Kalifat in dem Gebiet des heutigen Iraks und Syriens zu errichten (siehe Bericht vom 10.04.2013 "Al Qaeda gibt sich offen in Syrien zu erkennen") .
Auch wer ISIS finanziert ist kein grosses Geheimnis. Anfang März beschuldigte der irakische Ministerpräsident Nouri al-Maliki öffentlich Saudi Arabien und Qatar, die ISIS-Kämpfer in der irakischen Provinz Anbar zu finanzieren und fördern. Zwar ist nicht bewiesen dass die Regierungen der Petromonarchien direkt in die Finanzierung verwickelt sind, jedoch wissen sie ganz genau dass Millionen von US-Dollars von Privatpersonen und Organisationen gesammelt werden, die dann via Kuwait an die entsprechenden Gruppierungen bezahlt werden. In der Ausrüstung mit Waffen sind die Regierungen aber direkt involviert, mit grosser Unterstützung der Geheimdienste aus den USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Israels und der Türkei.

(Brandneue Toyota Pick Ups für ISIS, die wie bereits für die Taliban zuvor in Afghanistan, von Saudi Arabien finanziert wurden)


Die Meldung aus den USA nach der "Eroberung" von Mosul, dass die "Geheimdienste der Vereinigten Staaten überrascht wurden", ist angesichts der tiefen Verwicklung genau der gleichen Geheimdienste in die oben genannten Aktivitäten absolut absurd und zutiefst zynisch. Zumal der Anführer der ISIS, Abu Bakr al-Baghdadi, für die Amerikaner alles andere als ein Unbekannter ist. Er wurde 2005 von US-Einheiten verhaftet und ins Gefängnis von Camp Bucca geworfen, wo er für 4 Jahre einsass. Und nur ein paar Monate später wird er einfach so Anführer der Al Qaida im Irak? Das ist, gelinde gesagt, blödsinn...

Fakt bleibt zunächst, dass es ISIS tatsächlich geschafft hat (in Zusammenarbeit mit sunnitischen Stammesführern und irakischen ex-Generälen wohlgemerkt) so etwas wie ein vorübergehendes Staatengebilde auf die politische Landkarte des Mittleren Ostens zu bringen. Die künstlichen Grenzen die nach dem Ersten Weltkrieg gezogen wurden, ohne jegliche Rücksicht auf die kulturelle, religiöse oder auch Stammesstrukturen zu nehmen die nun mal die Realität auf dem Boden bildeten, weichen immer mehr auf und müssen der Wahrheit in die Augen schauen. Die wahhabitischen Extremisten der ISIS sind dabei - historisch betrachtet - nur Mittel zum Zweck.


Was bedeutet das für den Irak und Syrien? Man muss zuerst verstehen dass ISIS von der Unzufriedenheit der Menschen in beiden Ländern, prinzipiell der Sunniten, im Grunde "lebt". Das Geld aus Saudi Arabien, Qatar, Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait sowie die Waffen aus den gleichen (unter anderem) Ländern sind die notwendigen Werkzeuge, aber ohne die Unterstützung der Menschen, ob passiv oder aktiv, wäre das alles nicht möglich gewesen. 
In beiden Ländern hegen die Sunniten einen Groll gegen die Zentralregierung, und doch gibt es grosse Unterschiede dabei und darf nicht verallgemeinert werden. In Syrien bilden die Sunniten die Mehrheit in der Bevölkerung und werden von einer alawitischen Sekte (die aus der Schia entstanden ist) seit 1970 beherrscht, wobei ein Grossteil von ihnen stark säkularisiert ist und mit der wahhabitischen Ideologie von ISIS nichts zu tun haben möchte. Die Brutalität mit der ISIS in Syrien die Menschen unter ihrer Herrschaft bekehren wollte, steht völlig im Einklang mit dem Wahhabismus und ebenso im Einklang mit der geschichtlichen Entwicklung des Wahhabismus auf der Arabischen Halbinsel (siehe mein Bericht "Aufstieg des Wahhabismus"). Dadurch verlor ISIS aber massiv an Rückhalt in den eroberten Gebieten. Auch wenn auf der Karte das Gebiet nach wie vor gross erscheint, so besteht dieses Gebiet hauptsächlich aus Wüste und ist spärlich besiedelt.

Im Irak ist die Situation eine ganz andere. Dort sind die Sunniten in der Minderheit (etwa 20% bekennen sich zur Sunna), beherrschten aber über Jahrhunderte hinweg die schiitische Mehrheit. Unter dem Regime von Saddam Hussein wurde aber kein Islamismus geduldet und auch er trieb die Säkularisierung der Bevölkerung massiv an. Nur in der grossen Weite der Anbar Provinz blieb die Bevölkerung sehr konservativ. Das sollte sich nach dem Golfkrieg von 1991 ändern, als immer mehr Menschen wieder den Weg in den Glauben suchten nachdem das brutale Sanktionsregime der internationalen Gemeinschaft (allen voran von den USA und Grossbritannien vorangetrieben) den Menschen die Lebensgrundlage entzog. Als dann 2003 wieder amerikanische Bomben fielen und Saddam Hussein entmachtet wurde, brachte die US-Britische Besatzung nur noch mehr Leid und Tod und sorgte mit der oben beschriebenen Entlassung des gesamten Offizierkorps der irakischen Armee für ein gefundenes Fressen für Al Qaida, die sich rasend schnell im Irak etablieren konnte. 
Was wir aber heute im Irak erleben ist nicht nur ein Angriff der ISIS auf die irakische Zentralgewalt, sondern ein Aufstand der Sunniten die die ISIS aus Mangel an schlagkräftigen Alternativen benutzen. Was genau bezweckt wird ist noch nicht klar. Es gibt Stimmen die sagen dass die Sunniten wieder an die Macht in Bagdad wollen, aber das wird weder auf dem demokratischen noch auf einem anderen Weg möglich sein. Ich denke viel eher dass die Sunniten mit diesem Vormarsch das erreichen wollen, was ihnen von Nouri al-Maliki bisher verwehrt wurde, nämlich eine gerechte Aufteilung des Staatsbudgets und der Einbindung der Sunniten in die Regierung. 
Es gibt auch Stimmen die der Meinung sind dass der Irak entlang der ethnischen Linien aufgeteilt werden sollte, also dass drei unabhängige Staaten entstehen sollten. Ein kurdischer Staat im Nordosten, ein sunnitischer Staat im Westen und ein schiitischer Staat im Süden mit Bagdad als Hauptstadt. Die Kurden haben bereits heute einen quasi-Staat, sie verfügen über eine eigene Armee, sie kontrollieren das Erdölgebiet auf ihrem Gebiet und verkaufen sogar das Öl über die Türkei, ohne dass die Zentralregierung etwas dagegen unternehmen könnte. Ein sunnitischer Staat im Westen würde aber ohne jeglichen Ressourcen dastehen und hauptsächlich aus Wüste bestehen. Es kann also nicht im Interesse der Sunniten sein, einen eigenständigen Staat aus dem Irak herauszuschlagen. Zwar hat ISIS aktuell das Gebiet um die Tikrit eingenommen und kontrolliert die grösste Ölraffinerie von Beji, aber das wird mit Sicherheit nicht von langer Dauer sein.  

Wie in Syrien, werden auch die Sunniten im Irak die ISIS als zweckgebundenen Alliierten für ihre eigene Zwecke benutzen, da sie sich nicht dem inhärenten Wahhabismus der Organisation unterwerfen werden, sollte sich der "Islamische Staat von Irak und der Levante" tatsächlich zu so etwas wie einem souveränen Gebilde etablieren. Auch die fatwa (religiöse Anordnung der die Gläubigen folgen müssen) des irakisch-schiitischen Gross-Ayatollah Ali al-Sistani, dass "alle körperlich fitte Iraker", unabhängig der religiösen Zugehörigkeit, sich dem bewaffneten Kampf gegen die ISIS stellen müssen um den Irak zu verteidigen, wird dazu führen dass zumindest die Schiiten sich den wahhabitischen Extremisten in den Weg stellen werden. 
Auch der Westen wird, genauso wie es mit Al Qaida zuvor in Afghanistan und später dann im Irak oder Yemen getan wurde, den Kampf gegen die ISIS aufnehmen und das Monster das man gezüchtet hat wieder töten müssen. Und das gilt nicht nur für den Westen, sondern insbesondere für die Petroscheichs der Arabischen Halbinsel, die als Erste von einem Kalifat nach ISIS-Art unter Druck geraten würden. Bereits jetzt gibt es Rekrutierungsversuche der ISIS innerhalb von Saudi Arabien, und es gibt einen beachtlichen Teil der saudischen Bevölkerung die nichts gegen die Absetzung der Al-Saud Monarchie einzuwenden hätte. Das ist ein brandgefährliches Spiel für Riad (siehe Bericht "Saudi Arabien`s Geister"), wo der High-Tech Zaun zwischen Saudi Arabien und Irak nicht viel Sicherheit bringen wird. 

Zwar hat US-Präsident Obama klar gemacht dass keine amerikanische Bodentruppen mehr in den Irak entsendet werden um Bagdad aus der politisch selbstverschuldeten Misere auszuhelfen. Aber Luftangriffe könnten geflogen werden, wie sie bereits jetzt schon teilweise unter gemeinsamer Koordination von syrischer und irakischer Luftwaffe geflogen werden. Aber wie die Erfahrung gezeigt hat, benötigt es mehr als nur Luftangriffe um einen gut organisierten Gegner auch tatsächlich vom Boden vertreiben zu können. Ohne Bodentruppen wird das nicht gehen. Und hier kommt dann der Iran ins Bild. Mit Spezialeinheiten der Al-Quds Force (Spezialeinheit der Revolutionsgarde für Auslandseinsätze) die bereits jetzt im Irak operieren, auch wenn der Iran das offiziell abstreitet, können Ziele für die Lasergeführten Bomben der US-Kampfjets markiert werden und gleichzeitig die Offensive vom Boden aus geführt werden. Kurdische Anführer befinden sich ebenfalls in Teheran um das Vorgehen der kurdischen Peschmerga Truppen mit den iranischen Spezialisten abzusprechen. Für eine faustdicke Überraschung sorgte allerdings der als Kriegshetzer berühmt-berüchtigte republikanische Senator Lindsey Graham in den USA, als er die Obama-Administration dazu aufrief, sich mit den Iranern über das weitere Vorgehen im Irak abzusprechen um gemeinsam gegen ISIS vorgehen zu können. Das ausgerechnet Lindsey Graham diese Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Iran fordert, ist schon allein Beweis genug wie Ernst die Lage ist.

Aber, und das muss nochmal ganz deutlich ausgesprochen werden, dass ISIS überhaupt erst so stark werden konnte liegt prinzipiell an der Unterstützung die die Organisation aus den Ländern der Arabischen Halbinsel und den Geheimdiensten aus den USA, Grossbritannien, Türkei und Israel erhalten hat, und nicht aufgrund der "Kumpanei des Diktators in Damaskus" wie es in der Onlineausgabe der Frankfurter Allgemeine heisst.

Eine Spaltung von Syrien und Irak ist ebenfalls ein Punkt gewesen, der von den westlichen Mächten aktiv unterstützt wurde. 
Im Jahr 2006 veröffentlichte Lt. Col. Ralph Peters eine Studie zu einem "Neuen Mittleren Osten", die er im Journal der US-Streitkräfte im Juni des gleichen Jahres vorstellte. Diese Studie befasste sich ebenfalls mit den künstlichen Grenzen der ganzen Region und sollte den Weg frei machen, die gesamte Region nach ethnischen Linien und vor allem aber, nach den Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika und Israel neu zu ordnen. Dieses "Projekt für einen Neuen Mittleren Osten" wurde sogar an der NATO-Militärschule in Rom gelehrt, was sofort für einen Aufschrei im NATO-Land Türkei sorgte da auch die Türkei von dieser Neugestaltung betroffen wäre.


Wie man auf dieser Karte von Ralph Peters deutlich erkennen kann, wurde der Irak genau in diese drei Teile aufgeteilt die ich oben beschrieben habe. Allerdings macht der schiitische Teil nicht Halt vor den Grenzen von Saudi Arabien und Kuwait, sondern zieht durch bis nach Bahrain und den wichtigsten Ölregionen Saudi Arabiens, wo es eine schiitische Mehrheit gibt. Als im Sommer 2006 Israel den brutalen Krieg gegen Libanon startete, verkündete eine begeisterte US-Aussenministerin Condoleezza Rice in Tel Aviv, dass das die "Geburtswehen eines Neuen Mittleren Ostens" sei. 

Wenn das also die "Geburtswehen" waren, dann ist ISIS mit Sicherheit ein Kind dieser von den USA und Israel geförderten Geburt des neuen Mittleren Ostens, welches es nun zu zerstören gilt da es sich ansonsten gegen die Erzeuger wenden könnte. 



Mittwoch, 11. Juni 2014

Wie die Israel Lobby arbeitet

Anlässlich der Kongresswahlen in den USA im November und dem unausweichlichen Wahlkampf für die begehrten Sitze in Washington D.C, hat der ehemalige CIA-Agent Philip Giraldi in seinem Artikel "Wie die Israel Lobby arbeitet" anhand von aktuellen (und weiter zurückliegenden) Beispielen aufgezeigt, wie sehr diese Wahlen bzw. die Kandidaten von der zionistischen Lobby beeinflusst werden.

Hier also meine Übersetzung des Artikels "How the Israel Lobby Works" von Philip Giraldi:

"Die Hauptorganisationen die die Israel Lobby darstellen sind wohl bekannt: die American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), die Anti-Defamation-League (ADL), die American Jewish Committee (AJC), die Conference of Presidents of Major Jewish Organisations und die Christians United for Israel (CUFI). Sie alle sind sehr bekannt und profitieren von grossen Budgets und Angestellten. Sie sind extrem effektiv, (sie) haben exzellenten Zugang zu Politikern und Medien um ihre Sichtweise zu bewerben, und (sie) sind, als Gruppe, reguläre Besucher im Weissen Haus. AIPAC ist ohne Zweifel die mächtigste Lobby in den Vereinigten Staaten, die auf die Aussenpolitik fokussiert ist. 

Die institutionellen Israel-Booster (also jene die nach dem Motto Israel-zuerst handeln) werden im Grunde von einem Bündel an Think Tanks und Instituten unterstützt, die eine unerbittliche pro-Likud (Likud ist die rechtsnationalistische Partei in Israel der Hardliner wie Menachem Begin, Ariel Sharon oder Binyamin Netanyahu angehör(t)en) Linie verfolgen. Dies sind Foundation for Defence of Democracies, The Emergency Committee for Israel, The American Enterprise Institute, The Hudson Institute, Brookings und The Washington Institute for Near East Policy.  Ein kürzlicher Artikel im "The National Interest" (das ehemalige Nixon Center) - "Why Israel Fears Containment of a Nuclear Iran - Warum Israel sich vor einer Eindämmungspolitik eines atomaren Irans fürchtet" - geschrieben von zwei Israelis mit Regierungskontakten, illustriert in welchem Masse Fürsprecher von Tel Aviv Zugang zu Medien über das gesamte politische Spektrum haben um ihren Punkt darzulegen, während gegensätzliche Sichtweisen selten auftauchen. Es wäre schwer sich vorzustellen, dass zum Beispiel ein ähnlicher Artikel erscheint der Iran`s Sichtweise zu Israel vertritt, und man kann sich gut die Frage stellen wessen "Nationale Interessen" beworben werden indem eine Plattform für ehemalige und gegenwärtige ausländische Regierungsvertreter zur Verfügung gestellt wird.

Die Think Tanks werden wiederum von den Ermöglicher in den Medien unterstützt, welche kritische Stories zu Israel unterdrücken und konsequent Artikel veröffentlichen, die von der Politik Tel Aviv`s favorisiert werden. Israelische Botschafter schreiben regelmässig Artikel in Publikationen wie Washington Post und The New York Times. Prominent unter den konsequent pro-Israel (berichtenden) Medien sind die Washington Post, Wall Street Journal, Ruport Murdoch`s Publikationen im Allgemeinen und Magazine wie das sich im Besitz von Mortimer Zuckerman befindliche US News and World Report, aber es wäre fair zu sagen dass fast alle Mainstream Medien bis zu einem gewissen Grad darauf bedacht sind, Israel und ihre Unterstützer nicht zu beleidigen. (Anm. das sagt schon viel aus wenn ein kritischer Artikel über Israel`s Verbrechen als "Beleidigung" bezeichnet wird)

Aber wie es die Professoren John Mearsheimer und Stephen Walt in deren bahnbrechenden Analyse der Israel Lobby beschrieben haben, die Lobbyaktivitäten überschreiten bei Weitem den organisatorischen Bereich, und inkludieren Freunde von Israel die eifrig und freiwillig auf staatlicher und lokaler Ebene arbeiten, sowie in Universitäten und innerhalb von Berufsverbänden, um einen positiven Blick auf Israel zu pflegen, während ein negatives Bild von der wachsenden Zahl an Kritikern betrieben wird. Erst kürzlich waren sie darauf bedacht, das Wachstum von BDS (Boycot, Divestment, Sanctions-Movement) aufzuhalten, insbesondere mit dem Versuch durch Anwendung von Gesetzesänderungen als Kriegsinstrument ("lawfare"), um solche Aktivitäten als illegal zu brandmarken wenn Israel spezifisch betroffen ist. 

Israels Freunde betrachten den Kongress absolut richtig als Hauptalliierten um die Vereinigten Staaten Israelfreundlich zu behalten, so sehr dass Pat Buchanan einmal Amerikas Legislative als "von Israel besetztes Territorium" bezeichnet hatte. Und so ist es geblieben dass die Gesetzgebung welche für Israel günstig ausfällt, einstimmig oder mit enormer Mehrheit angenommen wird. Das Weisse Haus spielt in dieser Scharade auch mit dass Israel ein Hauptalliierter und Freund ist, und das trotz der wachsenden Beweise dass Tel Aviv konsequent die USA ausspioniert, nicht im Geringsten an einem Friedensprozess mit den Palästinensern interessiert ist und gegen waschechte amerikanische Interessen arbeitet.

Ich habe kürzlich einen Flyer erhalten bezüglich eines Kongress-Rennens in Virginia welcher zeigt wie der Prozess am politischen Eingangsbereich funktioniert. Kongressabgeordneter Jim Moran hat angekündigt dass er sich nicht zur Wiederwahl im hauptsächlich Demokratisch dominierten Distrikt von Alexandria/Virginia stellen wird. Moran ist in einen Konflikt mit dem pro-Israel Establishment gefallen, als er den Teilnehmern an einem Antikriegsforum im Jahr 2003 gesagt hatte, "wenn es diese starke Unterstützung aus der jüdischen Gemeinschaft für diesen Krieg mit dem Irak nicht geben würde, dann würden wir das gar nicht erst machen." Er gab noch weiter an, dass jüdische Anführer "einflussreich genug" wären, um den Kurs der US-Politik zu ändern. Moran musste sich unvermeidlichlicherweise dafür entschuldigen, doch der Schaden war getan und er wurde fortan als unzuverlässig in Sachen Israel gehandelt, eine Sichtweise die einem Flyer reflektiert wird welcher die Direktorin des Jewish Community Relations Council of Greater Washington, Debbie Linick, zitiert: Moran verstand die Nuancen des Friedensprozesses nicht. Es ist sehr wichtig dass der nächste Repräsentant des 8. Bezirks ein starker Unterstützer von Israel ist."

Der Flyer beschrieb ein Politikforum des Jewish Community Relations Council für den 8. Bezirk der am 18. Mai 2014 in Alexandria im Childhood Early Learning Zentrum (wo den Kindern von Beginn an die zionistische Denkweise eingetrichtert wird) der Organisation stattfand. Alle möglichen Kandidaten für den 8. Bezirk wurden eingeladen um ihre Positionen zu verschiedenen Interessengebieten der Zuschauer zu präsentieren. Der Zugang zu dieser Veranstaltung geschah nur durch vorbezahlte Tickets, vermutlich um die Zusammensetzung der Zuschauer kontrollieren zu können. Der Flyer zitiert Linick noch weiter, dass "alle Synagogen in dem Gebiet aufgerufen wurden um teilzunehmen", selbst jene die sich nicht in diesem Wahlbezirk befinden.

Es ist anzunehmen dass jemand im Forum jeden Kandidaten aufrufen wird, sein oder ihres unterschriebenes Israel-Positionspapier öffentlich zu zeigen, was AIPAC von allen Kandidaten auf ein Amt "verlangt" persönlich zu unterzeichnen. Das Memo der Veranstaltung empfiehlt auch, Plakate ausserhalb der Veranstaltung auf der Strasse aufzuhängen in denen die Veröffentlichung dieses Positionspapiers gefordert wird (so dass es später zu keinen Rückzügen der Abgeordneten kommen kann), sowie der Hinweis darauf, dass möglichen Demonstranten der Zugang zum Eingang versperrt wird, welcher sich auf der anderen Seite des Gebäudes auf privatem Grundstück befindet.

Der Northern Virginia Council mag politisch aktiver sein als das gewöhnlich der Fall ist, und es ist unwahrscheinlich dass es ein Gegenstück in den meisten anderen Bezirken gibt, doch der Flyer zeigt auf über welchen Einfluss AIPAC auf alle tragfähigen Kongresskandidaten ausübt, noch bevor sie überhaupt nominiert wurden. Einmal nominiert, durchlaufen die Kandidaten einen Überprüfungsprozess in welchem sie sich mit AIPAC Offiziellen treffen, wo sich aufgefordert werden ihre Position zu Israel aufs Papier zu bringen und dieses dann zu unterschreiben, wenn sie es nicht bereits schon getan haben. Viele dieser Positionspapiere werden dann auf der AIPAC Webseite veröffentlicht. 

Wenige, wenn überhaupt, weigern sich zu kooperieren weil das bedeuten würde, dass AIPAC und ihre Freunde einen Gegner finden und finanzieren würden und ihren Zugang zu den Medien nutzen würden um die Ergebnisse des (unkooperativen) Politikers zu verzerren. (Anm. wie z.Bsp. bei der Nominierung von Chuck Hagel zum Verteidigungsminister)
Diese Art von Anschwärzung geschah erst kürzlich im Fall des Kongressabgeordneten Walter Jones aus North Carolina, welcher auf der Empfängerseite einer gemeinen und gut finanzierten Kampagne war, weil er als Antikriegskandidat von der pro-Israel Gemeinschaft stark abgelehnt wurde.

Damit das nur klar ist, Amerikaner haben ein Verfassungsgeschütztes Recht darauf zu wissen wie die Sichtweise derer ist die für ein Amt kandidieren, und auch ein Recht diese Sichtweise anzufechten, aber das Wichtige daran zu erwähnen ist, dass diese Diskussion sich hier nicht um Gesundheitsvorsorge, Einwanderung oder Regierungsprogramme dreht, sondern es geht um die bedingungslose Unterstützung für die Politik eines ausländischen Landes. 
Ich kann mir keine andere Interessengruppe in den Vereinigten Staaten vorstellen, welche mit der Israel Lobby vergleichbar wäre, die ihre Positionen fördert obwohl es augenscheinlich nicht zum Vorteil der Amerikaner geschieht, möglicherweise mit der einzigen Ausnahme von prominenten Kubanern im Kongress die ihre Kandidaten nach ihrem Willen das Regime in Havannah weiter zu bestrafen aussuchen. Die Kubaner haben, ganz im Gegensatz zu den Israel-Zuerstlern, nur eine regionale Auswirkung, hauptsächlich in Florida konzentriert, obwohl es interessant anzumerken ist dass sie - Ted Cruz, Marco Rubio, Ileana Ros-Lehtinen,  Mario Diaz-Labart, Joe Garcia und Robert Menendez - alle auch leidenschaftliche Israel Unterstützer sind. 

Amerikaner haben in Wirklichkeit eine kleine Wahl wenn es um den Kongress und Israel geht, da jeder der es ablehnt mit AIPAC zu kooperieren eher unwahrscheinlich die Möglichkeit hat das Rennen zu machen, aber es sollte wenigstens ein Bewusstsein darüber vorhanden sein, was möglichen Kandidaten passiert um sich deren Konformität mit dem Standpunkt der Lobby zu sichern. Wenn bedingungslose Loyalität zu einem ausländischen Land eine sine qua non (unabdingbare Voraussetzung) für die Wahl in den Kongress ist, sollte es vielleicht eine Diskussion geben was das überhaupt bedeutet, und die Verfechter dieser Politik sollten zur Verantwortung gezogen werden wenn sie schlechte Resultate produzieren, so wie sie es im Irak getan haben und es auch gegenüber dem Iran versprochen haben. Es ist eine Sache ganz für Israel aus kulturellen oder familiären Gründen zu sein, oder sogar aus einer Abstraktion heraus, aber es ist eine ganz andere Sache mit dieser Sicht fortzufahren wenn sie den Vereinigten Staaten echten Schaden zufügt, wofür ein Beispiel sicherlich angebracht werden kann und bereits wurde."

Sonntag, 8. Juni 2014

Ukraine: Geburtsstunde einer neuen Weltordnung

Was sich in der Ukraine direkt vor unseren Augen abspielt ist nicht das was uns die Medien zeigen. Es geht nicht (nicht nur) darum, dass die Wahl von Petro Poroschenko zum neuen Präsidenten im Westen gefeiert wird, während der Präsidentschaftswahlgang in Syrien als "Farce" bezeichnet wird, oder dass US-Präsident Obama bei seinem Besuch in Polen weiterhin von einer "Gefahr aus Russland" warnt, während zur gleichen Zeit in der Ukraine der neue Präsident Poroschenko die "Anti-Terror-Operation" der Interimsregierung zu einem richtigen Krieg gegen die eigene Bevölkerung ausgeweitet hat. Diesen richtigen Krieg, ein Bürgerkrieg, versuchte Poroschenko sogar noch zu leugnen indem er behauptete, dass die ukrainischen Streitkräfte nicht "zivile Ziele angreifen". Erst als die OSZE selbst bestätigte dass Poroschenko mit Kampfjets zivile Ziele bombardiert, folgte auch die Bestätigung aus Kiev. Wo blieb da der internationale Aufschrei wie in Syrien?

Es ist aber nicht (wieder nicht nur) diese Heuchelei des Westens die sich vor unseren Augen in der Ukraine abspielt. Wovon wir Zeuge sind, ist die Geburtsstunde einer neuen Weltordnung, dessen Wehen in der Ukraine ausgelöst wurden.
Fast die ganze Entwicklung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges, die Annäherung zwischen West und Ost und das vermeintliche "Ende der Geschichte" à la Francis Fukuyama, welche uns Normalbürgern die Gelegenheit gab die Früchte der Globalisierung und des Kapitalismus für eine gewisse Zeit zu geniessen, wurde von US-Präsident Barack Obama nahezu über Nacht verworfen. Was ist passiert?

Während seinem Besuch in Polen versprach Obama den Ländern Osteuropas, beim Kongress den Antrag für eine Milliarde US-Dollar zu stellen, um damit den Ausbau von NATO-Truppen und Stützpunkte in Polen und dem Baltikum (und später dann in Ländern wie Ukraine, Georgien, Rumänien) zu finanzieren. Dieses Geld, beziehungsweise der Plan dahinter, ist für den "European Reassurance Fund" (Europäischer Rückversicherungsfonds) gedacht, um Russland "vorübergehend einzuschüchtern". Gleichzeitig rief US-Verteidigungsminister Chuck Hagel die Länder Europas auf, ihre Verteidigungsetats zu erhöhen um der Gefahr aus Russland zu trotzen.


 Fast still und heimlich wurde mit diesen Ankündigungen das Abkommen zwischen NATO und Russland von 1997 offiziell über Bord geworfen, welches besagte dass die NATO "angesichts des vorherrschenden Sicherheitsumfeldes keine substantielle Kampftruppen in Ost- und Zentraleuropa stationieren würde". Es kamen bereits Anfang Mai solche Andeutungen aus der NATO, dass man sich nicht an dieses Abkommen halten müsse und es nicht gesetzlich bindend sei.

Für was aber macht man sich die ganze Mühe und arbeitet Abkommen mit einem ehemaligen Feind aus, wenn diese einfach nach Bedarf ausgesetzt werden können? Diese Frage wird man sich in vielen Hauptstädten dieser Welt gestellt haben.
Dazu kommt die Rede von US-Präsident Obama die er letzte Woche in der Kriegsschmiede West Point hielt. Obama machte klar, dass er "mit jeder Faser seines Körpers in den amerikanischen Exzeptionalismus glaubt", also der Einzigartigkeit der amerikanischen Nation.  "Was uns aussergewöhnlich macht ist nicht unsere Möglichkeit internationale Normen und das Gesetz zu missachten, (sondern) es ist unser Wille diese durch unsere Aktionen zu bestätigen", so Obama weiter.
Damit gab der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika offen und für die ganze Welt hörbar zu, dass sein Land internationale Normen und Gesetze missachtet. Aufschrei oder Verurteilung in unseren Medien? Fehlanzeige. Sehr wohl wurde diese Aussage aber in Moskau, Peking oder Teheran vernommen und verstanden. Und dann kam der finale Schuss vor den Bug des russischen Bären und des chinesischen Drachen: "Amerika muss immer auf der Weltbühne führen. Das Militär ist, und wird es immer sein, das Rückgrat dieser Führung." Egal ob Kommunismus, Nationalsozialismus, Zionismus oder nun eben der amerikanische Exzeptionalismus, die verschiedenen Ismuse der jüngeren Geschichte brachten nichts Gutes für diese Welt. Verglichen mit dem Kommunismus, dem Nationalsozialismus oder auch dem Zionismus, sind die Stimmen noch nicht laut genug um die Menschen in Amerika davon zu überzeugen, Druck auf ihre Regierung auszuüben weil ihre Version des Ismus niemandem einen Vorteil verschafft, abgesehen von ein paar Dutzend global agierenden Konzernen oder kriminellen Oligarchen. Was Obama aber deutlich zu Wort brachte war keine magische Formel oder hochkomplexe These, es ist ganz einfach: die USA ist DIE einzigartige Nation auf dieser Welt, mit dem absoluten Führungsanspruch ohne auf internationale Normen und Gesetze achten zu müssen. Wer sich der aussergewöhnlichen Nation in den Weg stellt, wird die ganze Macht des amerikanischen Rückgrats zu spüren bekommen, der allmächtigen US Army.

Dieser Exzeptionalismus will aber auch finanziert werden, und da fängt bereits das Problem an. Die versprochene Milliarde für die weitere Umzingelung von Russland wird vom Kongress mit Sicherheit bewilligt, das ist nicht das Problem. Das Problem ist viel eher dass die Zeit vom bisher scheinbar endlosen Dollardruckens allmählich zu einem Ende kommt, oder sich zumindest deutlich abschwächt. Ich möchte jetzt nicht in das komplexe Thema des Dollars als Reservewährung eingehen, dafür weiss ich auch schlicht zu wenig, doch es soll hier einfach als Erinnerung genügen, dass der US-Dollar erst seine dominierende Stärke erhielt, als nach dem Zweiten Weltkrieg das Bretton-Woods System (nach dem gleichnamigen Ort in den USA wo das System von 44 Nationen angenommen wurde und das Resultat die Gründung des Internationalen Währungsfonds war) eingeführt wurde und später sich die Petromonarchien des Persischen Golfs dem US-Dollar unterworfen haben (sämtliche Währungen der Monarchien sind an den US-Dollar gekoppelt). Das ganze wurde von Gold abgesichert, und zwar von eigenen Goldbeständen wie auch als Verwalter von Goldbeständen aus dem Ausland.
Dass die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Supermacht aufgestiegen sind, ist zu einem grossen Teil dem US-Dollar zu verdanken gewesen und dem Umstand, dass die US-Wirtschaft vom Aufbau des zerstörten Europa und dem anschliessenden Konsumwunsch massiv profitiert hat.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieben die USA als einzige Supermacht auf der Welt übrig, und man kann es den Amerikaner angesichts dieser Tatsache nicht wirklich verübeln dass sie dem Glauben des Exzeptionalismus verfallen sind. Für die Neokonservative Clique des Project for the New American Century die fast alle in der Administration von George W. Bush hohe Positionen bekleidet haben, begann die neue Weltordnung bereits mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. In einem der wichtigsten Planungspapieren von PNAC, "Rebuilding America`s Defences" aus dem Jahr 2000, also nach den goldenen 1990er Jahren für die USA und noch vor 9/11, steht folgendes geschrieben:
"Während sich das 20. Jahrhundert dem Ende nähert, stehen die USA als der Welt herausragendste Macht da. Nachdem der Westen zum Sieg im Kalten Krieg geführt wurde, sieht sich Amerika mit einer Möglichkeit und einer Herausforderung konfrontiert: Haben die Vereinigten Staaten eine Vision um auf den Errungenschaften der letzten Jahrzehnte aufzubauen? Haben die Vereinigten Staaten die Entschlossenheit ein neues Jahrhundert zu formen, welches amerikanische Prinzipien und Interessen begünstigt?"

Nun, für Dick Cheney, Paul Wolfowitz, Donald Rumsfeld & Co. war der Zeitpunkt einer neuen Weltordnung schon längst gekommen, es ging nur noch darum die Welt nach "amerikanischen Prinzipien und Interessen zu formen". Auch dieser Punkt sollte für sie mit der Wahl von George W. Bush zum Präsidenten und dem Drama um 9/11 in Erfüllung gehen. Diese neue Weltordnung nach amerikanischem Vorbild sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Die Umgestaltung der Welt, angefangen mit dem strategisch wichtigen Mittleren Osten, scheiterte bereits in dem Moment, als US-Truppen im Irak einmarschiert waren und Afghanistan dadurch vernachlässigt wurde. Das gesetzte Budget von 400 Milliarden USD für den Wiederaufbau des Iraks erwies sich als zu wenig, Korruption und Missmanagement durch das Verteidigungsministerium unter Donald Rumsfeld, der sich den Wiederaufbau ohne die entsprechende Expertise vom Aussenministerium unter den Nagel gerissen hat, taten ihr übriges. Nicht ein Ziel der Amerikaner, mit Ausnahme des Sturzes von Saddam Hussein, wurde im Mittleren Osten erreicht. Die Weltordnung unter der Pax Americana geriet ins Wanken.

Während der Krieg in Syrien primär zwei Zielen dienen sollte, nämlich dem Sturz von Bashir al-Assad und der dadurch erhofften Schwächung des iranischen Einflusses in der Levante, sowie der Kontrolle von Gasrouten , begann die Krise in der Ukraine aus ganz ähnlichen Motiven, entwickelte sich aber zu etwas weitaus Grösserem als Syrien.
Wie in Syrien versuchten die USA eine Regierung an die Macht zu bringen, die sich dem Einfluss von Russland löst und in das europäische Camp einsteigt, inklusive NATO. Wie ich schon im Artikel "Ukraine fällt auseinander" geschrieben habe, wurde bereits im Jahr 2008 vor den Folgen einer NATO-Erweiterung in die Ukraine von russischer Seite gewarnt, doch mit dem Start der Maidan-Proteste sah Washington die Zeit gekommen sich über diese Warnung hinwegzusetzen.
Mit dem Sturz von Viktor Janukovitsch und der Entfesselung der Neo-Nazi Sturmtruppen des Pravy Sektor auf die russischsprachige Bevölkerung, setzten die USA zusammen mit der EU einen Prozess in Gang, der nicht mehr von Washington (und noch viel weniger von Brüssel) kontrolliert werden kann.

Die ausfällige Rhetorik aus den USA, die Hetze gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin und die Vergleiche von Putin mit Hitler, haben den russischen Präsidenten davon überzeugt, dass er im Westen keinen wirklichen Partner mehr hat, sondern viel mehr ein Gegner in den letzten Monaten entstanden ist. Das bestätigte ihm auch Vize NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow, als er Russland nicht mehr als Partner der NATO einstufte, sondern als einen Feind.
Diese rasche Umwälzung von einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Russland und dem Westen zu einer absichtlich herbeigeführten Krise die diese Beziehung ins Gegenteil umschlagen liess, drängte Russland nahezu in die Armee von anderen Partnern. Hauptnutzniesser von dieser Wende ist ganz klar China. Der erst kürzlich unterzeichnete Gas-Megadeal zwischen Russland und China wurde seit über 10 Jahren vorbereitet, dass er erst jetzt unterzeichnet wurde lag ausschliesslich an der Krise in der Ukraine, beziehungsweise des eingeschlagenen Kurses des Westens gegenüber Russland. Moskau und Peking konnten sich bisher nämlich nicht auf einen Preis einigen der für beide Seiten akzeptabel gewesen wäre. Der plötzliche geopolitische Wandel liess den Preis nur noch zweitrangig erscheinen, viel wichtiger war es für Moskau ein Gegengewicht zum Westen aufzubauen, politisch wie auch marktwirtschaftlich. Dabei bewies Putin durchaus zukunftsorientiertes Denken. Eine Allianz mit China mag vielleicht aus heutiger Sicht die logische Konsequenz sein wenn man sich vom Westen unabhängiger machen möchte, historisch ist das aber ein gewaltiger Schritt nach vorne. Russland war schon immer und in egal welcher Form, ob als Zarenreich, Sowjetunion oder in der gegenwärtigen Form, ein Feind von China gewesen. Zahlreiche Kriege wurden zwischen den beiden Mächten ausgefochten mit hunderttausenden von Todesopfern auf beiden Seiten. Noch bis in die 1980er Jahre waren Russland und China Todfeinde. Und doch haben sich die zwei Riesenreiche mit der Zeit langsam aber sicher angenähert. Nicht etwa weil man plötzlich erkannt hat dass die jahrhundertalte Feindschaft sich plötzlich in Luft aufgelöst hat, sondern dass die eigenen Interessen wie auch Sicherheitsbedenken nicht mit den Plänen Washington`s kompatibel sind.

Während die USA mit einer eher widerstrebenden Europäischen Union als Juniorpartnerin diesen konfrontalen Kurs gegenüber Moskau verfolgt und jetzt auch noch versucht die "Peripheriestaaten" an Russlands Grenze zu reaktivieren, muss auch der letzte Zweifel über die Absichten aus dem Westen bereinigt sein. Liest man sich die Fakten aus der "Europäischen Rückversicherungsinitiative" der USA durch, geht es darum in allererster Linie um die Ausweitung der amerikanischen Truppenpräsenz und Waffensysteme in Osteuropa. Kein Wunder nannte Vladimir Putin bereits am 17. April das Kind beim Namen: "Betreffend der Stationierung von Elementen der US-Raketenabwehr (in Europa), das sind keine Verteidigungssysteme, sondern Teil von offensivem Potential weit weg von Zuhause stationiert."

Diese ganze Entwicklung führt dazu, dass sich die Länder mit einer unabhängigen Politik und die sich nach der Definition des amerikanischen Präsidenten nicht im elitären Zirkel des "Exzeptionalismus" befinden, nach Alternativen umsehen müssen. Dass das erst jetzt mit der notwendigen Ernsthaftigkeit verfolgt wird, liegt nicht nur an der Verschärfung der Krise in der Ukraine, sondern auch daran dass diese Länder vorher in punkto Stärke noch nicht so weit waren. Nach dem Ende des Kalten Krieges gab es schlichtweg keine einzige militärische Macht, die einem bewaffneten Konflikt mit den USA gewachsen gewesen wäre. Doch es hat sich viel getan seitdem. Zwar verfügen die USA nach wie vor über die mächtigste Armee der Welt, aber einerseits haben Länder wie Russland oder China in vielerlei Hinsicht aufgeholt, andererseits haben die US-geführten Kriege im Irak und Afghanisten (sowie Israels Kriege gegen Hezballah) deutlich gezeigt, dass mit der richtigen Taktik die so übermächtige US-Armee zu schlagen ist.

Diese Länder die sich nach einer Alternative zur US-Dominanz umsehen, sind prinzipiell die BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und Iran, aber natürlich auch viele andere Länder Südamerikas oder Afrikas. Während die USA mit den äusserst kontroversen Handelsabkommen wie TPP (Trans Pacific Partnership, siehe auch meinen Bericht hier) oder mit dem europäischen Pendant Trans Atlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) versuchen sich die Märkte zu sichern indem potentielle Konkurrenten von vornherein aus diesen Abkommen ausgeschlossen werden, versuchen die BRICS-Staaten zusammen mit dem Iran genau dieses Monopol zu brechen. Ihre stärkste Waffe ist der US-Dollar.
Wie ich weiter oben bereits geschrieben habe, sind die USA auf den US-Dollar als Reservewährung angewiesen um ihre Macht global ausüben zu können, d.h. je mehr Geschäfte weltweit in US-Dollar abgewickelt werden desto besser für die USA. Mit dem kürzlichen Megagasdeal zwischen Russland und China wurde zum Ersten Mal dieses US-Dollar Monopol in solch einem grossen Massstab gebrochen. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Geschäfte zwischen Iran und Indien die nicht in US-Dollar abgewickelt wurden, sondern in Gold oder anderen Tauschgeschäften, aber dieser Abschluss zwischen Russland und China stellt ein deutliches Signal an Washington (und natürlich an alle anderen interessierten Länder) dar. Es lauern bereits andere grossen Geschäfte zwischen Russland und Iran und eventuell sogar mit Indien, die in Rubel abgerechnet werden könnten.
Auch China arbeitet intensiv daran die Macht des US-Dollars (und somit natürlich der USA) zu stürzen wie dieser Bericht deutlich zeigt. Was aber viel grösseren Einfluss in dieser Hinsicht haben wird als die Versuche von China und Russland das Monopol des US-Dollars zu brechen, ist die Tatsache dass jetzt die Weichen für Parallelsysteme gestellt werden. Ob es das Kreditkartengeschäft ist welches heute noch von Mastercard oder Visa beherrscht wird (85% Marktanteil in 2013), oder der Internationale Währungsfonds, für beide Institutionen die momentan noch den Weltmarkt in ihrer Sparte beherrschen enstehen Alternativen. China ist im Kreditkartengeschäft Vorreiter mit dem Union Pay System, welches bereits heute einen Anteil von 7.7% besitzt und Russland nach den verhängten Sanktionen bemüht ist, zusammen mit China dieses System auszubauen um es für den russischen Markt kompatibel zu machen.
In Sachen Internationaler Währungsfonds wollen insbesondere die BRICS-Staaten mit der BRICS Development Bank  sich dem Monopol des IWF und der Weltbank entziehen, und haben im Herbst 2013 vereinbart ihrer Version mit 100 Milliarden US-Dollar Leben einzuhauchen. Und die Chancen stehen sehr gut dass sich ein potentes Gegengewicht zur US-dominierten Weltbank und IWF entwickelt: immerhin vereinen allein diese 5 Länder 43% der Weltbevölkerung, 18% des Weltbruttoinlandprodukts und halten 40% der weltweiten Währungsreserven. Das sind überzeugende Zahlen für kleinere Länder die sich für Alternativen zur Weltbank und IWF interessieren.
Seit der Ukraine Krise vertiefen insbesondere Russland und China ihre Beziehungen und treiben grosse Infrastruktur Projekte voran. Auf der Krim-Halbinsel investiert China 10 Milliarden US-Dollar in eine Wirtschaftszone und Hafen, welche als Verbindung für die neue Seidenstrasse nach Europa dienen soll. In Sibirien investiert Peking Milliarden US-Dollars, um die Ressourcenreiche Region durch riesige Infrastrukturprojekte an China anzubinden.

Auch von Seiten der Gasproduzierenden Länder scheint sich eine Bereitschaft zu entwickeln, ihre Ressourcen als politisches Instrument zu nutzen, ähnlich wie es die OPEC getan hat. Als der russische Vize-Aussenminister Gregori Karasin Anfang Mai zu Gesprächen in Doha/Qatar weilte, gab es keinerlei Kritik am russischen Vorgehen in der Krim-Frage. Der Emir vor Qatar zeigte sich von der "überzeugenden und kohärenten Regionalpolitik der russischen Föderation" beeindruckt. Beiden Seiten kamen überein, dass man die "Koordination des Forums der Gasexportierenden Länder ausbauen müsse". Das kam einem Ruf nach einem Gaskartell gleich. Denn die drei grössten Gasproduzierenden Länder auf der Welt sind Russland, Iran und Qatar, und alle drei Länder sehen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit dem gleichen Gegner konfrontiert: die USA.

Es ist daher kein Wunder wenn Washington die Ukraine Krise zu benutzen versucht, um Druck auf die Europäische Union und einige asiatischen Länder auszuüben, um sie durch Abkommen an die amerikanische Wirtschaft zu binden und sie vor den sich anbahnenden Alternativen abzuschrecken. Gerade Deutschland als Viertgrösste Wirtschaftsmacht der Welt mit ihren tiefen Verflechtungen nach Russland und China ist alles andere als daran interessiert, sich von Russland oder ganz zu Schweigen von China loszulösen. Die amerikanischen Sanktionen zielen aber genau in diese Richtung ab und versuchen einen Keil in diese Verflechtungen zu treiben.








 

Mittwoch, 4. Juni 2014

Ukraine: Jüdische Regierung mit Nazi-Sturmtruppe

Nach der Wahl von Petro Poroschenko zum Präsidenten der Ukraine, wurde diese Wahl als fair und "regelkonform" gefeiert. Als Ministerpräsident wurde der bisherige Interimspräsident der Coup-Regierung Arseniy "Jats" Jatsenjuk bestätigt, während ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko sehr zur Freude von Millionen von Deutschen die Wahl zum Bürgermeister in Kiev gewonnen hat. Was verbindet diese Herren ausser ihrer Nationalität noch weiter? Sie alle haben jüdische Wurzeln. Man hat zwar in US-Medien, und insbesondere in jüdischen US-Medien darüber spekuliert ob Petro Poroschenko womöglich ein Jude sein könnte, aber für die Ukrainer selbst war das (noch) kein Thema.

Nur um eines von vornherein klarzustellen: es soll sich hier keinesfalls um einen antisemitischen Beitrag handeln, sondern lediglich die Realität in einem der antisemitischsten Länder der Welt wiederspiegeln.
Hätten nämlich Poroschenko oder Jatsenjuk ihre jüdischen Wurzeln nicht verschleiert, wären sie niemals von den Ukrainern im Amt bestätigt worden. Der Vater des neuen Präsidenten, Alexei Valtsman, hatte den Mädchennamen seiner Frau angenommen um seinem Sohn in einem antisemitischen Umfeld nicht die Zukunft zu verbauen.
Nicht anders bei Arseniy Jatsenjuk, sein Versuch die jüdischen Wurzeln zu verschleiern brachte ihm bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009 jede Menge Ärger ein.
Auch Vitali Klitschko, der über eine enorme Fangemeinschaft in Deutschland verfügt, hat jüdische Wurzeln. Nicht umsonst wurde Klitschko vom Zentralrat der Juden in Deutschland während der Maidan-Proteste unterstützt und als "Kraftpaket an Courage" bezeichnet. 

Obwohl nun der Präsident und der Ministerpäsident der Ukraine, sowie der Bürgermeister von Kiev, jüdische Wurzeln haben, müssen sie offensichtlich gemeinsame Sache mit Neo-Nazis und Rechtsradikalen des Pravy Sektor und Svoboda machen, da diese Elemente über zu grossen Einfluss seit dem Sturz von Viktor Janukovitsch in der Ukraine erreicht haben. Die israelische Regierung zeigte sich in dieser Frage überraschenderweise ziemlich pragmatisch, man einigte sich mit den Neo-Nazis des Pravy Sektor um "Provokationen" gegenüber den Juden zu vermeiden.


Wie ich schon berichtet habe, sind die Sturmtruppen des Pravy Sektor in die neu formierte und teilweise von der US-Regierung finanzierte Nationalgarde integriert worden, und sorgen für die brutalen Übergriffe auf die russischsprachigen Demonstranten im Osten und Süden der Ukraine. Über welchen Einfluss diese rechtsradikalen Elemente verfügen, zeigt sich deutlich im Ausdruck ihrer Überzeugung auf der Insignie ihrer neuen Uniformen.


Man könnte vielleicht noch argumentieren, dass das Hakenkreuz nur ein Zufallsprodukt unserer Phantasie ist und nicht wirklich jenem Hakenkreuz der Nazis ähnelt.
Betrachtet man sich aber die Insignien des Azov-Battailons, welches eine Einheit der Nationalgarde darstellt und aus "Freiwilligen" bestehen soll die die "Terroristen" bekämpfen, dann ergibt die offizielle Insignie der Nationalgarde durchaus Sinn. Denn die Insignie des Azov-Battailons vereint zwei Embleme aus dem Dritten Reich: die Schwarze Sonne und der SS Panzer-Division (oder auch der Wolfsangel, welche man bei vielen Aktivisten der Svoboda Partei als Armband sieht).