Dienstag, 30. Januar 2018

Checkpoint zwischen Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken

Ob man es als Checkpoint betrachten möchte, oder als Grenze, liegt ganz im Auge des Betrachters. Ein Checkpoint ruft eher Assoziationen mit einer Armeekontrolle hervor, die überall auf einem Territorium errichtet werden kann und was für manche nicht weniger wichtig ist, genauso schnell wieder verschwinden kann. Eine Grenze hingegen hat etwas permanentes. Eine klare (und manchmal nicht so klare) Trennlinie zwischen zwei Ländern, zwischen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen. Ist von einer Grenze die rede, denkt man an Zollabfertigungen von Waren, von Visabestimmungen und Einfuhrverordnungen. Der offiziell als Checkpoint bezeichnete Übergang Jelenowka, einer von sechs Übergangen zwischen der Ukraine und der selbstausgerufenen Volksrepublik Donezk, hat sich in allem, nur nicht dem Namen nach, in eine Grenze verwandelt.

Täglich passieren im Schnitt 2500 Menschen (offizielle Zahlen des DNR-Grenzkorps) diesen Checkpoint Jelenowka in die Ukraine und wieder zurück in die Volksrepublik. Würde die militärische Front nicht so nah an diesem Übergang vorbeilaufen, und würde man nicht von Zeit zu Zeit Schüsse hören, würde Jelenowka auch tatsächlich wie eine ganz normale Grenze aussehen. Autos und Busse stehen in einer noch relativ kleinen Schlange, als wir um 11.30 Uhr eintreffen und warten geduldig auf die Überfahrt in die Ukraine. Alle Personen müssen sich beim Grenzhäuschen melden, sich vorweisen und angeben, ob sie etwas zu verzollen haben. Anschliessend erhalten sie ein Ticket pro Fahrzeug oder Fussgänger, mit welchem sie beim Grenzbeamten ihre Registrierung nachweisen und weiterfahren können. Alles in allem nimmt dieser Prozess je nach Menschenmenge zwischen zehn bis dreissig Minuten in Anspruch. Und dennoch müssen sie alle länger warten. Wenn es gut läuft eineinhalb Stunden. Wenn es schlecht läuft, viereinhalb Stunden. Und wenn es ganz schlecht läuft, dann warten sie den ganzen Tag und kommen am Ende doch nicht rüber.


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Was Sigmar Gabriel in der Ukraine verpasst hat

Während seines Ukraine Besuches Anfang Januar, wollte sich Bundesaussenminister Sigmar Gabriel eigentlich auch selbst ein Bild von der Front machen. Geplant war die Frontbesichtigung irgendwo in der Nähe von Mariupol, dem Zentrum der griechischen Kultur im Donbass. Mariupol, was auf griechisch die "Stadt Marias" bedeutet, liegt am Asowschen Meer und an der Mündung des Flusses Kalmius, der sich durch die selbsternannte "Volksrepublik Donezk" schlängelt und mitten durch die Hauptstadt der Volksrepublik verläuft. Als Wasserspender für die Region kommt dem Fluss eine zentrale und strategische Rolle zu, da die Sommer sehr heiss und trocken sind.

Wo und mit wem genau sich Aussenminister Gabriel treffen wollte, ist nicht bekannt. Es ist nicht auszuschliessen, dass er die Tour zusammen mit dem Neonazistischen Asow-Bataillon unternommen hätte, welches Mariupol fest in ihrem Griff hält. Nicht dass er der erste westliche Besucher bei Asow wäre. Die amerikanischen Senatoren John McCain und Lindsay Graham waren schon da, NATO-Offiziere lassen sich gerne die Situation vor Ort von Asow-Vertretern erklären und schütteln ihnen lachend die Hände, nichtsahnend - oder einfach ignorierend, das weiss man nicht so genau -, dass diese Leute denen sie die Hände schütteln, der gleichen Ideologie anhängen, die von ihren eigenen Vätern und Grossvätern vor über siebzig Jahren in Europa bekämpft wurde. Aber ein Besuch von einem deutschen Bundesaussenminister bei Asow, das hätte eine ganz andere Qualität. Nicht nur weil er der erste Staatsmann wäre, sondern ein deutscher Staatsmann! Es wäre ein Verrat an der gesamten Geschichte und Politik der Nachkriegsjahre der Bundesrepublik Deutschland, wenn ein Bundesaussenminister und Vizekanzler die Hände von Nazis in der Ukraine schüttelt.

Da ich selbst leider nicht nach Mariupol reisen darf, ohne mich der Gefahr einer Verhaftung und vielleicht noch Schlimmerem auszusetzen, blieb mir nichts anderes übrig, als die Front in der Nähe von Mariupol von der anderen Seite zu besuchen. Gut, es war wirklich sehr neblig für einen Helikopterflug, wie ihn die Herren Gabriel und Klimkin unternehmen wollten. Aber das Fussvolk bewegt sich nun mal nicht mit Helikoptern, sondern mit Fahrzeugen, von denen wohl ein Grossteil nicht auf deutschen Strassen zugelassen wäre. Trotzdem versprühen diese alten Ladas und Wolgas neben den moderneren Autos einen nostalgischen Charme, der mit dem Geruch von echtem Kaminfeuer noch weiter verstärkt wird. Für die Grünen käme dieses Erlebnis vermutlich einem Horrortrip gleich, aber für die Menschen in den Dörfern ist es die einzige Möglichkeit, ihre Häuser und Familien warm zu halten.

Bild von Zlatko Percinic / Auf dem Weg in Richtung Mariupol


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Montag, 1. Januar 2018

"Judenhass" in Deutschland ist eine zu einfache Erklärung Teil II

Für viele Politiker, Kommentatoren und Bürger in Deutschland reicht es in der gegenwärtigen Situation aus, mit dem Finger auf den "muslimischen Antisemitismus" zu zeigen. Meist kommen die zigfach genannten Vergleiche zum Zug, dass als "Beweis" dafür die gesuchte Kooperation des damaligen palästinensischen Anführers und Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, mit Hitlers Nazideutschland gilt. Es werden dann Bilder bemüht, die Husseini mit Hitler zeigen. Oder es werden Belege angeführt, dass der Mufti (den übrigens niemand anderes als die Briten selbst in den Rang eines Grossmufti erhoben, und dabei palästinensischen Widerstand gegen diese Entscheidung brutal niederschlugen) finanzielle Unterstützung aus Berlin erhielt.

Hans Goldenbaum, Doktorant am Max Planck Institut für ethnologische Forschung in Halle an der Saale, machte in einem Artikel in der ZEIT ONLINE klar, dass Amin Husseini lediglich ein kleines Rädchen im Getriebe der nationalsozialistischen Propaganda war, und schon gar nicht mit einer Stimme für alle "Araber und Muslime" sprach, wie er sich selbst gerne präsentierte. Dass man den "Grossmufti" als Beweis für eine angeblich inhärente antisemitische Haltung von Muslimen im Allgemeinen und Arabern im Besonderen nennt, ist allerdings nur allzu verständlich. Mit Lobpreisungen an den "genialen Führer" Adolf Hitler und seiner festen Absicht, keine weiteren Juden mehr nach Palästina zuzulassen und sie stattdessen lieber "dorthin zu schicken, wo sie unter starker Kontrolle stehen, z.Bsp. nach Polen", lieferte er für den heutigen Diskurs auch mehr als genug Munition. Doch es ist falsch, solche Beispiele aus ihrem historischen Kontext zu reissen und sie für eigene Zwecke und Vorstellungen zu missbrauchen. Und es ist richtiggehend fatal, sie als Beweise für "muslimischen Antisemitismus" anzuführen, und dabei alle Muslime über einen Kamm zu scheren.

Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin, hielt das auch entsprechend korrekt in einem Interview mit der SZ fest:

"Ich finde es schwierig, von 'importiertem Antisemitismus' zu sprechen. Das suggeriert nämlich, dass das Problem von aussen kommt. Antisemitismus ist aber Teil der europäischen Kulturgeschichte, insbesondere der deutschen. Wer das bestreitet, leugnet die schlimmsten Verbrechen, die es je gegeben hat. Antisemitismus in Deutschland hat viele Ausdrucksformen. Der Kern ist häufig die Überzeugung, dass es eine jüdische Verschwörung gibt. Juden gelten als das ultimative Andere, das ultimative Böse."
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