Dienstag, 4. Dezember 2012

Für was Patriot Raketen in der Türkei?

Kaum hatte die türkische Regierung ihre Anfrage für das Patriot-Abwehr-Raketensystem bei der NATO platziert, hätte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière am liebsten schon die ersten Herkules Transportflugzeuge beladen lassen und die Raketen samt Soldaten in die Türkei entsandt. Dies weil Deutschland nebst den Niederlanden der einzige NATO-Bündnispartner mit Patriot-Raketen ist.
Als Grund für diese Anfrage gab Ankara an, diese Raketenabwehr diene der Verteidigung türkischen Territoriums an der Grenze zu Syrien.

Gemäss Raytheon, dem Hersteller der Patriot Raketen, dient diese Waffe als Abwehr von ballistischen Raketen, Flugabwehr, Cruise Missiles und gegen Drohnen.


Nach dem ersten Sturm der Entrüstung hauptsächlich aus Moskau und Teheran bezüglich der sehr wahrscheinlichen Stationierung der Raketen, immerhin wurde das entsprechende Radarsystem der NATO bereits im Sommer in Malatya eingerichtet, äusserten sich einige NATO-Diplomaten dass die "Raketen nicht zum Abschuss von Flugzeugen konfiguriert werden, sondern zum Abschuss von Ballistischen Raketen welche türkisches Territorium oder Eigentum bedrohen".

Das die Konfiguration des Raketensystems angesprochen wird, liegt daran dass Russland, Iran und Syrien in diesem Vorhaben die Errichtung einer Flugverbotszone über Syrien als tatsächliches Motiv der NATO sehen.
Diese Befürchtung ist naheliegend und nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Immerhin haben schon diverse Länder, allen voran die Türkei, USA, Frankreich und Qatar, so eine Flugverbotszone gefordert. Strategisch würde also das Patriot-System für solch einen Fall durchaus Sinn machen und einen klaren "game-changer" im Konflikt in Syrien darstellen. Den Rebellen wurden bereits aus den qatarischen und saudischen Beständen Schulter-Flugabwehr Raketen zur Verfügung gestellt, so dass die syrische Luftwaffe gezwungen wurde aus deutlich höheren Positionen ihre Operationen durchzuführen. Und in diesen Höhen könnten die veralteten Jagdbomber wie Tontauben von dem Patriot-System abgefangen werden.

Taugt das System aber auch tatsächlich zur Verteidigung der Türkei, wie es Ministerpräsident Erdogan begründet hatte? Ja und Nein! Syrien verfügt tatsächlich über ein nicht unerhebliches Arsenal an Ballistischen Raketen welche in der Theorie für einigen Schaden sorgen könnte. Bis heute aber, gab es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der syrische Präsident Bashir al-Assad jemals seinen deutlich überlegenen Nachbarn mit seinem Arsenal bedroht, noch so eine Rakete abgefeuert hat. Für die bisherigen Scharmützel an der Grenze Türkei-Syrien mit Mörsergranaten ist das Patriot-System völlig untauglich und kann rein gar nichts ausrichten. Für die Verteidigung solcher bisherigen Einzelfälle ist die türkische Armee bestens ausgerüstet, gilt die Türkei immerhin als 6-stärkste Armee der Welt (Syrien Platz 35!) und kann sich im Notfall auf die Hilfe der NATO berufen.

Es muss also nebst dem angeblichen Sicherheitsaspekt auch noch weitere Gründe für die Stationierung der Raketen geben. Und bereits während ich diesen Bericht schreibe, liefern die USA UND Israel ihre Gründe dafür. Wieder fällt das Wort "Rote Linie", dieses mal ist die Bestückung der syrischen Raketen mit giftigen Chemikalien gemeint. Die USA und "befreundete Geheimdienste" (wer könnte wohl damit gemeint sein?) hätten entdeckt, dass Teile davon durch das syrische Militär aus den Lagern genommen wurden. Da haben wir es also: die Patriot Raketen müssen dringend her weil Assad verrückt geworden ist und mit chemisch bestückten Sprengköpfen auf seinen Raketen seine eigene Vernichtung herbeirufen will. Das oder so ähnlich ist zumindest die Nachricht die Aussenministerin Hillary Clinton mit ihrer Botschaft der "Roten Linie" den Menschen vermitteln wollte. Das aber das Patriot Radarsystem bereits seit dem Sommer in der Türkei installiert steht, und ohne die entsprechenden Raketen völlig nutz- und sinnlos wäre, hat sie wohl vergessen zu erwähnen. Und auch, dass die Mehrheit der syrischen Bevölkerung nach wie vor hinter Präsident Assad steht, schlicht und ergreifend deswegen weil die Rebellen sich immer offener als Hardcore Islamisten präsentieren und stolz auf ihre Terrorakte à la Al Qaida sind.

Es sind Gruppierungen wie Jabhat-al Nusra die die Schlachtfelder des Iraks verlassen haben und sich nun im syrischen Jihad, wie sie es selbst nennen, gegen säkulare Diktatoren aufbegehren. Für Washington ist diese Gruppierung keineswegs ein unbeschriebenes Blatt. Es sind die gleichen wahhabitischen Hintermänner die die USA im Irak verfolgt haben und welche enge Kontakte zur Al Qaida im Irak pflegte. Sie sagen von sich selbst dass sie "finanziell besser ausgerüstet sind als andere Gruppen, und das der Glaube effektivere Krieger aus ihnen macht". Nicht nur finanziell, auch Waffentechnisch sind diese extremsten Gruppierungen ihren "Waffenbrüdern" der "Freien Syrischen Armee" haushoch überleben. Von Wahlen nach einem Sieg über Assad wollen sie auch nichts wissen. Und dann die abschliessende Warnung: "Wenn wir mit Assad fertig sind, werden wir die USA bekämpfen!"



Für wahhabitische Terrororganisationen stellen die muslimischen Länder welche einer westlichen Politik folgen, ein legitimes Ziel dar. Sollten Gruppen wie Jabhat-al Nusra tatsächlich eines Tages Präsident Assad mit Hilfe (hauptsächlich) von Frankreich, Saudi Arabien und Qatar stürzen können, wäre die Türkei für die grössten Fanatiker ein logisches Ziel.

Könnte es also sein, dass sich die Türkei eventuell gegen solch ein Szenario mit den Patriot Raketen absichern möchte?


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