Freitag, 30. November 2012

Historischer Sieg für Palästina

Auf den Tag genau nach 65 Jahren entschied eine absolute Mehrheit der UN-Generalversammlung am 29.11.2012 der Weltgeschichte eine neue Wendung zu geben.

Die Palästinenser erhalten den zwar symbolischen Status als Beobachternation, genau wie der Vatikan. Von den insgesamt 193 Nationen, stimmten 138 für die Erteilung dieses aufgewerteten Status und nur 9 Staaten dagegen. "Nur" deshalb, weil von den grössten unkritischen Unterstützern Israels effektiv nur die USA, Kanada und Tschechische Republik übrig blieben (nebst Israel, Marshall Inseln, Mikronesien, Nauru, Panama und Palau) die dagegen stimmten. Deutschland, welches sich nach wie vor noch nicht traut die Fesseln der eigenen Geschichte abzuschütteln enthielt sich der Stimme, genau so wie Grossbritannien und Australien die über eine immens einflussreiche pro-Israel Lobby und über eine starke jüdische Minderheit verfügen. Und genau DAS war die grosse Überraschung in New York!



Zum einen sorgte der "Blitzkrieg" von Gaza dafür das die Probleme von Palästina wieder in das Interesse der Weltöffentlichkeit rückte und einige Staaten deshalb ihre Meinung änderten (Deutschland wollte eigentlich dagegen stimmen, enthielt sich nun aber der Stimme, genau wie Grossbritannien). Zum anderen scheinen viele Länder an einem Punkt angekommen zu sein, wo sich das Leid der Palästinenser nicht mehr weiter ignorieren lässt und sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die "Verhandlungen" für eine Zwei-Staaten Lösung von Israel bisher nur dafür genutzt wurden um Fakten auf dem Boden zu schaffen. Interessant sind nach dieser Wahl die Reaktionen von Israel und den USA: der israelische UN-Botschafter in New York, Ron Prosor, schimpfte dass "der einzige Weg zum Frieden durch Verhandlungen und Kompromisse beider Partner ist, und nicht durch UNO-Resolutionen". Herr Prosor scheint dabei vergessen zu haben wie Israel überhaupt zur Staatsgründung gelangen konnte, genau über jene UN-Resolutionen von welchen er nun nichts wissen will.
Auch US-Aussenministerin Hillary Clinton nannte diese historische Abstimmung "kontraproduktiv und unglücklich", weil es nun noch schwieriger werden würde eine Lösung für den Palästina Konflikt zu finden.

Weshalb Israel nichts von irgendwelchen UN-Resolutionen hören möchte liegt nicht nur daran dass diese einfach ignoriert werden, sondern auch an den Feststellungen der diversen Kommissionen zu Palästina und ihren Schlussfolgerungen. Es ist ja nicht so das niemand wüsste was sich in Palästina alles abspielt, das ist alles sehr wohl bekannt wie der Bericht zur Abstimmung von Gestern gezeigt hatte (siehe hier). Nur interessiert das niemanden beziehungsweise wird es von den Medien schlichtweg ignoriert.

Viele dürften sich vielleicht die Frage nach dem "Warum jetzt?" stellen, also wieso ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt dieser Weg eingeschlagen wurde. Nun, einerseits spielt die Symbolik von diesem Datum eine enorme Rolle: genau vor 65 Jahren entschied man in der selben Umgebung über die Köpfe der Palästinenser hinweg über ihr weiteres Leben, welches sich nicht zum Positiven entwickelt hatte wie man bekanntlich weiss. Andererseits hat "Palästinenserpräsident" Mahmoud Abbas erkannt, dass er den Status Quo mit Israel nicht mehr länger seinem Volk verkaufen kann. Zu lange galt er als Marionette Israels musste sich zurecht Vorwürfe des Ausverkaufs und Verrats des palästinensischen Volkes anhören. Der Friedensprozess des Nahost Quartetts existierte nur noch auf dem Papier, genau so wie die Verhandlungen zur Umsetzung des von beiden Seiten unterschriebenen Abkommens von Oslo, welche eine Zweistaaten Lösung vorsah. Das einzige Land (die USA) das wirklich etwas hätte bewirken können, hat den Mantel des Unparteilichen an den Nagel gehangen und unterstützt mit allen nur erdenklichen Mitteln nur eine Seite der Konfliktparteien: Israel!
Die grosse Wende kam aber mit Präsident Obama der 2009 einen kompletten Stopp für ALLE weiteren Siedlungspläne Israels forderte und dabei Abbas aufforderte, die gleiche Linie zu vertreten. Das war zwar für alle Menschen in der West Bank eine logische und längst überfällige Massnahme, aber für einen offiziellen politischen Standpunkt stellte diese Bedingung ein Novum dar. Doch mit einem amerikanischen Präsidenten der sich offen für die Probleme der Palästinenser zeigte, dachte Abbas wohl das man solch ein Risiko im Umgang mit der israelischen Regierung eingehen könnte. Schnell zeigte es sich aber dass Obamas Aufruf zum Siedlungs-STOPP nur heisse Luft war. Für Mahmoud Abbas aber war das Zurückrudern Obamas ein absoluter Albtraum. Plötzlich stand er alleine mit dieser Forderung da und konnte aber vor seinem Volk nicht mehr davon zurückweichen. Israel dagegen hatte allen Grund zur Freude. Nicht nur das der amerikanische Präsident dem Druck der Israel-Lobby nicht gewachsen war und von seiner Forderung abwich, nein, die Regierung Netanyahu nahm das Geschenk Obama`s mit Kusshand an und konnte nun mit dem Finger auf die Palästinenser zeigen und behaupten, dass die PLO von dem gewohnten Weg der Verhandlungen abgekommen ist und nun plötzlich Bedingungen stellt. Zu diesem Zeitpunkt war es ein diplomatischer Sieg auf ganzer Linie für Israel.

Jüdische Siedlungen wurden mit Hochdruck in der West Bank ausgebaut, Eigentum von palästinensischen Familien enteignet die seit Jahrhunderten auf dem Grund und Boden lebten und ihre Äcker und Olivenhaine bestellten. Der arabische Teil der Heiligen Stadt, Ost-Jerusalem, welcher als Hauptstadt für einen künftigen Staat Palästina dienen soll, systematisch an den jüdischen Teil der Stadt durch Siedlungen angebunden und gleichzeitig die Verbindung von Ost-Jerusalem zur West Bank durch weitere Siedlungen abgetrennt. Seit dem berühmten Sechstagekrieg von 1967, für viele israelische Intellektuelle der Zeitpunkt wo das Unglück für den noch jungen Staat seinen Anfang nahm, hat Israel mehr als 1/3 von Ost-Jerusalem annektiert und durch jüdische Wohnungen bebaut. Über 14`000 Palästinensern aus Ost-Jerusalem wurde die Aufenthaltsgenehmigung entzogen und somit die Rückkehr zu ihren Wohnungen und Häusern verwehrt. 78% der noch in der Stadt lebenden Menschen fristen ihr Dasein unter der Armutsgrenze. Hingegen werden den Siedlern wie sie jegliche Anreize wie Steuererlass, günstige Immobilienpreise und leichterer Zugang zu Hypotheken geboten damit sie das illegal okkupierte Land bewohnen. Manche ziehen tatsächlich aus finanziellen Nöten in die Siedlungen, andere sehen es als ihre göttliche Pflicht das biblische Land von Judäa und Samaria in jüdisches Land zu verwandeln. Sämtlichen israelischen Bekundungen zur Verhandlungsbereitschaft betreffend einer Zwei-Staaten Lösung mit den Palästinensern zum Trotz, im Jahr 2011 lebten bereits über eine halbe Million Siedler in Ost-Jerusalem und West Bank. Das bedeutete eine Zunahme von 13`000 Siedlern nur allein im Vergleich zum Vorjahr 2010!


 Israelische Soldaten "verteidigen" die Siedler vor den Palästinensern welche von ihrem Land vertrieben wurden, obwohl die Sielder selbst oft äusserst umfangreich bewaffnet sind.
(jüdische Siedler aus den USA gelten als die Gewalttätigsten)

Was blieb Mahmoud Abbas also anderes übrig als die Mittel zu nutzen die ihm zur Verfügung standen? Seine PLO ist nicht die Hamas und verfügt auch nicht über solche Waffen, von den Amerikanern konnte er sich nichts erhoffen und Israel würde zwar gerne verhandeln und verhandeln, nur um aber weitere Fakten auf dem Boden zu schaffen. Es blieb ihm im Grunde genommen gar keine andere Wahl als auf dem internationalen Parkett die Anerkennung für sein Volk zu suchen, welche ihnen seit Jahrzehnten verwehrt blieb. Im Vorfeld dieser historischen Abstimmung musste er sich zahlreiche Drohungen aus Washington, London und Jerusalem anhören. Der israelische rechtsgerichtete Aussenminister Avigdor Lieberman drohte: "Sollten die Palästinenser zur UN-Vollversammlung mit einer neuen unilateralen Initiative gehen, müssen sie wissen dass sie mit neuen Strafmassnahmen von Israel und den Vereinigten Staaten rechnen müssen."  Woher der Aussenminister sich das Recht nehmen konnte für die USA zu sprechen, oder noch schlimmer, mit deren Strafmassnahmen zu drohen, hatte er nicht weiter erläutert. Ein weiteres Dokument aus dem israelischen Aussenministerium meinte als Konsequenz zu diesem Vorgehen Abbas`: "Das Regime von Abbas zu stürzen wäre die einzige Option in diesem Fall. Jede andere Option würde heissen eine Weisse Flagge zu wehen und zuzugeben dass die israelische Führung mit dieser Herausforderung gescheitert ist."

Kurz nach der Bekanntgabe des Abstimmungsresultates von New York, machte der israelische Ministerpräsident Benyamin Netanyahu seine erste Drohung wahr: er ordnete den Bau von 3000 neuen Siedlungseinheiten an!

 Dennoch darf an dieser Stelle dem palästinensischen Volk für diesen enormen Erfolg gratuliert werden und die Hoffnung geäussert werden, dass es der erste wirkliche Schritt in Richtung Heimat für die Palästinenser ist.

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