Samstag, 1. November 2014

Israel (wieder) in tiefer Krise

Israel befindet sich in der tiefsten Krise seit dem Ende der Zweiten Intifada - oder Al Aqsa Intifada - im Jahr 2005. Diese Krise ist das direkte Resultat der Symptome, die der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin als "Krankheit der israelischen Gesellschaft" bezeichnet hat. Und sie kam alles andere als unerwartet oder überraschend. Diese Krise ist sogar so tief, dass sich die israelische Tageszeitung Haaretz in der heutigen Ausgabe (30.10.14) getraut hat ein Cartoon zu veröffentlichen, in dem ein israelisches Flugzeug abgebildet ist das auf ein amerikanisches Hochhaus zusteuert. Als Pilot des Flugzeuges sieht man den israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu.

Das Haaretz solch ein Cartoon veröffentlicht indem die für die USA so traumatischen Ereignisse von 9/11 nachgebildet werden, zeugt von den enormen Spannungen in denen sich Israel befindet. Und dass es Netanyahu ist der in diesem Cartoon das Flugzeug lenkt, beantwortet auch jegliche Frage wer für diese Krise verantwortlich gemacht wird.

Es ist die rechtsgerichtete Regierung von Binyamin Netanyahu die für diese Krise verantwortlich ist. Der Grund weshalb sich diese Krise überhaupt in dieser Art und Weise manifestieren konnte, liegt darin begründet dass prinzipiell die mächtigsten EU-Länder und natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika sowie Kanada und Australien nach wie vor eine Israel-Politik betreiben, die dem Geiste des Kalten Krieges entspricht. Solange sich Israel als "demokratisches Bollwerk" gegen den Kommunismus in Form der Sowjetunion nutzen liess, indem es immer wieder Kriege gegen von den Sowjets unterstützten arabische Länder führte, interessierte sich niemand für die israelischen Eroberungen, illegalen Siedlungen oder die Palästinenser.

Doch der Kalte Krieg gehört schon längst der Vergangenheit an, auch wenn die Welt heute mit grossen Sprüngen auf dieselbe Krise mit den selben Akteuren zusteuert. Israel hat einfach zu viele unschuldige Menschen getötet, zu viele internationale Gesetze und Normen gebrochen, zu viele illegalen Siedlungen gebaut und führt zu lange eine illegale Besatzung aus und unterdrückt dabei Millionen von Palästinensern, als dass die Welt im Internetzeitalter nicht mehr hinschaut. Heute wird Schweden als erstes EU-Land einen Staat Palästina anerkennen (Israel`s Aussenminister Liebermann meinte dazu: "Schweden muss verstehen dass der Mittlere Osten komplexer als IKEA ist"). Weitere Länder werden mit Sicherheit folgen. Diese Anerkennungen werden zwangsläufig dazu führen, dass diese Länder auch offiziell die israelische Besatzung in irgendeiner Art und Weise bestrafen werden müssen.

Und was machen Washington, London, Berlin oder Ottawa? In der öffentlichen Wahrnehmung tun sie genau das Gegenteil. Es werden Lobpreisungen wie "... unsere Allianz ist eine Ewige, für immer" oder "Israel ist ein Licht der Freiheit und Demokratie in einer Region der Dunkelheit" gesungen, die die Realität völlig ignorieren.
US-Präsident Barack Obama hat es mit einem "Friedensprozess" versucht, der aber von der Regierung von Netanyahu von Anfang an torpediert und mit immer weiteren Forderungen und Ankündigungen von illegalen Bautätigkeiten in Palästina quittiert wurde. Aussenminister John Kerry musste sich übelste Beleidigungen gefallen lassen, die auf diplomatischer Ebene schlichtweg keinen Platz haben. Als der israelische Verteidigungsminister und in einigen Ländern als Kriegsverbrecher gesuchte Moshe "Boogie" Ya`alon letzte Woche zu Besuch in Washington weilte um sich mit seinem Gegenpart Chuck Hagel zu treffen, verwehrte ihm das Weisse Haus aber weitere Treffen wie mit dem Aussenminister, Vize-Präsidenten oder der Nationalen Sicherheitsberaterin von Obama.

"Netanyahu ist Hühnerkacke"
Eine weitere Eskalation der Verbalattacken folgte auf dem Fusse. Es ist kein Geheimnis dass Israel mit massiver Lobbyarbeit versucht die Kongressabgeordneten in den USA zum Thema Atomverhandlungen mit Iran auf die eigene Linie zu bringen. Doch wenn Netanyahu erzählt dass er im Falle einer Einigung mit dem Iran plant, sich direkt an den US-Kongress und das amerikanische Volk zu wenden weil er die Obama-Administration "abgeschrieben" hat, dann mischt er sich als ein ausländisches Staatsoberhaupt in die inneren Angelegenheiten der USA ein was natürlich alles andere als gut in Washington ankommt. "Die Sache mit Bibi ist, er ist Hühnerkacke", soll ein frustrierter US-Offizieller der Regierung in einem Interview mit Jeffrey Goldberg gesagt haben. Daraufhin schoss der rechtsextreme, Stellvertretende Sprecher der Knesset (israelisches Parlament) Moshe Feiglin zurück:
"Sollte sich Amerika nicht offiziell von der gestrigen Attacke gegen Ministerpräsident Netanyahu distanzieren, können wir festhalten dass unter Obama sich die USA auf ein kulturelles und grundsätzliches Level eines Drittweltlandes verschlechtert haben. Ihre Zukunft (der USA) liegt bereits hinter ihnen."

Diese ebensowenig charmante Bezeichnung wie jene des israelischen Verteidigungsministers gegenüber John Kerry und Obama selbst, zeigt die tiefen Probleme der beiden Länder. Dass aber Binyamin Netanyahu ein offensichtliches Problem mit seinem Image hat, ist nicht neu.
Er stand als Oppositionsführer an vorderster Front als die Friedensgegner von Ministerpräsident Yitzak Rabin seinen Tod forderten, was dann schliesslich aus diesem Klima des Hasses auch tatsächlich geschah.


Leah Rabin, die Witze des ermordeten Ministerpräsidenten, hat Netanyahu nie für die Rolle verziehen die er in diesem Klima des Hasses gegen Rabin gespielt hatte. In einem Brief an einen Freund schrieb Leah Rabin 1998:
"Ich hoffe, bete, dass die Tage dieser Regierung (von Netanyahu) gezählt sind. Benjamin Netanyahu ist ein korruptes Individuum, ein streitsüchtiger Lügner der alles ruiniert was in unserer Gesellschaft gut ist. Er reisst alles in Stücke, und in der Zukunft werden wir alles wieder aufbauen müssen."
Was Leah Rabin vor 16 Jahren geschrieben hat, erscheint heute wie eine traurige Prophezeiung die sich bewahrheitet hat. Aber sie stand nicht alleine da die eine negative Meinung von Binyamin Netanyahu hatte:
Das Problem aber ist, dass der grösste Teil der Menschen diese verbalen Ausrutscher gar nicht kennen um überhaupt eine Diskrepanz zwischen der offiziellen und inoffiziellen Politik festzustellen. Sie messen die Unterstützung von Washington, London oder Berlin nicht aufgrund von persönlichen Beleidigungen, sondern aufgrund von messbaren Ergebnissen. Und da sieht die Bilanz leider ganz anders aus.

Während sich die Politiker als Lügner, Feiglinge oder sogar Hühnerkacke beschimpfen, ist der illegale Siedlungensbau in dem Staat welcher heute von Schweden anerkannt wurde, in nur einem Jahr um 124% gestiegen. Erst im Mai veröffentlichte Netanyahu die Pläne für den Bau von 13851 neuen Siedlungseinheiten in Palästina.




































Es ist die Besatzung und illegale Kolonisierung von Palästina die messbar ist und die die Menschen natürlich interessiert. Die alten israelischen Parolen, dass Israel "keinen Partner für Frieden hat" oder dass Netanyahu an einer Zwei-Staaten Lösung interessiert ist, werden angesichts dieser Daten und Fakten als das enttarnt was sie von Anfang an waren: nur ein Mittel um Zeit zu gewinnen während die illegalen Siedlungen weiter ausgebaut und neu gebaut werden.
Natürlich weiss das die Europäische Union auch. Aber solange Brüssel nicht mit einer kohärenten Politik gegenüber Israel auftreten kann, kann und wird sich daran nichts ändern.

Erst kürzlich ist ein "Geheimdokument" aus Brüssel der israelischen Tageszeitung Haaretz zugespielt worden, woraus ersichtlich ist dass die EU mit Israel über Brüssel`s "rote Linien" in der West Bank sprechen will. Zwar gab es bereits erste Anzeichen aus der EU dass man die weitere Kolonisierung nicht mehr einfach so hinnehmen möchte, indem die Europäische Kommission Richtlinien für die Mitgliedsstaaten im Umgang mit israelischen Unternehmen aus den besetzten Gebieten erlassen hat, doch haben diese keinerlei Einfluss auf die israelische Regierung gehabt. Die Angst bei den Unternehmen war im Gegensatz dazu durchaus spürbar, doch der Aufruf von den TOP-Unternehmen an Netanyahu das Siedlungsprojekt zu überdenken blieb ungehört. Diese "roten Linien" sollen nun Berichten zufolge auch mit der Androhung von Sanktionen gegen Israel untermauert werden, was als Zeichen gewertet werden darf dass es bald mehrere EU-Staaten geben wird die einen Staat Palästina anerkennen werden.

Ein Punkt aus der Liste der europäischen "roten Linien" ist natürlich nebst der Siedlungspolitik der "Status Quo des Tempelbergs". In den letzten Wochen versuchte die Regierung von Netanyahu genau an diesem Status Quo zu rütteln, als man anfing den Zugang zum Tempelberg für Palästinenser zu restriktieren; natürlich aus Sicherheitsgründen. Jedem Palästinenser der jünger als 50 Jahre war, egal ob Palästinenser aus der West Bank oder Israel (sprich Bürger des Staates Israel), wurde der Zugang zum Tempelberg und somit zu den wichtigsten Heiligtümern verwehrt.

Tempelberg Status Quo
Was ist aber dieser ominöse "Status Quo"  des Tempelbergs, welchen Netanyahu nicht müde wird zu betonen dass er ihn nicht ändern möchte, aber wie so vieles das er sagt genau das Gegenteil dessen ist was er tut?

Der Tempelberg oder Haram al-Sharif beherbergt für die drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam einige der wichtigsten Heiligtümer überhaupt. Dazu kommt, dass für die Palästinenser der Haram al-Sharif nicht nur religiösen Charakter besitzt, sondern es zudem der Ausgangs- und Mittelpunkt der palästinensischen Kultur darstellt. Seit dem Zionismus und der Gründung des modernen Staates Israel, und der darauf folgenden Vertreibung oder Deklassierung der Palästinenser als Bürger zweiter Klasse, kam noch wie im Falle des Zionismus eine nationale Komponente hinzu. Der Haram al-Sharif wird von den Palästinensern als ihre letzte Bastion der nationalen und kulturellen Bindung zu diesem Land eingestuft, was die Vehemenz und Sensibilität erklärt die sie bei jeglicher Art von Störung des "Status Quo" empfinden. Für religiös-nationalistische Juden gilt das selbe Prinzip, mit dem Unterschied aber dass sie nicht gegen den Verlust ihrer Identität ankämpfen, sondern gegen die aus ihrer Sicht "fremde" Herrschaft über den Tempelberg.

Dabei war es der in Israel als Kriegsheld gefeierte Moshe Dayan selbst, der nur Stunden nach der Eroberung des Tempelbergs im Junikrieg von 1967 den Befahl gab, die israelische Fahne vom Felsendom wieder herunterzuholen und an der bisherigen Ordnung nicht zu rütteln. Diese Ordnung sah so aus, dass der jordanische Waqf sozusagen als Treuhänder für die gesamte muslimische Welt die Heiligtümer des Haram al-Sharif pflegt. Der Anspruch des jordanischen Waqf auf diese Rolle liegt darin begründet, da das Haschemitische Königreich Jordanien eine direkte familiäre Linie zum Stamm der Banu Hashim zurückführen kann, aus dem Prophet Muhammad stammte. Die Rolle als "Wächter der Heiligtümer" im Islam ist nur jenen Familien vorbehalten, die solch eine Abstammungslinie vorweisen können. Die grosse Ausnahme bildet dabei der Klan der Al Saud in Saudi Arabien die sich diese Rolle für die zwei grössten Heiligtümer des Islams in Mekka und Medina usurpiert haben.

Als Israel den Tempelberg im Juni 1967 erobert hatte, entschied sich also Moshe Dayan gegen eine israelische Übernahme des Tempelbergs. Er begründete diese Entscheidung damit, dass der Tempelberg "für die Muslime eine Moschee des Gebets" ist, während es für Juden "nichts weiter als eine historische Stätte zum Gedenken an die Geschichte ist. ... Man sollte die Araber nicht daran hindern sich dort so zu verhalten wie sie es tun." Aus diversen Dokumenten weiss man auch, dass bei dieser Entscheidung, die der damalige Ministerpräsident Levi Eshkol unterstützt hat, auch die Sorge um die internationale Reaktion auf eine potentielle israelische Übernahme des Tempelbergs. Man wusste dass die Weltgemeinschaft sehr empfindlich auf solch einen Schritt reagieren würde und man wollte die anderen territorialen Eroberungen nicht wegen dem Tempelberg aufs Spiel setzen (siehe auch diverse UN-Resolutionen zum Status von Jerusalem).

Es war schliesslich Moshe Dayan der es den Juden verboten hatte auf dem Tempelberg zu beten, aber den säkularen Juden den Zutritt zur Besichtung erlaubte. Gläubige Juden sollten an der Klagemauer, der Westmauer des Tempelbergs, die Möglichkeit erhalten zu beten weswegen das gesamte Maghreb-Viertel dem Erdoben gleichgemacht wurde, und die etwa 6000 Einwohner des Viertels allesamt vertrieben wurden.
Diese Entscheidung teilte er auch dem Waqf mit, die sich mit diesem neuen Arrangement natürlich gut abfinden konnten, da die religiöse Souveränität über den Tempelberg in ihren Händen geblieben ist.

       Moshe Dayan im Gespäch mit den Würdenträgern des Waqf nach der israelischen Eroberung des Tempelbergs

Diese spezielle Rolle des jordanischen Waqf über den Tempelberg wurde schliesslich in dem Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien festgehalten, und das obwohl gleichzeitig die Oslo-Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern stattfanden und die israelischen Unterhändler den Palästinensern versprochen haben, dass sie die religiöse Souveränität erhalten werden.

Das Problem war aber damit alles andere als gelöst. Es gab und gibt immer wieder Versuche von israelischen Organisationen, diesen Status Quo zu ändern und begründen dass damit, dass es nicht sein kann dass Israel zwar die volle Souveränität über Jerusalem ausübt, aber ausgerechnet über den heiligsten Platz des Judentums das nicht kann.
Eine WikiLeaks Depesche aus dem Jahr 2009 zeigt, dass die "Regierung von Israel testet wie weit sie gehen kann um den Status Quo neu zu definieren". Auch ein interner Bericht vom März diesen Jahres der Europäischen Union zeigt die Sorge die in Brüssel über den Status Quo gehegt wird und hält fest, dass Israels Politik in Jerusalem "die unilaterale und illegale Annektierung von Ost-Jerusalem zementiert". Dass man den Worten Netanyahu`s nicht trauen kann und sich stattdessen auf die Handlungen der israelischen Regierung konzentrieren muss, bescheinigt auch eine Untersuchung der israelischen Organisation Ir Amim.

Der rechtsgerichtete Wohnungs- und Bauminister und ehemaliger Anführer der Siedlerbewegung, Uri Ariel, erklärte gegenüber dem israelischen TV-Sender Channel 2:
"Hier an dieser Stelle (dem Felsendom) möchte ich gerne den Tempel sehen. Ich hoffe ich lebe (so lange) um ihn sehen zu können."
Damit nicht genug. Seit Jahren gibt es schon das Temple Institut in Jerusalem, welches sich hauptsächlich damit beschäftigt die uralten jüdischen Reliquien wieder zu beschaffen beziehungsweise herzustellen, die für das Tempelritual erforderlich waren. Das ultimative Ziel des Temple Institut steht an allererster Stelle der Prinzipienerklärung geschrieben:
"Das Tempelinstitut ist allen Aspekten der göttlichen Gebote für Israel verpflichtet um ein Haus für Gottes Präsenz, dem Heiligen Tempel, auf dem Berg Moriah (Tempelberg) in Jerusalem zu bauen. Der Bereich der Beteiligung des Instituts reicht von Erziehung, Erforschung, Aktivismus bis zur aktuellen Vorbereitung. Unser erstes Ziel ist es, das Bewusstsein für den Tempel wieder herzustellen und diese "vergessenen" Gebote wieder zu aktivieren. Wir hoffen dass durch unseren Teil (der Arbeit) wir an dem Prozess teilhaben können der zur erneuten Realität des Heiligen Tempels führen wird."
Am 29.10.2014 wurde der Mitbegründer des Temple Institut, der Amerikaner Yehuda Glick, vor dem Eingang einer Konferenz zum Thema "Israel kehrt zum Tempelberg zurück" angeschossen und schwer verwundet. Der mutmassliche Täter, der Palästinenser Ibrahim Hijazi der 10 Jahre in einem israelischen Gefängnis einsass, wurde noch am selben Tag auf dem Dach seines Hauses durch die israelische Polizei erschossen. Wie schon bei dem tragischen Zwischenfall in Jerusalem als ein Palästinenser mit seinem Auto ein kleines Baby getötet hat, werden die mutmasslichen palästinensischen Täter nicht etwa verhaftet und gerichtlich bestraft, sondern umgehend liquidiert. Die israelische Polizei begründete den Mord an Hijazi damit, dass er von seinem Dach aus auf die Polizisten geschossen hätte und sie deshalb das Feuer erwidert haben. Als Hijazi aber getroffen wurde, liessen sie ihn auf dem Dach verbluten und hinderten die Nachbarn daran, Erste Hilfe zu leisten. Die Behauptung der "Notwehr" erwies sich leider wie so oft als eine bequeme Lüge, da auf dem Dach weder Waffen noch Patronenhülsen gefunden wurden sondern lediglich eine Bohrmaschine.

Als aufgrund dieses Anschlages auf Yehuda Glick der Tempelberg zum ersten Mal seit Jahren von der israelischen Regierung komplett geschlossen wurde, meldete sich ausgerechnet der "Zeuge" dieses Anschlages, der rechtsextreme Stellvertretende Sprecher der Knesset Moshe Feiglin, zu Wort und goss weiter Öl ins Feuer als er sagte dass "der Tempelberg ausschliesslich für Juden geöffnet werden sollte". Pikanterweise ist Feiglin der einzige Zeuge der den Täter identifizieren konnte, weil sich dieser ihm angeblich vor der Tat zugewendet und gesagt haben soll, dass "das Yehuda ist" und es anschliessend zum fatalen Schuss kam (den Feiglin aber nicht gesehen hat!). Und um die ganze Sache noch mysteriöser zu gestalten, hatte Yehuda Glick erst letzte Woche in einem Interview der Zeitung Haaretz gesagt, dass "sich die Situation auf dem Tempelberg erst dann ändern wird, sobald Araber jemanden (jüdischen Israeli) auf dem Tempelberg verletzen."

Dieser Anschlag auf Yehuda Glick ist natürlich zu verurteilen. Zwar hat die Organisation Islamischer Jihad die Verantwortung dafür übernommen, aber die Rolle von Moshe Feiglin bei der Identifizierung des Täters ist alles andere als überzeugend und die Tatsache dass der mutmassliche Täter nicht einem ordentlichen strafrechtlichen Verfahren unterstellt wurde, sondern sofort liquidiert wurde, wirft nur noch mehr Fragen auf.
Aber überraschend kam der Angriff nicht. Das vorherrschende Klima in Israel, welches der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin selbst als "krank" beschrieben hat, fördert nur die Radikalisierung auf der palästinensischen Seite. Nach dem traumatischen Gaza Krieg diesen Sommer, dem brutalen Rachemord an einem 16-jährigen palästinensischen Jungen der lebendig verbrannt wurde, den hundertfachen Übergriffen der Polizei gegen unschuldige Menschen und der systematischen Vernachlässigung der palästinensischen Stadtgebiete von Ost-Jerusalem sowie der ebenso systematischen "Judaisierung" jener palästinensischen Gebiete die dem Tempelberg angrenzen, werten die Menschen solche Aussagen wie jene von Bentzi Guptstein ("Die Muslime werden bald (vom Tempelberg) verschwinden und wir werden den Tempel bauen") als Bestätigung dafür, dass die Regierung sie aus Jerusalem vertreiben und damit ein für alle mal ihre Identität zerstören will.

                                                    (Foto von Reuters / Ammar Awad)
 Wenn die politische Führung solch ein Klima des Hasses gegenüber jenem Volk fördert welches man hinter der Mauer unterdrückt, darf man sich nicht wundern wenn sich dieses Volk "plötzlich" gegen jedes Symbol dieser Besatzung anfängt zu wehren. Und in Jerusalem wird dieser Aufstand seinen Ausgangspunkt haben. Das wissen nicht nur die israelischen Medien, sondern eben auch die Politiker in Washington und Brüssel die sich vor genau diesem Szenario fürchten. Sie fürchten sich deshalb, weil ihnen klar ist dass es ihre Appeasement-Politik gegenüber Israel war die erst diesen Zustand in Israel mit ermöglicht hat, indem eben alles was Israel tat gut geheissen wurde und man dabei selbst die eigenen Werte von Humanismus und Demokratie verraten hat. Die verbalen Attacken sind nur Zeugen der immer grösser werdenden Ohnmacht in diesen Kapitalen und die verzweifelten Versuche, jene Konsequenzen abzuwenden die man ansonsten bei jedem anderen Land schon längstens angewandt hätte.

Und was sagt Moshe Ya`alon, der israelische Verteidigungsminister, zu dem ganzen Thema?
"Das ist ein weiterer Beweis davon was wir immer und immer wieder gesagt haben: der Konflikt ist nicht nur territorial, sondern ist verbunden mit der Anerkennung des palästinensischen Rechts hier zu leben."



2 Kommentare:

  1. Schweden ist vielleicht das erste Land, das als EU-Land den Staat Palästina anerkennt, aber es ist nicht das einzige EU-Land, das Palästina anerkennt. Polen, Tschechin, die Slowakei, Ungarn und Rumänien erkennen Palästina schon seit 1988 an. (Tschechien und die Slowakei damals natürlich noch als Tschechoslowakei, die Anerkennung haben sie aber auch nach ihrer Trennung und natürlich auch nach ihrem EU-Beitritt beibehalten.)

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  2. Das ist korrekt, hatte aber deswegen auch keinerlei Einfluss auf die Politik der EU. Sobald aber ein EU-Land solch einen Schritt unternimmt, verändert das natürlich die Dynamik in der EU-Politik, weswegen es auch auch so signifikant ist. Aber danke für den Hinweis!

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