Mittwoch, 9. Januar 2013

Wende der US-Politik durch Chuck Hagel?

Der neue Verteidigungsminister der mächtigsten Armee der Welt soll den Vorstellungen von US-Präsident Barack Obama entsprechend der ehemalige Senator aus Nebraska, Chuck Hagel, werden.
Allein schon die Tatsache dass Obama den angeblich aus der Reihe tanzenden Hagel nominiert hat, wird angesichts der massiven Schmierkampagne gegen Hagel als Erfolg gefeiert. Und das obwohl der Senat den designierten Verteidigungsminister erst noch bestätigen muss. Das lässt doch tief in die verunsicherte amerikanische Psyche blicken.  Die Menschen erwarten jetzt eigentlich das, was sie bereits 2008 von Obama erwartet haben als sie ihn ins Weisse Haus gewählt haben: einen Wandel!

Zwar ist bzw. wäre Chuck Hagel nicht der Präsident sondern "nur" der Verteidigungsminister. Aber nach über einem Jahrzehnt von Pleiten, Pech und Pannen - initiiert von Politikern mit einem äusserst gefährlichen Weltbild - die den Vereinigten Staaten von Amerika massiv geschadet haben, ist der ehemalige Senator offenbar der einzige Mann, dem tatsächlich das zugetraut wird woran Obama, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, bisher gescheitert ist. Was macht ihn aber so besonders und gleichermassen gefährlich für das Establishment?     Patriotismus und gesunder Menschenverstand!

Und er spricht die Themen an die selten jemand anspricht der seine Karriere nicht gefährden möchte. So hat Hagel beispielsweise in einem Interview 2006 mit Aaron David Miller etwas gesagt, was von der pro-Israel Lobby nun in ihrer Schmierkampagne gegen ihn verwendet wurde:
"Die politische Realität ist, dass die jüdische Lobby eine Menge Leute hier einschüchtert. Ich habe immer etwas gegen die dummen Dinge gesagt die sie (die Lobby) so machen, weil ich nicht denke dass es im Interesse von Israel liegt. Ich glaube einfach nicht das es klug ist für Israel." Und dann das Schlimmste in den Augen der Lobby: "Ich bin kein Senator von Israel. Ich bin ein Senator der Vereinigten Staaten. Ich unterstütze Israel, aber mein Hauptaugenmerk gilt meinem Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten: nicht einem Präsidenten, nicht einer Partei, nicht Israel. Sollte ich mich für einen Senatssitz in Israel bewerben werde ich das machen."

Ausserdem sprach er sich für einen Dialog mit Iran aus und veröffentlichte einen Brief (zusammen mit weiteren TOP Militärs) in der Washington Post, um den damaligen Präsidenten George W. Bush von einem gefährlichen Krieg gegen den Iran abzubringen. In einem weiteren Interview mit der Financial Times äusserte sich Hagel kritisch über die US-Interventionen des letzten Jahrzehnts und meinte, dass die Geschichte bereits seit Vietnam doch zeige, dass man mit Waffengewalt alleine nicht das erreicht was man gerne möchte. Und was nicht minder wichtig ist: Hagel weiss was Krieg bedeutet. Er hat ihn selbst in Vietnam erlebt und kennt den Schrecken und Horror der Bomben. Jemand der einen Krieg selbst mit- und überlebt hat, erteilt nicht aufgrund einer Lobby einfach mal eben den Marschbefehl und bombt ein unschuldiges Land in Schutt und Asche.

Solche Äusserungen machen den künftigen Verteidigungsminister nicht gerade zum Liebling oder Vertreter des Militärisch-Industriellen-Komplexes (MIK), denn wie ich bereits in dem Post vom 21.12.2012 schrieb, benötigt dieser überaus mächtige Apparat einen permanenten Kriegsstatus wie er die letzten 11 Jahre vorherrschte um sich weiter zu entwickeln. Chuck Hagel könnte der Mann sein, der diesen Prozess zumindest verlangsamt. Rückgängig machen wäre wohl etwas zu illusorisch.

Was steckt hinter Obama`s Entscheidung?

Der amerikanische Präsident hat in den letzten 4 Jahren nicht unbedingt den Ruf als "Grosser Präsident" erworben. Im Gegenteil, ihm wird zur Last gelegt dass er sich zu schnell von seinen Vorhaben und Ideen abbringen lässt sobald nur eine heftigere Auseinandersetzung droht. Seine gross angekündigten Visionen über die Schliessung von Guantanamo, Abzug der Kampftruppen aus den Kriegsgebieten des Irak und Afghanistan,  bis zur (Wieder-) Annäherung an die muslimische Welt sind das geblieben was sie auch vor vier Jahren waren: nur eine Vision. Auch das mehr als peinliche Zurückrudern des Präsidenten vor dem israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu vor drei Jahren, als die USA einen Siedlungsstop von Israel in besetzten palästinensischen Gebieten forderten, ist legendär. Netanyahu`s Antwort auf diese Forderung waren noch mehr illegale Häuser und Wohnungen. Aus lauter Hilflosigkeit antwortete Barack Obama in einem unbedachten Moment im Gespräch mit dem französischen Präsidenten Sarkozy, als dieser den israelischen Ministerpräsidenten einen "Lügner" nannte, dass er "aber dafür jeden Tag mit ihm zu tun hat".

Es wäre aber unfair die Schuld an der Misere ausschliesslich Obama in die Schuhe zu schieben. In einer politisch vergifteten Atmosphäre auf Capitol Hill, in welcher sich die Aussenpolitik der Vereinigten Staaten im Bezug auf den Mittleren Osten scheinbar nur noch auf kompromisslose Loyalitätsbekundungen für Israel reduziert hat, ist es für einen Präsidenten ausserordentlich schwer eine Innen- und Aussenpolitik nach seinen Vorstellungen zu betreiben wenn ihn die Kongressabgeordneten und Senatoren für seine Haltung gegenüber Israel durch Blockade bestrafen. Wie sehr sich die US-Politik im Mittleren Osten den Wünschen Israels untergeordnet hat, zeigt am deutlichsten der amerikanischen Botschafter, Daniel Shapiro, in Israel selbst:
"Der Test von jeglicher Politik die die (US-) Administration im Mittleren Osten entwickelt, ist, ob diese vereinbar ist mit dem Ziel Israel`s Zukunft als einen sicheren, Jüdischen und demokratischen Staat zu sichern. Das ist eine Verpflichtung, welche sich wie ein roter Faden durch unsere gesamte Regierung zieht."

Wenn der US-Präsident nun also einen Verteidigungsminister nominiert, der bereits im Vorfeld, noch bevor überhaupt irgendetwas offiziell war, das Ziel von solch massiver Kritik und Verleumdungen der übelsten Sorte war, und nun die Bürde auf sich nimmt (worauf er bekannterweise nicht immer grosse Lust hat) einige Kämpfe vor dem Senat auszutragen damit sein Wunschkandidat bestätigt wird, deutet daraufhin dass Obama einen Plan hat. Und dieser Plan scheint ihm und für die Vereinigten Staaten von Amerika von grösster Wichtigkeit zu sein. Was offensichtlich auch eine Rolle spielt, betrachtet man die Besetzung der wichtigsten Posten der neuen Obama-Administration, ist die Tatsache dass Obama sich mit Beratern umgeben möchte die nicht stur auf Israels vermeintlichen Vorteil bedacht sind, sondern realpolitisch die Sache angehen und Dinge ansprechen möchten, die vorher als Tabu galten. Chuck Hagel ist genau so ein Mann.

Nimmt man dann noch die weitere wichtige Nominierung in die Gleichung mit auf, die des neuen CIA-Chefs, dann ergibt sich ein gewisses Bild wie die neue US-Politik in der Welt aussehen könnte. Der neue CIA-Chef soll Obama`s bisheriger Anti-Terror Berater, John Brennan, werden. Er war bereits 2009 der Wunschkandidat des Präsidenten, doch aufgrund seiner öffentlichen Unterstützung als CIA-Mitarbeiter für die illegalen Foltermethoden des Geheimdienstes galt er als nicht wählbar. Das scheint nun heute keine Rolle mehr zu spielen, auch die Tatsache dass er hinter der massiven Ausweitung des Drohnenkriegs steckt stellt keinen Hinderungsgrund mehr dar.
Ein weiteres, sehr wichtiges, Merkmal für Obama`s Hinter den Kulissen taktieren ist ein Memorandum welches das Weisse Haus am 21.11.2012 veröffentlichte: "National Insider Threat Policy". Von diesem Vorgang haben wir in der deutschsprachigen Presse so gut wie gar nichts erfahren, obwohl es in ihrer Dimension nicht Wichtiger hätte sein können.
Was der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, dem mächtigsten Land der Welt, mit diesem Memo bekannt gab war, dass die US-Regierung von Spionen infiltriert ist und es eine Gefahr für die Regierung als auch die Nation darstellt!
Dabei gilt dieses Memo nicht nur den sogenannten "Whistleblowers" wie dem inhaftierten Bradley Manning der der Enthüllungsplatform Wikileaks die Irak und Afghanistan Daten zugespielt hatte, sondern der grössten Spionagebedrohung für die USA: Israel!

Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- Obama möchte sich zumindest einiger Fesseln der pro-Israel Lobby entledigen um einer balancierteren Politik die Möglichkeit zur Entfaltung geben
- Obama hat kein Interesse an einer grossangelegten Operation gegen den Iran, auch nicht gegen Syrien
- Obama wird aber weiter auf die Kräfte des High Tech-Krieges wie Drohnen oder Cyberwar setzen

Heisst das, dass sich die US-Politik mit der neuen Administration ändern wird? Mit John Kerry als Aussenminister und Chuck Hagel als Verteidigungsminister dürfte sich zumindest die Rhetorik nach Aussen etwas beruhigen. Auch die latente Kriegsgefahr sollte sich entspannen, solange es keine sogenannte "False Flag"-Operation gibt die Obama keine andere Wahl lassen könnte. Aber mit Brennan an der Spitze der CIA wird der Krieg weiter im Geheimen geführt werden und könnte leicht eines Tages ans Tageslicht kommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen