Dienstag, 8. Januar 2013

Wie die NY Times historisch verdrehte Meinung bildet

Original vom 29.12.2012 von Robert Ross, erschienen auf http://electronicintifada.net/content/how-new-york-times-erases-israels-crimes/12042 . Übersetzung und inhaltliche Überprüfung erfolgte durch mich, ebenso die kursive oder fette Hervorhebung von einzelnen Worten oder Passagen. 


Gemäss der "The New York Times" gibt es keine Belagerung von Gaza, keine Besetzung der West Bank und es gab nie eine "Nakba" (die ethnische Säuberung von Palästina / an den palästinensischen Einwohnern Anm.). Drei kürzlich erschienene Artikel radieren diese israelischen Schlüsselverbrechen aus der geschichtlichen Aufzeichnung.

In einem Artikel vom 13. Dezember 2012 mit dem Titel "Hamas Gains Allure in Gaza, but Money is a Problem" (Hamas gewinnt an Attraktivität in Gaza, aber Geld ist ein Problem), untersucht Steven Erlanger die Gründe für die zunehmend lähmende Armut in Gaza. Kein einziges Mal erwähnt Erlanger in diesem 1300-Worte (fassenden) Bericht die israelische Belagerung von Gaza oder die israelischen Bombardements von 2008 und 2012 als Faktor dafür (und noch viel weniger die Hauptursachen).

Anstattdessen geht Erlanger durch eine lange Liste von regionalen Entwicklungen (die Schwächung des Assad-Regimes in Syrien, Sanktionen im Iran) und, mit grösstem Nachdruck, die Entscheidungen der Hamas (neue Steuern und Gebühren) welche angeblich die Palästinenser von Gaza nicht nur zunehmend verarmt hinterliessen, sondern (auch) verärgert über die Hamas sind wie noch nie zuvor. "Die Einwohner Gaza`s erkennen, dass es eine grössere Ordnung hier gibt (gegenüber früher als Hamas noch nicht die politische Verantwortung trug)" erklärt Erlanger, "mehr Bautätigkeiten und weniger Abfall. Aber viele ärgern sich über die wirtschaftliche Last zur Finanzierung der Hamas, und indirekt ihres Militärs".

Keine Belagerung

Sofern die letzte israelische Attacke (auf Gaza) überhaupt berücksichtigt wird, sind es - wieder einmal - die Raketen der Hamas die Schuld am Unglück von Gaza sind. Wie um seinen Standpunkt beweisen zu müssen, führt Erlanger einen 43-jährigen Metzger an, der ihm sagte, dass "die Dinge stetig zurückgegangen sind". Ein anderer Bewohner von Gaza fügt hinzu "es ist ein Leben von Depression und Entbehrung".

Erlanger fasst das Wort "Belagerung" in seiner Analyse mit ein, aber nur in einer Aufzählung von zahlreichen Problemen die die Palästinenser in Gaza jetzt ertragen müssen: "Armut, Missmanagement,  Belagerung, Arbeitslosigkeit, enger Bewegungsfreiraum" gemäss der Aussage von Mkhaimar Abusada.

Und die Belagerung, unter all diesen anderen Bedingungen, wird implizit nicht Israel zugeordnet, sondern der Hamas: "Sollten sie nicht mit den selben Fragen klar kommen, wird sich Hamas in der selben Position wieder finden wie vor dem Krieg", so Abusada. Während Abusada, ein Politikwissenschaftler an der Al-Azhar Universität (in Kairo), mit Sicherheit den Usprung dieser Bedingungen kennt, scheint Erlanger`s Platzierung des Zitats den Anschein erwecken als ob auch Abusada die Hamas für die Belagerung beschuldigt.

Egal wie, Erlanger bietet keine Vorstellung davon, wie verheerend und total eine Boden, Luft und Seeblockade (noch viel weniger die letzten zwei militärischen Angriffe) für das dicht besiedelte Territorium tatsächlich ist. Ein nicht informierter Leser könnte leicht zum Entschluss kommen, dass die Belagerung etwas ist wofür die Hamas verantwortlich ist, und nicht eine imperialistisch auferlegte Form der kollektiven Bestrafung der Palästinenser durch Israel, und nicht etwas das direkt für die Armut und dem "engen Bewegungsfreiraum" in Gaza verantwortlich ist.

So ist gemäss der "The New York Times" die Hamas für die Probleme in Gaza verantwortlich; Israel hat damit nichts zu tun.

Keine Nakba

Ein weiterer NY Times Artikel über palästinensische Flüchtlinge in Syrien erschien drei Tage nach Erlanger`s Artikel über Gaza und verdeckte den Grund, dass es sich bei den Palästinensern (in Syrien) in erster Linie um Flüchtlinge (von der Vertreibung von 1948)  handelt. (A Syrian airstrike kills Palestinian refugees and costs Assad support /  Ein syrischer Luftangriff tötet palästinensische Flüchtlinge und kostet Unterstützung für Assad)

Mit nur acht Worten spricht die NY Times Israel von jeglicher Verantwortung für die ethnische Säuberung von hunderttausenden Palästinensern frei (im sog. "Unabhängigkeitskrieg" von 1948) um den Weg für den jüdischen Staat frei zu geben.

Mit der Reportage über den kürzlichen syrischen Angriff auf das Yarmouk-Camp in Damaskus, "Heim" von tausenden palästinensischen Flüchtlingen, erklärt die NY Times dass die Palästinenser dort "Flüchtlinge des Konfliktes mit Israel und deren Nachkommen" wären. Die Nakba, die ursprüngliche Sünde des Zionismus und des israelischen Staates, wurde somit in die Vergessenheit geschmiert. Es wurde in etwas transformiert was es nicht ist: verändert von einer kompletten Entfernung einer Volksgruppe durch eine andere, in einen Konflikt zwischen zwei angeblich gleichberechtigten Seiten, von denen eine ganze Reihe von Palästinenser augenscheinlich geflohen ist.

Die Zeitung offenbart natürlich nicht, dass während die UN-Resolution 194 spezifisch den palästinensischen Flüchtlingen in Syrien (und auch jenen im Libanon und Jordanien) das Recht zur Rückkehr in ihre Heime gewährt welche heute in Israel liegen, die israelische Regierung immer - und oft mit Gewalt - dieses Recht verweigert.

Keine Besetzung

In einem Bericht am darauffolgenden Tag über das sogenannte E-1 Land östlich von Jerusalem in der besetzten West Bank, wird nicht erwähnt dass dieses Land und das weitere Territorium zu welchem es gehört, gemäss der internationalen Rechtssprechung als palästinensisches Gebiet gegenwärtig unter Besatzung betrachtet wird. (Steven Erlanger, "West Bank land, empty but full of meaning / West Bank Land, leer aber voller Bedeutung")

Mit der Reportage über Israel`s kürzliche Ankündigung des Siedlungbaus auf E1, reproduziert Erlanger den ältesten Mythos des Zionismus: dass das "leeres" Land ist, über welches jetzt die "zwei Seiten" streiten. "E1 ist ein grösstenteils leerer Fleck der West Bank", schreibt Erlanger. Und der "Kampf" über E1 "spricht für die scheinbar unüberwindbaren Unterschiede, Feindseligkeit und Misstrauen zwischen den Israelis und Palästinensern", informiert uns Erlanger.

So wird die besetzte palästinensische West Bank - mit all ihren illegalen israelischen Siedlungen, ausschliesslich jüdischen Strassen, israelischen Checkpoints, israelischen Militärüberfällen und israelische Zerstörung von palästinensischen Häusern - auf ein Gebiet reduziert auf welches zwei verschiedene Gruppen einen gleichen Anspruch erheben. Einer Andeutung über die Besatzung kommt Erlanger am nächsten als er gegen Ende des Artikels schreibt, dass es sich bei E-1 um "grösstenteils Staatsgebiet" handelt.

Aber das, wie die nicht näher bezeichnete und nicht erklärte "Belagerung" von Gaza, ist viel zu vage für einen uninformierten Leser um zu verstehen welcher "Staat" dieses Gebiet kontrolliert, unter welchen Bedingungen, und gegen wessen Rechte, Lebensunterhalt und Souveränität.

Da haben wir es also: keine Belagerung, keine Nakba und keine Besatzung. Eine solche Berichterstattung ist bestenfalls eine gestörte Wahrnehmung. Schlimmstenfalls ist es eine absichtliche Irreführung. Auf jeden Fall dient die "The New York Times" den Interessen Israels, indem die amerikanische Öffentlichkeit im Dunkeln über die wahre Natur der israelischen Besatzung gelassen wird.

Es ist nicht weiter schwierig zu verstehen, weshalb so viele Amerikaner diese Situation offensichtlich so verwirrend empfinden, wenn die Leute die darüber berichten selbst über die normalen historischen, geografischen und politischen Realitäten verwirrt sind.

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