Dienstag, 10. Dezember 2013

Wieder plant Israel ethnische Säuberung: Prawer-Begin Plan

Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Binyamin Netanyahu macht sich daran, die Vision des Staatsgründers David Ben Gurion für die Wüste Negev (oder Naqab auf arabisch) endgültig abzuschliessen. Ben Gurion war von der Negev Wüste besessen und erklärte:

"Negev Land ist für jüdische Bürger reserviert, wann und wo immer sie es wünschen. Wir müssen die Araber vertreiben und werden ihren Platz einnehmen."

Dieses Ziel gelang Ben Gurion aber nur zum Teil, denn von den ursprünglich etwa 90`000 Menschen die die Negev Wüste seit Jahrtausenden ihre Heimat nannten, wurden 85% vertrieben. Diejenigen die es irgendwie geschafft haben dem Krieg 1948/49 und der Verfolgung der israelischen Streitkräfte zu entwischen, wurden anschliessend in eigens für sie errichtete Gemeinden abgeschoben wo sie zu einem Leben verdammt wurden, welches neu und fremd für sie war und Arbeiten annehmen mussten, die sie klar als Bürger 2. Klasse erkennen liess.
Viele von diesen Menschen hielten es aber in diesen künstlichen Gemeinden nicht aus und kehrten zurück in die Wüste mit welcher sie verwurzelt waren. Dort mussten sie aber feststellen, dass ihre Dörfer und Herden von Neuankömmlingen besetzt wurden und sie schliesslich neue Unterkünfte bauen mussten, welche bis zum heutigen Tag weder über Strom noch Wasser verfügten. Nebst diesem ganzen Drama welches sich um sie herum abspielte, wurde den Beduinen verboten die Stadt Beer Sheva (oder Bersheba) zu betreten, welches seit Urzeiten ihr traditionelles Kultur- und Wirtschaftszentrum war.

Das Problem aber welches sich immer mehr aufbaute, war, dass Israel die Beduinen aus der Negev Wüste weg haben wollte und sie stattdessen als billige Arbeitskraft in der israelischen Wirtschaft integrieren wollte. Mosche Dayan, der legendäre einäugige Verteidigungsminister und Kriegsheld Israels, schrieb 1963 einen Artikel in der Tageszeitung Haaretz über dieses "Problem":

"Die Beduinen müssen zu Gemeindearbeitern in der Industrie, Dienstleistung, Bau und Landwirtschaft werden. 88% der israelischen Bevölkerung arbeitet nicht in der Landwirtschaft. Die Beduinen werden (auch) darunter sein. Der Übergang wird auf jeden Fall scharf sein. Das bedeutet dass der Beduine nicht auf seinem Land und mit seiner Herde sein wird; er wird ein Stadtmensch sein der Nachmittags nach Hause kommt und ein Paar Pantoffeln anzieht. Die Kinder werden sich an einen Vater gewöhnen der Hosen anzieht, keinen Dolch mehr trägt und keine Kopfläuse mehr in der Öffentlichkeit entfernt. Sie werden zur Schule gehen und die Haare gekämmt haben. Es wird eine Revolution sein. Wie kann das innerhalb von zwei Generationen erreicht werden? Nicht mit Gewalt, aber durch die Anleitung der Regierung. Dieses Phänomen "Beduine" wird verschwinden."

Entweder war Mosche Dayan ein grosser Visionär und Hellseher, oder die israelische Regierung verfolgte tatsächlich unablässig diesen Plan. Es sind seit Dayan`s Artikel genau 50 Jahre vergangen, sprich zwei Generationen genau so wie er es "vorhergesagt" hatte.
Denn der von General Uri Prawer und Benny Begin (Sohn von Menachem Begin) ausgearbeitete Plan sieht vor, insgesamt 35 solcher als "illegal" deklarierten Beduinensiedlungen zu räumen und insgesamt einen Landstrich von 250km2 dem Staat Israel einzuverleiben. Davon betroffen wären demnach etwa 40`000 Menschen die dem Bau von jüdischen Siedlungen und Militäranlagen weichen müssten. Bis vor ein paar Tagen aber wusste abgesehen vom Ministerpräsidenten Netanyahu und seinem rechtsgerichteten Bauminister Uri Ariel niemand welche Siedlungen es genau betrifft, bis der Knessetabgeordnete Miri Regev den Plan an die Medien durchsickern liess.

Hellblau: jüdische Städte
Orange: Beduinen Gemeinden
Violett: Gebiete die vom Staat Israel eingenommen werden
Grüne Linien: Gebiete die den vertriebenen Menschen zur Verfügung gestellt werden sollen
Rote Linien: Gebiete für deren Landwirtschaft oder Viehzucht







Die offizielle Begründung liest sich genau so wie es bereits Mosche Dayan vor 50 Jahren formuliert hat: man möchte die wirtschaftliche Entwicklung der Beduinenbevölkerung vorantreiben und was noch viel wichtiger ist, man möchte die Besitzansprüche von Grundstücken endlich geklärt haben. Was im Grunde im ersten Moment gar nicht mal so schlecht klingt, erscheint beim zweiten Blick darauf als eine äusserst zynische Beschreibung einer ethnischen Diskriminierung. Denn es erweckt den Anschein dass in der Negev Wüste nur unterentwickelte und der Zeit hinterherhinkende Beduinen leben. Dass diese Menschen aber Staatsbürger Israels sind bleibt unerwähnt, genauso wie die Tatsache dass in der Negev Wüste die Mehrheit der Menschen israelische Juden sind. Diese vom Staat begründete wirtschaftliche Entwicklung soll aber entsprechend der Gemeindeverwaltungen von jüdischen Städten gestaltet werden, was also bedeutet dass die Beduinengemeinden diesen Plänen im Wege stehen und deshalb zwangsumgesiedelt werden sollen.

Der andere Punkt der "Klärung von Besitzansprüchen" fügt sich nahtlos in die Reihe von israelischer Propaganda ein, wo in den Medien der Mythos verbreitet wird dass die Beduinen "Eindringlinge" wären, die aus den arabischen Wüsten auf der Suche nach Weideplätzen für ihr Vieh eben auch nach Israel gekommen sind. Es ist schon bemerkenswert wie sehr die israelische Regierung ihr eigenes Volk für dumm erklärt, wenn sie der Meinung sind dass die Israelis nicht einmal den Unterschied zwischen Beduinen und Nomaden kennen.
Aber die Beduinen aus der Negev Wüste sind alles andere als Eindringlinge oder Nomaden die erst kürzlich ihren Weg nach Israel gefunden haben: sie waren da lange bevor es überhaupt den Staat Israel gab. Das belegen ganz klar britische Dokumente aus dem Jahr 1920, die sich ebenfalls mit diesem Thema auseinandersetzen mussten und dabei feststellten, dass 2600 Quadratkilometer Land rund um Beer Sheva (Bersheba) sich im Besitz von arabischen Beduinen befanden.
Das einzige wirkliche Problem aber war, dass sich die Stammesführer der Beduinen weigerten dem britischen Aufruf zur Registrierung dieser Besitztümer zu folgen. Sie argumentierten - völlig nachvollziehbar nebenbei bemerkt - dass sie mit einer Registrierung ihres Besitzes bei einer Besatzungsmacht wie Grossbritannien diese Besatzung legitimieren würden, und das wollten sie um jeden Preis vermeiden. Aber obwohl diese Registrierung nicht offiziell erfolgt ist, so erkannten die Briten dennoch diese Besitztümer de facto an und führten ja Buch darüber.
Als dann die Briten ihr Mandat im Mai 1948 abgaben und Israel seine Unabhängigkeit erklärte und sich darauf machte weiteres Territorium zu erobern, eroberten sie ja auch bekanntlich die Negev Wüste die eigentlich dem palästinensischen Staat hätte zugesprochen werden sollen. Im Zuge der Institutionalisierung der israelischen Staatsmacht in dieser Region, wurden die britischen Archive aus der Munizipalgemeinde Beer Sheva ins israelische Staatsarchiv nach Tel Aviv gebracht wo dummerweise ausgerechnet die ganzen Besitzurkunden der Beduinen verloren gingen. Das gleiche "Missgeschick" passierte übrigens auch mit den Besitzurkunden der Palästinenser von Jaffa.

Nach dem Ende des israelischen Militärregimes welches von 1948 bis 1966 ohne Unterbruch andauerte, versuchte die israelische Regierung umgehend die eroberten Gebiete als auch die gewünschten Gebiete für sich zu registrieren. Gleichzeitig versuchten das aber auch die Beduinen, die ja israelische Staatsbürger waren bzw. sind, was es den israelischen Gerichten schwer machte eine Lösung zu finden. Einerseits wollte man ja der Linie der Regierung treu bleiben und so viel Territorium für sich zu beanspruchen wie es nur ging, aber andererseits standen da israelische Staatsbürger, die man zwar nicht als ebenbürtig mit jüdischen Israelis empfand, aber dennoch Staatsbürger Israels waren und somit über gewisse Rechte verfügten. Diesem Kampf und Besitztümer schob die Regierung dann 1974 einen Riegel davor als man sämtliche Gerichtsverfahren einstellte um dem Plan von Pliya Albeck zu folgen, der der Direktor der Bürgerverwaltung im Justizministerium war. Albeck entwickelte einen Plan der besagte, dass die Beduinen 20% ihrer Grundstücke behalten könnten und die israelische Regierung sie für die restlichen 80% mit jeweils 2000 Shekel (Israelische Währung) pro Dunam (die Flächeneinheit im Nahen Osten) finanziell entschädigen würde.
Doch die Beduinen lehnten dieses "Angebot" der israelischen Regierung ab und beharrten weiter auf ihr Recht. Dieses Recht wurde aber 1984 vom Obersten Gericht unter Richter Abraham Halima aberkannt, der entschied dass per Definition "ein Beduine keine Verbindung hat und keine Verbindung zum Land haben kann".

Nach dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofes blieb den Menschen in der Negev Wüste nichts anderes übrig, als einfach ihrem Alltag nachzugehen und das beste aus ihrer Situation zu machen. Doch schon bald kündigte sich ein neues Unheil in Form von Ariel Sharon an. Dieser merkte kurz vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten an, dass "noch 900`000 Dunam (ca. 900 km2) von Regierungsland nicht in unserer Hand sind, sondern in der Hand der Beduinenbevölkerung. Als ein Bewohner des Negev sehe ich das Problem jeden Tag. Es ist, im Grunde, ein demographisches Phänomen." Ja das ist es in der Tat, von den seit 1948/49 übrig gebliebenen etwa 13`000 Beduinen, leben heute wieder über 160`000 arabische Beduinen als israelische Staatsbürger in der Negev Wüste. Ariel Sharon präsentierte daraufhin sein eigenes Programm zur Bekämpfung dieses "Phänomens", den Sharon Plan. Dieser Plan sah vor, dass die Regierung vehement die Besitzansprüche der Ländereien vor Gericht einklagt, als illegal bezeichnete Häuser zerstört und mit mehr Nachdruck die Einhaltung und Erteilung von Baugenehmigungen überwacht.
Auch der aktuelle Ministerpräsident Binyamin Netanyahu folgt dieser Linie die seit den Zeiten von David Ben Gurion Bestand halten. Netanyahu sagte den israelischen Medien im Jahr 2010 bezüglich der "Bedrohung vom Verlust einer jüdischen Mehrheit in der Negev Region":
"Wir sind unter einer realen Attacke in dieser Angelegenheit. Die Meinung könnte sein, dass verschiedene Elemente (arabische Minderheiten) nationale Rechte innerhalb Israels fordern werden, zum Beispiel im Negev, wenn wir eine Region ohne jüdische Mehrheit erlauben. Es ist in den Balkanländern passiert und es ist eine fühlbare Bedrohung."

Das ist genau der Punkt und der wesentliche Punkt des gesamten Prawer-Begin Plan`s: die arabischen Beduinen - nochmal zur Erinnerung, es sind israelische Staatsbürger - müssen ihre angestammten Ländereien räumen, damit der Staat Israel das Land konfisziert um neue exklusive jüdische Siedlungen und Erweiterungen der jüdischen Munizipalgemeinden zu bauen, so dass neue jüdische Israelis in die Wüste umziehen um so auch in Zukunft eine jüdische Mehrheit zu gewährleisten. Für solche Aktionen eines Staates gibt es verschiedene Terminologien, wie beispielsweise Apartheid, Rassendiskriminierung und schliesslich auch ethnische Säuberung wenn die Bevölkerung von ihrem Land verjagt wird.

Am 30. November fanden die grössten Demonstrationen bisher gegen diese Pläne in verschiedenen Städten Israels und Palästinas statt, wo die Polizei massiv und brutal gegen die Demonstranten vorging.

 
 Aber auch in verschiedenen Städten Europas gingen Menschen auf die Strasse, wie zum Beispiel in Brüssel.


Weil so viele Videos und Bilder von der Gewalt der israelischen Polizei und Militär gegen Demonstranten aufgenommen wurden, hat die Polizei sämtlichen Medien die Anordnung erteilt die Filmaufnahmen der Polizei auszuhändigen.
 

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