Mittwoch, 2. April 2014

Die Luft wird dünn für Netanyahu

Damit hat wohl in der rechtsgerichteten Regierung von Binyamin Netanyahu niemand gerechnet. Wie ich letzten Freitag schrieb (siehe Bericht), liess Israel die vereinbarten 26 Palästinenser tatsächlich nicht frei. Stattdessen musste der US-Aussenminister John Kerry seine Sitzungen und Termine in Europa sausen lassen, um kurzfristig nach Israel zu fliegen um mit Netanyahu über eine Lösung zu debattieren. Eine Lösung zur Einhaltung von Israels Verpflichtungen wohlgemerkt.
Mit geschwollener Brust folgte dann ein "Gegenangebot" an die Palästinenser:
- Israel lässt die 26 Palästinenser frei, zusätzlich würde man weitere 400 Palästinenser frei lassen, die allerdings von Israel definiert würden und prinzipiell nur Gefangene betrifft, die wegen Kleinkriminalität verurteilt wurden sowie Frauen und Jugendliche
- Israel würde sich in "Zurückhaltung üben" was die Ausschreibung von neuen Wohnungseinheiten in der West Bank angeht, allerdings gilt diese "Zurückhaltung" nicht für Ost-Jerusalem
- Die Gespräche mit den Palästinensern würden bis weit in das Jahr 2015 weitergehen, so lange dürfte Palästina nicht den Anschluss an UN-Organisationen suchen

Für diese "harten Massnahmen" hätte es aus Washington womöglich ein Geschenk gegeben, nämlich die Freilassung von Jonathan Pollard. Pollard ist jüdischer US-Amerikaner und arbeitete Anfang der 1980er Jahren für das Verteidigungsministerium, wo er schliesslich von israelischen Spionen in den USA angeworben wurde. Er stahl tausende Dokumente aus dem Verteidigungsministerium und verkaufte diese an Israel. 1985 wurde Pollard für diesen Verrat zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Israel versuchte anfänglich jegliche Schuld von sich zu weisen, doch 1995 erhielt Pollard die israelische Staatsbürgerschaft nachdem Tel Aviv zugegeben hat, dass Jonathan Pollard zu einem israelischen Spion rekrutiert wurde.

Und während dieses "Incentive" für Netanyahu geschürt wurde, berichtete ebendieser dass jegliche weitere Schritte seitens der Israelis die Billigung des Kabinetts benötigen würden. Ganz nebenbei erliess die israelische Landbehörde eine Ausschreibung für 708 neue Wohnungseinheiten in der Siedlung "Gilo", welche von Israel aber als Gross-Jerusalem betrachtet wird und somit nicht im Angebot an die Palästinenser berücksichtigt war. Damit aber nicht genug, während man offensichtlich nach dem Motto "noch schnell neues Land besetzen" agierte, d.h. bevor die Palästinenser dem israelischen Angebot zugestimmt haben welches Israel zur "Zurückhaltung" verpflichtet hätte, konfiszierte Israel 300`000m2 Land in der West Bank um die Siedlung von Shilo mit dem Aussenposten Shvut Rachel zu verbinden. 

Das alles schien selbst für Mahmoud Abbas eindeutig zu weit zu gehen. Hätte er auch jetzt wieder dem israelischen Katz und Maus Spiel zugestimmt und die Gespräche nur um der Gespräche Willen zugestimmt, während Israel ihm unter der Nase das Land wegstiehlt, dann wäre er in dem ohnehin angespannten Klima in Palästina komplett unter die Räder gekommen.

Mit diesem Schachzug aber, dem Beitritt zu 15 verschiedenen UN-Organisationen, signalisierte er in Richtung Israel und USA, aber auch seinen eigenen Landsleuten, dass die Kosten für Israel`s Katz und Maus Spiel gestiegen sind.

Und wie reagierte man bisher auf diesen eigenen, völlig unvorbereiteten Zug der Palästinenser? Israels Tourismusminister Uzi Landau drohte damit dass die "PA (Palästinensische Autonomiebehörde) einen hohen Preis dafür bezahlen wird".  Israel könnte jetzt die ganzen Gebiete annektieren die ganz klar zum Land Israel gehören...

Was wird Netanyahu jetzt unternehmen? Diese Reaktion von Mahmoud Abbas hat er zwar nicht vorhergesehen, aber sie war schlicht und ergreifend eine Konsequenz für die Weigerung Netanyahu`s, die getroffenen Vereinbarungen einzuhalten. Der Druck seiner rechtsextremen Minister die Regierung zu stürzen war einfach zu hoch. Aus seiner eigenen Erfahrung (Netanyahu war DER Oppositionsführer der mit skandalösen Beleidigungen und Verunglimpfung Yitzak Rabin angriff, der dann schliesslich Opfer eines Attentats durch einen jüdischen Extremisten wurde) weiss er was das für Konsequenzen haben könnte. Dieses Risiko ist er nicht bereit einzugehen.


*UPDATE*
Die Reaktion auf Abbas`Vorgehen schlägt naturgemäss in Israel immer grössere Wellen. Verschiedene Minister gehen über die normalen Drohungen hinaus und verlangen die Annektierung der West Bank. Das dürfte allerdings angesichts der erst kürzlich verabschiedeten UN-Resolution gegen die Annexion der Krim von Russland auf keinen Zuspruch in der internationalen Gemeinschaft stossen. Interessant ist aber die Reaktion der amerikanischen UN-Botschafterin Samantha Power:

"Wir werden uns jeglichem Versuch der Palästinenser ihren Status bei der UN auszuweiten entgegenstellen".
"Sollten die Palästinenser zum Internationalen Strafgerichtshof gehen, wird das eine profunde Bedrohung für Israel und verheerend für den Friedensprozess sein."



Und die Welt glaubt tatsächlich noch daran dass die USA ein neutraler Vermittler in diesem "Friedensprozess" sind??

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