Freitag, 18. April 2014

Türkei`s Rolle in Syrien

Das die Türkei auf der Seite der syrischen Opposition steht ist nichts Neues. Auch nicht, dass die Türkei die Rebellen unterstützt. Wie diese Unterstützung allerdings im Detail aussieht, kann man so genau nicht beantworten da vieles davon im Verborgenen geschieht. Aufgrund dessen dass die Türkei das wichtigste logistische HUB für die Rebellen im Norden Syriens ist, wo die von "Rebellen" (viel mehr sind es wahhabitische Extremisten) gehaltenen Landstriche eingepfercht zwischen der Türkei und von Syriens Staatsmacht (oder kurdisch-) kontrollierten Gebiete liegen, muss eigentlich jedermann klar sein, dass Waffen, Munition, Lebensmittel und Kämpfer NUR über die Türkei hineingeschleust werden können.


Dann tauchen bei den "guten Rebellen" plötzlich US-Waffen des Typs BGM-71 TOW (Panzerabwehrsysteme) auf, die über Strohfirmen des amerikanischen, britischen und türkischen Geheimdienstes nach Syrien gebracht wurden. Diese Strohfirmen werden benötigt, da US-Waffen nach geltenden amerikanischen Gesetzen nicht direkt von den USA an "feindliche Nationen" verkauft oder geliefert werden dürfen. Erinnerungen an den "Iran-Contra-Skandal" werden wach, als in den 1980er Jahren die Amerikaner genau solche Raketen aus Israel`s US-Lagerbeständen in den Iran verkauft haben, um mit den Erlösen dieses Geschäfts die "Contras-Rebellen" in Nicaragua zu finanzieren.

Die Frage ist nun woher diese US-Waffen gekommen sind, die sich nun in den Händen der "guten Rebellen" befinden. Die Huffington Post berichtet über einen Vorfall vom 6. März 2014, wonach eine bisher äusserst glaubwürdige Quelle davon berichtete, wie 7 Vans aus der Richtung des türkischen Hattay einen Grenzübergang überquert haben, der unter der Kontrolle der Rebellen der Islamischen Front steht. Diese Vans, die diese BGM-71 TOW`s transportiert haben sollen, wurden von den Rebellen einfach durchgewunken und tauchten dann nur kurze Zeit später auf dem Schlachtfeld von Aleppo auf. Dennoch bleibt die Frage offen, WOHER diese Waffen kamen.

Diese Frage beantwortete der legendäre Journalist Seymour Hersh in einem Artikel mit dem Titel: "The Red Line and The Rat Line" (Die rote Linie und die Rattenlinie)
Nach Hersh`s Darstellung, sollen diese Waffen aus libyschen Beständen stammen (was schon seit längerem behauptet wird) die über diese "Rattenlinie" - ein Begriff aus den CIA-Jargon - zuerst in die Türkei transportiert wurden, um dann anschliessend in die Hände der "guten Rebellen" zu gelangen. Diese vetrackte Operation sollte von der CIA überwacht werden, mit diplomatischer Rückendeckung des US-Konsulats in Benghazi. Der direkte CIA-Bezug fand ein abruptes Ende, als dieses "Konsulat" am 11.09.2012 angegriffen wurde und der Top-Diplomat vor Ort, Christopher Stevens, dabei ums Leben kam. Hersh`s Quellen berichten, dass dieses Konsulat keine "wirklich politische Rolle" spielte und mehr CIA-Agenten als Diplomaten oder diplomatische Angestellte beherbergte. "Die einzige Mission des Konsulats war es, die Waffenlieferungen zu decken", zitiert Hersh seine Quelle weiter. Für die Finanzierung dieser "Rattenlinie" sollen die Türkei, Qatar und Saudi Arabien aufgekommen sein.

Das war der, sagen wir mal gemütlichere Teil des Berichts von "Sy" Hersh, der sich an dem geheimen Anhang des Untersuchungsberichts zum Angriff auf das "Konsulat" von Benghazi hält, und der in den Medien eigentlich so gut wie gar nicht kommentiert wird.
Für riesigen Wirbel sorgte allerdings der Teil seines Berichts, in dem er behauptet, dass der Giftgasanschlag vom 21.08.2013 im Damaszener Vorort Ghouta von der Türkei beauftragt wurde um die USA endlich in den Krieg zu bringen. Wie wir alle wissen stand die Welt kurz vor einem erneuten Angriff der USA auf ein arabisches Land und wurde effektiv im allerletzten Moment abgeblasen. Noch am 27.08.13 standen sämtliche Anzeichen auf Angriff, als ich meinen Bericht "Tomahawks statt Friedenskonferenz für Syrien" schrieb.
Wir wussten auch, dass der türkische Ministerpräsident Erdogan den ganzen Frühling des Jahres 2013 dazu nutzte, um Druck auf Washington auszuüben um endlich loszuschlagen. Er war sogar am 16. Mai zu Besuch im Weissen Haus wo das Hauptthema Syrien war. Doch was wir natürlich nicht wussten war das, was hinter den Türen und abseits des protokollarischen Events gesagt wurde.
Beim abschliessenden Dinner waren US-Präsident Barack Obama, Aussenminister John Kerry und Tom Donilon, der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten anwesend, sowie Recep Tayyip Erdogan, sein Aussenminister Ahmet Davutoglu und Hakan Fidan, der Chef des MIT-Geheimdienstes auf der türkischen Seite. Schon die Tatsache das Hakan Fidan in dieser vertraulichen Runde dabei war, wurde von türkischen Medien als "aussergewöhnlich" bezeichnet.
                                                                                                                                                                                 

Tom Donilon war es Hersh zufolge, der erzählt hat wie Erdogan "mit dem Finger vor Obama fuchtelte" und ihn anschrie, dass "seine rote Linie überschritten" wurde. Obama soll dann auf den türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan gezeigt haben und meinte dann: "Wir wissen was ihr mit den Radikalen in Syrien macht!"
Das grosse Problem für Erdogan war es, dass sein Plan mit dem Sturz von Bashir al-Assad und Syrien als eine Art Klientenstaat der Türkei, ähnlich wie es während des Osmanischen Reiches war, immer mehr zu einem Wunschdenken verfiel. Auf dem Schlachtfeld in Syrien gewannen die syrischen Truppen wieder Boden, Assad selbst stieg in der Gunst der Syrer wieder auf nachdem es den Menschen allmählich dämmerte, dass die Rebellen nicht für eine säkulare Demokratie kämpften, sondern für einen wahhabitisch inspirierten Gottesstaat à la Saudi Arabien. Diese wahhabitischen Extremisten schreckten dann auch nicht davor zurück, mit Mittelalterlichen Foltermethoden eine Schreckensherrschaft über das von ihnen kontrollierte Gebiet zu erstellen, um die Menschen in Schach zu halten nachdem die anfängliche Unterstützung der eroberten Bevölkerung, die sie sich durch Sozialleistungen wie Bäckereien und medizinische Versorgung erkauft haben, immer mehr zu bröckeln anfing.
Als dann nach dem Angriff auf das angebliche US-Konsulat in Benghazi Obama die CIA von diesem "Joint-Venture" mit den Geheimdiensten der Briten und Türken abzog, weil es politisch höchst unangenehm für die Obama-Administration und insbesondere für seine damalige Aussenministerin Hillary Rodham Clinton wurde, die man beschuldigte die wahren Ursachen für diesen Angriff zu vertuschen (zuerst behauptete sie dass das Aussenministerium nichts von diesem Angriff im Vorfeld gewusst hat, dann versuchte sie den Angriff als einen Al-Qaeda Terroranschlag aufgrund des 11. Jahrentages von 9/11 zu verkaufen; was sich beides als Lüge entpuppte), fiel für Erdogan eine seiner wichtigsten Bauteile zur Bewaffnung der Rebellen aus. Und das nach nur ein paar Monaten der operativen Tätigkeit der "Rattenlinie", die im Frühjar 2012 zwischen Obama, Erdogan, Prinz Bandar bin Sultan und einem qatarischen Vertreter (Name nicht bekannt) ins Leben gerufen wurde.


Ein weiteres pikantes Detail das Seymour Hersh aufdeckte war die Person die die ganze Operation auf Seiten der USA geleitet hatte: David Petraeus.
Ausgerechnet der grösste amerikanische Held seit dem Zweiten Weltkrieg und der bereits sogar als möglicher US-Präsident gehandelt wurde. David Petraeus, der hochdekorierte General und der Mann, der den Irak während der brutalsten Zeit des Bürgerkriegs im Jahr 2006/2007 mit seiner neuen Taktik stabilisierte (aus der Sicht der USA wohlgemerkt) und im Jahr 2011 unerwartet auf den Posten des CIA-Direktors berufen wurde, um ihn womöglich für ein politisches Amt vorzubereiten.
Das dann Petraeus, als Direktor des mächtigen Geheimdienstes CIA, die direkte Führung dieser "Rattenlinie" übernahm, verdeutlicht nur allzu deutlich das dreckige Geschäft mit der Bewaffnung der syrischen "Rebellen". Dann kam der 11.09.2012, die Attacke in Benghazi, und 2 Monate danach (am 9.11.2012) tritt CIA-Direktor Petraeus angeblich wegen einer Liebelei zurück? Na ja.....

Hier hört die Story aber nicht auf, im Gegenteil. In Hersh`s Bericht wird ein Geheimdienstberater zitiert, der einen hochexplosiven Bericht gelesen haben will der für Stabchef der US-Army Martin Dempsey und Verteidigungsminister Chuck Hagel verfasst gewesen sein soll. Diese Analyse soll "einige Wochen vor dem 21. August" stammen, und über die "akute Angst" der Erdogan Regierung aufgrund der schlechten Resultate der "Rebellen" in Syrien berichtet haben. Weiter soll diese Analyse gewarnt haben, dass "die türkische Führung die Notwendigkeit geäussert hat, etwas zu tun was eine militärische US-Antwort nach sich ziehen würde".
Und glaubt man den Quellen von Hersh, sahen sie in dem Giftgasanschlag vom 21. August die Bestätigung ihrer geheimdienstlichen Analyse die sie nur ein paar Wochen zuvor dem Verteidigungsminister und Stabchef vorgelegt haben.

Wo sich zuvor unsere Medien über die "Rattenlinie" aus Hersh`s Bericht ausgeschwiegen haben, stürzen sie sich natürlich auf den Teil mit der Türkei als Drahtzieher des Anschlags. Und während sich sogar Focus Online, das ansonsten eine eindeutige anti-Assad Berichterstattung geliefert hat, relativ neutral in dieser Frage verhält und sogar die Meinung eines Experten zulässt der den Artikel von Seymour Hersh als "überzeugend" bezeichnet, ging die Frankfurter Rundschau sozusagen auf Konfrontationskurs mit Hersh.

Der Artikel "Wer setzte in Syrien das Giftgas Sarin ein?" versucht die Quellen und Schlussfolgerungen von Hersh zu demontieren indem er seine seine "dünnen Beweise", "nicht identifizierbare Quellen" oder das "fehlen von harten Belegen" anprangert.
Allerdings bietet der Autor dieses Artikels selbst keinen einzigen Gegenbeweis, sondern arbeitet nur rhetorischen Gegenfragen und Behauptungen, die ebenfalls nicht zutreffend sind. Ich werde nur auf drei Punkte eingehen, die meiner Meinung nach extrem wichtig sind um diesen Artikel als das zu entlarven was es ist: Propaganda.

1. Im Artikel heisst es, "So schreibt er, dass Al-Nusra-Leute im Frühjahr 2013 in der Türkei „mit zwei Kilo Sarin“ verhaftet worden seien. Das trifft nicht zu. Die Islamisten hatten zwar versucht, Chemikalien zur Produktion von Sarin zu erwerben, doch sie wurden dabei von der türkischen Polizei dingfest gemacht".
- Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Die Islamisten wie es da so schön heisst, sind wahhabitische Extremisten der Jahbat al-Nusra gewesen und planten einen Anschlag in der Türkei. In ihren Wohnungen wurden tatsächlich 2kg Sarin gefunden. Auch der US-Militärgeheimdienst verfügte über Beweise, dass die Jabhat al-Nusra in der Türkei Saringas von Al-Qaeda aus dem Irak erhalten hat. Zudem warnte der Iran die Amerikaner bereits seit dem Sommer 2012 davor, dass die syrischen "Rebellen" in den Besitz von chemischen Waffen gekommen sind (siehe mein Bericht vom 13.09.13).

2. Im Artikel heisst es weiter, "Die Menge der Chemikalien auf ihrer Einkaufsliste hätte ohnehin nur für die Herstellung von wenigen Kilo Sarin gereicht. Das Inferno von Ghuta wurde aber nach Einschätzung internationaler Waffenexperten durch etwa eine Tonne des Kampfstoffs verursacht."
- Eine Tonne? Mit welcher Art von Trägersystem hätten 1000kg! des Kampfstoffs transportiert werden sollen? Nur zum Vergleich: ein moderner Tomahawk Marschflugkörper kann nur etwa 500kg an Sprengstoff transportieren, für grössere Mengen an Sprengstoff in einer Bombe müssen schwere Jagdbomber wie die B1, B2 oder B52 ran (auch die F15, F15 und F35 können einzelne 1000kg Bomben tragen). Ausserdem lässt diese Behauptung den wichtigsten Aspekt ausser Acht, nämlich die UN-Untersuchung dieses Giftgasangriffs. Dort heisst es ganz klar auf Seite 21, dass die verwendete Trägerrakete über einem Sprengkopf mit einer "liquiden Kapazität" von etwa 5kg Saringas verfügte. 5kg ist dann doch was ganz anderes als die eine Tonne die von der Frankfurter Rundschau angeführt wird. Der andere Aspekt ist der, dass dieser Artikel den Anschein erwecken will, dass die "Rebellen" gar nicht über solche chemischen Kampfstoffe verfügen können, weil die Produktion aufwendig und ohne entsprechendes Know How gar nicht möglich ist.
Aber auch da wird ein weiterer UN-Bericht schlichtweg ignoriert, nämlich der Abschlussbericht zu den Giftgasanschlägen in Syrien vom Dezember 2013. Nimmt man sich die Mühe und liest diesen UN-Abschlussbericht durch, wird man mit unangenehmen Tatsachen konfrontiert. Ein ähnlicher Angriff wie der von Ghouta fand am 19.03.13 in Khan al-Asal statt, wo ebenfalls eine Rakete mit Saringas 300 Meter neben den Stellungen der syrischen Armee einschlug und für Opfer bei Soldaten und Zivilisten sorgte. Weitere Angriffe fanden am 22.08.13, am 24.08.13 und am 25.08.13 statt, bei denen jeweils die Ziele syrische Soldaten waren.

3. Der Bericht geht mit keinster Silbe auf den Skandal ein, den sich die türkische Führung ein weiteres Mal geleistet hat. Die Rede ist von dem auf YouTube veröffentlichten Gespräch zwischen Ahmet Davutoglu, Hakan Fidan (den beiden Herren die an der illustren Runde in Washington teilnahmen) und dem Stabchef sowie dem Vize-Aussenminister. Hakan Fidan schlägt vor, eine "False Flag" Attacke auf die Türkei zu organisieren, um so eine Rechtfertigung für einen türkischen Angriff auf Syrien zu habe. Auf gut deutsch: einen Krieg auf Basis eines inszenierten Vorfalls vom Zaun zu brechen.

Angesichts dieser Tatsachen kann man von dem Bericht von Seymour Hersh halten was man mag, man muss kein Freund von investigativem Journalismus sein, der es nun mal an sich hat dass die Quellen nicht genannt werden können. Aber nur deswegen diesen Bericht komplett von der Hand zu weisen und sämtliche andere Merkmale der türkischen Rolle gutzureden, wäre angesichts der Tragweite für Syrien, aber auch für die gesamte Region, äusserst fatal.

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